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Akademia 105

Zufall - oder Gott?

Univ.-Prof. Dr. Josef Tomiska v. Voltaire, NdW (www.univie.ac.at/tomiska)

Das Fundamentalproblem jeder Weltanschauung ist die Antwort auf die Frage, warum der Kosmos und wir Menschen existieren. In diesem Zusammenhang wurde bekanntlich „Gott“

eingeführt, und zwar in den verschiedensten Vorstellungen - insbesondere auch in Form eines persönlichen Schöpfergottes der monotheistischen Religionen. Die Frage, ob etwa der Gott des Christentums existiert oder nicht, konnte bisher nicht schlüssig beantwortet werden.

Es gibt keinen einzigen Beweis, der zu dem denknotwendigen Schluss führt, dass dieser Gott existiert – es wurde aber auch noch nicht seine Nicht-Existenz bewiesen. Deshalb muss hier das Gefühl entscheiden.

Hier irren nämlich all jene dramatisch, die vermeinen, aus der Unmöglichkeit, den christlichen Gott beweisen zu können, folge denknotwendiger Weise dessen Nicht-Existenz!

Bei zwei im kontradiktorischen Gegensatz stehenden Behauptungen sagt die Logik doch nur, dass eine dieser beiden Aussagen richtig sein muss und eine falsch – nicht aber, welche!

Können wir also eine dieser beiden Behauptungen nicht beweisen, so muss sie deshalb noch lange nicht falsch sein. Erst mit der einwandfreien Verifizierung der zu ihr im kontradik- torischen Gegensatz stehenden Behauptung wird die ursprüngliche Aussage unrichtig. So- lange es also keinen eindeutigen Beweis für die Nicht-Existenz des christlichen Gottes gibt, ist es rein logisch völlig gleichwertig, ob wir an ihn glauben wollen oder nicht.

Vielfach wird auch vergessen, dass alle Weltsichten - „wissenschaftliche“ Erklä- rungsmodelle ebenso wie sämtliche Ideologien, Philosophien und Religionen - Wörter ge- brauchen, welche die Transzendenzen, also die Unvorstellbarkeiten aufnehmen, die sich in keinem Erklärungsmodell für die Weltentstehung vermeiden lassen. Jede Weltsicht benötigt nämlich drei unterschiedliche, immerwährende Existenzen, die miteinander kooperieren kön- nen: ein „hergebendes Etwas“, aus dem der Kosmos entstanden ist, sowie ein „auslösendes Etwas“ und ein „aufnehmendes Etwas“, die dafür sorgten, dass aus der Quelle des Univer- sums das Weltall sich so entwickeln konnte, wie es sich uns Menschen in unserer RaumZeit- Erlebniswelt zeigt.

Warum soll es nun einzig wissenschaftlich legitim sein, diese transzendente Troika unabhängig voneinander zu definieren und einzig aus der Tatsache, dass sie eben existieren ihr Zusammenwirken als erwiesen anzusehen? Was ist daran intellektuell ehrenrührig, statt dessen einen einzigen transzendenten Begriff - etwa die Trinität des Christentums - zu be- nutzen, in dem das „hergebende“, „auslösende“ und „aufnehmende“ Etwas als die drei un- terschiedlichen Seinsarten in einem Wesen subsumiert sind - womit ihre Kooperation zwang- los gegeben ist, da sie ja in einem Wesen vereint sind.

Ein weiterer weit verbreiteter Irrtum betrifft das Arbeitsgebiet und die Arbeitstechnik der Naturwissenschaft. Die Naturwissenschaft ist nämlich überhaupt nicht das, was viele in ihr sehen! Es ist zwar völlig richtig, dass wir uns in der Physik mit dem Aufbau und Werden unserer Welt beschäftigen, und auch, dass wir versuchen, die Naturgeschehnisse zu erklä- ren, ohne auf Geister, Dämonen oder Götter zurückgreifen zu müssen. Dabei bleibt die Fra- ge absichtlich und vorsätzlich ausgeklammert, ob es solche „höheren“ Mächte gibt oder ge- ben könnte.

Es ist auch richtig, dass die Erfolge der neuzeitlichen Physik eine bis dahin unbe- kannte Ebene der Wissenserkenntnis aufgetan hat, die auf der Nachprüfbarkeit mithilfe von gezielten Experimenten beruht. Aber: Auf diese Nachprüfbarkeit kommt es an, denn die Na- turwissenschaft endet dort, wo die Nachprüfbarkeit von Behauptungen nicht mehr gegeben ist! Die Physik hat ja seit Francis Bacon (1561-1626) als Entscheidungskriterium die Brauch- barkeit, die techne, die Nützlichkeit und nicht mehr die „absolute“ oder „wahre“ Wahrheit.

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Immanuel Kant und die Relativitäts- und Quantentheorien sagen uns heute mit aller Deut- lichkeit, dass wir die „wahre Wirklichkeit“ unserer Welt prinzipiell nicht zu erkennen vermö- gen, sondern einzig und alleine nur ein Bild von unserem Universum zeichnen können, das unseren menschlichen Anschauungsformen entspricht.

Die grundlegenden Fragen nach der Herkunft der physikalischen Gesetzmäßigkeiten sowie nach dem „Warum“ der Existenz der Natur als Ganzes sind damit ebenfalls aus dem Arbeitsgebiet der Naturwissenschaft ausgeschlossen. Diese Fragen gehören nach dem Ar- beitsverständnis der Physik zu den Gebieten der Philosophie und Religion. Jeder, der diese Grundfragen mit Hilfe des „Zufalls“ oder durch die „Materie“ erklären möchte, steht damit genauso im Einklang mit der Naturwissenschaft wie jeder, der den Urgrund unserer Welt im Willen eines „Schöpfergottes“ sieht. Konsequenterweise wäre im letzteren Fall auch jeder Steinwurf und jeder Sonnenstrahl von diesem Gott gewollt. Dies aber nicht im Sinne eines aktiven Eingreifens in aktuelle Situationen, sondern aufgrund des Bauprinzips der Natur. Und von diesem möglichst viel herauszufinden ist eben Gegenstand der Physik - sonst nichts.

Die Physik benötigt für ihre Arbeit selbstverständlich ebenfalls eine Troika an trans- zendenten Begriffen, die sie „Basis“- oder „Fundamental“-Größen nennt und nicht positiv definieren kann. Traditioneller weise verwenden wir dafür die drei Naturgrößen „Zeit“, „Län- ge“ und „Masse“. In der modernen Physik werden sie aber zunehmend durch die Troika

„Energie - Impuls - Drehimpuls“ ersetzt, da diese drei Größen in unserem Universum weder erzeugt noch vernichtet werden können, also echte „Erhaltungsgrößen“ sind. Die Naturwis- senschaft kann also nur innerhalb des bereits real existierenden Universums Auskunft dar- über geben, wie wir Naturgegebenheiten für uns nützen können, und wie unser Weltbild der- zeit aussieht. Niemals aber können wir den Kosmos als Ganzes erfassen, sondern uns nur innerhalb von ihm mehr oder weniger gut zurechtfinden. Die Physik lässt sich daher grund- sätzlich weder dazu verwenden, die Nicht-Existenz eines persönlichen Gottes schlüssig zu beweisen, noch dessen Existenz.

Wir wissen heute, dass wir Menschen nur eine beschränkte Erkenntnisfähigkeit besit- zen. Wir können weder mit unseren Sinnesorganen alle Geschehnisse dieser Welt erfassen, noch ist unser Gehirn in der Lage, Beliebiges zu denken. Zudem befinden wir uns in einem steten Lernprozess: Für vieles, das uns noch vor hundert oder mehr Jahren als völlig rätsel- haft erschienen ist, kennen wir heute plausible Erklärungen. Manche Anschauungen bleiben ziemlich lange gültig, so etwa die von Kopernikus und Kepler ins Spiel gebrachte Vorstel- lung, dass die Erde unsere Sonne umkreist.

Welche Kraft sie dazu antreibt, war damals aber völlig rätselhaft. Vom Zufall durften sie nicht sprechen, denn dazu blieben die Planeten ihren Bahnen denn doch zu treu – somit mussten andere Erklärungen her: Descartes schlug vor, dass die Ursache für die Planeten- bewegungen in Wirbelbildungen eines den ganzen Weltraum erfüllenden Äthers läge. Man- che seiner Zeitgenossen vermuteten aber auch, dass Englein mit ihrem Flügelschlag die Planeten auf ihren Bahnen vorantreiben würden. Erst Newton fand heraus, dass es eine Kraft geben müsse, mit der sich alle Massekörper gegeneinander anzögen und lieferte auch gleich sein berühmtes Schwerkraftgesetz dazu, mit dessen Hilfe sich die Stärke der gegen- seitigen Anziehung berechnen ließ. Allerdings war auch Newtons Gesetz nicht korrekt, und wir mussten auf Einstein warten, der dann in seiner allgemeinen Relativitätstheorie ein Bahngesetz gefunden hat, das bis dato selbst unseren allergenauesten Messdaten genügt.

In der Naturwissenschaft können wir tatsächlich nie sicher sein, eine Erklärung ge- funden zu haben, die nicht irgendwann umgestoßen oder zumindest modifiziert werden muss. Nur Darwins Evolutionstheorie soll eine Ausnahmestellung haben? Nur bei ihr darf man nicht einmal hinterfragen dürfen, ob tatsächlich der „reine“ Zufall das richtige Auswahl- kriterium ist oder nicht doch noch unbekannte Gesetzmäßigkeiten? Warum darf etwa in Dar- wins Theorie der Zufall nicht im Sinne der Stoiker interpretiert werden: Für sie war der Zufall nur ein Ausdruck für unsere Unkenntnis der Ursachen eines Geschehnisses! Diese Ansicht wird mit unterschiedlicher Wortwahl und Akzentuierung auch von Hobbes, Spinoza, Leibniz und vielen anderen Philosophen geteilt. In diesem Fall würden wir zugeben, nicht zu wissen, warum die Evolution so und nicht anders abläuft.

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Wir könnten uns dann auch die Evolution in Zusammenhang mit quantentheoreti- schen Fragekomplexen ansehen. Heute wissen wir, dass die Werkstatt der Natur nicht viel Spielraum hatte, um die Basis für die Entwicklung von höherem Leben zu ermöglichen. Das Mengenverhältnis von Sauerstoff und Kohlenstoff darf dazu nur wenige Prozentpunkte variie- ren, die Stärkeverhältnisse der vier Fundamentalkräfte der Natur (Schwerkraft, elektromag- netische Kraft, starke und schwache Kernkraft) müssen ebenfalls fein aufeinander abge- stimmt sein ... Dazu benötigen wir einen uns noch unbekannten Beschleunigungsmechanis- mus, damit innerhalb weniger Jahrmilliarden höhere biologische Bausteine zustande ge- kommen sind, denn mithilfe des reinen Zufalls müssten wir gemäß der Wahrscheinlichkeits- theorie noch sehr, sehr lange darauf warten, bis sich unsere Lebensgrundlagen entwickeln würden. Wir haben daher noch sehr viele offene Fragen zu beantworten.

Für Schelling ist sein „erstes Seiende“ zugleich „das erste Zufällige“, somit der „Urzu- fall“, da es per definitionem nicht determiniert sein kann – ansonsten müsste ja etwas ande- res vorher existiert haben, was aber a priori im Widerspruch zum Begriff des „ersten Seien- des“ stünde. Solchermaßen argumentiert wäre der „Urgrund“ unserer Welt dasjenige, aus dem alles hervorgegangen ist – das „erste Seiende“ eben –, ein zufälliges Produkt. Dasjeni- ge, das für uns Menschen ohne erkennbaren Grund existent ist, das in unseren Termini „ab- solut Seiende“, das durch nichts Hervorgebrachte ist in dieser Terminologie „zufällig“.

Die Quelle und das Bauprinzip unserer Welt sind in dieser Argumentation „zufällig“ – ist das nicht ein bisschen zu kühn, ja überheblich argumentiert? Nur dann nicht, wenn wir den „Zufall“ als eine Macht betrachten, die nichts für ihre Existenz benötigt, die einfach „ist“.

Dann bedeutet „Zufall“ etwas sehr Mächtiges, ein Etwas, das sich dem menschlichen For- schergeist völlig entzieht. Einverstanden!

Das Christentum kennt ein solches über alle Maßen mächtiges Etwas: den Schöpfer- gott, der sich den Menschen offenbart hat, weil wir ihn mit unseren Erkenntnismöglichkeiten nicht erfassen können. Dieser Gott ist ein Gott der Liebe. Wir Menschen haben Sehnsucht nach Liebe und wir können lieben. Ich sehe nicht ein, warum eine Welt ohne Liebe und ohne Schönheit wahrscheinlicher sein soll als eine Welt mit Liebe.

Zum Weiterlesen: Josef Tomiska, Physik, Gott und die Materie, Wien: Ueberreuter, 2010.

ISBN 979-3-8000-7458-7

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