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Hypothesen, aber keine neuen Erkenntnisse

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B R E M E R Ä R Z T E J O U R N A L06 09

P H A R M A K O T H E R A P I E

Die Hormontherapie in der Postmeno- pause wird wieder vermehrt propagiert.

An der negativen Risiko-Nutzen-Bewer- tung hat sich jedoch nichts verändert. Sie ist nur kurzfristig bei refraktären klimak- terischen Beschwerden vertretbar.

Seit einiger Zeit erfährt die Hormon(er- satz)therapie (HT) in Teilen der gynäkologi- schen Fachwelt wieder vermehrte Unter- stützung. Speziell für Frauen in der frühen Menopause soll eine Neubewertung der in zahlreichen randomisierten Studien nach- gewiesenen Risiken notwendig sein: die HT soll im Alter von 50 bis 59 Jahren nun doch eine Schutzwirkung vor Herzinfarkten ent- falten. So erläutern auch die Anwendungs- empfehlungen für die HT vom August 2007, die von allen zuständigen deutschen Fach- gesellschaften mitgetragen werden. Warum eine neue Risiko-Nutzen-Bewertung der HT notwendig sein soll, bleibt dabei verborgen.

Vor allem die großen WHI-Studien hatten 2002 bzw. 2004 belegt, dass die jahrzehn- telang propagierte Protektion vaskulärer Er- eignisse nicht existiert und unter typischen Kombinationen von Östrogen (E) und Ges- tagen (G) das Herzinfarkt- und Insultrisko um jeweils 30 bis 40 Prozent ansteigt. Da- neben nahm die Inzidenz venöser Throm- boembolien und Brustkrebserkrankungen unter HT um 110 Prozent bzw. 30 Prozent zu. Man könnte vermuten, dass es neue Studien zum Nutzen der HT gibt.

Neue Empfehlungen unbegründet

Genauere Betrachtungen der Datenlage wi- derlegen dies allerdings: Nach den WHI-Stu- dien-Publikationen 2002 und 2004 ist keine Untersuchung veröffentlicht worden, die eine Neubewertung der HT rechtfertigt. Der angebliche Schutz einer HT vor Infarkten bei Frauen zwischen 50 und 59 Jahren, mit dem ein liberaler Einsatz zur Behandlung klimak- terischer und urogenitaler Beschwerden so- wie zur Primärprävention der Osteoporose begründet wird, stammt aus Nachauswer-

tungen älterer Beobachtungsstudien, expe- rimentellen Untersuchungen und post-hoc durchgeführten Analysen der WHI-Studien.

Solche Studien sind für einen Nutzenbeleg von Interventionen jedoch generell unge- eignet. Betrachtet man die post-hoc-Analy- sen der WHI-Studien im Detail, so zeigen die WHI-Studien weder für E allein noch für E+G-Kombinationen ausreichende Hinwei- se für eine Reduktion des Infarktrisikos bei Frauen zwischen 50 und 59 Jahren: zwar ist das Infarktrisiko numerisch unter HT im Ver- gleich zu Placebo nicht erhöht, aber keines- falls signifikant niedriger. Auch ein Interak- tionstest ist negativ und kann nicht belegen, dass das Infarktrisiko unter HT bei Frauen zwischen 50 und 59 Jahren anders zu be- werten ist als im Gesamtkollektiv. Hier nimmt es aber signifikant zu.

Risiko-Nutzen-Bewertung unverändert Außer Acht gelassen wird bei separater Be- trachtung des Infarktrisikos zudem das übrige Schadenspotenzial der HT. Das Insul- trisiko ist auch für Frauen zwischen 50 und 59 Jahre erhöht und die Risikosteigerung für Brustkrebs (unter E+G) und venöse Thromboembolien (auch unter E alleine) ist unabhängig vom Alter. Letztere treten un- ter einer HT schon im ersten Jahr doppelt so häufig auf. Für die Notwendigkeit einer Neubewertung der HT sind somit keine Gründe erkennbar. Für Nutzen und Schaden einer HT mit E für hysterektomierte Frauen oder mit E+G für Frauen mit Uterus ergibt sich aus den WHI- und anderen randomi- sierten Studien kurz zusammengefasst:

■Schlaganfälle nehmen unter E und E+G zu,

■Herzinfarkte nehmen unter E+G zu, unter E allein nicht,

■Venenthrombosen nehmen unter E und E+G schon im ersten Behandlungsjahr zu,

■Brustkrebs nimmt unter E+G zu, unter E allein ist dies unklar,

■operationsbedürftige Gallenerkrankun- gen nehmen unter E zu,

■Demenzerkrankungen treten unter E+G häufiger auf,

■Darmkrebs tritt unter E+G seltener auf, unter E nicht,

■Hüft- und Frakturen insgesamt nehmen unter E+G und E ab.

Einfluss auf Symptome

Die Besserung klimakterischer Beschwerden wie Hitzewallungen und Schweißausbrüche unter HT ist gut belegt. In 50 Prozent ist je- doch auch Placebo effektiv, so dass nur jede vierte oder fünfte Patientin tatsächlich von einer HT profitiert. Bei der Mehrzahl der Frauen treten diese Beschwerden auch nach mehrjähriger Behandlung wieder auf; das Problem wird somit lediglich in einen höhe- ren Altersbereich verlagert. Eine begonnene HT kann somit eine Anwendung über Jahre und Jahrzehnte provozieren – mit allen ge- nannten Gefahren. Gesichert in Studien sind:

■minimale Reduktion von Schlafstörungen,

■minimale Besserung des körperlichen Wohlbefindens,

■kein Einfluss auf die allgemeine Lebens- qualität,

■kein Einfluss auf das gesundheitliche Be- finden,

■erhöhtes Risiko für Harninkontinenz bzw.

Zunahme von Beschwerden,

■kein Einfluss auf depressive oder emotio- nale Störungen,

■keine Verbesserung kognitiver Funktionen.

Schlussfolgerung für die Indikation

Die Datenlage rechtfertigt eine HT nur zur symptomatischen Therapie (nicht Prophyla- xe) intolerabler klimakterischer Beschwer- den (Hitzewallungen, Schweißausbrüche), wenn nicht-medikamentöse Verfahren in- effektiv sind und keine Kontraindikationen wie Gefäßleiden, Brustkrebserkrankungen und Thromboembolien in der Eigen- oder Familienanamnese vorliegen. Bei Gabe zur Prävention der Osteoporose gilt die strenge Einschränkung, dass andere medikamentöse und nicht-medikamentöse Therapien kontra- indiziert oder unverträglich sein müssen;

ausführliche Aufklärungen über Nutzen und Schaden müssen vorausgehen. Die Behand- lung sollte in möglichst niedriger Dosierung (z. B. 0,625 mg konjugierte Östrogene; 2,5 mg Medroxyprogesteron) und so kurz wie mög- lich (weniger als ein Jahr) erfolgen.

Dr. Hans Wille,

Prof. Dr. Bernd Mühlbauer, Institut für Klinische Pharmakologie, Klinikum Bremen-Mitte

Hypothesen, aber

keine neuen Erkenntnisse

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