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SCHEMBART BÜCHER WERFEN FRAGEN AUF

JOHANNES POMMERANZ

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Cui bono?

Schembart bücher werfen Fragen auf

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Die »fünfte Jahreszeit« begeistert Menschen weltweit.

In Mitteleuropa lassen sich Fastnachtsbräuche bis ins Mittelalter zurückverfolgen. Umzüge und Tänze stell­

ten die Höhepunkte des christlichen Fests dar [Abb. 50].

Die Reichsstadt Nürnberg war im Spätmittelalter eine Hochburg derart bunten Treibens, und der sogenannte Schembartlauf galt als Hauptattraktion der Session:

Maskiert und bewaffnet, proviantiert und kostümiert zog dabei eine Horde von Männern lärmend durch die engen Gassen der Altstadt. Vor allem dem Stadtrecht zuzurechnende Ratserlässe und Schembartbücher geben uns heute eine Vorstellung vom Fastnachtstrei­

ben aus vergangenen Zeiten. Gemäß diesen Lesehilfen für die tollen Nürnberger Tage fand der Schembart­

lauf in Nürnberg zwischen 1449 und 1524/39 statt.

Älter ist nur der Metzgertanz. Einer Legende zufolge

geht diese Faschingsveranstaltung auf ein Privileg zurück, das den Metzgern von Kaiser Karl IV. gewährt wurde, weil sie sich 1348/49 als einziges Gewerk nicht am Handwerkeraufstand beteiligt hatten. Eine deut­

liche Zäsur fand erst 1525 statt, als auf Beschluss des Rates die Reformation eingeführt wurde.

Der Aufbau der reich illustrierten Schembartbücher ist sich sehr ähnlich. In Wort und Bild werden die Kostümierungen der Schembartläufer, die Namen der Hauptleute samt ihren Wappen, die Anzahl der Läufer und die Höhe der von den Patriziern an die Metzger geleistete Abschlagszahlung festgehalten. Die Abtre­

tung des Rechts den Schembartlauf durchzuführen, ließen sie sich nämlich teuer bezahlen. Da der Umsatz der Metzger während der Fastenzeit stark zurückging, halfen ihnen diese Einnahmen, besser über den Win­

ter zu kommen. Leicht dürfte ihnen die Entscheidung nicht gefallen sein. Zwar waren die Metzger mit dem sogenannten Zämertanz in der Nürnberger Fastnacht weiterhin präsent, der Schembartlauf aber war un­

gleich prestigeträchtiger. Weiter finden sich in den Handschriften Darstellungen der als »Hölle« bezeich­

neten Festwagen, die ab 1475 auf Kufen oder Rädern mitgeführt wurden [Abb. 51].

Abb.

50

Nüsse werfender Reiter.

In: Schembartbuch, Nürnberg, 1601–1650, fol. 1. GNM, Merkel Hs 2° 861, Leihgabe Paul Wolfgang Merkel- sche Familienstiftung (Kat.Nr. 63h)

Originalveröffentlichung in: Großmann, G. Ulrich (Hrsg.): Abenteuer Forschung: Ausstellung im Germanischen Nationalmuseum, Nürnberg, vom 27. Juni 2019 bis 6. Januar 2020. Nürnberg 2019. S. 103-105. (Ausstellungskataloge des Germanischen Nationalmuseums, Nürnberg).

(2)

Der Jahresrhythmus der Einträge weist die Schem­

bartbücher als der Buchgattung »Chronik« zugehörig aus, in der seit alters schriftlich Ereignisse der Vergan­

genheit nach der Zeitfolge festgehalten wurden. Einen eigenen Typus innerhalb der Gattung entwickelte sich im Mittelalter mit den Städtechroniken. Schembart­

bücher sind als Subtyp Nürnberger Chroniken anzu­

sehen, die in großer Zahl überliefert sind. Wie bei ihrem großen Bruder gehen dem annalistisch gereih­

ten Festbericht häufig Vorreden voraus. Auch der Um­

stand, dass Schembartbücher gemeinsam mit Nürn­

berger Chroniken eingebunden wurden, zeugt von enger Verwandtschaft. Und gelegentlich finden sich in Schembartbüchern Notizen zur Nürnberger Geschich­

te, die nichts mit Fastnacht, aber viel mit anderen bemerkenswerten Ereignissen der Stadt zu tun haben.

In der Bibliothek des Germanischen Nationalmu­

seums hat sich knapp ein Viertel der rund 80 weltweit bekannten Schembartbücher erhalten. Sie sollen ei­

nem künftigen Forschungsprojekt zur Nürnberger Fastnachtstradition als Ausgangspunkt dienen. Denn obwohl man über den Chroniktyp bereits vieles weiß, weiß man vieles nicht: Wie verhält es sich beispiels­

weise mit dem Dokumentationswert der in der Regel erst Jahrzehnte später und somit aus weiter zeitlicher

Distanz zum historischen Geschehen in Auftrag gege­

benen Bücher? Auch ist das vermeintlich Gleiche nicht gleich, denn tatsächlich ist die künstlerische Ausführung der Zeichnungen qualitativ sehr unter­

schiedlich. Warum ließen sich die Metzger 100 Jahre Zeit, bevor ihr Zämertanz von Schembartläufern be­

gleitet wurde? Man weiß auch nicht, wieso der Buch­

typ bis auf eine Ausnahme erst nach 1539 aufkam, dann aber Generationen von Nürnbergern beschäftig­

te. Und man weiß nicht, ob Schem­

bartbücher als Zeugnisse eines städ­

tischen Events ersten Ranges der Memoria eines prestigeträchtigen Ereignisses oder der ausführenden Personen dienten: Das schönste Exemplar des Germanischen Natio­

nalmusuems steht stellvertretend für den Bedeutungsspagat. Es trägt auf dem Einbandspiegel das die Auf­

traggeberschaft suggerierende ge­

malte Wappen der Stadt Nürnberg [Abb. 52]. Heute ist es Eigentum der Freiherrlichen Familie Löffelholz von Colberg Hans Paul’sche Linie.

Abb.

51

Schembartläufer mit Hölle. In: Schembart- buch, Nürnberg, 1551/1600, S. 23/24 (Kat.Nr. 63c)

Abb.

52

Nürnberger Stadtwap- pen. In: Schembart- buch, Nürnberg, 1539–

1564, Einbandspiegel.

GNM, 4°Lö 216, Leih- gabe der Freiherrlich von Loeffelholz’schen Familien-Sammlung, Hans-Paul’sche Linie (Kat.Nr. 63a)

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SCHEMBART BÜCHER WERFEN FRAGEN AUF

»Magna vis est memoriae« (Groß ist die Kraft der Erinnerung) hält der Kirchenlehrer Augustinus in seinen autobiografischen Betrachtungen namens Confessiones (Conf. 10, 15) fest. Für die Weitergabe von Kultur ist sie unerlässlich. In Büchern finden die Erinnerungen an Ereignisse ihr Zuhause für die Ewig­

keit, und für ihre Besitzer werden sie zu einem Be­

standteil eigener Identität, zumindest das ist gewiss.

Literatur

Eckehard Simon: Die Anfänge des weltlichen deutschen Schau- spiels 1370–1530. Untersuchung und Dokumentation, Tübingen 2003. • Hans-Ulrich Roller: Der Nürnberger Schembartlauf.

Studien zum Fest- und Maskenwesen des späten Mittelalters.

Tübingen 1965. • Samuel Leslie Sumberg: The Nuremberg Schembart carnival. New York 1941.

Abb.

53

Schembartmaske, 1.H.19. Jh. (Kat.Nr. 64)

Referenzen

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