WAS HUNDE WIRKLICH LERNEN MÜSSEN
die wichtigsten übungen fürs alltagsleben
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Vorweg…
Es gibt keine Patentrezepte für Hundeerziehung, bei denen man nur nach Schema X vorgehen muss und am Ende kommt der perfekt erzogene Hund heraus (mal ganz abgesehen davon, dass es sowas wie „perfekt“ bei einem lebendigen Wesen nicht wirklich geben kann). Auch die hier beschriebenen Übungen sind kein Patentrezept.
Was sie schon sind: Eine wichtige Grundlage, mit der man nichts falsch machen kann und die so ziemlich jeder Hund braucht. Geht es nur mit diesen Übungen und nicht mit anderen auch? Natürlich nicht. Aufmerksamkeit oder Gelassenheit lassen sich auf verschiedenen Wegen üben, Sicherheit sich unterschiedlich interpretieren und damit auch unterschiedlich aufbauen.
Meiner Erfahrung nach sind die hier beschriebenen Übungen aber jene, die am raschesten die gewünschte Wirkung erzielen, die sich für jeden Hund eignen und die ins Grundrepertoire der Hundeerziehung gehören – unabhängig von der jeweiligen Lebenssituation des Hundes oder vom Hundetyp. Hat man diese Übungen mit dem Hund mehr oder weniger gut drauf, lässt sich das meiste im Alltagsleben mit dem Hund locker bewältigen.
Reichen diese Übungen? Nicht unbedingt. Wir haben dabei ja nur die
Alltagstauglichkeit des Hundes im Visier und uns noch keine Gedanken gemacht über seine geistige Auslastung oder ein Anti-Stress-Programm, über spezielle Bedürfnisse (wie Ängste überwinden oder unangemessenes Jagdverhalten) oder fortgeschrittenere Lernaufgaben (wie Freifolge oder Signale auf Distanz), die ebenfalls hilfreich sein können.
Es geht erst mal um die Grundlagen, um das, was jeder Hund kennen und können sollte. Also gleich mal los…
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aufmerksamkeit
1. Aufmerksamkeitssignal
Der Hund lernt, auf ein bestimmtes Signal – wie ein Schnalzen oder ein kurzes, prägnantes Wort (z.B. „Schau“) seine Aufmerksamkeit sofort von seiner Umgebung weg und auf seinen Menschen zurück zu lenken. Er muss nicht herankommen, muss sich nicht setzen und gar nichts, nur seinen Menschen anschauen und auf die
nächste Information warten. Meist kommen sie trotzdem ran, weil es ja ein Leckerchen fürs Aufmerksamkeitssignal gibt.
Das Aufmerksamkeitssignal ist der Jolly Joker der Hundeerziehung, das beim Leinentraining genauso praktisch ist wie zum Unterbrechen eines Verhaltens und zum Umorientieren des Hundes auf den Menschen bei Begegnungen.
2. Kontakt halten
Hund und Mensch sollen im ständigen stummen Dialog miteinander bleiben, wenn sie miteinander unterwegs sind, egal ob im Freilauf oder an der Leine. Dazu eignet sich am besten die Übung „Blickfang“, bei der der Hund anfangs für freiwilligen (!) Blickkontakt belohnt wird und im Lauf der Zeit lernt, regelmäßig seinem Menschen einen kurzen Blick zuzuwerfen und sich rückzuversichern, dass alles in Ordnung ist.
Im Freilauf wird daraus die „unsichtbare Leine“, mit der der Hund lernt, einen bestimmten Radius um seinen Menschen herum einzuhalten.
Die Übung ist besonders wichtig einerseits für eigenständige Hunde, um sie etwas näher an den Menschen zu „binden“, da sie sonst schnell mal zu weit weg driften und zu viel Eigeninitiative entwickeln. Andererseits ist sie wichtig für unsichere Hunde, damit die den Rückhalt des Menschen spüren und sich daher trauen, sich etwas mehr von ihm zu lösen und eigenständiger zu werden. Mal ganz abgesehen davon, dass die Übung für alle Hunde wesentlich ist, damit sie immer einen kleinen Teil ihrer Aufmerksamkeit beim Menschen lassen und besser ansprechbar bleiben.
3. Rückruf
Ein verlässlicher und prompt funktionierender Rückruf ist der Freilaufschein für den Hund und daher unerlässlich. Er sollte auch dann gut trainiert werden, wenn der Hund (zum Beispiel wegen Jagdlust) hauptsächlich an der Schleppleine unterwegs ist, damit man ihn auch da jederzeit zu sich rufen kann.
Der Rückruf ist trotzdem nicht die allererste Übung im Training (außer spielerisch beim Welpen), weil er die Grundlage der Aufmerksamkeitsübungen vorher braucht, damit er schneller und verlässlicher abgespeichert wird.
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gelassenheit
4. Entspannung auf Ausatmen
Die Übung ist genau genommen eine, die sich vor allem der Mensch aneignen muss.
Ein tiefes Ausatmen führt zu einer automatischen Entspannung der Muskulatur, die sich auf den Hund überträgt, der dann ebenfalls entspannt. Es ist damit die für den Hund am leichtesten – weil unwillkürlich funktionierende – Form eines konditionieren Entspannungssignals.
Der Mensch muss sich dazu „nur“ angewöhnen, immer dann tief auszuatmen, wenn der Hund etwas unruhig oder zu schnell wird, wenn man einer potentiell aufregenden Begegnung entgegensteuert oder irgendetwas passiert, wo der Hund mit
Anspannung reagiert. Hunde lernen dann schnell: Mein Mensch bleibt locker, mein Mensch entspannt sich sogar noch mehr, da kann ich mich auch wieder entspannen.
5. „Bleib“
Bei keiner anderen Übung kann der Hund ein wesentliches Prinzip so gut lernen wie beim „Bleib“, nämlich das Prinzip „Entspannung ist der Schlüssel zum Erfolg“.
Üblicherweise bekommen Hunde ja Aufmerksamkeit, Zuwendung oder eine Reaktion aus der Umwelt, wenn sie aktiv werden, wenn sie etwas tun. Nun aber machen sie die Erfahrung, dass sie gar nichts tun müssen, sondern nur ruhig sitzen (oder liegen oder stehen) bleiben und ganz gelassen warten brauchen, bis ihr Mensch wieder kommt oder sie freigibt, und schon gibt es Belohnung.
Dazu muss das „Bleib“ allerdings entspannt aufgebaut werden und nicht mit der hinein trainierten Anspannung und Ungeduld, die man leider häufig sieht, vor allem, wenn die ersten Trainingsschritte nicht kleinschrittig genug ausgefallen sind oder der Hund zu früh im Training aus dem Bleib auch abgerufen wird.
6. Lockere Leine
Die Leinenführigkeit ist nicht nur im Alltag nötig und praktisch, sie ist auch eine der besten Formen, Impulskontrolle und gelassene Reaktionen mit dem Hund einzuüben.
Sonst kommt man nämlich nicht weiter im Leben. Lässt man den Hund an der Leine ziehen, belohnt man ja seine Aufregung, seine Impulsivität und trägt noch immer weiter zu seinem Stresspegel bei, der durchs Zerren an der Leine entsteht.
Die Leinenführigkeit ist ein wichtiger Bestandteil des Gelassenheitstrainings für den Hund und sollte nicht auf die leichte Schulter genommen werden.
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sicherheit
7. Hundesprache
Für eine solide Basis miteinander und jedenfalls für die Sicherheit des Hundes ist es essentiell, dass der Mensch seinen Hund „lesen“ kann und ihm körpersprachlich angemessen begegnet.
Der Punkt umfasst genaugenommen drei verschiedene Aufgabenbereiche, die alle einzeln geübt werden sollten: Erstens die eigene Körpersprache dem Hund über so einüben, dass der sich nicht bedrängt fühlt. Zweitens den Ausdruck des Hundes interpretieren können, damit man seine Befindlichkeit und seinen Stresspegel gut einschätzen kann. Und drittens die Beschwichtigungssignale des Hundes sehen und allfälliges Drohverhalten rechtzeitig erkennen können, damit man angemessen reagieren und den Hund sicher durch den Alltag führen kann.
8. Begegnungsrituale
Fixe Rituale, wie man (nicht nur schwierige) Begegnungen im Alltag miteinander meistert, geben sowohl dem Hund als auch seinem Menschen Sicherheit. Je nach den Bedürfnissen des Hundes und der Alltagssituation können die Rituale
unterschiedlich ausfallen und vor allem in puncto nötigem Abstand sehr variieren.
Hilfreich ist aber jedenfalls die Kombi aus Ausatmen – Aufmerksamkeitssignal – Hund kommt (von sich aus/an lockerer Leine) nahe zu seinem Menschen – Bogen gehen/Ausweichen. Ob man vorbeigeht, den Hund in ein „Sitz“ einparkt und wartet oder neben sich stehen lässt, kommt dann ganz drauf an.
9. Tauschen
Wenn der Hund gelernt und ausreichend (!) geübt hat, auf ein kurzes Signal wie
„Tauschen“ alles sofort auszuspucken oder erst gar nicht aufzunehmen, ist nicht nur für seine Sicherheit (Stichwort Giftköder) viel getan. Er hat im Lauf des Trainings auch großes Vertrauen und viel Sicherheit mit seinem Menschen aufgebaut. Das
„Tauschen“ ist daher absolutes Pflichtprogramm für jeden Hund.