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Steirische Gesellschaft für Muskelkranke

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Steirische Gesellschaft für Muskelkranke

musculus

Dezember / 2007 Nr. 20 / 5. Jahrgang

Aus dem Inhalt

Eine Standortbestimmung anlässlich des 20. Heftes

Eckpunkte für ein Österreichisches Assistenzleistungsgesetz (ALG) Blitzlichter vom Fest

Rom bereist und berollt

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Impressum:

Steirische Gesellschaft für Muskelkranke Elke Trummer, Mühlgasse 6, 8330 Feldbach Tel.: +43(0)3152/2722, Fax: +43(0)3152/434016

E-mail: muskelkranke-stmk@aon.at, Internet: http://www.muskelkranke-stmk.at Redaktion: Dr. Barbara Streitfeld, E-Mail: barbara.streitfeld@tele2.at

Bankverbindung: Südoststeirische Sparkasse, Konto-Nr.: 0000-000828, BLZ 20809 Druck: Reha Druck, Graz

Gruppentreffen in der Salvatorpfarre, 8010 Graz, Robert-Stolz-Gasse 3

jeweils am letzten Donnerstag im Monat (Ausnahmen beachten!) um 18:00 Uhr:

21. Februar 2008 (Ausnahme!) 27. März 2008

17. April 2008 (Ausnahme!) 29. Mai 2008

26. Juni 2008 Sommerfest im Gansrieglhof 25. September 2008

30. Oktober 2008 27. November 2008

Erstes Wochenende im Advent (28./29./30. 11. 2008):

Weihnachtsbasar in Feldbach

Unsere Termine für 2008:

Inhaltsverzeichnis

Vorwort ... 3

Eine Standortbestimmung anlässlich des 20. Heftes ... 4

Einige Thesen für mehr Menschlichkeit in unserer Gesellschaft ... 6

Eckpunkte für ein Österreichisches Assistenzleistungsgesetz (ALG) ... 8

Meine Geschichte. Zur Bedeutung von PA und PB für ein selbstbest. Leben ... 16

Im Gespräch ... 23

Was ist Pflege und was Betreuung? Eine Begriffsklärung ... 26

Blitzlichter vom Fest ... 27

Mit dem Rollstuhl in die Krypta ... 30

Rom bereist und berollt ... 33

Zugang ohne Hürden ... 38

Die Bunte Rampe stellt sich vor ... 41

UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung ... 42

Tipps und Hinweise ... 43

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Liebe Freundinnen und Freunde, sehr geehrte Damen und Herren!

im September feierten wir unser 20jäh- riges Jubiläum im Volkshaus in Feld- bach. Wer nicht dabei sein konnte, kann sich nun mit Hilfe der schönen Fotos von Frau G. Garb-Konegger einen klei- nen Eindruck von der gelungenen Festveranstaltung verschaffen. Noch- mals sei allen Beteiligten für ihre Hilfe gedankt!

Und schon wieder gibt es ein Jubiläum:

Sie lesen gerade das 20. Heft des mus- culus, der Ihnen seit genau 5 Jahren viermal jährlich ins Haus flattert: An- lass für einen Rückblick.

Was wir uns als Muskelkranke nicht nur in dieser weihnachtlichen Zeit wünschen, bringt Sebastian Ruppe in seinem Statement auf den Punkt: Es geht um mehr Menschlichkeit.

Nicht „Licht ins Dunkel“, sondern ein Österreichisches Assistenzgesetz nach den Vorstellungen der Initiatoren der Plattform „Daheim statt Heim“ wäre der richtige Schritt auf dem Wege dort- hin: Integration statt Mitleid, Selbstbe- stimmung statt Fürsorge, Gleichberechti- gung statt Almosen.

Auf ein wichtiges Thema in diesem Zusammenhang weist Harald Schmer- laib hin. Ihm geht es um den barriere-

freien Zugang zum Arzt, eine Forde- rung, die nur langsam ins Bewusstsein der Ärzteschaft dringt.

Von einer Reise nach Rom berichtet F.- J. Huainigg; Ute Puymann erzählt von einem Besuch in Aquileia: Erinne- rungen an den Sommer, die Lust auf neue Pläne machen.

Zum Schluss der Dank an alle, die an diesem Heft mitgearbeitet haben und auf ihre Weise dazu beitragen, dass unser Bild von Behinderung immer facettenreicher wird.

Ich wünsche unseren Leserinnen und Lesern eine besinnliche Adventszeit, ein frohes und gesegnetes Weihnachts- fest sowie ein gutes Neues Jahr 2008 Ihre

Elke Trummer

Präsidentin der Steirischen Gesellschaft für Muskelkranke

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Eine Standortbestimmung anlässlich des 20. Heftes

Mit dieser Ausgabe halten Sie das 20.

Heft der Zeitschrift „musculus“ in der Hand, das letzte von 4 Heften des 5.

Jahrgangs: Zeit für eine Standortbe- stimmung.

Vor drei Monaten, im September, fei- erten wir mit einer erweiterten Sonder- ausgabe zum Thema „Selbstbestimmt leben“ das 20jährige Jubiläum der Stei- rischen Gesellschaft für Muskelkranke.

5 Jahre vorher, anlässlich ihres 15jäh- rigen Jubiläums, präsentierte diese Gesellschaft ihre erste Publikation, eine Festschrift, in der die Chronik ihres Entstehens festgehalten, Einblick in ihre Tätigkeiten gegeben wurde und Mitglieder von ihren Erlebnissen be- richteten.

Vielleicht war es damals, dass der Wunsch nach einer eigenen Zeitschrift, einer Art Mitteilungsblatt, aufkam. Ein Name wurde gesucht, ein Logo ge- schaffen, und seit 2003 erscheint er re- gelmäßig vier Mal im Jahr: der „mus- culus“.

Erst waren es nur ein paar fotokopierte Seiten auf gelbem Papier. Aber schon im Dezember 2004 präsentierte sich die Zeitschrift in ihrer heutigen Form: fes- ter gelber Umschlag, ein der Jahreszeit entsprechendes Foto auf der Vordersei- te, mit einem Innenleben von 12 bis 20 Seiten, in einer Auflage von ca. 300 Exemplaren.

Anliegen des „musculus“ war und ist einerseits Information: In ihm werden

die Termine der Gruppenabende, der gemeinsamen Feste und andere für das Leben mit einer neuromuskulären Er- krankung wichtige Ereignisse (Ta- gungen, Reha-Messen u. ä. Veranstal- tungen) angekündigt. Hier bekommt man Tipps und Hinweise für die Be- schaffung und Finanzierung von Heil- behelfen und Hilfsmitteln, erfährt nützliche Adressen zur Bewältigung des Alltags und erhält Informationen über erprobte Möglichkeiten der Le- benserleichterung.

Andererseits möchte die Zeitschrift den Mitgliedern ein Forum zur Selbstdar- stellung und zum Erfahrungsaustausch bieten: Reiseberichte, Berichte über Erfahrungen im Krankenhaus, beim Besuch von kulturellen Veranstaltun- gen, im Arbeitsleben und in der Frei- zeit; aber auch Reflexionen über das eigene Betroffensein und den durch eine Muskelkrankheit verengten Le- bensspielraum finden hier einen Platz.

Über den Erfahrungsaustausch hinaus ist der „musculus“ so zum Sprachrohr dieser Gruppe von Menschen gewor- den, deren Leben von einer Krankheit überschattet ist, die in vielen Gesichtern auftritt, nicht heilbar ist und zu Bewe- gungseinschränkungen führt, die das tägliche Leben der Betroffenen zur ständigen Herausforderung macht.

Gesehen zu werden als Menschen, die wie andere auch am gesellschaftlichen

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Leben selbstbestimmt teilnehmen wol- len, ist ihr Wunsch, mit dem sie sich im

„musculus“ an die Öffentlichkeit wen- den, damit noch bestehende Barrieren abgebaut werden, etwa in dem Sinn wie Elisabeth List in ihrem Essay „Leben, eine Kunst“ (musculus Septem- ber/2007, S. 28) hofft: „In seiner An- dersheit akzeptiert zu werden ist die wichtigste Lebenshilfe für den oder die, die wegen einer organischen Anomalie,

welcher Art auch immer, ein Leben unter erschwerten Umständen leben.

Sie, diese Menschen, leben zu lassen und nicht durch unnötige Barrieren zu behindern, das ist es, was man hoffen und erwarten kann. Dann wären sie frei, in ihrem Element zu sein, ihr Leben zu leben, wie es ist und wie sie es mö- gen.”

Barbara Streitfeld

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Einige Thesen für mehr Menschlichkeit in unserer Gesellschaft

Für die 30-Jahr-Feier der Zeitschrift

„Behinderte Menschen“ wurde ich zu einer Podiumsdiskussion „Mensch- lichkeit? – Wohin entwickelt sich un- sere Gesellschaft?“ gebeten. Im Fol- genden mein Eingangsstatement, das von folgendem Grundgedanken getra- gen ist: Die Gesellschaft muss mensch- licher werden, sonst gehen wir alle unter. Die Gesellschaft braucht, um menschlicher zu werden, behinderte Menschen inmitten „normaler“ gesell- schaftlicher Strukturen, also nicht ausgesondert in Heimen, um sich der Vielfalt und Unterschiede des Lebens bewusst zu werden. Denn nur eine Gesellschaft, die Unterschiede würdi- gen, wertschätzen und fruchtbar ma- chen kann, hat heutzutage gute Ent- wicklungschancen. Im Bereich der Teamarbeit und im Wirtschaftsleben ist das längst ein offenes Geheimnis.

Meine Vision daher: Wenn ich jeden Tag sehe, wie mein Nachbar im Roll- stuhl zur Bushaltestelle rollt und zur Arbeit fährt, wenn mir täglich drei blinde Menschen im täglichen Mitein- ander auf der Straße begegnen, wenn die Kassiererin im Supermarkt ein Down-Syndrom hat, dann werden Berührungsängste verloren gehen, dann wird Behinderung plötzlich et- was Normales wie alt und jung, dick und dünn, Mann oder Frau, eine Ei- genschaft neben anderen auch. Das tut nicht nur den behinderten Menschen

gut sondern der Gesellschaft als Gan- zes, die zum Teil in Angst erstarrt ist und sich in Österreich selbst vor so sinnvollen Projekten wie einer Ge- samtschule fürchtet.

Damit wir alle menschlicher werden im Folgenden also einige Thesen und Forderungen, bunt durchmischt:

• Wir brauchen in Österreich eine einkommensunabhängige Grund- sicherung, besonders für behinder- te Menschen.

• Wir brauchen eine einzige flächen- deckende Bauordnung, in der Barrierefreiheit für alle Behinde- rungsarten für den öffentlichen und den halböffentlichen Bereich (darunter verstehe ich Geschäfte, Kultureinrichtungen, Wohnbau, Bildungseinrichtungen, Dienstleis- tungsbetriebe) verpflichtend vor- geschrieben ist, ähnlich wie jetzt feuerpolizeiliche Maßnahmen.

• Wir brauchen flächendeckend Per- sönliche Assistenz in dem Ausmaß, wie jeder behinderte Mensch sie benötigt, um ein selbstbestimmtes Leben wie andere nicht-behinderte Menschen führen zu können.

• Wir müssen der ambulanten Ver- sorgung behinderter, alter und kranker Menschen den eindeutigen

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Vorrang vor der stationären Versor- gung geben. Das heißt unter ande- rem: sperrt die großen Heime zu, raus mit den Leuten in die Mitte des Lebens, rein in intensiv betreu- te Wohneinheiten mit maximal fünf Bewohnerinnen.

• Wir brauchen das Angebot Sexu- alassistenz/Sexualbegleitung für behinderte Menschen und klare Richtlinien dafür, besonders solan- ge es noch Heime gibt.

• Sieh das Gute liegt so nah, rede mehr mit deinen Nachbarn.

• Sieh das Gute liegt so nah, schaltet eure MP3-Player und Handys ab, redet dafür mit den anderen Fahr- gästen in Bus und Bim und schaut den Menschen, die euch am Geh- steig begegnen, in die Augen.

• Sieh, das Gute liegt so nah: ich brauche im November keine Erd- beeren aus Mexiko und im Sommer keine Mangos aus Südafrika. Schät- zen und essen wir, was wir um uns haben, das aber in liebevoller guter Qualität.

• Wir brauchen einen perfekten, selbstverständlich barrierefreien öffentlichen Nahverkehr öster- reichweit und so manche andere

Lösung, um die Dominanz der Autos in unser aller Leben zu re- duzieren.

• Wir brauchen alternative Energien:

nicht als Alternative sondern als Hauptlösung.

• Wir brauchen eine Politik in Öster- reich, die sich von den völlig lang- weilig gewordenen Parteigrenzen verabschiedet und sich stattdessen auf das breite und in unserem Land reich vorhandene Wissen von Ex- pertInnen stützt.

• Wir brauchen positive Diskriminie- rung für behinderte Menschen, das heißt rein in wichtige Jobs und Führungspositionen, und zwar per Gesetz erzwungen: so wie in der Frauenförderung, bis es zu einer wirklichen Gleichberechtigung kommt.

• Nichts über uns ohne uns (behin- derte Menschen): nothing about us without us.

• Und zum Schluss noch was Provo- kantes: Mehr Sex, weniger Fernse- hen! Danke!

Sebastian Ruppe

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Eckpunkte für ein Österreichisches Assistenzleistungsgesetz (ALG)

1. Einführung

In der Behindertenpolitik hat sich ein Paradigmenwechsel vollzogen. Men- schen mit Behinderung werden nicht weiter als „Fürsorgeobjekte“ betrach- tet, sondern als selbstbestimmte Men- schen mit gleichen Rechten wahrge- nommen.

Ausdruck fand dieser Paradigmen- wechsel ganz wesentlich erstmals im österreichischen Bundespflegegeldge- setz (1993), das eine bedarfsorientierte G e l d l e i s t u n g f ü r n ö t i g e Assistenz¬leistungen vorsah, mit dem Zweck, „pflegebedürftigen Personen soweit wie möglich die notwendige Betreuung und Hilfe zu sichern sowie die Möglichkeit zu verbessern, ein selbstbestimmtes, bedürfnisorien- tiertes Leben zu führen.“ In der real existierenden Umsetzung dieses Bun- desgesetzes wurde diese Intention des Gesetzgebers nach inzwischen 14 Jah- ren leider mehr als verfehlt.

Ein weiterer wichtiger Meilenstein war das 1997 in die österreichische Bundes- verfassung (Artikel 7) aufgenommene Benachteiligungsverbot als Staatsziel- bestimmung. Dort heißt es:

”Niemand darf wegen seiner Behin- derung benachteiligt werden. Die Republik (Bund, Länder und Gemein- den) bekennt sich dazu, die Gleich- behandlung von behinderten und nichtbehinderten Menschen in allen Bereichen des täglichen Lebens zu

gewährleisten.”

Das mit einigen Abstrichen seit 2006 bestehende Bundes- Behinderten- gleichstellungsgesetz soll Diskrimi- nierungen von Menschen mit Behinde- rungen in allen Lebensbereichen ver- hindern oder beseitigen und die gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglichen.

Diese zum Teil erfreulichen Entwick- lungen auf gesetzlicher Ebene benöti- gen jedoch dringend Korrekturen und Weiterentwicklungen, um die vielfäl- tig, weiterhin bestehenden Benachtei- ligungen aufgrund Behinderung wirksam auszuräumen und Gleichbe- rechtigung und Chancengleichheit für Menschen mit Behinderungen auf allen Ebenen zu sichern.

Die bisher erreichten und in Umset- zung befindlichen Rahmenbedin- gungen reichen bei Weitem nicht aus, Benachteiligungen zu kompensieren und ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Viele Menschen mit Be- hinderung brauchen nicht nur eine barrierefreie Umwelt oder lediglich Schutz im zivilrechtlichen Bereich, sondern auch Assistenz bei alltäglichen Verrichtungen wie Körperpflege, Aus- übung des Berufes, Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft etc. Die meisten dieser Menschen haben jedoch nur eingeschränkte Möglichkeiten, ihr Leben gleichberechtigt in der Gesell- schaft zu führen, da sie oftmals nur die

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Wahl zwischen einem sehr einge- schränkten Leben in einem Heim oder im Rahmen der Familien haben.

„Persönliche Assistenz“ für Menschen mit Behinderung ist der Schlüssel zu einem selbstbestimmten, gleichwer- tigen und gleichberechtigten Leben in der Gemeinschaft.

Die ausschlaggebende Rolle, die per- sönliche Assistenz im Leben von Men- schen mit Behinderungen spielt, ist bereits in mehreren internationalen Grundsatzpapieren anerkannt und ausgeführt worden.

So regeln zum Beispiel die „Rahmen- bestimmungen für die Herstellung von Chancengleichheit für Menschen mit Behinderungen“ der Vereinten Nationen in Bestimmung 4, Leistung- sangebote:

Die Staaten sollen für den Aufbau und die Bereitstellung von Leistungen, einschliesslich Hilfsmittel, sorgen, damit Menschen mit Behinderungen in ihrem täglichen Leben ein grösseres Mass an Selbständigkeit erreichen und ihre Rechte ausüben können.

Die Staaten sollen als wichtige Mass- nahme zur Herstellung der Chancen- gleichheit sicherstellen, dass Menschen mit Behinderungen entsprechend ihren Bedürfnissen Hilfsmittel und Geräte, persönliche Assistenz und Dolmet- scherdienste zur Verfügung stehen.

Die Staaten sollen die Ausarbeitung und Bereitstellung von Programmen zur persönlichen Assistenz und von Dolmetscherdiensten, insbesondere für Menschen mit Schwer- und /oder Mehrfachbehinderung, unterstützen.

Derartige Programme würden den Grad der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am täglichen Leben zu Hause, am Arbeitsplatz, in der Schule und bei Freizeitaktivitäten erhöhen.

Die Programme zur Persönlichen As- sistenz sollen so gestaltet sein, dass Menschen mit Behinderungen, die von diesen Programmen Gebrauch ma- chen, entscheidenden Einfluss auf die Umsetzung der Programme haben.

(Vgl.: Rahmenbedingungen für die Herstellung der Chancengleichheit für Behinderte, angenommen von der Generalversammlung der Vereinten Nationen, 48. Sitzung, Resolution 48/96, Anhang, vom 20.Dez.1993) Ein weiteres Grundsatzpapier ist die

„UN- Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung“ (2007) Dieses Menschenrechtsdokument hält fest, „dass alle Menschenrechte und Grundfreiheiten allgemein gültig und unteilbar sind“ und dass Menschen mit Behinderungen „der volle Genuss dieser Rechte und Freiheiten ohne Diskriminierung garantiert werden muss“ In Artikel 19 dieser Konvention wird festgehalten, dass „Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt die Möglichkeit haben, ihren Wohnsitz zu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben, und nicht verpflichtet sind, in besonderen Wohnformen zu leben“. Also keine Heime und mehr Unterstützung in der selbst gewählten Wohnform. Konkret ist gefordert: „Zugang zu einer Reihe von häuslichen, institutionellen und anderen gemeindenahen Unterstüt-

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zungsdiensten haben, einschließlich der persönlichen Assistenz, die zur Unterstützung des Lebens in und der Teilhabe an der Gemeinschaft sowie zur Verhütung von Isolation und Ab- sonderung von der Gemeinschaft notwendig ist“.

Tatsächlich aber gibt es sehr viele Ge- setze, Verordnungen etc., die das Leben für Menschen mit Behinderung ein- schränken und sie somit eher abhän- giger als unabhängiger machen. (Bei- spiele: Einkommensgrenze, Unter- haltspflichten, die über die von nicht behinderten Kindern hinausgehen) Deshalb fordern wir für Menschen mit Behinderungen ein eigenes Assistenz- leistungsgesetz, damit Menschen mit Behinderung gleichberechtigt am Le- ben in der Gemeinschaft teilnehmen können. Ein Assistenzleistungsgesetz stellt in unseren Augen eine Grundbe- dingung zur Chancengleichheit für Menschen mit Behinderung dar.

Unsere Eckpunkte orientieren sich unter anderem an den Richtlinien des Europäischen Kompetenzzentrums für persönliche Assistenz (ECEPA) und an

den Inhalten der schwedischen Assis- tenzreform von 1994.

2. Definition persönliche Assistenz

Personen mit Behinderungen sind in verschiedensten Bereichen des täg- lichen Lebens auf die Assistenz durch andere angewiesen, z.B. bei der Kör- perpflege, beim Essen, Anziehen, der Hausarbeit, aber auch ausserhalb der Wohnung, am Arbeitsplatz genauso wie in der Freizeit, der Kommunikati- on, der Tagesstrukturierung oder ähnlichen kognitiven oder psycho-so- zialen Aufgaben.

„Persönliche Assistenz“ bedeutet:

• die Finanzierung der Dienstleistun- gen folgt der Person, nicht dem Dienstleister,

• die Assistenznehmer/innen be- stimmen selbst den Grad der Kon- trolle, den sie entsprechend ihrer persönlichen Bedürfnisse, Fähig- keiten, Lebensumständen, Vorlie- ben und Zielen über ihre Assistenz ausüben möchten. Dies schliesst das Recht mit ein, sich massge-

1Andere Definitionen erfordern die Fähigkeit, allein oder gemeinsam mit Anderen Assistenz anzustel- len, zu schulen und als Vorgesetzte aufzutreten. Diese Voraussetzungen schränken den Personenkreis, für den ein solches Konzept in Frage kommt, stark ein. In der vorliegenden Richtlinie liegt das Schwer- gewicht daher darauf, dass die jeweilige Person frei auswählen kann aus einer Vielfalt von Angeboten mit einer grossen Bandbreite unterschiedlicher Grade von Verantwortung über das alltägliche Funkti- onieren der Dienstleistungen. Auf diese Weise werden mehr Menschen von dieser Politik erfasst und haben die Freiheit, als Nutzer/innen Assistenzlösungen in unterschiedlichen Verantwortungsgraden auszuprobieren und Schritt für Schritt in dem ihnen entsprechenden Tempo Fähigkeiten zu entwickeln, grösseren Einfluss auf ihre Dienstleistungen auszuüben.

2Das Modell der persönlichen Assistenz bringt auch Vorteile für Bürger/innen, die trotz geeigneter Information, Beratung und anderer Unterstützung nicht in der Lage sind, Dienstleistungen auszuwäh- len und zu bewerten oder ihre Assistenz selbst anzustellen, vorausgesetzt, sie erhalten die entsprechende Unterstützung von Dritten, wie

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schneiderte Dienstleistungen ein- zukaufen. Damit hierin die freie Wahl gewährleistet ist, müssen die Assistenznehmer/innen frei darü- ber entscheiden können, wer, was, wann, wo und wie für sie erledigt.

So ermöglicht eine erfolgreiche Politik der persönlichen Assistenz den Betrof- fenen unter anderem, Dienstleistungen ihrer Wahl bei verschiedenen An- bietern einzukaufen oder als Arbeitge- ber/in selbst Assistent/innen anzustel- len, zu schulen, deren Einsatzplan festzulegen, sie zu beaufsichtigen und, falls notwendig, auch zu entlassen.

Vereinfacht ausgedrückt bedeutet

„persönliche Assistenz“, dass Assis- tenznehmende Kunden bzw. Vorge- setzte sind.1

Kinder, so wie Assistenznehmer/innen mit kognitiven oder psycho-sozialen Einschränkungen, benötigen eventuell Hilfe von Dritten, die sie in Ihrer ein- geschränkten Selbstbestimmungs¬fäh igkeit unterstützen, um diese Aufga- ben ausführen zu können.2

Der Begriff „persönliche Assistenz“ ist nicht angebracht für Dienstleistungs- lösungen, bei denen Wohnen und As- sistenz als untrennbares Paket, z.B. in stationären Einrichtungen wie so ge- nannten „Heimen“ und institutionellen

„Wohngemeinschaften“ angeboten

werden.

Sehr wohl muss aber eine Verknüpfung von „Wohnen und Assistenz“ in selbst gewählten (also echten) Wohngemein- schaften bzw. im Wohnverband mit Angehörigen oder nahe stehenden Personen kein Widerspruch sein, son- dern kann mitunter der ideale Rahmen für die nötigen Unterstützungsleistun- gen sein.

Die Gesetzgebung eines Staates zur persönlichen Assistenz muss Hand in Hand gehen mit einer Politik des bar- rierenfreien Bauens, insbesondere im Wohnungsbau, um die Abschiebung von Menschen mit erheblichen Behin- derungen in aussondernden Instituti- onen nach und nach abzubauen und ihnen zu ermöglichen, selbstbestimmt inmitten der Gesellschaft zu leben und vollumfänglich an ihr teilzunehmen.

3. Anspruchsberechtigte Ein persönlicher Anspruch

• wird allein dadurch begründet, dass eine Person in verschiedensten Bereichen des täglichen Lebens auf die Assistenz anderer Personen angewiesen ist, z.B. bei der Körper- pflege, beim Essen, beim Anziehen, bei der Erledigung der Hausarbeit, aber auch ausserhalb der Wohnung, am Arbeitsplatz genauso wie in der

beispielsweise ihrem gesetzlichen Beistand, Familienmitgliedern oder anderen Personen, die ihnen nahe stehen. Die Kosten dieser Unterstützung müssen übernommen werden, gegebenenfalls durch einen höheren Ansatz für die durchschnittliche Assistenzstunde.

3Ein Rechtsanspruch verringert die Abhängigkeit von Veränderungen in der wirtschaftlichen Lage der Kostenträger. Er ermöglicht Nutzer/innen und ihren Familien Planungssicherheit, fördert De-Institu- tionalisierung und ermutigt Assistenznehmer/innen und ihre Haushaltsmitglieder zum (Wieder-)Ein- tritt in den Arbeitsmarkt.

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Freizeit, bei der Kommunikation, der Tagesstrukturierung oder ähn- lichen kognitiven oder psycho-so- zialen Aufgaben.

• besteht unabhängig von der Ursa- che bzw. der medizinischen Dia- gnose der Behinderung, dem ge- genwärtigen Alter oder dem Alter bei Eintritt der Behinderung, dem Vorliegen eines Arbeitsverhält- nisses oder der versicherungsrecht- lichen Situation der betroffenen Person.

• besteht unabhängig vom Einkom- men oder Vermögen des/der Emp- fängers/in bzw. seiner/ihrer Fami- lie und dem Vorliegen eines Ar- beitsverhältnisses oder der versi- cherungsrechtlichen Situation der betroffenen Person.

4. Rechtsanspruch auf

Finanzierung von persönlicher Assistenz

Empfänger/innen haben unabhängig von der finanziellen Situation der Kos- tenträger bzw. der Auszahlungsstelle einen Rechtsanspruch auf die Finan- zierung ihrer persönlichen Assistenz.

5. Direkte Bezahlung, keine Sachleistung

Barleistung beziehungsweise direkte Bezahlung sind unverzichtbar für die Selbstbestimmung der Assistenzneh- merInnen. Diese Mittel müssen sie ei- genständig einsetzen können, um Leistungen von den von ihnen ge- wünschten Anbietern, von angestellten Assistenten oder auch Familienmitglie-

dern zu bezahlen.

Die direkte Bezahlung schafft einen Markt konkurrierender Anbieter und macht den Assistenznehmer zum Kun- den, der auswählen und Qualität ver- langen kann.

Sachleistungen nehmen hingegen den Assistenznehmern die Möglichkeit der Auswahl, indem sie die Wahl auf be- stimmte, oft monopolistische Anbieter, beschränken und die Betroffenen geo- graphisch, häufig sogar an Gebäude, binden.

Sachleistungen erlauben den Assis- tenznehmern nicht eigene Verantwor- tung für kosteneffektive Lösungen zu übernehmen.

Barleistungen dagegen, ermöglichen den Einzelnen ihre Assistenz entspre- chend ihres Bedarfs und ihrer Präfe- renzen einzuteilen und zu gestalten und so ihr Budget bestmöglich zu nut- zen. Kurz gesagt, während Sachleistun- gen die Assistenznehmer noch abhän- giger machen, bedeutet direkte Bezah- lung ein großes Stück mehr Freiheit.

6. Eckpunkte

• Ziel von ECEPA: Gesetzliche Richt- linien sollen Menschen mit Behin- derung den Grad an Kontrolle über persönliche Assistenz ermöglichen, den sie in ihrer individuellen Situ- ation ausüben möchten.

• Persönliche Assistenz ist auch ge- dacht für Menschen mit geistiger oder psychischer Behinderung.

• Parallel zur Gesetzgebung von persönlicher Assistenz sind Richt- linien zur Barrierefreiheit unver-

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zichtbar.

• Wichtiges Kriterium für Gesetzge- bung: Assistenz sollte unabhängig sein von Ursache der Behinderung, Alter, Geschlecht, sexueller Orien- tierung, ethnischer Herkunft, der finanziellen und versicherungs- rechtlichen Situation, auch unab- hängig vom Einkommen Angehö- riger und Partner.

• Die Bedarfsermittlung darf sich nicht an der finanziellen Situation des Kostenträgers orientieren.

• Künftige Assistenznehmer sollen auf Wunsch Beratung durch peer support während Gesprächen mit Sachbearbeitern erhalten, v. a. be- züglich Bedarfsermittlung.

• Personen, die aus Institutionen in eine eigene Wohnung ziehen möch- ten, sollten bis zu sechs Monate vor dem Umzug Gelder für Assistenz erhalten, um diese zu sichern.

• Jeder Mensch, der persönliche Assistenz benötigt, kann diese be- antragen, unabhängig von Art und Ursache seiner Behinderung bzw.

(chronischen) Erkrankung. Wer die genannten Voraussetzungen erfüllt, hat Rechtsanspruch auf diese Leis- tungen.

• Eltern bzw. Pflegeeltern sind be- rechtigt, Assistenzleistungen für ihre Kinder zu erhalten. Lt. ECEPA soll hier der Bedarf abgedeckt wer- den, der über die Betreuung eines nichtbehinderten Kindes hinaus- geht. Die Assistenzleistungen kön- nen auch durch die Angehörigen und Nahestehenden bei gleicher

Vergütung erbracht werden.

• Die Leistung wird einkommens- und vermögensunabhängig über- nommen.

ECEPA: Sie sind nicht versteue- rungspflichtig und wirken sich nicht auf andere Ansprüche bzw.

Zuwendungen aus.

• Ein Sachbearbeiter des örtlichen Leistungsträgers ermittelt im per- sönlichen Gespräch mit dem An- tragsteller den durchschnittlichen Stundenbedarf.

Dabei wird vom maximal Benöti- gten ausgegangen: Braucht jemand z. B. in bestimmten Situationen 24 Stunden, ansonsten i. d. R. nur 20, so werden 24 Stunden genehmigt.

Denn lt. Gesetz ist die individuelle Situation in ihrer Gesamtheit aus- schlaggebend, um gute Lebensqua- lität zu sichern.

• Ist eine fachliche Ausbildung der Assistenten notwendig, ist der durchschnittliche Stundensatz ent- sprechend anzuheben.

• Es gibt kein Limit für den täglichen Stundenbedarf. So kann man etwa auch 28 Stunden täglich bekom- men, wenn man in bestimmten Si- tuationen zwei Assistenten gleich- zeitig braucht.

• Der Bedarf wird nur durch die durchschnittlich im Monat benöti- gten Stunden ausgedrückt, eine Einteilung in Lebensbereiche ent- fällt.

• Der Bedarf wird alle zwei oder mehr Jahre neu ermittelt, auch auf Wunsch des Assistenznehmers

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(veränderte Lebenssituationen).

• Monatlich im Voraus erhält der Assistenznehmer entsprechend seines Stundenbedarfs einen Be- trag, der alle direkten und indi- rekten Lohn- bzw. Verwaltungskos- ten deckt sowie eventuelle Reise- und Unterbringungskosten für die Assistenten. ECEPA: Auch versi- cherungstechnische oder arbeits- rechtliche Fragen sind so abge- deckt.

• Benötigt man nicht jeden Monat alle genehmigten Stunden, können die entsprechenden Beträge ein Jahr gesammelt und nach eigenem Er- messen für Sonderbedarf an Assis- tenz (z.B. Urlaub) verwendet wer-

• Der Assistenznehmer ist verpflich-den.

tet, jeden Monat einen Nachweis über abgerechnete Stunden einzu- reichen.

• Der Stundenlohn wird jährlich von der Regierung festgelegt, muss je- doch zumindest wertgesichert sein, die jährliche Valorisierung erfolgt zumindest auf Basis geeigneter Preisindizes.

• Der Assistenznehmer kann wahl- weise seine Assistenten selbst oder bei einer entsprechenden, aus der Independent-Living-Bewegung heraus entstandenen Genossen- schaft anstellen. Genauso ist es möglich, Dienstleistungen bei am- bulanten Diensten bzw. privaten Anbietern zu kaufen oder alle Va- rianten zu kombinieren. Alle diese Leistungen werden gleich hoch

bezahlt; wird Fachpersonal (z.B. für medizinische Pflege) benötigt, ist das Assistenzbudget entsprechend bedarfsgerecht anzupassen.

• Ehepartner, Lebenspartner und/

oder Angehörige sowie andere nahestehende Personen können auch Assistenzleistende sein.

Bei persönlicher Assistenz für schwerst mehrfachbehinderte Men- schen ist je nach Schwere von ko- gnitiven Beeinträchtigungen bzw.

der eingeschränkten Wahrneh- mungs- und Ausdrucksfähigkeiten des Assistenznehmers, eine „Hilfe in der Selbstbestimmung“ die ein- zig zweckmäßige Form der Ergän- zung von mangelnder Eigenverant- wortungs- Kompetenz oder Selbst- bestimmungs- Äußerungsfähig- keit.

Diese Unterstützung ist nur bei bester Kenntnis und oftmals nur mehr durch Erspüren der Bedürf- nisse z.B. bei „basalen“ Menschen oder durch gestützte Kommunika- tion bei vollständig gelähmten bzw.

mehrfach sinnesbehinderten Men- schen möglich. Der dazu fähige, sehr vertraute Personenkreis nimmt sozusagen als Sprachrohr des Be- troffenen dessen „Selbstbestim- mung“ wahr und bringt sie zum Wohl und im Sinne des Hilfsbedürf- tigen zum Ausdruck und handelt danach.

Eine Kompetenz für diese, als der

„Selbstbestimmung im engeren Sinn“ gleich zu achtende „Vertre- tung in der Eigenverantwortung“

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kann oft nur durch intensives Zu- sammenleben erlangt werden. Es ist daher in Einzelfällen kein Wider- spruch, wenn Nahestehende so- wohl Sprachrohr, als auch Assisten- ten des Betroffenen sind.

• Um das Grundrecht auf Niederlas- sungsfreiheit gleichberechtigt zu gewährleisten, muss auch die Rea- lisierung der individuellen Assis- tenzlösung bei kurzfristigen (Rei- sen) oder dauernden Aufenthalten (Auswanderung) in anderen Län- dern ermöglicht werden. Der „Ex- port“ entsprechender Geldleistun- gen ist zu ermöglichen.

• Assistenten sollen auch während eines Klinik- oder Reha- Aufent- halts des Arbeit¬gebers beschäftigt sein können. Die Assistenzleistung ist auch nicht an den Wohnort des Assistenznehmers gebunden. Rei- se- und Urlaubsbegleitung, sowie Begleitung bei Freizeitaktivitäten ist möglich, da dies dem umfas-

senden Teilhabe- Konzept ent- spricht.

Grundlage für dieses Positionspapier bilden die „Richtlinien für eine bei- spielhafte nationale Gesetzgebung für persönliche Assistenz“ vom Indepen- dent Living Institute aus Schweden (Verfasser: Adolf Ratzka, 2004), wo auch weitere Details eines ALG`s dar- gestellt sind.

Der Text dieser Eckpunkte zu einem Assistenzleistungsgesetz (ALG) wurde großteils von der deutschen Vorlage übernommen. Wir danken dem Verein VbA - Selbstbestimmt Leben e.V.

(www.vba-muenchen.de) für die freundliche Genehmigung zur Verwen- dung.

Für den Inhalt verantwortlich:

Günter Schleser, Ing., Salzburg;

E-Mail: schleser@gmx.at

Gerhard Lichtenauer, Ing., Weistrach /NÖ; E-Mail: gerhard@lichtenauer.at

Quelle:

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Meine Geschichte

Zur Bedeutung von PA (Persönliche Assis- tenz) und PB (Persönliches Budget) für ein selbstbestimmtes Leben

Bei meiner Geburt 1979 in der DDR bemerkte noch keiner meine Behinde- rung. Erst meine Oma spürte wenig später, dass etwas mit mir nicht stimm- te, denn ich strampelte nicht wie an- dere Babys mit den Beinen. Obwohl ich bereits früh stehen konnte, fing ich doch erst spät - und nur mit Festhalten an Gegenständen - das Laufen an.

Nach der ersten Vermutung, dass ich ein Problem mit den Hüften hätte, stellte sich dann schließlich in meinem vierten Lebensjahr heraus, dass ich für den Rest meines Lebens mit spinaler Muskelatrophie, einer Erkrankung bzw. Schwächung der Muskeln, die einen das ganze Leben an den Roll- stuhl bindet, leben würde.

Schulbesuch

Meine Familie hatte bisher noch kei- nerlei Berührung mit behinderten Menschen gehabt und wusste nicht, wie sie damit umgehen sollte. In der DDR war das Thema außerdem eher tabu. Wir hatten in Halle/Saale zwar eine gute Körperbehinderten-Schule, in die ich in der ersten bzw. am Anfang der zweiten Klasse ging. Aber es gab weder Zivis, noch war sie besonders technisch ausgestattet. Als ich schließ- lich mit acht Jahren gleichzeitig an einer Lungenentzündung und Schar-

lach erkrankte, konnte ich innerhalb weniger Wochen überhaupt nicht mehr laufen, ja sogar nicht mal mehr stehen.

Da wurde meiner Mutter angeboten, mich entweder in ein Kinderheim für Körperbehinderte zu geben oder auf einen „Hausunterricht“ zurück zu greifen, bei dem der Lehrer mehrmals wöchentlich zu uns nach Hause kom- men sollte, um mich zu unterrichten.

Letzteres wollten wir dann, weil ich als kleines Mädchen auf gar keinen Fall von zu Hause weg wollte. Wir wohnten damals alle zusammen: mei- ne Mutter, meine Oma, mein Onkel und ich. Aber ich hing vor allem sehr an meiner Oma, die mich liebevoll aufzog und immer für mich da war;

ich war quasi ihr viertes Kind und sie meine „Omama“, wie ich sie immer nannte.

Das System mit dem „Hausunterricht“

dauerte erstmal nur ein halbes Jahr, da mit der Wende auch in meiner Schule umstrukturiert wurde, was über ein Jahr dauerte. Dies warf mich natürlich auch schulisch zurück. Und als ich dann wieder Lehrer geschickt bekam, musste ich erst einmal den Stoff aus der ersten und zweiten Klasse auffri- schen, bevor ich mit der dritten Klasse weiter machen konnte. Aber das ging

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schnell. Danach wurde ich wie vorher zu Hause im Wohnzimmer unterrich- tet und zwar bis durchgehend zur zehnten Klasse. Ich hatte anfangs wechselnde, jedoch in den letzten fünf Jahren immer gleiche Lehrer, die für mich beinahe die einzigen Menschen aus der Außenwelt waren, da ich durch diesen schulischen Werdegang völlig abgeschottet in meiner Familie lebte.

Als ich vierzehn Jahre alt war, bot mir die Schule zwar an, wieder in einer richtigen Klasse in der Schule inte- griert zu werden. Das lehnte aber ich ab, weil ich einerseits Angst davor hatte, wegen meiner geringen Unter- richtsstunden eine Klasse zurück ge- stuft zu werden. Andererseits gab es zu dieser Zeit große Probleme mit meiner Mutter, die sich weder mir noch meiner Oma gegenüber hilfsbe- reit noch engagiert zeigte, sondern eher mit großem Desinteresse. Ich hatte große Angst davor, dass dadurch noch größere Spannungen, unter de- nen ich sehr litt, hervorgerufen wür- den.Bis 1998 war mein Leben demnach sehr eintönig. Von der Welt draußen bekam ich nur über meine Familie bzw. durch den Fernseher etwas mit. Freunde hatte ich, außer einigen Brieffreund- schaften und einer ganz lieben Freun- din, die ich an einem „Tag der offenen Tür“ meiner Schule kennen lernte und mit der ich heute noch sehr eng be- freundet bin, keine. Aus der Wohnung konnte ich, da wir in einem Altbau im zweiten Stockwerk wohnten, nur,

wenn meine Mutter mich die zweiund- siebzig Stufen hinunter brachte. Das kam nur mit besonderem Grund, und dadurch so gut wie nie, vor.

Den Rollstuhl, einen Schieberollstuhl, den ich mit zehn Jahren bekam und aus dem ich in den Jahren raus wuchs, benutzte ich nur, wenn ich die Woh- nung verließ. Drinnen rutschte ich auf meinem Hintern bzw. einem kleinen Rollbrett von Raum zu Raum. Ins Bett oder auf einen Sessel (für die Unter- richtszeit) wurde ich mit einem alten, von einem Krankenhaus ausrangier- ten, manuell betriebenen Lifter geho- ben. Da das Bad zu klein war, konnte ich nie duschen oder baden.

Trotz dieser schlimmen Situation ver- lor ich nie meinen Mut und den Drang für mehr zu kämpfen. Ich wollte ein- fach nicht wahr haben, was so gut wie alle um mich herum glaubten, nämlich, dass ich nichts aus meinem Leben machen könnte. Ich hatte, wie jeder andere Teenager meine Träume, woll- te studieren und vor allem ein eigen- ständiges, unabhängiges Leben führen und allen beweisen, dass ich nicht „zu behindert“ dafür war. Ich klammerte mich an die Musik und das Schreiben, zwei Dinge, die mir immer meine Kraft aufrechterhielten.

Berufsberatung

Weil ich große Angst vor der Reaktion meiner Mutter hatte, wendete ich mich heimlich erst an meine Lehrer, dann an einen Sozialarbeiter der Schule. Er half mir, indem er es vor meiner Mutter so aussehen ließ, als wenn er ganz allein auf die Idee gekommen wäre, dass ich

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nach Beendigung meiner Realschule, die ich wegen der geringen Stunden- zahl nur mit einem Abgangszeugnis verließ, eine Ausbildung anfangen müsste – natürlich außerhalb der Woh- nung.

Meine Mutter war ganz und gar nicht davon begeistert, als er mit einer Frau vom Arbeitsamt zusammen für mich einen vierwöchigen Aufenthalt in der Berufsberatung in Neckargemünd/

Heidelberg besorgte. Aber sie legte mir keine Steine in den Weg. Mir war es recht, dass es so weit weg war, auch, wenn ich noch nie zuvor von zu Hau- se weg war und furchtbare Angst hatte. Doch ich hatte noch größere Angst davor, für immer zu Hause bleiben zu müssen.

Und so trat ich diese Reise an, die mir damit alle Toren in mein neues Leben weit öffnete, denn aus vier Wochen wurden ganze sieben Jahre, in denen ich mich von der Berufsvorbereitung, die ich nach bereits drei Monaten ver- ließ um in die Wirtschaftsschule zu wechseln, bis zum Wirtschaftsgymna- sium ohne große Anstrengung durch- schlug.

Anfangs war es sicher nicht einfach im Internat zu leben, da ich bisher nie mit so vielen fremden Menschen konfron- tiert war. Ich war ja noch nicht einmal im Kindergarten gewesen. Aber ich war so dankbar für diese Chance und freute mich so sehr darüber, in der

„Außenwelt“ leben und mich bewei- sen zu können, dass ich keinerlei Probleme mit anderen Menschen hatte und sogar gleich am ersten Abend

langjährige Freundschaften schloss.

Dennoch musste ich viel lernen, wie z.

B. das Kochen einfachster Dinge oder sogar das Be-nutzen einer Waschma- schine. Aber das wollte ich ja auch.

Mobilität

Die größte Veränderung war meine plötzlich errungene Mobilität. Ich be- kam vorerst von einem Sanitätshaus einen E-Rollstuhl geliehen, einen sehr großen und nicht auf mich angepass- ten. Aber ich liebte ihn, da ich ohne Hilfe hingehen konnte wo immer ich wollte. Ich war so glücklich darüber und nutzte diese Errungenschaft sehr, in dem ich mit Freunden täglich unter- wegs war und auch alleine öfters spazieren ging, was mich jedes Mal berührte – dieses ganz allein spazieren gehen zu können!

Meinen eigenen E-Rollstuhl beantrag- te ich natürlich schnell. Aber es dauer- te ganze zwei Jahre und benötigte drei Widersprüche, bis ich ihn endlich ge- nehmigt und eigens auf mich ange- passt bekam. Ich hatte ein eigenes Zimmer mit eigenem Bad und eigener Dusche, und alles ganz für mich allein.

Wenn ich Hilfe benötigte, brauchte ich nur zu Klingeln und es kam jemand von den Erziehern oder einer der Zivis.

Ich konnte gehen und kommen wann ich wollte - Mein Leben war ein wahr- gewordener Traum! Ein Traum, aus dem ich Angst hatte, zu erwachen.

Weil ich große Angst davor hatte nach Beendigung meiner Schulzeit, was 2005 bevorstand, wieder nach Hause zurück und meine gewonnene Freiheit damit aufgeben zu müssen, stellte ich

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nach den ersten drei Jahren einen Här- tefallantrag. Der veranlasste, dass ich nicht wie üblich sämtliche Ferien zu Hause verbringen musste, sondern mir aussuchen konnte, wann und für wie lange ich zu meiner Familie fuhr. Da- mit war ich der Unabhängigkeit wie- der ein ganzes Stück näher gekommen.

Und wenn ich nach Hause fuhr, achte- te ich immer darauf, dass es nur weni- ge Tage waren, damit der Antrag nicht gefährdet wurde. Das Schlimme daran war jedoch, dass meine Oma gerade als der Antrag genehmigt war, schwer an Krebs erkrankte, was mir schwer zu schaffen machte. Denn nicht nur die schlimme Krankheit, an der meine Oma schließlich ein Jahr später starb, sondern auch die Tatsache, dass ich zwar zu jeden Ferien, aber immer nur einige Tage, Heim fahren und sie be- suchen konnte, verursachte in mir schwere Vorwürfe. Aber die Angst, den Antrag wieder verlieren zu kön- nen und damit meine Unabhängigkeit, für die ich so einstehen musste, war unheimlich groß!

Anderthalb Jahre vor Schulende wur- de ich schließlich wieder aktiv. Wie gesagt machte mir die Vorstellung, nach der Schule wieder zu meiner Mutter zu müssen, große Angst, auch wenn sie sich nach dem Tod meiner Oma zum Positiven verändert hatte.

Ich wollte mein eigenes Leben; und ich wollte keinen Rückschritt erlangen. Ich sah und sehe immer nach vorne, und dort hin musste es auch immer für mich gehen!

Ich suchte nach einem geeigneten Stu-

dienfach, denn dass ich studieren würde, zweifelte nun keiner mehr an.

Und nachdem ich den Traum von der Architektur aufgab, da es einerseits schon für nicht behinderte Architekten keine Arbeitsstellen gab und ich ande- rerseits befürchtete, dass ich dem harten Studium nicht standhaft blei- ben könnte, fand ich durch Zufall mein Fach: Skandinavistik!

Studium

Der Weg führte mich an die Tübinger Universität, an der auch eine meiner besten und langjährigen Freundinnen studierte. Ich bewarb mich in der Ge- gend für Wohnungen und bekam letzten Endes vom Tübinger Studen- tenwerk ein Zimmer angeboten, was sich als weiteren Traum heraus stellte, da es doppelt so groß war wie das im Internat, Parkettboden hatte und eine kleine Terrasse, die auf einen be- grünten und sonnigen Hinterhof zeigte. Das Zimmer war in einer Stu- denten-WG, in der noch zwei andere, nichtbehinderte (!) Studenten wohnten.

Das war eine neue Herausforderung, denn im Internat hatte ich es meistens mit ebenfalls behinderten Menschen zu tun gehabt. Ich hatte etwas Angst vor dieser totalen Integration, freute mich jedoch auch sehr darauf; und es stellte sich schließlich als völlig pro- blemlos heraus.

Aber diese Lebensart zog ein Problem mit sich heran, denn wie sollte ich meinen Hilfebedarf sichern? Mein körperlicher Zustand hatte sich in den letzten zehn Jahren zwar kaum ver- schlechtert. Aber dennoch war ich viel

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auf Hilfe angewiesen, schon allein morgens beim Aufstehen oder Anzie- hen. Nicht umsonst war ich von der Krankenkasse in Pflegestufe II einge- stuft worden. Mir blieb nichts anderes übrig, als die Hilfe eines ambulanten Pflegedienstes in Anspruch zu neh- men. Meine Freundin empfahl mir einen, den sie flüchtig kannte. Ich wendete mich an ihn und vereinbarte ein Treffen in Tübingen, bei dem ich gleichzeitig auch die zukünftige Woh- nung ansah und mich mit meiner zu- künftigen Sachbearbeiterin vom Tü- binger Sozialamt traf. Ich wusste gleich, dass ein Pflegedienst auf die Dauer nichts für mich war.Aber solche Gedanken konnte ich mir damals nicht leisten, denn ich hatte keine andere Wahl.

Die Sozialarbeiterin drückte mir zwar bei dem Treffen einen Flyer über das Persönliche Budget in die Hand, doch ich konnte damals nicht das Geringste damit anfangen und wollte erst einmal eine Grundsicherung für meinen Hil- febedarf haben. Meine Devise war, alles langsam anzugehen, denn es war schon ein großes Vorhaben für mich, in eine fremde Stadt zu gehen, in einer WG zu leben mit fremden Menschen, zu studieren und die ganze Organisa- tion allein zu meistern, ohne Rückhalt oder Unterstützung meiner Familie, von der ich mich so weit weg bewegt hatte, mit Ausnahme von meinem Onkel, der, besonders nach der Krank- heit meiner Oma, immer wie ein groß- er Bruder und bester Freund zu mir war und ist.

Ambulanter Dienst

Freunde halfen mir bei meinem Um- zug. Mit dem Pflegedienst, der einen Wohnungsschlüssel erhalten hatte, damit er morgens zu mir kommen konnte, wenn ich im Bett lag, lief es zunächst gut. Allerdings stellten sich bei mir schon nach ein paar Tagen große Zweifel heraus. Nach einigen Wochen war dieses System für mich die Hölle, denn ich war ganz und gar nicht flexibel; und ich war höchst un- terversorgt. Da der Pflegedienst so teuer war, konnte er nur vier Mal am Tag für wenige Minuten kommen.

Die Zeiten waren festgelegt und zwar immer schon eine ganze Woche im Voraus. Das Problem war, dass die Zeiten, die auf dem Plan standen, oft nicht der Realität entsprachen und ich somit eine große Spanne einplanen musste. Ich musste zu den vorgege- benen Zeiten aufstehen, duschen, aufs Klo gehen. Brauchte ich früher oder später Hilfe, hatte ich Pech und muss- te warten. Dinge, die den Haushalt betrafen, durfte ich nur einmal in der Woche innerhalb von zwei Stunden abhandeln, jeden Mittwochvormittag.

Erlaubte ich mir, etwas aus dem Rah- men Fallendes zu verlangen, wie z. B.

in der Zeit, die für das Klo da war, Wäsche zu waschen anstatt zur Toilet- te zu gehen, bekam ich Ärger, sogar von der Pflegedienstleitung persön- lich, die extra deswegen anrief.

Privatsphäre?

In die Dokumentation schrieben die Schwestern nicht nur, was sie bei mir verrichtet hatten, sondern auch, ob

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und von wem ich gerade Besuch hatte, oder wie es mir ging. Das empfand ich als unwahrscheinlichen Eingriff in meine, ohnehin schon eingeschränkte, Privatsphäre. Aber meine Beschwer- den wurden nicht erhört. Die eine oder andere Schwester nahm sich sogar heraus, mir dreiste Kommentare an den Kopf zu werfen, schlecht gelaunt zu kommen, oder gar hinter meinen Rücken schlecht über mich zu reden, was die Situation für mich noch er- schwerte. Es ist etwas ganz Furcht- bares, sich von jemand helfen lassen zu müssen, den man nicht mag.

Aber das Schlimmste war für mich doch, dass ich abends meistens zwi- schen halb acht und halb neun ins Bett musste, als sechsundzwanzigjährige Studentin! Da lag ich dann und war gänzlich vom aktiven Leben abge- schnitten, das alle Studenten um mich herum führten. Später halfen mir dann ab und zu nette Mädels, mit denen ich mich gerade angefreundet hatte, nach einem gemeinsamen abendlichen Tref- fen fürs Kino oder zu einem Fest, ins Bett. Das nahm ich aber nur in der Ausnahme in Anspruch, da ich diese Hilfsbereitschaft einfach nicht aus- nutzen wollte.

Nach einigen Monaten war für mich die Sache entschieden und die Angst vor der massiven Eigenverantwor- tung, die ein Persönliches Budget, mit dem ich mich immer noch nicht aus- kannte, mit sich bringt, verflogen. Ich wollte nur noch weg vom Pflegedienst und dachte, dass ich mein bisheriges Leben ganz gut gemeistert hatte und

ich auch gerne endlich die Verantwor- tung für mich alleine übernehmen wollte.

Beratung, Arbeitgeber und Budget

Die Frau, an die ich mich zuerst wand- te, gab mir zwar wegen ihrer nicht sehr kompetenten Erscheinung zuerst einen kleinen Rückschlag. Aber durch eine Freundin lernte ich dann ForseA ken- nen, an das ich mich auch gleich wen- dete und meinen persönlichen Antrag erstellte. Es dauerte noch ganze sechs Monate von meinem Antrag bis zur ersten Besprechung mit den Ämtern.

Dann bekam ich den Startschuss und hatte einen einzigen Monat Zeit um alles zu organisieren. Ich geriet ziem- lich in Stress, beantragte alle notwen- digen Nummern, suchte mir einen Steuerberater, entwarf Arbeitsverträge und ein System, mit dem ich verfahren wollte, damit alles seine Ordnung hatte, eröffnete ein extra Konto. Ich setzte eine Anzeige in die Zeitung, auf die sich um die fünfzig Menschen meldeten und aus denen ich dann mittels Gesprächen am Telefon und auch persönlich meine acht Assisten- tinnen heraussuchte. Und so schaffte ich es bis zum ersten Juni 2006 alle Vorbereitungen zu treffen. Auch mein vollgepacktes Semester meisterte ich nebenbei.

Allerdings erschien alles noch vage.

Ich konnte meinen neuen Arbeitneh- merinnen nicht genau sagen, wie ihr Job bei mir aussehen sollte, denn für mich war es ebenfalls Neuland. Aber worauf ich großen Wert legte, war

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meine Unabhängigkeit, die ich mir nie wieder nehmen lassen wollte. Zum Glück erwiesen sich die Assistentinnen sehr schnell als zuverlässig und flexi- bel. Menschlich lag ich mit jeder, trotz der unterschiedlichen Menschen, die ich da zusammen gestellt hatte, auf einer Wellenlänge – bis auf zwei, bei denen sich schließlich doch heraus- stellte, dass es für mich nicht so passte und mit denen ich das Arbeitsverhält- nis dann beendete. Das geschah ganz unproblematisch, denn ich war ja nicht mehr darauf angewiesen, mir von unsympathischen Menschen helfen lassen zu müssen. Das Einlernen in die Pflege ging äußerst schnell und un- kompliziert. Mittlerweile leite ich seit fast einem Jahr ein super Team, in dem auch, wenn etwas dazwischen kommt, der eine für den anderen kurzfristig einspringt. Dabei ist es mir sehr wich- tig, dass keiner sich benachteiligt fühlt und gleich mit mir spricht, sollten sich Spannungen auf tun.

Mein Leben hat sich seitdem um ein- hundert Prozent verbessert. Ich kann nun endlich tun, was, wann, wo und wie lange ich will. Es gibt niemanden mehr, der mir etwas vorschreibt. Ich führe endlich ein selbstbestimmtes Leben und mache Dinge, die früher

unmöglich gewesen wären, wie z. B.

zum aller ersten Mal in meiner Hei- matstadt Urlaub zu machen, dort mit dem E-Rollstuhl umher zu fahren und die Stadt wirklich zu sehen, nicht nur vom Fenster aus, und mit meinem Onkel durch die Straßen zu gehen.

Dies war ein Erlebnis, das ich mir im August 2006 für eine Woche gönnte.

Zwar musste ich im Hotel wohnen, aber ich hatte eine Assistentin dabei und konnte mich somit ganz unabhän- gig und frei bewegen!

Heute kann ich jedem anderen behin- derten Menschen nur raten: trau dich, es gibt nichts Wertvolleres im Leben, wie deine eigene Unabhängigkeit – die jeder erreichen kann, ganz egal unter welchen Umständen er lebt. Noch vor zehn Jahren hat mir kein Mensch um mich herum geglaubt, als ich der festen Überzeugung war, dass ich einmal so leben werde, wie ich es jetzt tue; ein Leben, wie jeder andere „normale“

Mensch!

April 2007, Yvonne Gersch (Text und Bild mit freundlicher Geneh- migung der HerausgeberInnen ent- nommen aus:

www.daheim-statt-heim.de )

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Im Gespräch

Frau Ilse Lipp im Gespräch mit dem Betriebsratvorsitzenden Gerhard Hammer an ihrem Arbeitsplatz im LKH Graz Gerhard Hammer:

Es freut mich besonders, dass ich in dieser besinnlichen Adventzeit eine Arbeitskollegin, die es nicht immer leicht gehabt hat, zu einem Gespräch bitten darf. Frau Ilse Lipp ich darf Sie bitten sich unseren Lesern vorzustel- len.

Ilse Lipp:

Ich leide seit meinem 4. LJ. an einer progressiven Muskeldystrophie und bin seit dem 5. LJ. an den Rollstuhl gefesselt bzw. er wurde mein treuester und ständiger Begleiter. Als ich 2 Jahre alt war, haben meine Eltern bemerkt, dass etwas nicht stimmt. Ich war als Kind viel im Krankenhaus. So langsam fanden wir uns ab, es gibt keine Hilfe und es ist wie es ist. Seit dem 12. LJ. ist die Krankheit sozusagen stationär – es ist also ziemlich gleich geblieben. Ich trage ein Stützmieder um sitzen zu könne, fühle mich aber wohl. Dank meiner wunderbaren Mama war es mir möglich, immer eine ganz normale Schule zu besuchen, was in den 60er Jahren nicht so selbstverständlich war.

Ich besuchte die Volksschule bei den Schulschwestern in Eggenberg, an- schließend die Hauptschule in der Brucknerstraße in Graz und schließlich die 3jähr. Bundeshandelsschule in der Grazbachgasse. Danach war ich 2 Jahre zu Hause, da es nicht so einfach war, eine Stelle für mich zu finden.

Ich lebe mit meiner Mama in Graz in einer 3-Zimmerwohnung, die seit Ma- mas Bandscheibenvorfall im Jahre 2001 mit einem Hebelifter für Bett und Bad adaptiert wurde, da sie mich nicht mehr heben kann. Um die Stufen zu unserer Wohnung zu überwinden , haben wir ein Scalamobil, das auf den Rollstuhl montiert wird und ohne großen Kraft- aufwand sozusagen über die Treppen klettert. Für das Auto haben wir eine Hubmatik, so kann ich im Rollstuhl sitzen bleiben und so befördert werden.

Es ist zwar alles schwierig und zeitauf- wendig, aber wir sind unabhängig und mobil.

Natürlich habe ich auch Hobbies wie Lesen und Handarbeiten, das mache ich sehr gerne. Auch liebe ich es, mir ferne Länder via TV anzusehen. Musik ist eine große Leidenschaft von mir, einfach quer durch den Gemüsegarten – von André Rieu bis zu den White

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Stars. An den Wochenenden bin ich eine Sonnenanbeterin, jede schöne Minute verbringe ich im Freien auf unserer Terrasse.

Gerhard Hammer:

Seit 1979 sind Sie im Klinikum Graz beschäftigt. Wie war Ihre berufliche Entwicklung?

Ilse Lipp:

Im August 1979 war es schließlich so- weit. Ich sollte im Amt für Gesundheits- wesen, in der Landessanitätsdirektion bei Dr. Mittelbach zu arbeiten begin- nen. Dort war es aufgrund baulicher Barrieren (2. OG ohne Lift) für mich unmöglich zu arbeiten. Schließlich kam ich dann auf die damals I. Med. unter Prof. Sailer.

Aller Anfang ist schwer, für mich umso mehr. Ich habe damals meine eigene elektrische Koffer-Schreibmaschine mitgebracht, um schreiben zu können.

Es gab damals nur mechanische Schreibmaschinen, die ich ja aufgrund meines Handicaps nicht bedienen konnte. Nach und nach konnte ich mich gut in die Kanzleigemeinschaft inte- grieren und gewann zuerst liebe Kolle- ginnen, aus denen dann gute Freunde wurden, die mich voll akzeptierten und meine Arbeit schätzten und mit denen ich auch heute noch, obwohl sie die Klinik bereits wieder verlassen haben, engen Kontakt habe. In diesen nun- mehr bald 29 Jahren habe ich viele Leute kennen gelernt und es war über- wiegend positiv und schön. Auch heute nach der Aufteilung in die ver- schiedenen Abteilungen verbindet uns noch vieles und das ist sehr schön, nicht

aus den Augen aus dem Sinn zu sein.

Es besucht mich öfters die sogenannte

„alte Garde“ an der Abteilung für Rheumatologie, wo ich jetzt tätig bin.

Dies alles ist jedoch nur Dank meiner wunderbaren Mama, die mich täglich zur Arbeit bringt und wieder abholt, möglich.

Gerhard Hammer:

Für mich ist es immer bewunderns- wert, wie Menschen mit körperlichen Handicaps über das normale Maß hin- aus, hilfsbereit, freundlich und humor- voll ihrer Arbeit nachgehen und der Kollegenschaft begegnen. Was steckt dahinter?

Ilse Lipp:

Mir wurde Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit immer von meiner Mama und der Familie und den Freun- den vorgelebt. Ich bin eigentlich ein überaus zufriedener, optimistischer und sehr toleranter Mensch. Für mich ist es selbstverständlich zu helfen.

Gerhard Hammer: Welche Tipps gibt es von Ihnen vor allem für jüngere Kolleginnen und Kollegen?

Ilse Lipp: Die Zeit ist sehr schnelllebig geworden, das Wesentliche bleibt oft auf der Strecke. Einfühlungsvermögen und Toleranz fehlen auch. Die Herzens- bildung sollte wieder mehr in den Vordergrund rücken und die Ellenbo- gentechnik zurückgestellt werden. Aus dem ICH sollte wieder ein DU, ein WIR werden. Wie heißt es so schön im „Klei- nen Prinzen“ von Saint Exupéry: „Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche bleibt für die Augen un- sichtbar!“ Das müsste mehr gefördert

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werden!? Es gibt so viele liebe Men- schen, und ich bin stolz, ein liebes Umfeld zu haben und viele liebe Men- schen zu kennen und als meine Freunde bezeichnen zu dürfen. Selbstverständ- lich zählen auch die Kollegen der Univ.

Klinik für Innere Medizin dazu.

( ... )

Gerhard Hammer:

Welche Wünsche und Erwartungen haben Sie für die Zukunft?

Ilse Lipp: Ich wünsche mir, so weit wie möglich gesund zu bleiben und weiter- hin in Zufriedenheit leben zu dürfen und auch noch ein bisserl arbeiten zu können in einem friedlichen und freundlichen Umfeld. Ich wünsche mir ein bisschen mehr Frieden für die Men-

schen nah und fern, Toleranz, Verständ- nis und Einfühlungsvermögen für an- dere.

Gerhard Hammer: Liebe Frau Lipp, ich darf mich herzlich für dieses besonde- re Gespräch bedanken und wünsche Ihnen eine besinnliche Adventzeit und ein Gutes 2008!

Ilse Lipp: Ich möchte mich bedanken, dass Sie mir im Rahmen dieses Inter- views die Gelegenheit gegeben haben, ein wenig von mir zu erzählen, um damit auch anderen Behinderten Mut zu machen. Auch ich möchte Ihnen und der Kollegenschaft eine schöne und besinnliche Weihnachtszeit mit den besten Wünschen für 2008 mit fol- gendem Gedicht wünschen:

Wann fängt Weihnachten an?

Wenn der Schwache dem Starken das Zögern vergibt, Wenn der Starke die Kräfte des Schwachen auch liebt, Wenn der Habewas mit dem Habenichts teilt, Wenn der Laute bei dem Stummen verweilt und begreift, Was der Stumme ihm sagen will.

Wenn das Leise laut wird und das Laute still, Wenn das Bedeutungsvolle bedeutungslos, Das scheinbar Unwichtige wichtig und groß.

Wenn mitten im Dunkel ein winziges Licht Geborgenheit, helles Leben verspricht, und Du zögerst nicht, sondern gehst so wie Du bist darauf zu - ja dann...

Dann fängt Weihnachten an.

(Mit freundlicher Genehmigung von Frau Ilse Lipp entnommen dem Landeskrankenhaus Magazin, Nummer 5 – November 2007, Seite 4 f.)

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Was ist Pflege und was Betreuung? – Eine Begriffsklärung

Pflege und Betreuung lassen sich in genau drei Bereiche aufgliedern:

1.) die medizinische Pflege 2.) die Pflegehilfe

3.) die intermittierende Hilfe- und Rufbereitschaft oftmals bis „rund um die Uhr“

Zu 1.)

Die medizinische Pflege ist eine Dis- ziplin mit hoher Qualifikation. Sie sollte daher durch Fachpersonal erfol- gen.Bedarf an medizinischer Pflege muss nicht in jedem Fall von Hilfsbedürftig- keit gegeben sein. Medizinische Pflege kann täglich erforderlich sein, aber auch nur in größeren Abständen. Diese Be- treuungsform erfordert in der Regel keinen allzu großen Zeitaufwand. In Ausnahmefällen können Angehörige in all diese Tätigkeiten umfassend einge- schult werden.

Die Kosten dieser professionellen Betreuung belaufen sich für die öffentliche Hand bzw. den Nutzer zwischen € 47 bis € 80 pro Stunde, siehe Tarifblatt der Pflegeindustrie *).

Zu 2.)

Die Pflegehilfe erfordert ebenfalls eine entsprechende Ausbildung. Sie kommt dort zum Einsatz, wo medizinische Pflege nicht erforderlich ist und Grund- bedürfnisse befriedigt werden müssen (Mobilisierung für den Alltag).

Ein Einsatz ist dann notwendig, wenn Angehörige nicht zur Verfügung stehen oder aber bei Langzeitpflegebedürftig- keit dazu nicht mehr in der Lage sind.

Die Kosten dieser professionellen Betreuung belaufen sich für die öffentliche Hand bzw. den Nutzer zwischen €40 bis € 64 pro Stunde, siehe Tarifblatt der Pflegeindustrie *).

Zu 3.)

Diese Form der Hilfe wird von der Politik am sträflichsten behandelt, ist jedoch der wichtigste Teil der Auf- rechterhaltung unseres Pflegesys- tems.

80 % der Hilfe suchenden Menschen wird auf diese Weise versorgt. Dieses System kann nur mit ausreichenden Transferzahlungen aufrecht erhalten werden – niemals mit Dienstverhältnis- sen, auch nicht mit professioneller selbstständiger Berufstätigkeit.

Diese Hilfeform wird derzeit vom Staat mit rund € 3,00 pro Stunde aus dem Pflegegeld gefördert!!! **)

*) Stundensatz je nachdem ob unter der Woche, an Sonn- oder Feiertagen

**) Stundenkontingent je nach Pflegegeldstu- fe dividiert durch das gewährte Pflegegeld bis zur rund um die Uhr Betreuung.

Wie es anders gehen könnte, siehe:

www.daheim-statt-heim.at

G. Schleser /07

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Blitzlichter vom Fest

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Quelle: G. Garb-Konegger

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Mit dem Rollstuhl in die Krypta

Es war heiß in Lignano Sabbiadoro, obwohl es erst Ende Mai war. Es hatte daher eigentlich niemand Lust ins hei- ße Auto zu steigen. Meine Begleiter Maria und Johannes hatten jedoch versprochen, mit mir nach Aquileia zu fahren, da ich ab und zu meinen Hun- ger nach „Kultur“ stillen muss und ihnen außerdem unbedingt die Mosa- iken und römischen Ausgrabungen zeigen wollte. Ich hatte sie vor hundert Jahren, als ich noch gehen konnte, schon gesehen und als einmalig in Er- innerung behalten.

Später sollten Maria und Johannes sa- gen, dass dies der schönste Tag des gesamten Italienaufenthaltes gewesen sei.Ich genoss die ca. einstündige Fahrt auf Landstraßen durch reizvolle Orte.

Noch weit vom Ort Aquileia entfernt sahen wir bereits den 73 Meter hoch in den Himmel ragenden Glockenturm und so schien es ganz leicht, unser Ausflugsziel zu erreichen. Fast hätten wir es nicht geschafft, da alle Zufahrts- gassen mit einem Fahrverbotsschild versehen waren. Auf der Suche nach einem Zugang umrundeten wir den Ort und erhielten so einen wunderbaren Überblick, der sich uns sonst nie gebo- ten hätte. Bei einem zweiten Versuch sah ich dann, dass die kleinen Zusatz- tafeln zu den Verbotsschildern nur die Zufahrt von Autobussen untersagten.

Die Basilika bot einen grandiosen An-

blick. Sie ist ein 23 Meter hoher, 65 Meter langer und 30 Meter breiter ro- manischer Bau mit drei Schiffen und wurde 1031 geweiht. Sie geht auf eine im 4. Jahrhundert n.Chr. erbaute noch größere Kirche zurück. Unglaublich, wenn man bedenkt, dass damals das bisher im Verborgenen wirkende Chris- tentum gerade erst anerkannt worden war. Kaum zu glauben, dass Aquileia im 1. Jahrhundert n.Chr. bereits über 200.000 Einwohner hatte – jetzt erschien es mir wie ein verschlafenes größeres Dorf – , eine bedeutende Handels- und Handwerksstadt war und auch einen großen Hafen hatte, dessen Anlagen man in der Nähe der Basilika noch gut erkennen kann. Das Meer ist jetzt aller- dings etliche Kilometer entfernt.

Wenn man erfährt, dass Aquileia Resi- denz etlicher römischer Kaiser war und viele Jahrhunderte Sitz eines Patri- archen, dessen Macht sich lange bis weit in unser Heimatland erstreckte, versteht man ein bisschen die Ausmaße der Kirche, die laut Beschreibung bis zu 10.000 Personen Platz bietet.

Das Betreten der Kirche war für mich kein Problem, gab es doch eine be- queme Rampe. Probleme gab es jedoch für Maria. Plötzlich tauchte aus dem Nichts eine Frau auf, die ihr ohne Vor- warnung ein Tuch über die Schultern warf. Marias ärmellose züchtig ausge- schnittene Bluse war ihr offensichtlich ein Dorn im Auge. Ich hatte, wohl we-

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gen des seinerzeit für mich herr- schenden Eindrucks eines Museums, total vergessen, dass wir eine Kirche betraten und die Italiener diesbezüglich ihren eigenen Sittenkodex haben. Maria weigerte sich vehement, das Tuch zu tragen mit dem berechtigten Hinweis auf wahrscheinlich schon viele Träge- rinnen vor ihr. Sie wollte lieber draußen bleiben. Das rief meinen Protest hervor, sollte sie doch von dem Schönen, das uns erwartete, nicht ausgeschlossen werden. Ich opferte daher mein Hals- tuch und versuchte die Blicke der an- deren Besucher auf meinen nunmehr unverhüllten Hals (mit Verband, Kanü- le und dem sie abschließenden Knopf) zu übersehen. Es gelang mir auch recht gut, nahmen mich doch die Schön- heiten im Inneren der Basilika völlig gefangen.

Der Anblick des 750 m² großen nahezu vollständig erhaltenen Fußbodenmo- saiks ist wahrlich Atem beraubend. Es zeigt in sehr bunter lebendiger Weise Tiere, die Symbolcharakter haben. So kämpft etwa der Hahn als Überbringer des Lichtes mit einer Schildkröte, wel- che die Finsternis versinnbildlicht, also ein Kampf zwischen Christus und dem Teufel. Verschiedene wunderschöne Vögel auf Zweigen weisen auf den Paradiesgarten hin, der gute Hirte mit seiner Flöte ruft seine Lämmer, seine Herde, nämlich die Christen zu sich, verschiedene bunte Fische bevölkern das Weltenmeer usw. Natürlich fehlen auch Inschriften und Szenen aus der Bibel nicht.

Die Kirche durchwandert man auf

einem Glassteg, der das uneinge- schränkte Besichtigen der Mosaike er- möglicht. Wo Stufen sind, gibt es jeweils auch Rampen. Der Denkmalschutz wird in Aquileia ebenso wie in der Villa Manin mit ihrem Schrägaufzug, den ich vor vier Jahren benutzen konn- te, nicht gegen die Menschen, sondern für sie ausgelegt (anders als z. B. in Graz beim Zeughaus).

Die Apsis, die der Beschreibung nach wunderbare Fresken aus dem 11. Jahr- hundert enthält, war leider wegen Re- novierungsarbeiten verhüllt, aber vielleicht ermöglicht ein späterer Be- such eine Besichtigung und natürlich auch Vertiefung des bereits Gese- henen.

Mein Erstaunen war groß als ich sah, dass ich sogar die Krypta erreichen könne. Mit dem Rollstuhl in die Kryp- ta? Unglaublich, aber tatsächlich zu bewältigen! Hier erwarteten uns wie- der Mosaike und ein Einblick in die Bauweise längst vergangener Zeiten.

Die byzantinischen Fresken sah ich leider nicht, da mir der Brettersteg dorthin etwas zu schmal erschien. Viel- leicht hätte man sie auf einem anderen Weg erreichen können, welche Erkun- dung ich jedoch wegen der bereits vorhandenen Fülle an Eindrücken un- terließ. Vielleicht auch das ein Grund für einen weiteren Besuch!

Ein Spaziergang entlang des ausgegra- benen römischen Hafenkais ließ erah- nen, wie bedeutend die Anlagen da- mals waren. Viele Reste von Gräbern mit wunderschönen Verzierungen wie etwa mit einem Eierfries und mächtige

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Säulen gaben Zeugnis von der dama- ligen Bedeutung des Ortes, der wohl noch viele Geheimnisse unter der Erde verbergen dürfte.

Müde vom vielen Schauen genossen wir unter schattigen Bäumen einer ty-

pischen italienischen Trattoria unseren Cappuccino. Ich war glücklich und bin heute noch dankbar, dass ich wieder etwas Schönes hatte erleben dürfen.

Ute Puymann

Hoffnung für Muskelschwundpatienten Therapieansatz für Duchenne- und

Beckerpatienten in Aussicht

Günter Schleser machte uns aufmerksam auf folgende Pressemeldung:

Rom (pte/16.11.2007/12:48) - Eine For- schergruppe unter Führung von Pier Lorenzo Puri vom Dulbecco Telethon Institute http://www.telethon.it/ricer- ca hat zwei neue Molekularinterrup- toren entdeckt, die in der Lage sind, Stammzellen zur Regeneration von Muskelgewebe zu animieren. Damit ergeben sich neue Hoffnungen für Pati- enten, die unter einer Muskeldystrophie vom Typ Duchenne oder Becker (DMD/

DMB) leiden.

Bei diesen Pathologien handelt es sich um seltene Krankheiten, die von einer Mutation des für die Dystrophinbildung verantwortlichen Gens ausgelöst wird.

Sie werden vom X-Chromosom der Mütter übertragen und treffen durch- schnittlich einen von 3.500 männlichen Neugeborenen. Für die derzeit be- kannten Fälle gab es bisher keine spezi- fische Therapie. „Normalerweise erfolgt die Muskelregeneration über die soge- nannten Satellitenzellen, eine Art adulter Stammzellen, die sich im Muskelgewe- be befinden. Im Fall der Verletzung eines Skelettmuskels werden diese Zellen

aktiviert, was anschließend zu einer Zellvermehrung und Verschmelzung mit den Muskelfasern führt“, so Puri.

“Bei diesem Vorgang wird das in den Zellen enthaltene Chromatin so diffe- renziert und ummodelliert, dass die für die verschiedenen Phasen der Muskel- regenerierung verantwortlichen Gene selektiv angesprochen werden können,“

so der italienische Wissenschaftler wei- ter. Die Satellitenzellen verändern ihren Zustand dahingehend, dass aus „ru- henden“ Stammzellen differenzierte Muskelzellen mit all ihren spezifischen genetischen Eigenschaften werden. Sie sind dadurch imstande, sich mit dem verletzten Muskel zu vereinen und ihn zu reparieren.

Die Untersuchung über die Wirkungs- weise der Muskeldystrophie ist von der Elternvereinigung Parent Project ON- LUS http://www.parentproject.org fi- nanziert worden. Einzelheiten dazu werden in der Fachzeitschrift „Molecu- lar Cell“ veröffentlicht.

Aussender: www.pressetext.at Redakteur: Harald Jung

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