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Aktualisierte ESC-Leitlinie zum Vorhofflimmern

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Academic year: 2022

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In der beim ESC-Kongress 2016 in Rom präsentierten Neufassung der ESC-Leitlinie zur Behandlung des Vor- hofflimmerns waren erstmals Vertreter von drei Fachgesellschaften – nämlich ESC (European Society of Cardiology), EACTS (European Association of Cardio-Thoracic Surgeons) und ESO (European Stroke Organization) – ge- meinsam involviert (1). Nicht nur Kar- diologen, sondern auch Herzchirurgen und auf Schlaganfälle spezialisierte Neurologen wurden beteiligt, um die- ser komplexen und vielschichtigen Erkrankung Herr zu werden, was am besten mit einer interdisziplinären Behandlung gelingt.

Im Vergleich zur vorherigen Leitlinie wird die Bedeutung einer frühen Dia - gnose stärker betont. Die Leitlinien empfehlen hierzu ein gelegentliches EKG-Screening auf Vorhofflimmern bei Patienten im Alter von über 65 Jah- ren. Bei Patienten mit ischämischem Schlaganfall oder transitorischer isch - ämischer Attacke (TIA) in der Ana - mnese wird zu einem Ruhe-EKG und danach zu einem EKG-Monitoring über mindestens 72 Stunden geraten.

Eine Therapie soll gemäss der Leitlinie nur eingeleitet werden, wenn das Vor- hofflimmern im EKG dokumentiert wurde.

Die Therapie selbst wird in der Leitlinie in folgende fünf Bereiche (domains) un- terteilt:

❖Akuttherapie mit möglicher Kardio- version und Frequenzkontrolle

❖Management von Risikofaktoren (z.B. Hypertonie oder Herzklappen- erkrankungen)

❖Abschätzung des Schlaganfallrisikos und eventuell orale Antikoagulation zur Schlaganfallprophylaxe

❖langfristige Frequenzkontrolle zur Symptomverbesserung

❖Rhythmuskontrolle durch Kardio- version, Antiarrhythmika, Katheter- ablation oder chirurgische Ablation.

Ergebnisse des

CHA2DS2-Vasc-Scores entscheiden über Antikoagulation

Wie in der vorherigen Fassung wird der CHA2DS2-Vasc-Score zur Bestimmung des Schlaganfallrisikos als Basis für die Entscheidung für eine orale Antikoagu- lation eingesetzt, wobei in der neuen Leitlinie empfohlen wird, selbst bei Pa- tienten mit nur einem Risikofaktor (CHA2DS2-Vasc-Score = 2 bei Frauen und 1 bei Männern) je nach individuel- len Gegebenheiten bereits eine orale Antikoagulation in Betracht zu ziehen.

Thrombozytenaggregationshemmer werden aufgrund ihrer unzureichenden Wirksamkeit nicht mehr für die Schlag- anfallprophylaxe bei Vorhofflimmern empfohlen.

NOAK erhalten

eine First-line-Empfehlung Der Stellenwert der NOAK (Apixaban, Dabigatran, Edoxaban und Rivaroxa- ban) wurde weiter gestärkt: Sie werden in den Leitlinien als First-line-Therapie

für die Schlaganfallprophylaxe emp- fohlen. Die Antikoagulation mit Vit - amin-K-Antagonisten (VKA) bleibt wei - terhin eine valide Option und ist nach wie vor die einzige Wahl bei Patienten mit mechanischen Herzklappenprothesen.

Auch der Stellenwert der Katheter - ablation wurde weiter gefestigt. Sie ist inzwischen Therapie der Wahl bei Patienten mit symptomatischen Rezi - diven unter einer Therapie mit Anti - arrhythmika. Gemäss der neuen Leit - linie kann die Katheterablation sogar bei ausgewählten Patienten mit sym - ptomatischem paroxysmalem Vorhof- flimmern alternativ zu Antiarrhythmika als First-line-Therapie in Betracht gezo- gen werden.

Effektiv und sicher nach Kardioversion

Die Studie ENSURE-AF (EdoxabaN vs.

warfarin in subjectS UndeRgoing car- diovErsion of Atrial Fibrillation) sollte die Frage beantworten, ob eine Antiko- agulation mit dem Faktor-Xa-Hemmer Edoxaban auch vor der Kardioversion wirksam und sicher ist. Die Ergebnisse dieser grössten Studie zur Kardiover- sion wurden in Rom vor gestellt und gleichzeitig publiziert (2). «Eine Kar- dioversion ist immer mit ei nem Risiko für ein thromboembolisches Ereignis, sprich Schlaganfall, assoziiert, sodass eine effektive Antikoa gulation zwin- gend erforderlich ist», erklärte Prof.

Andreas Götte aus Paderborn (Deutsch - land). Derzeit wird zum Thrombose- schutz vor Kardioversion ein nieder- molekulares Heparin (NMH) überlap- pend mit einem Vitamin-K-Antagonisten verabreicht, bis der INR-Zielwert > 2 er- reicht ist. In der Studie ENSURE-AF er- hielten 2199 Patienten randomisiert entweder 60 mg Edoxaban einmal täg- lich oder Enoxaparin überlappend mit Warfarin. Die Rate für den primären

BERICHT

Aktualisierte ESC-Leitlinie zum Vorhofflimmern

NOAK weiter auf dem Vormarsch

In den neuen europäischen Leitlinien zur Behandlung des Vorhofflimmerns wird die Bedeutung der neuen oralen Antikoagulanzien gestärkt. Auch nach der Kardioversion ist ihr Einsatz effektiv und sicher, wie die Studie ENSURE-AF zeigte.

Susanne Kammerer

ARS MEDICI 32017

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kombinierten Endpunkt (Schlaganfall, systemische Embolie, Myokardinfarkt und kardiovaskulärer Tod) lag unter Edoxaban bei 0,5 Prozent, unter NMH/Warfarin bei 1,0 Prozent; dieser Unterschied war nicht signifikant. Laut aktuellen Leit linien gibt es zwei Strate- gien für die Kardioversion bei Vorhof- flimmern: die konventionelle nach einer dreiwöchigen Antikoagulation oder die frühe nach Ausschluss eines Thrombus mittels transösophagealer Echokardiografie (TEE). Dieses Ergeb- nis war un abhängig davon, welche Strategie gewählt wurde (Abbildung).

Gute Verträglichkeit

Insgesamt ereigneten sich sehr wenige Blutungen, wobei es auch hier keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Strategien gab. Die Rate stärkerer Blutungen lag unter Edoxa- ban bei 1,5 Prozent, bei NMH/Warfa- rin bei 1,0 Prozent, die Gesamtblu- tungsrate bei 3,0 versus 3,2 Prozent.

«Die Ergebnisse sprechen eindeutig dafür, dass Edoxaban auch bei der Kar- dioversion eine wirksame und sichere Option darstellt, die der bisherigen Strategie keinesfalls unterlegen ist», so Götte.

Insgesamt ergab sich ein Nettonutzen für die Edoxabangruppe, und dieser war auch unabhängig von der Nieren- funktion und der gewählten Dosis. Das

Ergebnis ist besonders angesichts der Tatsache bemerkenswert, dass die Ge- rinnungswerte in der mit VKA/NMH behandelten Gruppe sehr gut kontrol- liert waren: Sie befanden sich während 70,8 Prozent der Zeit im therapeuti- schen Zielbereich.

Universales Faktor-Xa-Hemmer- Antidot wirksam bei Patienten mit schweren Blutungen

Als Nachteil des Einsatzes der NOAK gilt derzeit, dass deren Wirkung im Ge- gensatz zu VKA nicht antagonisierbar ist. Diesem Argument könnte bald der Boden entzogen werden, wie erste Ergeb- nisse der noch laufenden ANNEXA-4- Studie zeigen: Hier wird Andexanet alfa als spezifisches Antidot gegen di- rekte und indirekte Faktor-Xa-Hemmer bei Patienten mit schweren akuten Blu- tungen auf Wirksamkeit und Sicherheit geprüft (3). Die Studienteilnehmer im Alter von 77 Jahren hatten aufgrund häufiger kardiovaskulärer Begleiterkran- kungen alle ein hohes Blutungsrisiko.

Dr. Stuart Connolly aus Hamilton (Ka- nada) stellte beim ESC-Kongress in Rom jetzt die Ergebnisse einer vorläu - figen Analyse von Daten der ersten 67 Patienten vor: Nach einer Bolusgabe des Antidots nahm die Anti-Faktor-Xa- Aktivität im Blut der Patienten nach kurzer Zeit deutlich ab: Bei mit Rivaro- xaban oder Apixaban behandelten Pa-

tienten war eine rasche Reduktion die- ser Aktivität um 89 beziehungsweise 93 Prozent in Relation zu den Aus- gangswerten zu verzeichnen. Im An- schluss an die Bolusgabe wurde eine Infusion mit Andexanet alfa für die Dauer von 2 Stunden durchgeführt. Bei 79 Prozent der Patienten beurteilten die Prüfärzte die klinische Hämo stase in den ersten 12 Stunden als «sehr gut bis gut».

Von den Studienteilnehmern waren 32 mit Rivaroxaban, 31 mit Apixaban und 4 mit dem niedermolekularen Heparin Enoxaparin behandelt wor- den. Grund für die Behandlung mit An- dexanet alfa waren vorwiegend gast - rointestinale (49%) und intrakranielle Blutungen (42%).

In einem Nachbeobachtungszeitraum von 30 Tagen wurden bei 12 der 67 Studienteilnehmer (18%) thrombo- tische Ereignisse registriert. Nach Ein- schätzung von Connolly ist die hohe Thromboserate angesichts der ausge- prägten Komorbidität der Studienteil- nehmer nicht verwunderlich.

Andexanet alfa ähnelt dem menschli- chen Faktor Xa (FXa) und bindet mit hoher Affinität und kompetitiv zu humanem FXa im Blut vorhandene Faktor-Xa-Hemmer. Es wirkt sowohl gegen direkte Faktor-Xa-Hemmer (Api - xaban, Edoxaban, Rivaroxaban) als auch gegen indirekte Faktor-Xa-Hem- mer wie Enoxaparin aus der Gruppe der niedermolekularen Heparine und wird daher auch als «Universalantidot»

bezeichnet.

Die europäische Arzneimittelbehörde (EMA) hat den eingereichten Zulas- sungsantrag für Andexanet alfa jüngst zur Prüfung akzeptiert. Susanne Kammerer

Quellen: Vorträge beim Kongress der European Society of Cardiology (ESC), 27. bis 31. August 2016 in Rom.

Literatur:

1. 2016 ESC Guidelines for the management of atrial fibrillation developed in collaboration with EACTS.

Eur Heart J 2016, doi: 10.1093/eurheartj/ ehw210.

2. Hot Line «New preventive Strategies» sowie zeitgleich publiziert Götte A et al.: Edoxaban versus enoxaparin – warfarin in patients undergoing cardioversion of atrial fibrillation (ENSURE-AF): a randomised, open-label, phase 3b trial. Lancet 2016, doi: 10.1016/S0140- 6736(16)31474-X.

3. Hot Line «Preventive Strategies 2» sowie publiziert Connolly SJ et al.: Andexanet alfa for acute major bleeding associated with factor Xa inhibitors.

N Engl J Med 2016, online 30. August; DOI: 10.1056/

NEJMoa1607887.

BERICHT

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ARS MEDICI 32017 0,0

0,5 1,0 1,5 2,0

Non-TEE-Stratum TEE-Stratum

Gesamt nach Behandlung

Enoxaparin + Warfarin (Zeit im therapeutischen Bereich = 70,8%)

Kombinierter Endpunkt aus Schlaganfall, SEE, Myokardinfarkt und CV-Tod, %

Edoxaban

OR (95%-KI):

0,46 (0,12–1,43)

OR (95%-KI):

0,40 (0,04–2,47)

OR (95%-KI):

0,50 (0,08–2,36)

0,5%

1,0%

0,3%

0,8%

0,6%

1,2%

5/1095 11/1104 2/589 5/599 3/506 6/510

Abbildung: Primärer Studienendpunkt der ENSURE-AF-Studie: Edoxaban ist Enoxaparin mindestens ebenbürtig, unabhängig von der gewählten Kardioversionsstrategie (SEE = syste- misches embolisches Ereignis; TEE-Stratum = frühe Kardioversion; Non-TEE- Stratum = konventionelles Vorgehen, CV = kardiovaskulär, OR = Odds Ratio, KI = Konfidenzintervall).

Referenzen

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