Von Philippe Derchain, Rodenkirchen
Zum vorletzten OT in Göttingen hatte ich schon über die Inschriften
des Felstempels am Eingang des Wady Hellal berichtet. Damals fußte
meine Deutung des Tempels ausschließlich auf den Inschriften der Decke
des Felsraumes, die ich selbst 1956 abgeschrieben, und mit Hilfe zahlreicher
Parallelen rekonstruiert hatte. Zu dem genannten Anlaß sind mir durch
Herrn Hintze zwei weitere Parallelen aus Musawwarat es Sofra bekannt
geworden. Der Austausch unserer Kopien erlaubte es, daß die betreffenden
Teile der Inschriften aus Elkab schon von ihm als Vergleichsmaterial ver¬
öffentlicht werden konnten. Später entdeckte Vandier eine weitere Parallele
zu einem anderen Hymnus der Decke der Kapelle in P. Chester Beatty IX.
Alle Varianten hat er dann in der ÄZ 93 veröffentlicht.
Diese zwar nicht unbedeutende Bereicherung meines Materials beein¬
trächtigte zum Glück nicht die gesamte Interpretation, die ich schon vor¬
geschlagen hatte, sondern ermöglichte es, einige Stellen präziser zu über¬
setzen.
Darüber hinaus haben die neuen Ausgrabungen zu meiner großen Freude
die von mir erschlossene Funktion des Tempels als Empfangstempel der
Göttin, die aus der Ferne kommt, bestätigt.
Im Rahmen der belgischen Ausgrabungen in Elkab und dank des freund¬
lichen Zuvorkommens des Direktors Herman de Meulenaere, der es ermög¬
lichte, 1967 die vollen Kräfte der Mission auf den Speos zu konzentrieren,
hatte ich also die Gelegenheit, die ganze Tempelanlage freizulegen und
dadurch eine eingehendere Darstellung der dortigen Kultbedingungen an¬
zuarbeiten.
Bevor ich aber die neueren Ergebnisse hier bespreche, muß ich das aus¬
gegrabene Gelände kurz beschreiben. In der Mitte einer ziemlich breiten
und völlig verfallenen koptischen Siedlung erhebt sich eine durch eine lange,
bequeme Treppe zugängliche, an den Felsen anlehnende Terrasse, auf der
die Reste einer Umfassungskolonnade sowie einer Hayt stehen. Im Hinter¬
grund der Terrasse ist die Felsfassade der aus dem Berge gehauenen Kapelle
teilweise erhalten, von der wir wichtige, auf dem Boden liegende Fragmente
entdeckt haben.
Rechts davon, ebenfalls aus dem Fels gehauen, existiert noch die obere
Hälfte einer sehr schön ausgearbeiteten Stele aus der Zeit Ramses IL, die
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schon Lepsius aufnahm. 1967 haben wir diese Anlage untersucht, und un¬
gefähr 300 Fragmente des Oberbaus gesammelt, die eine gewisse Rekon¬
struktion ermöglichen.
Ungefähr 70 m südwärts, in der Talebene vor dem schon beschriebenen
Tempel, befindet sich eine sehr kleine, vom Vizekönig Setau unter Ramses II.
erbaute und in der Spätzeit renovierte Sandsteinkapelle, die wir 1968 zum
erstenmal aufgenommen haben. Sie hat sich als eine sehr wichtige QueUe
für die lokale Kultgeschichte erwiesen, wie ich es zeigen werde.
Bei der Säuberung der Terrasse haben wir viele Einzelheiten des Baues
präzisiert. Unter anderem haben wir in der südöstlichen Ecke des Vorhofes
die Vorzeichnungen zweier Säulenbasen auf dem Fußboden noch gesehen,
die einen gedeckten Umgang um den bisher frei gedachten Hof beweisen.
Von einem Tor, das Lepsius kopierte, das auf allen alten Zeichnungen zu
sehen ist, und das ich vor zwölf Jahren umsonst gesucht hatte, haben wir
vier winzige Bruchstücke im Schutt gefunden, dio man gar nicht brauchen
kann.
In einer Grube vor der Hayt sind auch fast alle Blöcke des linken Tür¬
pfostens gefunden worden sowie zwei Hathorkapitelle, die von den mittleren
Frontsäulen heruntergefallen sind. Dadurch läßt sich die Frontansicht der
Hayt gut rekonstruieren, mit zwei Pflanzensäulen an den Ecken, von denen
Kapitelle gefunden worden sind, und einer leicht gewölbten, von einem
verhältnismäßig sehr hohen Gesims umgebenen Holzbedachung, von der
man die Verankerungslöcher in der Felswand noch deutlich sieht.
Die weitere Freilegung der Hayt brachte einige Statuenfragmente, u. a.
das Hinterteil emes Löwen und ein Relief mit einem tanzenden Bes hervor,
das sehr gut zum Bild des Empfangstempels der Göttin, die aus dei- Ferne
kommt, paßt, wie wir es schon aus dem Hathortempel in Philae wissen.
Dann stellte sich heraus, daß die Hayt in der koptischen Zeit durch den
Einbau eines ,, Ambon" auf der westlichen Seite in eine Kirche verwandelt
wurde. Unter diesem Ambon war der ptolemäische Fußboden gut erhalten.
Eine Untersuchung in dem Unterbau der Hayt, die für die Klärung einiger
architektonischer Probleme erforderlich war, lieferte uns dann einon sehr
wichtigen Block, der aus einem früheren Bau wiederverwendet wurde und
auf dem die Kartusche Epiphanes zu lesen ist. Da der Tempel sonst von
Euergetes II. und Kleopatra III. datiert ist, können wir vermuten, daß man
sich schon eine Generation früher mit dem Ausbau der präexistierenden und
verfaUenen Anlage befaßt hatte. Diese muß sicher viel älter gewesen sein,
wie es die genaue Beobachtung der inneren Kapelle bewies, die schon zur
Zeit der XIX. Dynastie existierte. Sethe dachte, sie wäre ursprünglich als
Grab ausgehauen worden. Da aber die einzig erhaltenen Inschriftenfrag-
mente dieser Zeit nichts anderes enthalten als Hymnen an den König,
und wir keinen Schacht oder Nebenraum unter dem Schutt gefunden haben,
bin ich eher dazu geneigt, das Objekt nicht als Grab, sondern als Kapelle zu betrachten, und die ersten Ansätze des späteren Kultes in dieser Richtung
zu suchen. In diesem Fall könnte man also die vier aneinandergereihten
Böschungen in der Hinterwand als Reste von vier Statuen betrachten, was
nahelegt, diese mit den vier Gottheiten der ramessidischen Stele rechts
vom Eingang zu identifizieren. Wenn diese Hypothese zutrifft, dann würden
hier Ra-HarakhtJ^ Hathor, Herrin des Taleingangs, Amon und Nekhbet,
von denen drei Ortsgottheiten sind, verehrt. Da zu diesen Amon hinzu¬
gefügt wurde, kommt man fast automatisch zu dem Vergleich mit den
meisten nubischen Tempeln Ramses IL, in denen der Königskult eine so
große Rolle spielte, zu dem die erwähnten Königshymnen in Elkab eine
gute Parallele bieten.
Andererseits wissen wir schon, daß die kleine Kapelle in der Ebene von
Vizekönig Setau unter Ramses II. errichtet worden ist; die Stele scheint
ebenso von ihm geweiht worden zu sein, wie der Vergleich der Titel, die
darauf erhalten sind, mit denen in der Kapelle erschließen läßt.
Man kann also kaum umhin, demselben Setau den Felstempel zuzuschrei¬
ben, so daß die sonderbare Erscheinung eines Tempels im nubischen Stile
in dieser Gegend ziemlich plausibel wird.
Weitere Probleme, die ich vor sieben Jahren angerührt hatte, wurden
auch von den letzten Ausgrabungen gelöst. Eine besonders lästige Frage
wurde also von einer griecliischen Inschrift auf dem rechten Pfosten des
Hoftors gestellt, die die Hausherrin Smithis nennt. Viele Gelehrte haben
sich schon mit diesem merkwürdigen Namen auseinandergesetzt, ohne je¬
doch eine befriedigende Lösung zu erreichen. Nun aber haben wir in den
letzten Tagen der Campagne 1968 eine vollständig erhaltene hieratische
Inschrift auf einem geputzten Sandsteinfragment entdeckt, die eine Weüiung
an eino Gottheit, deren Namen mit geschrieben wird, enthält, was nur
entweder stt oder ssmtt gelesen sein kann. Da die SsmM in der Spätzeit auch
manchmal Smtt geschrieben wird, und letztere mit dem Demotischen Smytit
gleich ist, was genau Smithis entspricht, konnte ich also diese sonst unbelegte
Göttin als Ssmtt identifizieren. Diese erscheint übrigens in einigen Zusam¬
menhängen mit anderen Göttinnen wie Rastet, Uto und Sekhmet, die alle
drei in dem Speos von Wady Hellal erwähnt sind, so daß wir einwandfrei
annehmen dürfen, daß sie auch hier verehrt wurde. Da die SmytH im Mythos
vom Sonnenauge eine Rolle spielt, fügt sie sich glänzend in die Mjrthologie
unseres Tempels ein. Es ist also ein weiterer Beleg des sonst wenig bekannten
oberägyptischen Kultes dieser hauptsächlich unterägyptischen Göttin.
Aufgefordert durch den Gedanken der Zusammengehörigkeit der drei
hier besprochenen Denkmäler, scliien es mir notwendig, die bisher vernach¬
lässigte Setaukapelle aufzunehmen. Obwohl ihre Inschriften und Reliefs
sehr unfreundlich aussehen, war es eine lohnende Mühe. Die erste Über-
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raschung war natürhch, den voh ausgeschriebenen Namen einer Göttin zu
finden, die wir schon aus den Inschriften des von Lepsius kopierten Tores
des Speos kannten. Leider waren aber die späten Schreibungen sehr unkor¬
rekt, es sei denn, daß Lepsius richtig kopiert hat. Einige Ägyptologen hatten
sich immerhin schon mit dem Rätsel befaßt. Sethe hatte zum Beispiel
gedacht, daß 'ien in Elkab wohl belegten Namen Paheri
enthielte, wozu man zugestehen muß, daß viel für diese Vermutung sprach.
Jetzt aber können wir diese Göttin derl"^^ ^'^^^^'^ nbt p' lu hry
oder T' nt pl w hry, also der Herrin des oberen Bezirks, die in der Setauka¬
pelle schlangenköpfig dargestellt wird, angleichen. Mit einem Schlag erhalten
wir noch dazu die alte Bezeichnung der Gegend, wo die Kapellen errichtet
worden sind, die sich seit dem Neuen Reich bis in die heutige arabische
Übersetzung erhalten hat. Ja, die Einheimischen nennen die ganze Umgebung
„foh" ,,Oben", was sicher aus dem alten Brauch entstanden ist. In den meist
sehr zerstörten Darstellungen opfert oder räuchert der König Ramses vor
verschiedenen Göttern, unter denen Thoth, der Horus von Nekhen, Nekh¬
bet und die Herrin des Bezirks sich zu erkennen geben.
Die hintere Wand der Kapelle bietet aber noch viel mehr Interesse. Trotz
des augenscheinlich trostlosen Zustands hat sie uns eine meines Wissens
einmalige Darstellung erhalten, die die Legende der fernen Göttin, die
Junker in Elkab an Hand der späten Inschriften erschlossen hatte, vorzüg¬
hch darstellt. Sie besteht aus zwei sich gegenüberstehenden Gruppen:
links, nach rechts gewandt, sitzt ein sperberköpfiger Gott mit Sonnenscheibe,
den man um so lieber als Ra-Harakhay erkennen würde, als dieser auch auf
der schon mehrmals erwähnten Felsstele erscheint. Die hinter ihm stehende
Göttin aber, die sich mit der Maät-Feder schmückt, wird in der zugehörigen
Inschrift lousaas Nebet Hetepet genannt, zwei Namen also, die sie als die
manchmal zusammengeschmolzenen heliopolitanischen Gefährtinnen des
Atum identifizieren. Es bleibt uns dann nichts anderes übrig, als den an¬
geblichen Ra-Harakhty als Atum selbst zu betrachten.
Die gegenüber Atum stehende Figur ist in ein langes, rotes, von einem
goldenen Netz überzogenes Gewand gehüllt, und trägt die Atefkrone. Die
spärlichen Spuren daneben lassen wenigstens den Namen der Nekhbet
sicher rekonstruieren, die als Tochter des von ihr angesprochenen Gottes
bezeichnet wird. Die rechte Hand streckt sie in Richtung ihres Vaters, der
anscheinend die linke Hand reicht. Da das Shake-Hand meines Wissens
unter ägyptischen Göttern unbekannt war, muß die Geste eine andere ge¬
wesen sein. Bisher ist mir nichts Besseres eingefallen, als hier die Übergabe
irgendeines Gegenstandes zu vermuten, der nun aber nur ein Auge oder
eine Uräusschlange gewesen sein kann.
Hinter ihr stehen zwei männliche Figuren, von denen die erstere dmch
die vier schmalen, noch spmweise erhaltenen Federn auf dem Kopf als
Onuris erkennbar ist. Der folgende Gott kann dann notwendigerweise nur
Thoth gewesen sein, zu dem die im Rücken herabhängende Frisur doch gut
paßt. Unter den vier letzten, kleineren Figmen am rechten Ende der Szene,
sind zwei Affen, Hu und Sia, leicht zu erkennen.
Diese merkwürdige Darstellung läßt sich also einwandfrei als der Empfang
der ortsgemäß als Nekhbet erscheinenden Augengöttin Hathor bei ilirem
Vater Atum-Ra deuten, nach ihrer Rückkehr aus der Wüste, wo sie Onuris
und Thoth abgeholt haben. Man könnte sich kein reicheres Bild für die
Onurislegende wünschen.
Wichtig ist es auch, dadurch den Mythus in Elkab bis in die 19. Dynastie
hin zu belegen, und zwar mit einer Fülle von Einzelheiten, die wir sonst nur
in den späten Texten ausführlich behandelt finden. Dom traiuigen Zustand
der Kapelle verdanken wir die fast unglaubliche Tatsache, daß sich niemand
für sie interessierte, obwohl viele vorbeigegangen sind, die die raffinierten,
aber sehr banalen Reliefs der etwas weiter in der Wüste gelegenen Kapelle
Amenophis III. anschauen wollten. Diese muß immerhin noch einmal
sorgfältig aufgenommen werden, obwohl schon eine Veröffentlichung vor¬
liegt, denn ihre Bedeutung könnte wohl sehr hoch ansteigen, wenn wir
einmal eine Beziehung zu den anderen Wüstentempeln von Elkab beweisen
können. Daß sie auch eine Station für Pilger der Augengöttin war, läßt sich
schon aus den Graffiti auf der Fassade ersehen, wo Schlangen, Löwen,
Affen und selbst eine Kuh neben einigen Geiern der Nekhbet vorkommen.
Eine genaue Untersuchung des Denkmals erweist sich darum als eine
dringende Aufgabe, die uns, inch'Allah, nächstes Jahr beschäftigen wird.
P. S. Beide Kapellen werden Ende 1969 als Band I der Reihe , .Monuments
d'El Kab" in Brüssel veröffenthcht werden.
LES FOUILLES D'ELKAB
Von P. Vermeersch, Löwen
Depuis 1937, plusieurs campagnes de fouilles ont et6 menees ä Elkab, un
site de la Haute Egypte ä quelque 15 km. au Nord d'Edfou. Les premieres
furent entreprises par la Fondation Egyptologique Reine Elisabeth (Bruxel¬
les) en 1937, 1938, 1947 et 1955 avec l'espon de decouvrir des documents
sm une ville pharaonique dont l'importance fut grande depuis la prehistoire jusqu'ä l'extreme fin de la civilisation egyptienne et sur laquelle les infor¬
mations manquaient presque totalement. Interrompues pendant quelques
ann6es, les fouilles furent reprises en 1966 par le Comite des Fouilles beiges
en Egypte, fondö en 1965 sous la presidence de M. Pierre Gilbert, conserva¬
teur en chef des Musees Royaux d'Art et d'Histoire (Bruxelles) et professeur ä l'Universite de Bruxelles.
Un groupe d'exports, conduits par le professem H. De Meulenaere, di¬
recteur des fouilles, visita le site dans le courant de 1966 et etablit un pro¬
gramme de recherches archöologiques. Une premiere campagne eut lieu en
fevrier-mars 1967. Au cours de celle-ci, les efforts de la mission ont port6
essentiellement sur le releve topographique du terrain situe ä l'interieur de
la grande enceinte. On proceda egalement au deblaiement de la chapelle
rupestre d'epoque ptol6maique qui se trouve ä environ trois kilometres k
l'Est de la grande enceinte.
En janvier 1968 commen9a la seconde campagne qui se prolongea jusqu'au
15 mars 1968. Une premiere fouille a eu pour but de d6gager la rampe
d'acc^s du grand temple de la d6esse Nekhbet, situe ä l'interieur de l'an¬
cienne ville. Un second chantier a 6te ouvert au Nord du lac sacre ; on y a
decouvert un escalier convert de dimensions considerables, menant de ce
lac ä un secteur d'habitations, malheureusement tres ruin6. C'est toutefois
dans une necropole pres de la porte Est de la grande enceinte qu'ont et6
faites les d6couvertes les plus interessantes que nous examinerons un peu
plus en detail.
Le site epipaleolithique
L'endroit qui fut fouille durant la campagne de 1968 se situe ä l'interieur de la grande enceinte, non loin de la porte Est. II s'agit d'un terrain ä micro-
relief avec une depression peu profonde et large appartenant au systäme
du petit ouadi qui traverse la ville d'Est ä l'Ouest.