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Anwendung von freiheitsentziehenden Maßnahmen bei Pflegebedürftigen

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Bayerisches Ärzteblatt 9/2007 515

Gastkommentar

men. Hierzu soll der Leitfaden des Bayerischen Landespflegeausschusses zum „Verantwor- tungsvollen Umgang mit freiheitsentziehenden Maßnahmen in der Pflege“ Hilfestellung geben.

Dieser richtet sich gleichermaßen an die Be- troffenen, die Angehörigen, die Betreuer, die Pflegekräfte, die Heimleitungen, die Träger von Einrichtungen, die Ärzte und die Justiz.

Nach aktuellen Studien werden fünf bis zehn Prozent aller Heimbewohner in Deutschland gurtfixiert. Darüber hinaus werden bei 20 bis 30 Prozent der Bewohner andere FEM ange- wandt. Schätzungsweise kommen FEM bei einem Viertel aller Heimbewohner Bayerns zum Einsatz.

Angesichts der Risiken und Probleme von FEM muss deren Anwendung in der Pflege immer das letzte Mittel der Wahl sein.

Das Literaturverzeichnis kann beim Ver- fasser angefordert oder im Internet unter www.blaek.de (Ärzteblatt/Literaturhinwei- se) abgerufen werden.

Professor Dr. Andrea Berzlanovich, Institut für Rechtsmedizin der Universität München, Nußbaumstraße 26, 80336 München, und Department für Gericht- liche Medizin Wien, Medizinische Univer- sität Wien, Sensengasse 2, 1090 Wien/

Österreich

Professor Dr. Wolfgang Keil und Dr. Jutta Schöpfer, beide Institut für Rechtsmedizin der Universität München, Nußbaumstraße 26, 80336 München Alternativen einschließlich eines höheren pfle-

gerischen Betreuungs- und Beaufsichtigungs- aufwandes und erst nach interdisziplinärer Beratung eingesetzt werden. Dabei muss die schonendste und am wenigsten in die Freiheit des Betroffenen eingreifende FEM zur Anwen- dung kommen. Die Dauer der Maßnahme soll begrenzt sein, ihre Notwendigkeit muss in kurzen zeitlichen Abständen überprüft und der Einsatz sorgfältig dokumentiert werden.

In der Pflege werden am häufigsten mecha- nische Fixierungen (Bettgitter, Gurtsysteme, Vorsatztische, usw.) eingesetzt. Diese gehen nicht nur mit dem Verlust von Freiheit, Auto- nomie und sozialen Bezügen der Bewohner/

Patienten einher, sondern können bei regel- mäßigem und dauerhaftem Einsatz erhebliche gesundheitliche Komplikationen bei den Be- troffenen – wie Entzündungen, Infektionen, Decubiti, Thrombosen – hervorrufen. Die Immo- bilisation führt darüber hinaus häufig zu Stress und geistigem Abbau (Dekonditionierung).

Im Rahmen von mechanischen Fixierungen können auch Verletzungen (Weichteilquet- schungen, Nervenschädigungen, Frakturen), Muskelatrophien und sogar gewaltsame Todes- fälle auftreten. Fixierungen können, wenn sie fehlerhaft angelegt werden, durch Strangula- tion, Hals- und Brustkorbkompression zum Tod der Betroffenen führen. Wenn Bewohner/Pa- tienten nicht engmaschig beobachtet werden, können in seltenen Fällen sogar sachgerecht angebrachte mechanische Fixierungen tödliche Folgen haben.

Von medizinischer Seite ist deshalb unbedingt die Abklärung der Ursachen der vorliegenden Sturzgefahr oder Unruhezustände vorzuneh- Man spricht von FEM, wenn Heimbewohner/

Patienten gegen ihren natürlichen Willen durch mechanische Vorrichtungen oder auf andere Weise in ihrer Bewegungsfreiheit beeinträch- tigt werden und sie diese Beeinträchtigung nicht ohne fremde Hilfe überwinden können.

Der Begriff FEM umfasst auch Fixierungen, un- terbringungsähnliche und freiheitseinschrän- kende Maßnahmen. FEM sind grundsätzlich alle Vorkehrungen, die die Betroffenen daran hin- dern sollen, ihren Aufenthaltsort zu verändern.

Derartige Maßnahmen dürfen nur dann in Be- tracht gezogen werden, wenn

Q Bewohner/Patienten sich selbst oder andere erheblich gefährden,

Q Bewegungs- oder Haltungsstörungen vor- liegen, bei denen mit Sturzgefahr zu rech- nen ist,

Q eine notwendige medizinische Behandlung (zum Beispiel eine Infusionstherapie) durch motorische Unruhe verhindert wird oder Q der Gesundheitszustand (zum Beispiel nach

einer Fraktur) eine übermäßige motorische Unruhe nicht zulässt.

Hierbei handelt es sich nicht um zwingende Indikationen, sondern lediglich um Zustände, bei denen aus juristischer Sicht eine FEM vor- genommen werden darf.

Können die Risikofaktoren nicht ausgeräumt bzw. minimiert werden, dürfen FEM nur nach Ausschöpfung aller zur Verfügung stehender

Anwendung von freiheitsentziehenden Maßnahmen bei Pflegebedürftigen

Professor Dr. Andrea Berzlanovich

Dr. Jutta Schöpfer Professor Dr.

Wolfgang Keil

Die Einschränkung der Bewegungsfreiheit von dementen und psychisch kranken Menschen ist in Alten- und Pflegeheimen sowie auch in Kran- kenhäusern noch immer ein unerlässlicher Bestandteil des Pflegeall- tages. Vielen Ärzten und Pflegekräften ist nicht ausreichend bewusst, dass die Anwendung freiheitsentziehender Maßnahmen (FEM) einen schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte Pflegebedürftiger und da- mit auch eine Form der Gewalt darstellt.

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