Institut f¨ur Analysis Dr. Christoph Schmoeger M.Sc. Yonas Mesfun
SS 2020 02.07.2020
H¨ ohere Mathematik II f¨ ur die Fachrichtung Physik
11. ¨Ubungsblatt
Aufgabe 63 ( ¨Ubung)
a) Es seiF0 :={(x, y, z)∈R3:x2+y2+z2 = 1, z ≥
√3
2 }. Berechnen Sie das Oberfl¨achenintegral Z
F0
|x|dσ.
b) Es seienγ: [0,2π]→R2, γ(t) = (rcos(t), rsin(t)) f¨ur einr >0,G:={(x, y)∈R2: x2+y2 <
r} und ϕ: R2 →R, ϕ(x, y) = e−12(x2+y2). Berechnen Sie Z
G
4ϕ(x, y) d(x, y) mit Hilfe des Divergenzsatzes (Satz 21.2).
Hinweis: Es gilt4ϕ= div(∇ϕ).
L¨osungsvorschlag:
a) Die MengeF0 beschreibt die Oberfl¨ache eines Kugelsegments. Definieren wir U :={(x, y)∈ R2:x2+y2 <1} und
f: U →R, f(x, y) =p
1−x2−y2, so ist f ∈C1(U,R) und daher
g: U →R3, g(x, y) = (x, y, f(x, y))
eine regul¨are Parametrisierung des Fl¨achenst¨ucksF :=g(U) = {(x, y, z)∈R3: x2+y2+z2 = 1, z > 0} (vgl. S.133, Skript). Die Ableitung von g ist gegeben durch
g0(x, y) =
gx(x, y) gy(x, y)
=
1 0
0 1
−f(x,y)x −f(x,y)−y
und daher
n(g(x, y)) =gx(x, y)×gy(x, y) = (−fx(x, y),−fy(x, y),1) = (f(x, y))−1(x, y, f(x, y)),
kn(g(x, y))k2 = (f(x, y))−2[x2+y2+f(x, y)2] = (f(x, y))−2
f¨ur alle (x, y)∈ U. Definieren wir B :={(x, y)∈ R2: x2+y2 ≤ 14}, so ist B ⊆R2 kompakt und messbar und wir sehen schnell ein, dassF0 =g(B) gilt. Daher ist
Z
F0
|x|dσ = Z
B
|g1(x, y)| · kn(g(x, y))kd(x, y) = Z
B
|x| ·(f(x, y))−1d(x, y)
= Z
B
|x|
p1−x2−y2 d(x, y) = Z 2π
0
Z 12
0
r2|cos(ϕ)|
√1−r2 dr
! dϕ,
wobei wir im letzten Schritt in Polarkoordinaten transformiert haben. Wir bestimmen nun das innere Integral mittels partieller Integration:
Z 12
0
√ r
1−r2 ·rdr=−√
1−r2r
1 2
0 + Z 12
0
√1−r2dr=−
√3 4 +
Z arcsin(12)
0
cos2(t) dt
=−
√3 4 + 1
2[sin(t) cos(t) +t]
arcsin(12)
0 = 1
2 arcsin 1
2
−
√3 4
!
=1 4
π 3 −
√3 2
!
=:A.
Also ist Z
F0
|x|dσ= Z 2π
0
Z 12
0
r2|cos(ϕ)|
1−r2 dr
!
dϕ=A Z 2π
0
|cos(ϕ)|dϕ
= 4A Z π2
0
cos(ϕ) dϕ= 4A[sin(ϕ)]
π 2
0 = 4A = π
3 −
√3 2
! .
b) Es seien γ: [0,2π] → R2, γ(t) = (rcos(t), rsin(t)) f¨ur ein r > 0, G := {(x, y) ∈ R2: x2 + y2 < r} und ϕ: R2 → R, ϕ(x, y) = e−12(x2+y2). Die Idee besteht darin, 4ϕ = div (∇ϕ) zu schreiben, um dann den Divergenzsatz (Satz 21.2) anzuwenden. Doch bevor wir den Divergenzsatz anwenden k¨onnen, m¨ussen wir noch die nat¨urliche Parametrisierung von γ bestimmen. Es istγ0(t) =r(−sin(t),cos(t)), alsokγ0(t)k=rf¨ur allet∈[0,2π]. Daher ist die Kurvenl¨angenfunktion s: [0,2π] → R, s(t) = rt und somit die nat¨urliche Parametrisierung von γ durch γ0(t) := γ(s−1(t)) =γ(rt), t ∈[0,2πr] gegeben. Nach dem Divergenzsatz (Satz 21.2) gilt
Z
G
4ϕd(x, y) = Z
G
div (∇ϕ) d(x, y)21.2= Z
γ0
∇ϕ·Nds.
Wir berechnen nun das Kurvenintegral auf der rechten Seite der obigen Gleichung. Es ist γ00(t) = (−sin(tr),cos(rt)) f¨ur alle t ∈ [0,2π], also N(γ0(t)) = (cos(rt),sin(tr)) = 1rγ0(t) f¨ur alle t∈[0,2πr]. Weiterhin gilt ∇ϕ(x, y) = −ϕ(x, y)·(x, y) f¨ur alle (x, y)∈R2. Es folgt
Z
G
4ϕd(x, y) = Z
γ0
∇ϕ·Nds = 1 r
Z 2πr 0
∇ϕ(γ0(t))·γ0(t) dt
=1 r
Z 2πr 0
−ϕ(γ0(t))γ0(t)·γ0(t) dt
=− 1 re−12r2
Z 2πr 0
kγ0(t)k2
| {z }
=r2
dt=−2πr2e−12r2.
Aufgabe 64 (Tutorium)
Es sei f: R2 →R, f(x, y) = 1−x2−y2 und
F0 :={(x, y, f(x, y))∈R3: x, y ∈R} ∩ {(x, y, z)∈R3: z ≥0}.
Weiterhin sei das Vektorfeld v: R3 → R3, v(x, y, z) = (x, y,−2z) gegeben. Berechnen Sie das Oberfl¨achenintegral
Z
F0
v· do a) direkt und
b) mit Hilfe des Integralsatzes von Stokes.
L¨osungsvorschlag:
a) Es sei U :=R2 und
g: U →R3, g(x, y) = (x, y, f(x, y)),
wobei wie in der Aufgabenstellung f: R2 → R, f(x, y) = 1−x2 −y2. Dann ist g injektiv und g ∈C1(U,R3) mit Ableitung
g0(x, y) =
∂xg(x, y) ∂yg(x, y)
=
1 0
0 1
−2x −2y
, (x, y)∈U,
und damit rg(g0(x, y)) = 2 f¨ur alle (x, y)∈U. Also ist F :=g(U) ein regul¨ares Fl¨achenst¨uck imR3 (sogar in expliziter Darstellung). Weiter ist
n(g(x, y)) =∂xg(x, y)×∂yg(x, y)
=(1,0,−2x)×(0,1,−2y) = (2x,2y,1) f¨ur alle (x, y)∈U. Seien nun
G:={(x, y)∈U: x2+y2 <1}
die zweidimensionale Einheitskugel mit Mittelpunkt 0∈U und F0 :=g(G). Dann ist Z
F0
v · dσ :=
Z
G
v(g(x, y))·n(g(x, y)) d(x, y)
= Z
G
(x, y,−2(1−x2−y2))·(2x,2y,1) d(x, y)
= Z
G
4(x2+y2)−2 d(x, y)
= Z 2π
0
Z 1 0
(4r2 −2)·rdr
dϕ
= Z 2π
0
r4−r2r=1 r=0 dϕ=
Z 2π 0
0 dϕ= 0,
wobei wir in der obigen Rechnung in Polarkoordinaten transformiert haben.
b) Um den Integralsatz von Stokes anwenden zu k¨onnen, wollen wir ein Vektorfeldw∈C1(R3,R3) finden mit rot w=v, d.h., mit
∂2w3−∂3w2
∂3w1−∂1w3
∂1w2−∂2w1
=
x y
−2z
. (∗)
Um die Suche nach einer L¨osung von (∗) zu vereinfachen, nehmen wir an, dass eine Kom- ponentenfunktion von w null ist. Wir nehmenw3 ≡ 0 an (w1 ≡0 oder w2 ≡0 ginge auch).
Dann vereinfacht sich obiges Gleichungssystem zu
−∂3w2
∂3w1
∂1w2−∂2w1
=
x y
−2z
.
Aus−∂3w2 =xbzw. ∂3w1 =y erhalten wir w2 =−xz+c2(x, y) und w1 =yz+c1(x, y) mit von x und y abh¨angigen
”Konstanten“ c1 und c2. W¨ahlen wir c1 = c2 ≡ 0, so ist auch die dritte Gleichung∂1w2−∂2w1 =−2z erf¨ullt. Damit ist
w(x, y, z) = (yz,−xz,0), (x, y, z)∈R3
eine L¨osung von (∗) (man beachte, dass die L¨osung von (∗) nicht eindeutig ist: Aus Satz 19.25 folgt aber, dass jede L¨osung we von (∗) von der Form w+∇h mit einem Potential h∈C2(R3,R) ist).
Seien G, g und F0 = g(G) wie in Aufgabenteil a). Dann liegt G
”links“ von der doppel- punktfreien Kurve
γ: [0,2π]→R2, γ(t) = (cos(t),sin(t)),
und es gilt Spur(γ) = ∂G(= {(x, y) ∈ R2: x2 +y2 = 1}). Setzen wir Γ := g ◦ γ, so ist Spur(Γ) =∂F0 und Γ(t) =g(γ(t)) = (cos(t),sin(t),1−cos2(t)−sin2(t)) = (cos(t),sin(t),0) f¨ur allet ∈[0,2π], womit auch w(Γ(t)) = 0 f¨ur alle t∈[0,2π] ist. Aus dem Integralsatz von Stokes (Satz 21.3) folgt damit
Z
F0
v· dσ = Z
F0
rot w· dσ = Z
Γ
wd(x, y, z) = Z 2π
0
w(Γ(t))·Γ0(t) dt
= Z 2π
0
0·Γ0(t) dt= 0.
Aufgabe 65 ( ¨Ubung)
Es sei K := Z∩E der Schnitt des Zylinders Z := {(x, y, z) ∈ R3: x2 +y2 = 1} mit der Ebene E :={(x, y, z)∈R3:x+y+z = 0}.
a) Bestimmen Sie eine doppelpunktfreie Kurve Γ, sodass Spur(Γ) =K.
b) Sei Γ eine Kurve wie in a). Bestimmen Sie das Kurvenintegral Z
Γ
(−y3, x3, z)· d(x, y, z) (i) direkt und
(ii) mit Hilfe des Integralsatzes von Stokes.
L¨osungsvorschlag:
a) Man macht sich schnell klar, dass
Z ={(cos(t),sin(t), z)∈R3: t∈[0,2π], z∈R}, E ={(x, y,−x−y)∈R3: x, y ∈R}
gilt und somit
K =Z ∩E ={(cos(t),sin(t),−cos(t)−sin(t))∈R3:t ∈[0,2π]}.
Definieren wir nun
Γ : [0,2π]→C, Γ(t)) = (cos(t),sin(t),−cos(t)−sin(t)), so ist Γ eine doppelpunktfreie Kurve, die Spur(Γ) =K erf¨ullt.
b) Sei v: R3 → R3, v(x, y, z) = (−y3, x3, z) das (stetig differenzierbare) Vektorfeld aus der Aufgabenstellung.
(i) Sei Γ so wie in Aufgabenteil a). Nach der Definition des Kurvenintegrals f¨ur Vektorfelder ist dann
Z
Γ
v(x, y, z)· d(x, y, z) = Z 2π
0
v(Γ(t))·Γ0(t) dt
= Z 2π
0
−sin3(t) cos3(t)
−cos(t)−sin(t)
·
−sin(t) cos(t) sin(t)−cos(t)
dt
= Z 2π
0
sin4(t) + cos4(t) + cos2(t)−sin2(t) dt
(∗)= Z 2π
0
2 cos4(t) dt54 c)= 2·2·I4 = 4·3 8π = 3
2π,
wobei wir in (∗) die Identit¨at sin2(t) + cos2(t) = 1 verwendet haben (setzen wir n¨amlich u= cos2, so ist sin4+ cos4+ cos2−sin2 = (1−u)2+u2+u−(1−u) = 2u2) und
I4 :=
Z π2
−π2
cos4(t) dt= Z π
0
cos4(t) dt
das bestimmte Integral ist, welches wir in Aufgabe 54 c) bereits berechnet haben.
(ii) Wir wollen den Satz von Stokes anwenden: Hierf¨ur definieren wir zun¨achstf ∈C1(R2,R) durch f: R2 →R, f(x, y) = −x−y und betrachten
g:R2 →R3, g(x, y) = (x, y, f(x, y)).
Dann ist g injektiv und g ∈C1(R2,R3) mit Ableitung
g0(x, y) =
∂xg(x, y) ∂yg(x, y)
=
1 0
0 1
−1 −1
f¨ur alle (x, y)∈R2,
sodass rgg0(x, y) = 2 f¨ur alle (x, y) ∈ R2 ist. Also ist E = g(R2) ein regul¨ares Fl¨achenst¨uck im R3 (was erwartbar ist, da E eine Ebene im R3 ist). Seien nun
G:={(x, y)∈R2: x2+y2 <1}
die offene zweidimensionale Einheitskugel im R2 mit Mittelpunkt 0 ∈ R2 und E0 :=
g(G)⊆E. Definieren wir
γ: [0,2π]→R2, γ(t) = (cos(t),sin(t)), so sehen wir schnell ein, dass G
”links“ von γ liegt und Γ = g ◦γ gilt. Weiterhin gilt Spur(γ) =∂G und Spur(Γ) =∂E0 =K. Eine kurze Rechnung zeigt
rot v(x, y, z) = rot (−y2, x3, z) = 3(0,0, x2+y2),
n(g(x, y)) =∂xg(x, y)×∂yg(x, y) = (1,0,−1)×(0,1,−1) = (1,1,1)
f¨ur alle (x, y)∈G und z ∈R. Aus dem Integralsatz von Stokes (Satz 21.3) folgt daher Z
Γ
v(x, y, z)· d(x, y, z) = Z
E0
rot v· dσ
= Z
G
rot v(g(x, y))·n(g(x, y)) d(x, y)
= Z
G
3·(0,0, x2+y2)·(1,1,1) d(x, y)
=3 Z
G
x2+y2d(x, y)
(∗)=3 Z 2π
0
Z 1 0
r2·rdr
dϕ
=3 Z 2π
0
r4 4
1
0
dϕ= 3· 1
4·2π = 3 2π,
wobei wir in (∗) in Polarkoordinaten transformiert und anschließend den Satz von Fubini angewendet haben.
Aufgabe 66 (Tutorium)
Untersuchen Sie, in welchen Punkten x+iy ∈ C (x, y ∈ R) die folgenden Funktionen komplex differenzierbar und ob die Funktionen holomorph sind.
a) f1: C→C, f1(x+iy) =xy+ixy, b) f2: C→C, f2(x+iy) =y2sin(x) +iy,
c) f3: C\ {0} →C,f3(x+iy) = xix+y2+y2, d) f4: C→C, f1(x+iy) =|z|2.
L¨osungsvorschlag:
Wir wiederholen zun¨achst folgenden wichtigen Zusammenhang zwischen komplexer und reeller Differenzierbarkeit:
SeiD⊆Coffen undf: D→Ceine Funktion. Wie in der Vorlesung schreiben wir dannf(x+iy) = u(x, y) +iv(x, y), x+iy∈D, mit den reellwertigen Funktionenu: D→Rund v: D→R (wobei wir hierD als Teilmenge des R2 auffassen). Dann ist f genau dann in z0 =x0+iy0 ∈Ckomplex differenzierbar, wenn die Funktionen u und v im Punkt (x0, y0) reell differenzierbar sind und die Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen gelten, d.h., wenn
ux(x0, y0) = vy(x0, y0) und uy(x0, y0) = −vx(x0, y0) gelten.
Schreiben wir also f¨ur fj = uj +ivj f¨ur j = 1, . . . ,4, so sehen wir sofort, dass uj und vj reell differenzierbar sind (dauj undvjpartiell differenzierbar und ihre partiellen Ableitungen stetig sind (vgl. Satz 19.7)). Wenn wir also untersuchen wollen, obfj in einem Punkt komplex differenzierbar ist, m¨ussen wir daher nur ¨uberpr¨ufen, ob die Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen im selben Punkt erf¨ullt sind.
a) Es gilt f1 = u+iv mit u(x, y) = v(x, y) = xy. Die Cauchy-Riemannschen Differentialglei- chungen gelten also im Punktx0 +iy0 genau dann, wenn
y0 =ux(x0, y0) =vy(x0, y0) = x0 und x0 =uy(x0, y0) =−vx(x0, y0) =−y0. Dies ist ¨aquivalent zum Gleichungssystem
x0−y0 = 0, x0+y0 = 0,
das nur die triviale L¨osungx0 =y0 = 0 besitzt (denn Addition der obigen Gleichungen ergibt 2x0 = (x0+y0) + (x0−y0) = 0, woraus x0 = 0 und damit auch y0 = 0 folgt). Daher ist f1
nur im Punkt 0 = 0 +i0∈ C komplex differenzierbar. Insbesondere ist f1 nicht holomorph aufC.
b) Es gilt f2 = u+iv mit u(x, y) = y2sin(x) und v(x, y) = y. Die Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen gelten im Punktx0+iy0 genau dann, wenn
y02cos(x0) = ux(x0, y0) =vy(x0, y0) = 1 und 2y0sin(x0) = uy(x0, y0) = −vx(x0, y0) = 0.
Dies ist ¨aquivalent zum Gleichungssystem
y02cos(x0)−1 = 0 (I) 2y0sin(x0) = 0 (II).
Aus (I) erhalten wir y0 6= 0, was nach (II) sin(x0) = 0 impliziert. Hieraus folgt x0 ∈ πZ :=
{nπ:n ∈Z}. Setzen wirx=nπ,n ∈Z, in (I) ein, erhalten wir die Gleichungy02(−1)n−1 = 0, die nur dann l¨osbar ist, wenn n gerade ist. In diesem Fall ist y0 =±1. Es folgt, dass f2 nur in den Punkten der Menge
{2nπ±i∈C:n ∈Z}
komplex differenzierbar ist. Insbesondere istf2 nicht holomorph aufC.
c) Es gilt f3 = u+iv mit u(x, y) = x2+yy 2 und v(x, y) = x2+yx 2, (x, y) 6= (0,0). Die Cauchy- Riemannschen Differentialgleichungen gelten im Punktx0+iy0 genau dann, wenn
−2x0y0
(x20+y02)2 =ux(x0, y0) = vy(x0, y0) = −2x0y0
(x20+y20)2, (I) x20−y20
(x20+y02)2 =uy(x0, y0) =−vx(x0, y0) = − y02−x20
(x20+y02)2 (II).
Obige Gleichungen sind offensichtlich f¨ur alle (x0, y0)6= (0,0) erf¨ullt. Damit ist f3 in jedem Punktx0+iy0 ∈C komplex differenzierbar. Somit ist auch f3 auf C\{0} holomorph.
d) Es gilt f4 = u +iv mit u(x, y) = x2 + y2 und v(x, y) = 0. Die Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen gelten im Punktx0+iy0 genau dann, wenn
2x0 =ux(x0, y0) = vy(x0, y0) = 0, (I) 2y0 =uy(x0, y0) = −vx(x0, y0) = 0 (II),
also x0 = y0 = 0 ist. Somit ist f4 nur im Punkt 0 = 0 +i0 ∈ C komplex differenzierbar.
Insbesondere ist f4 nicht holomorph auf C(vgl. hierzu auch Aufgabe 67 b)).
Bemerkung: Wir sehen also, dass reelle Differenzierbarkeit und komplexe Differenzierbar- keit zwei verschiedene Paar Schuhe sind. Die Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen f¨uhren dazu, dass nur sehr wenige reell differenzierbare Funktionen auch komplex differenzier- bar oder gar holomorph sind. Wie wir sp¨ater sehen werden, sind es allerdings genau diese Cauchy-Riemannschen Differentiagleichungen, die holomorphen Funktionen weitreichende Eigenschaften verleihen (Cauchysche Integralformel, Analytizit¨at, etc.).
Aufgabe 67 ( ¨Ubung)
a) Untersuchen Sie die folgenden Funktionen f: C→C auf komplexe Differenzierbarkeit bzw.
Holomorphie und geben Sie die Ableitung f0 dort, wo sie existiert, an.
(i) f(z) = zRez, (ii) f(x+iy) = x3−3xy2+i(3x2y−y3).
b) Sei f: C→C holomorph auf C. Zeigen Sie: Ist Ref, Imf oder |f|konstant auf C, so ist f konstant aufC.
L¨osungsvorschlag:
a) (i) Es ist f(z) = (x+iy)·x =x2+ixy f¨ur z =x+iy∈ C. Schreiben wir f =u+iv mit u: R2 →R, u(x, y) =x2 und v: R2 →R, v(x, y) =xy, so stellen wir sofort fest, dass u und v reell differenzierbar sind. Daher ist nach Satz 22.3 f inx0+iy0 ∈C genau dann komplex differenzierbar, falls die Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen gelten, d.h., falls
2x0 =ux(x0, y0) = vy(x0, y0) = x0, 0 =uy(x0, y0) =−vx(x0, y0) = −y0.
Obige Gleichungen sind genau dann erf¨ullt, wenn x0 = y0 = 0 ist. Daher ist f nur im Punkt 0 = 0 +i0 ∈ C komplex differenzierbar und in diesem Punkt gilt f0(0) = ux(0,0)+ivx(0,0) = 0. Die Funktionf ist nicht holomorph aufC(und es kann auch keine offene MengeD⊆C geben, sodass die Einschr¨ankung von f aufD (also f|D:D →C, f|D(z) = f(z)) auf D holomorph ist).
(ii) Es istf =u+iv mit u(x, y) =x3−3xy2 und v(x, y) = 3x2y−y3. Offensichtlich sindu und v reell differenzierbar. Es gilt
ux(x, y) =3x2 −3y2 = 3x2−3y2 =vy(x, y), uy(x, y) =−6xy =−6xy=−vx(x, y)
f¨ur alle (x, y) ∈ R2. Damit erf¨ullen u und v in jedem Punkt (x, y) ∈ R2 die Cauchy- Riemannschen Differentialgleichungen, womitf in jedem Punktz =x+iy∈Ckomplex differenzierbar ist. Die Ableitung ist durch
f0(z) = ux(x, y) +ivx(x, y) = 3x2−3y2−i6xy= 3(x+iy)2 f¨ur alle z=x+iy∈C gegeben. Damit ist auch f auf ganz C holomorph.
Bemerkung: Durch scharfes Hinsehen kann man erkennen, dass f(z) = z3 f¨ur alle z = x+iy∈C gilt. Damit ist nach Satz 22.2 klar, dass f holomorph aufC sein muss.
b) Seien G ⊆ C ein Gebiet und f: G → C holomorph. Wir schreiben f = u +iv mit u = Ref: G→R und v = Imf:G→R.
(1) uist konstant ⇒f ist konstant:
Sei u = Ref konstant. Da f holomorph ist, ist v nach Satz 22.3 auf G reell differen- zierbar. Da ukonstant ist, folgt aus den Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen f¨ur die partiellen Ableitungen von v
vx =−uy = 0 und vy =ux = 0.
Damit gilt v0 = (vx, vy) = (0,0) auf G. Da G ein Gebiet ist, muss v nach Satz 19.16 konstant sein. Aber dann ist auchf =u+iv als Summe zweier konstanter Funktionen konstant.
(2) v ist konstant ⇒ f ist konstant:
Der Fall, dassv = Imf konstant auf G ist, kann analog wie (1) behandelt werden oder auch aus (1) direkt gefolgert werden. Wir wollen letzteres demonstrieren: Sei hierf¨ur
v konstant auf G. Mit f ist dann auch die Funktion g: G → C, g = −if = v −iu holomorph und Reg = v konstant. Nach (1) muss dann g und damit auch f = ig konstant sein.
(3) |f| ist konstant ⇒ f ist konstant:
Sei schließlich |f| konstant, d.h., |f| ≡ c f¨ur eine Konstante c ≥ 0. Ist c = 0, so folgt sofort f ≡ 0, sodass f insbesondere konstant ist. Wir k¨onnen daher annehmen, dass
|f| ≡c6= 0 ist. Dann ist
1
2 u2+v2
= 1
2|f|2 = c2 2,
sodass aus der Kettenregel und den Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen 0 = (uux+vvx)CR= uvy+vvx (I)
0 =uuy +vvy CR= −uvx+vvy (II)
folgt. Definieren wir die Gleichungen (I’) :=v·(I)−u·(II) und (II’) :=u·(I) +v·(II), erhalten wir
0 =v·(uvy +vvx)−u·(−uvx+vvy) = (u2+v2)vx =c2vx (I’), 0 =u·(uvy +vvx) +v·(−uvx+vvy) = (u2 +v2)vy =c2vy (II’),
sodass wegen c 6= 0 folgt, dass vx = vy = 0 ist. Also ist die reelle (totale) Ableitung v0 ≡0. DaG⊆Cein Gebiet ist, erhalten wir aus Satz 19.16, dassv konstant sein muss.
Nach (2) ist dann aber auchf konstant.
Aufgabe 68 (Tutorium)
a) Seif:C→Ceine aufCholomorphe Funktion mit (Ref)(z) = cos(x) cosh(y) f¨urz =x+iy und f(0) = 1. Bestimmen Sie Imf.
b) Berechnen Sie die folgenden Wegintegrale.
(i) R
γzRezdz, wobeiγ ein Weg von 0 nach 1 +imit Spur(γ) ={x+iy: x∈[0,1], y =x2} ist.
(ii) R
γ|z|2dz, wobeiγ den Rand des Dreiecks mit den Eckpunkten 0, 1, i im Gegenuhrzei- gersinn durchl¨auft.
(iii) R
γ 1
z−2dz, wobeiγ(t) :=eit,t ∈[0,2π].
L¨osungsvorschlag:
a) Wie in der Vorlesung schreiben wir f =u+iv mit u = Ref und v = Imf. Da f: C →C nach Voraussetzung auf ganzC holomorph ist, gelten die Cauchy-Riemannschen Differenti- algleichungen auf ganz C, sodass v die Gleichungen
vx =−uy =−cos(x) sinh(y) und vy =ux =−sin(x) cosh(y) f¨ur alle (x, y)∈R2
erf¨ullt. Aus dem Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung folgt daher v =
Z
vxdx=−sin(x) sinh(y) +c(y) und v = Z
vydy=−sin(x) sinh(y) +c(x).
Hieraus wiederum folgtc(x) = c(y) f¨ur allex, y ∈R, alsoc(x) =c(y)≡cf¨ur eine Konstante c∈ R. Aus der Bedingung f(0) = 1 = 1 +i0 erhalten wir v(0,0) = 0 und damit c= 0. Es folgt
v(x, y) =−sin(x) sinh(y) f¨ur alle (x, y)∈R2, und somit
f(z) = cos(x) cosh(y)−isin(x) sinh(y) f¨ur allez =x+iy ∈C.
Insbesondere ist f(x) = cos(x) f¨ur alle x ∈ R. Das legt die Vermutung nahe, dass f die komplexe Kosinusfunktion ist. In der Tat, f¨ur z = x+iy ∈ C gilt (unter Verwendung der Eulerschen Formeleix = cos(x) +isin(x))
cos(z) =ei(x+iy)+e−i(x+iy)
2 = e−yeix+eye−ix
2 = e−y(cos(x) +isin(x)) +ey(cos(x)−sin(y)) 2
= cos(x)ey+e−y
2 −isin(x)ey−e−y
2 = cos(x) cosh(y)−isin(x) sinh(y) =f(z).
b) Wir wiederholen zun¨achst: Ist D ⊆ C eine Menge, f: D → C stetig und γ: [a, b] → C ein Weg mit Spur(γ)⊆D, so ist das Wegintegral von f entlang γ definiert durch
Z
γ
fdz :=
Z b a
f(γ(t))γ0(t) dt.
Man beachte, dass im Gegensatz zum Kurvenintegral eines reellwertigen Vektorfeldes der obige Integrand f(γ(t))γ0(t) als komplexe Multiplikation von f(γ(t)) mit γ0(t) zu verstehen ist (und nicht als Skalarprodukt).
(i) Eine Parametrisierung des Weges ist durch
γ: [0,1]→C, γ(t) =t+it2 gegeben. Es giltγ0(t) = 1 +i2t f¨ur allet ∈[0,1]. Daher ist
Z
γ
zRezdz = Z 1
0
(t+it2)·t·(1 +i2t) dt= Z 1
0
t2−2t4+i3t3dt
= 1
3t3−2 5t5
1
0
+i 3
4t4
1
0
= 1 3− 2
5 +i3
4 =− 1 15+i3
4. (ii) Wir parametrisieren den Weg durch γ: [0,3]→C, wobei
γ(t) =
t, t ∈[0,1],
1 + (i−1)(t−1) = 1−(t−1) +i(t−1), t ∈[1,2], i−i(t−2) =i(3−t), t∈[2,3].
Es ist Z
γ
|z|2dz = Z 1
0
|γ(t)|2γ0(t) dt+ Z 2
1
|γ(t)|2γ0(t) dt+ Z 3
2
|γ(t)|2γ0(t) dt
= Z 1
0
|γ(t)|2γ0(t) dt+ Z 1
0
|γ(t+ 1)|2γ0(t+ 1) dt+ Z 1
0
|γ(t+ 2)|2γ0(t+ 2) dt
= Z 1
0
t2·1 dt+ Z 1
0
[(1−t)2+t2]·(−1 +i) dt+ Z 1
0
(1−t)2·(−i) dt
= 1
3t3
1
0
+ (−1 +i)
−1
3(1−t)3+1 3t3
1
0
+i
(1−t)3 3
1
0
=1
3+ (−1 +i)· 2 3−i1
3 = 1
3(−1 +i).
(iii) Wir definieren die offene MengeU :=U2(0) :={z∈C: |z|<2} ⊆C und definieren die Funktion
f:U →C, f(z) = 1 z−2.
Dann ist f ∈ H(U) (denn 2 liegt außerhalb von U) und nach dem Cauchyschen Inte- gralsatz (Satz 22.7)
Z
γ
1
z−2dz= Z
γ
f(z) dz = 0.
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