Diabetesbezogene emotionale und psychische Belastungen bei Menschen mit Diabetes.
Ergebnisse in der deutschen Stichprobe der globalen DAWN2 ™ Studie
Zusammenfassung
Hintergrund: Die DAWN2 ™ Studie ist eine globale Untersu- chung in 17 Ländern (n = 15.438), bei der psychosoziale Aspek- te des Diabetes von Menschen mit Diabetes (MmD), sowie
deren Familienangehörigen (FA) und Behandlern (HCP) erfasst werden. In dieser Auswertung werden die deutschen Daten von MmD präsentiert.
Methoden: An dieser Studie nahmen 502 MmD stratifiziert nach Diabetestyp und Behandlung teil: 80 Typ 1 Diabetes (MmT1D), 422 Typ 2 Diabetes (MmT2D). Als Erhebungsinstru- mente dienten u. a. validierte Fragebogen zu diabetesbezoge- nen Belastungen (PAID 5), zum Wohlbefinden (WHO-5) und der Lebensqualität (EQ-5-VAS, Health Utility Index).
Ergebnisse: Ein hoher Anteil von MmT1D (48 %) im Vergleich zu MmT2D (23,5 %) berichteten über erhöhte diabetesbezo- gene Belastungen. Ein deutlich reduziertes Wohlbefinden, welches das Vorliegen einer Depression wahrscheinlich macht, lag bei 13 % der MmT2D und bei 9 % der MmT1D vor. Im Ver- gleich zu Menschen ohne Diabetes berichten ca. doppelt so viele MmD über ein deutlich reduziertes Wohlbefinden. MmD, die über eine eingeschränkte Lebensqualität (LQ) berichteten, hatten signifikant mehr körperliche und psychische Begleiter- krankungen, welche bei MmD wesentliche Prädiktor-Variablen für eine schlechte LQ sind. Deutlich mehr MmT1D als MmT2D fühlten sich durch den Diabetes in ihren Freizeitaktivitäten (46 % vs. 38 %), bei der Arbeit oder dem Studium (34 % vs.
22 %) beeinträchtigt. * Aufgrund der Diabeteserkrankung fanden sich 23 % aller MmT1D und 9 % aller MmT2D diskri- miniert.
Diskussion: Die Ergebnisse der DAWN2 ™ Studie zeigen, dass diabetesbezogene Belastungen bei MmD in Deutschland relativ häufig sind. Eine reduzierte LQ und ein deutlich erhöhtes Risiko für Depressionen sind mit Diabetes assoziiert. Überraschend
viele MmD fühlen sich aufgrund ihrer Erkrankung diskriminiert.
* Basis: komplette Stichprobe
Diskussion
Die Ergebnisse der DAWN2 ™ Studie zeigen, dass diabetesbe- zogene Belastungen bei MmD in Deutschland relativ häufig sind. Im Vergleich zu Menschen ohne Diabetes weisen MmD ein deutlich reduziertes Wohlbefinden, eine erhöhtes Risiko für Depressionen und eine reduzierte Lebensqualität auf.
Allerdings gilt dies besonders für MmD mit körperlichen und/
oder psychischen Begleiterkrankungen, welche einen bedeut- samen Risikofaktor für eine reduziertes Wohlbefinden oder Lebensqualität darstellen. Dies korrespondiert mit dem Ergeb- nis, wonach der Einfluss des Diabetes von MmD insbesondere im Hinblick auf die körperliche Gesundheit und das emotio- nale Wohlbefinden negativ bewertet wird. Überraschend viele MmD fühlen sich aufgrund ihrer Erkrankung diskriminiert – ein Ergebnis, welches dringend eingehender untersucht werden sollte. Die Ergebnisse von DAWN2 ™ geben wichtige Hinweise für die klinische Praxis, um den Ansichten, Wünschen und Bedürfnissen von Menschen mit Diabetes besser gerecht zu werden.
1. Bernhard Kulzer
Diabetes Zentrum Mergentheim, Forschungsinstitut der Diabetes-Akademie Bad Mergentheim (FIDAM), Bad Mergentheim
2. Peter Mattenklodt
Universitätsklinikum Erlangen, Schmerzzentrum, Erlangen 3. Jens Kröger
Zentrum für Diabetologie Hamburg Bergedorf, Hamburg 4. Rüdiger Landgraf
Deutsche Diabetes Stiftung (DDS), München 5. Birgit Lüthgens
Novo Nordisk Pharma GmbH, Mainz 6. Norbert Hermanns
Diabetes Zentrum Mergentheim, Forschungsinstitut der Diabetes-Akademie Bad Mergentheim (FIDAM), Bad Mergentheim
P 254
Hintergrund
Für Menschen mit Diabetes wie auch deren Familienangehörige stellt der Umgang mit dem Diabetes eine lebenslange Belastung dar. Die chronische Erkrankung Diabetes ist ein Risikofaktor für eine reduzierte Lebensqualität, das Auftreten ernsthafter psycho- logischer Probleme wie auch psychischer Erkrankungen. Da Pro- bleme im Umgang mit dem Diabetes sowie bei der Umsetzung der Therapieanforderungen im Alltag in der Regel eine negative Wechselwirkung mit somatischen Parametern und der langfristigen Prognose des Diabetes aufweisen, wurden in der DAWN2 ™ Studie die Art und Häufigkeit psychosoziale Probleme bei MmD unter-
sucht. Die DAWN2 ™ Studie ist eine globale Untersuchung in 17 Ländern (n 15.438), bei der psychosoziale Aspekte des Diabetes von Menschen mit Diabetes, sowie deren Familien an gehörigen und Behandlern erfasst werden. ln dieser Auswertung werden die deutschen Daten von MmD präsentiert.
Methoden
An dieser Studie nahmen 502 MmD stratifiziert nach Diabetestyp und Behandlung (80 Typ 1 Diabetes (MmT1D), 422 Typ 2 Diabetes (MmT2D)), teil. Als Erhebungsinstrumente dienten u. a. validierte Fragebogen zu diabetesbezogenen Belastungen (PAID 5), zum Wohlbefinden (WHO-5) und sozialer Lebensqualität (EQ-5-VAS, Health Utility Index) sowie standardisierte Fragen zu Belastungs- quellen und sozialer Unterstützung durch die Familie.
Ergebnisse
• Die Stichprobencharakteristika sind in Tabelle 1 aufgeführt. Es zeigen sich im wesentlichen erwartbare Unterschiede zwischen Menschen mit einem Typ 1 und einem Typ 2 Diabetes im Hinblick auf Alter, Erkrankungsalter, Diabetesdauer und Körpergewicht.
• Diabetes stellt für einen nicht geringen Anteil von MmD eine Belastung dar (Abbildung 1). Insgesamt 48 % der MmT1D und 23,5 % der MmT2D berichteten über erhöhte diabetesbezogene Belastungen (PAID 5 8). Die diabetesbezogenen Belastungen sind für MmT1D signifikant ausgeprägter als bei MmT2D.
Abbildung 1 Diabetesbedingte Belastungen von Menschen mit Diabetes
Abbildung 4 Psychisches Wohlbefinden von MmD in Abhängigkeit von psychischen und/oder körperlichen Komplikationen
Abbildung 5 Vergleich der Lebensqualität von Menschen mit und ohne Diabetes
Abbildung 6 Auswirkungen des Diabetes auf verschiedene Lebensbereiche
†Abbildung 7 Menschen mit Diabetes fühlen sich aufgrund des Diabetes diskriminiert
• Ein deutlich reduziertes Wohlbefinden (WHO-5 28, welches das Vorliegen einer Depression wahrscheinlich macht, lag bei 10 % der MmT1D vor (Abbildung 2). Signifikant mehr MmT2D ohne Medikamente (20 %) im Vergleich zu MmT2D mit Insulin (9 %) weisen ein reduziertes Wohlbefinden auf.
0 20 10 30 40 50
Hohe Belastung %
48 %
*23,5 % 23 %
28 % 24 %
Typ 1 Typ 2
ohne Medikamente
Typ 2 Typ 2
orale Medikamente Typ 2 Insulintherapie
Abbildung 2 Emotionales Wohlbefinden von Menschen mit Diabetes in Abhängig- keit des Diabetes- und Medikationstyps
0 50 10 70 60 80 90 100
%
26 % 64 %
10 %
*53 %
20 % 27 %
60 %
†26 %
14 %
70 %
21 % 9 %
Typ 1 Typ 2
ohne Medikamente
Typ 2 Typ 2
orale Medikamente Typ 2 Insulintherapie 13 %
wahrscheinliche Depression reduziertes Wohlbefinden gutes Wohlbefinden
wahrscheinliche Depression reduziertes Wohlbefinden gutes Wohlbefinden
• Im Vergleich zu Menschen ohne Diabetes (Brähler E et al.
Diagnostica 2007;2:83–96) berichten ca. doppelt so viele MmD über ein deutlich reduziertes Wohlbefinden (Abbildung 3).
• MmD, bei denen ein eingeschränktes Wohlbefinden vorliegt, hatten signifikant mehr körperliche und psychische Begleiter- krankungen, welche bei MmD wesentliche Prädiktorvariablen für ein schlechtes Wohlbefinden darstellen (Abbildung 4).
0 50 10 70 60 80 90 100
%
keine anderen
Beschwerden nur körperlich nur psychisch körperlich
und psychisch wahrscheinliche Depression
reduziertes Wohlbefinden gutes Wohlbefinden
wahrscheinliche Depression reduziertes Wohlbefinden gutes Wohlbefinden
17 % 78 %
*5 %
78 %
*,†6 % 16 %
53 %
29 %
‡,**18 %
‡,**43 %
35 %
‡,**22 %
‡,**• Auch die Messung der Lebensqualität mit dem standardisierten Fragebogen EQ-5 erbrachte bei MmD deutlich schlechtere Er- gebnisse als bei Menschen ohne Diabetes (Brähler E et al.
Diagnostica 2007;2:83–96) (Abbildung 5).
%
71 %
*64 % 64 % 65 % 71 %
†65 % 65 %
87,4 %
81,2 %
74,8 %
Typ 1 Typ 2 Typ 2
ohne Insulin
Typ 2 Insulinbeh.
18–39 Jahre
40–59 Jahre
60+
Jahre
18–39 Jahre
40–59 Jahre
60+
Jahre
Diabetestyp und Therapieform Deutsche Normstichprobe (Alter)
Menschen mit Diabetes (Alter)
0 50 10 70 60 80 90 100
Abbildung 3 Vergleich emotionales Wohlbefinden von Menschen mit und ohne Diabetes
0 50 10 70 60 80 90 100
%
18–39 Jahre 40–59 Jahre 60+ Jahre 18–39 Jahre 40–59 Jahre
Menschen mit Diabetes (Alter) Deutsche Normstichprobe (Alter) 60+ Jahre
wahrscheinliche Depression reduziertes Wohlbefinden gutes Wohlbefinden
wahrscheinliche Depression reduziertes Wohlbefinden gutes Wohlbefinden
64 %
28 %
8 %
55 %
28 %
17 %
70 %
20 % 10 %
80 %
15 % 5 %
77 %
18 % 5 %
*70 %
†22 % 8 %
• Bezüglich des Einflusses des Diabetes auf verschiedene Aspekte des Lebens werden von MmT1D und MmT2D vor allem der Ein- fluss des Diabetes auf die körperliche Gesundheit und das emo- tionale Wohlbefinden genannt (Abbildung 6). Aber auch auf Freizeitaktivitäten, die Arbeit und die finanzielle Situation wird der Einfluss des Diabetes eher negativ eingeschätzt. Der Diabetes kann aber auch durchaus positive Auswirkungen auf das Leben haben. So wird der Einfluss des Diabetes auf die Beziehung zur Familie, Freunden und Kollegen von MmD tendenziell eher neu- tral bis positiv eingeschätzt.
0 10 20 30
%
23 %
9 %
Typ 1 Typ 2
Typ 2 Typ 1 Körperliche
Gesundheit Emotionales Wohlbefinden Freizeitaktivitäten
Finanzielle Situation
Arbeit oder Studium Beziehung zu Familie, Freunden und Kollegen
Typ 2 Typ 1
Typ 2 Typ 1
Typ 2 Typ 1
Typ 2 Typ 1
Typ 2 Typ 1
62,9 % 48,5 %
48,6 % 34,2 %
44,0 % 32,0 %
37,1 % 24,0 %
32,9 % 20,9 %
22,7 % 13,8 %
0 10 20 30 40 50 60 70
Leichter bis sehr negativer Einfluss in %
Charakteristika Typ 1 Diabetes n = 80
Typ 2 Diabetes n = 422
Typ 2 Diabetes ohne Medi
kamente n = 100
Typ 2 Diabetes orale Medi
kamente n = 172
Typ 2 Diabetes Insulin
therapie n = 150
p
Alter 40,0 8,9 57,1 9,1 57,4 10,0 57,9 9,5 56,0 9,0 0,001
% weiblich 45,3% 45,5% 50,3% 49,3 37,2 0,027
Erkrankungsalter
(Jahre) SD 19,7 5,5 49,7 11,0 50,3 11,8 57,9 9,5 46,5 0,001 Diabetesdauer 20,4 10,1 9,2 7,2 7,7 7,8 9,3 7,1 11,9 6,7 0,001 BMI 28,7 6,0 29,2 5,1 29,2 5,5 29,9 4,8 29,6 5,1 0,001 PAID 34,6 19,6 34,6 19,6 22,9 20,6 23,8 21,7 23,8 17,2 0,001 WHO-5 59,3 17,3 59,3 17,3 50,8 19,7 55,8 21,4 65,4 17,7 0,006
Tabelle 1 Stichprobenbeschreibung
†
gewichtete Daten lt. Nicolucci et al
• Eine überraschend hohe Anzahl von MmD fühlt sich aufgrund der Diabeteserkrankung diskriminiert, wobei dies signifikant häufiger für MmT1D als für MmT2D zutrifft (Abbildung 7).
* signifikanter Unterschied zu „Typ 2 ohne Medikamente“, „Typ 2 orale Medikamente“ und
„Typ 2 Insulintherapie“ * signifikanter Unterschied zu „Typ 2“, „Typ 2 ohne Insulin“ und „Typ 2 Insulinbeh.“
†
signifikanter Unterschied zu „40–59 Jahre“ und „60+ Jahre“
* signifikanter Unterschied zu „Typ 2 Insulintherapie“
†
signifikanter Unterschied zu „Typ 2 ohne Medikamente“
* signifikanter Unterschied zu MmD, 60+ Jahre
†
signifikanter Unterschied zu MmD, 40–59 Jahre
* signifikanter Unterschied zu „körperlich und psychisch“
†
signifikanter Unterschied zu „nur psychisch“
‡ signifikanter Unterschied zu „keine anderen Beschwerden“
**
signifikanter Unterschied zu „nur körperlich“
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