Bficherbesprechungen
Hkinz Helmut Giesecke, Das Werk des 'Aziz ibn ArdaSir
Ästaräbädl. Eine Quelle zur Geschichte des Spätmittel¬
alters in Kleinasien (= Sammlung orientalistischer Arbeiten
im Verlage von Otto Harrassowitz, Leipzig, 2. Heft).
XVII u. 145 S. Leipzig: Otto Harrassowitz. 1940.
Die Erschließung des Bazm u Razm (im folgenden BR
abgekürzt) betitelten Werkes des Astaräbäd!, welches das
Leben eines der interessantesten Männer aus der Geschichte
des türkischen Anatolien aus dem späten Mittelalter schildert,
des Kadis von Kaiseri und nachmaligen Sultans von Sivas,
Burhaneddin Ahmed (lebte 1345—1398, regierte seit 1381),
war lange ein dringendes Desiderat der historischen Türkei¬
forschung. Nachdem das Werk zuerst durch die in türkischer
Sprache abgefaßte Inhaltsübersicht von Ahmed Tevhid (in
TOEM 5, 1330) bekanntgemacht worden war, ist es auf Anre¬
gung von M. F. Köprülü i. J. 1928 von Killisli Rif'at her¬
ausgegeben worden. Auf dieser Ausgabe fußend, aber unter
Heranziehung der Handschriften, hat H. H. Giesecke nun
eine genauere Inhaltsübersicht, oder vielmehr eine Textanalyse
gegeben, die auch dem nichtorientalistischen Historiker den
Inhalt dieses wichtigen Werkes in ausreichender Weise er¬
schließt. Ich habe an anderer Stelle kurz die vorliegende Pu¬
blikation besprochen*) und will hier etwas eingehender den
historischen Ertrag, den das Werk bietet, beleuchten.
Der Verf. der vorliegenden Bearbeitung des BR hat durch
seine genaue Analyse, namentlich durch die Errechnung der
Jahreszahlen für die in dem Werke erzählten Ereignisse —
sie sind in dem Werke selbst etwas spärlich gegeben, ein
Mangel, der aber durch die durchgängig gemachten Angaben
1) Leipziger Vierteljahrsschrift für Südosteuropa V, 1941, S. 326 f.
36*
544 Bucherbesprechungen
über die Jahreszeit, in der die Ereignisse stattfanden, einiger¬
maßen wieder wettgemacht wird — einen zuverlässigen Auf¬
riß der Geschehnisse gegeben. Dadurch hatte er eine solide
Basis gewonnen, die es ihm ermöglichte, die Schilderung
des BR mit den knappen Angaben anderer Schriftsteller
über die gleichen Ereignisse zu vergleichen. Dieser Vergleich
fällt seh- zugunsten des BR aus; ja, es war dem Verf. mög¬
lich (S. 125), auf Grund der Aussagen des untersuchten Wer¬
kes in einem Falle eine wichtige Korrektur an unserem chrono¬
logischen Bilde der osmanischen Geschichte unter Bayezid I.
vorzunehmen: daß nämlich Bayezid's Unterwerfung von
Karaman (Schlacht bei Konia) nicht vor 1396 stattgefunden
haben kann. Der Hinweis auf dieses Einzelfaktum mag
genügen, um den historischen Wert des BR zu charakteri¬
sieren.
Selbstverständlich ist das Werk des Astar äb ädi bei aller
analistisch genauen Registrierung der Ereignisse weit entfernt,
eine Geschichtsquelle ersten Ranges in unserem Sinne zu
sein. Es wird uns zwar eine Fülle von Ereignissen geschildert,
an denen der Held des Buches, Sultan Ahmed von Sivas,
aktiv oder passiv beteiligt ist; doch fehlen meist befrie¬
digende Angaben über die Motive. So erscheint das gezeich¬
nete Bild wie ein Kaleidoskop, in dem eine große Fülle von
Zügen nebeneinander zu sehen ist, ohne daß ein den Beschauer
befriedigender Zusammenhang zu erkennen wäre, und die
Fülle der erzählten Verschwörungen, Fehden und sonstigen
Aktionen, von denen die Rede ist, wirkt mehr verwirrend als
klärend; insbesondere bleiben wir über die Gründe des häu¬
figen Frontwechsels, den die agierenden Personen einnehmen,
meist im unklaren. So gewinnt man den Eindruck von einem
Milieu, in dem nur die allernächstliegenden, primitiven per¬
sönlichen Motive die Aktionen bestimmten und es an großen
Zielen gänzlich gefehlt habe, — ein Eindruck, der bis zu
einem gewissen Grade wohl das Richtige treffen dürfte,
wenn auch vielleicht nicht mit der Ausschließlichkeit, wie
es nach der Schilderung des Astaräbädi den Anschein hat.
Denn wir müssen damit rechnen, daß der Verfasser dieses
Bttcherbesprechungen 545
Memoirenwerkes, dem es offenbar darauf ankam, recht viel
dramatisch bewegte Szenen vor unserem geistigen Auge auf¬
zuziehen, manches fortgelassen hat, was ihm für seinen Zweck
unwichtig erschien, was uns aber für die Erkenntnis der Zu¬
sammenhänge sehr wichtig gewesen wäre. Als Beispiel mag
folgendes dienen: S. 110 wird uns erzählt, daß der Mamluken-
sultan Barkuk i. J. 1397 dem Sultan Ahmed ägyptische Trup¬
pen sandte. Der Sinn dieser Unterstützungsaktion ist aus dem
Zusammenhange durchaus klar: er richtete sich gegen die
gemeinsame Bedrohung der Partner durch Timur; allein von
der Veranlassung dazu erzählt Astaräbädi nichts. Aus Ibn
^adschar erst erfahren wir (s. S. 116 des vorliegenden
Buches), daß dies auf Veranlassung des Sultans Ahmed selbst
geschehen war, der um Unterstützung gegen die „Tataren",
d. h. gegen Timur, gebeten hatte.
Trotz dieser Einseitigkeit bleibt aber dennoch das BR eine
für die historische Forschung außerordentlich wichtige Quelle,
die, in rechter Weise benutzt, namentlich für die Zustände in
der letzten vorosmanischen Zeit Anatoliens manche wichtige
Erkenntnis zu vermitteln vermag. Wir sind darum dem Be¬
arbeiter dieses wichtigen Quellenwerkes zu großem Danke
verpflichtet.
Als Beispiel für die Art und Weise der Auswertungsmög¬
lichkeit des Werkes möchte ich im folgenden kurz das zusam¬
menstellen, was darin an Material zur Geschichte des Achi¬
tumes enthalten ist, jenes auf das Schlagwort Fütüvoet
(,,RitterHchkeit") ausgerichteten Bundeswesens, das in Ana¬
tolien gerade in der zwischen der seldschukischen und der
osmanischen Herrschaft liegenden Zwischenzeit besonders
geblüht hatte. Zunächst ist da festzustellen, daß Astaräbädi
an mehreren Stellen seines Werkes die Fütüvvet als Motiv
der Handlungsweise seines Helden selbst hinstellt (S. 99),
bzw. vom Standpunkte der Fütüvvet aus an der Handlungs¬
weise eines Gegners Kritik übt (S. 51). Es wäre aber falsch,
diese Stellen zu sehr pressen und Sultan Ahmed oder den
Verf. des BR selbst für das Achitum in Anspruch nehmen zu
wollen. In dem hier gebrauchten Sinne war die Fütüvvet im
546 Bficherbesprechungen
Mittelalter Gemeingut der fürstlichen Kreise und wird in
diesem Sinne in vielen Fürstenspiegeln abgehandelt.
Anders ist es mit Personen, die ausdrücklich als Achis
bezeichnet werden. Es sind dies die folgenden:
1. Achi 'Isä, der treueste Berater Sultan Ahmeds, der
i. J. 1378 mit ihm das Schicksal einer Gefangenschaft teilte
(S. 27f.), von ihm zu wichtigen Gesandtschaften (1381, S. 45),
auch zur Durchführung militärischer Aktionen beauftragt
wurde (1382, S. 55, und 1387, S. 64 f.), den er auch in einer
Verschwörungssache das Urteil sprechen läßt (1382, S. 56).
Achi 'Isä ist die einzige Persönlichkeit um Sultan Ahmed, die
außer diesem selbst auch inschriftHch bezeugt ist : wir kennen
sein Grab, aus dessen Inschrift hervorgeht, daß er der Sohn
eines Achi Mehemmed war, also aus einer dem Achi-Patriziat
von Sivas angehörigen Familie stammte (sein Vater ist nicht
näher zu identifizieren), und daß er i. J. 795 H./1393 D. als
Glaubenszeuge (Sehid) gestorben, also im Kampfe gefallen ist.
Dies letztere Faktum wird vom BR nicht berichtet; bei der
Stellung, die dieser Mann in der Umgebung des Sultan Ahmed
eingenommen hatte, hätte man wohl erwarten können, daß er
auch seinen Tod vermerkt hätte.
2. Achi Rukneddin klärte Anf. 1381 den Sultan Ahmed
über eine unter der Bevölkerung von Sivas gegen ihn gerich¬
tete Bewegung auf (S. 44), gehörte also auch wohl zu den Ver¬
trauten des Sultans.
3. Dagegen war ein Achi Nevröz, der frühere Nä'ib des
Eretniden 'All Beg, ein Gegner des Sultan Ahmed, gegen den
er intrigierte (1381/82, S. 50ff.). Er war auch daran Schuld,
daß Sultan Ahmed 1382 die Schlacht gegen Emir Ahmed von
Amasia, den Sohn und Nachfolger seines alten Gegners, des
Emirs Hadschi Schadgeldi von Amasia, verlor (S. 54f.). Als
er sich dann gar an einer Verschwörung gegen Sultan Ahmed
beteiligte, ließ dieser ihn hinrichten (S. 55f.).
4. Zwei Gegner des Sultans Ahmed waren auch ein Achi
Mehemmed , Sohn eines HodschaÄräste, und Achi Näsir¬
eddin, die sich beide 1387 an einer großen gegen Sultan
Bücherbesprechungen 547
Ahmed gerichteten Verschwörung zugunsten des Rebellen
Dschunaid beteiligten und sich deshalb vor dem Sultan zu
verantworten hatten. Achi Näsireddin wurde mit den anderen
Verschworenen hingerichtet, den Achi Mehemmed begnadigte
der Sultan wegen seiner Jugend in der Hoffnung, daß er durch
die Fütüvvet, zu der ör sich bekannte, noch auf den rechten
Weg geführt werden würde (S. 65). Die Stellen, an denen von
diesen beiden Achis die Rede ist, sind von großem Interesse
für das Achitum, weshalb ich sie hier im vollen Wortlaut
wiedergeben will:
BR, ed. Killisli Rif'at, S. 326, Z. 9ff.: „(Unter den Ver¬
schwörern in Sivas waren) von den Achis der Sohn des Hodscha
Äräste, namens Achi Mehemmed. Im Kindesalter hatte man
das Siegel seiner Fütüvvet mit der Hand der Schande auf¬
gehoben, und die Quelle seiner Scham und Züchtigkeit mit
dem Staub der Unverschämtheit verstopft ; er hatte die Zügel
der Unterwürfigkeit in die Hand eines jeden gegeben, und wie
ein Vierfüßler (ein Reittier) war er unter diesen und jenen
geraten (d. h. : er ließ sich als Lustknabe gebrauchen); als
ein Schamloser kam er in die Sitzungen von Wein und Flöten¬
spiel, und mit Leuten der Liederlichkeit und der Ausschwei¬
fung unterhielt er ungeordnete Beziehungen. Schließlich aber
war er nach dem Grabe des Fürsten der Gläubigen 'Ali — Gott
habe Wohlgefallen an seinem Antlitz — (d. i. nach Nedschef)
gereist, und hatte dort die Chirqa (das Derwischgewand)
angezogen; (so) hatte er nach verlorener Sache (? ba'd
^aräb il-basra) sich mit nachgeahmter Askese und trügerischer
Frömmigkeit beschäftigt gezeigt.
„Weiter (war unter den Verschwörern in Sivas von den
Achis ein Mann) namens Achi Näsireddin. Früher hatte man
ihn wegen eines Mißerfolges (? Jiiyäbate, oder 1. fiiyänate
, einer Verräterei'?) aus der Stadt verbannt und aus der poli¬
tischen Gemeinschaft (gumhür) vertrieben. Nach einer ge¬
wissen Zeit (jedoch) hatte der Sultan durch Vermittlung einer
verwandtschaftlichen Beziehung, die er zu dem Verwalter
(kethudä) der Stadt hatte, sich (seiner) erbarmt und Erlaubnis
gegeben, daß man ihm (wieder) Eintritt in die Stadt gewähre,
548 Bücherbesprechungen
und hatte für ihn eine Pension (idrär) und eine Klause {zäwiye)
festgesetzt und bestimmt."
S. 327, Z. 3 V. u. ff. : „Achi Näsireddin, welcher der Dschu-
haina dieser Berichte und der Huqaiba dieser Geheimnisse
war und den der Tadel der Leidenschaft und der Geiz der
Natur dazu angehalten hatte, daß er die Gunst mit Zurück¬
haltung vergalt und den Anspruch auf Wohltat mit Empörung
beglich, sagte: ,Fern sei es und keineswegs (habe ich so etwas
getan)!"
(S. 328) Halbvers (Mügtess):
„Wo bin ich, und wo spricht man von Staatsangelegen¬
heiten (d. h. ich habe nichts mit Staatsangelegenheiten zu
schaffen). ,Ich habe in diesem Milieu keine Schuld. Das
Äußerste, was diesbezüglich (man mir zur Last legen kann),
ist dies, daß ich dazu verpflichtet worden bin (die Verpflich¬
tung übernommen habe), das Tor zu erbrechen und den Dschu¬
naid in die Stadt einzulassen. Meine Verbindung mit ihnen
(den Verschworenen) war nicht mehr als eben dies.' "
S. 328, Z. lOff.: ,,Achi Mehemmed, welcher die Münze der
Schamhaftigkeit und der Keuschheit in der Zeit der Jugend
(sabä, 1. sabävet) gebrochen (in Kleingeld eingewechselt) und
die Ernte der Fütüvvet und der Muruvvet in den Tagen der
Kindheit in den Wind gegeben hatte, — der in den Versamm¬
lungen und den Zusammenkünften der Trunkenen und Wein¬
trinker Kostprobe für einen jeden Gaumen und Spucknapf
für einen jeden Auswurf war, — (dieser Achi Mehemmed)
sagte: , Diese Leute kamen zu mir, erinnerten (mich) an meinen
Eid und beschworen mich; ich habe keine Schuld.'
„Der Sultan fragte: ,Warum hast du mich nicht benach¬
richtigt?'
„Er antwortete: ,Da8 paßt nicht in unsere Fütüvvet
(dar futuvoat-i mä na me-gungid).'
,, Darauf der Sultan: ,In der Zeit der Kindheit haben in
eure Fütüvvet manche Dinge hineingepaßt! Wie kommt es,
daß jetzt diese (geringe) Quantität nicht hineinpaßt?!'"
S. 329, Z. 3 f .: „Von allen diesen ließ er den Achi Mehem¬
med, der noch in frischer Jugend war und dessen Herz infolge
Bücherbesprechungen 549
der Fütüvvet und der Muruvvet offen war (? ki fugä'
az futuvvat va-muruvvat me-guSüd)^) unbestraft (mauqüf)."
An diesen Ausführungen sind namentlich die über Achi
Mehemmed interessant und enthalten einige für das Achitum,
namentlich für die Zustände im Verfallsstadium dieses Bun¬
deswesens charakteristische Züge. Zunächst einmal ist er
schon in der Kindheit in den Achibund aufgenommen wor¬
den*), er gehörte also wohl einer Achifamilie an, obwohl sein
Vater nicht ausdrücklich als Achi bezeichnet wird. In der
Jugend ließ er sich als Lustknabe gebrauchen, frönte also
einem Laster, das mehrfach den Angehörigen der Fütüwet-
bünde vorgeworfen wird»). Dann pilgerte er nach Nedschef
zum Grabe Alis und wurde fromm ; es war dies aber nicht die
in den persischen Lebemännerkreisen übliche Altersfrömmig¬
keit, denn Achi Mehemmed war ja noch jung, sondern es
handelt sich hier um eine schiitisierende Aliverehrung, wie
sie von je Futuwwakreisen eigen war, — galt doch Ali nach
dem Prophetenwort „kein Fatä außer Alil" (Zä fatä illä 'AR)
als Prototyp und Ideal des Fatä. Zu der Annahme, daß Achi
Mehemmed erst in Nedschef am Grabe Alis gegürtet, d. h. in
den Futuwwabund aufgenommen worden sei, wie dies wohl
zur Zeit der höfischen Futuwwa unter den letzten abbasi¬
dischen Kalifen gelegentlich vorgekommen sein mag*), —
zu dieser Annahme liegt jedoch keine Veranlassung vor; ja
sie widerspricht dem Wortlaut des Berichtes. Immerhin mag
die Pilgerfahrt zu einer, wenn auch nur äußerlichen Korrek¬
tion des Lebenswandels des jungen Achi geführt haben. —
1) Zur Phrase vgl. Zknkbb küSäde meSreb ,oiIenen Charakters,
offenherzig'.
2) Der Fall, daß Kinder in einen Futuwwa-Bund aufgenommen
werden, wird auch von dem Fakih der höfischen Futuwwa-Bünde
unter dem Kalifen an-NSsir (1180—1225), Ibn al-'Ammär, erörtert.
3) Siehe z. B. die Polemik des Ibn BIdgln gegen die Futuwwa
bei Schacht in Festsclirift Georg Jacob, Leipzig 1932, S. 284 fl.
4) Von dem Kalifen al-Mustansir (1226—1242) wird berichtet,
daß er auf Veranlassung des Aliden Dschaläladdln (st. 642 H./
1244 D.) in Nedschef am Grabe Alis die „Hosen der Futuvrwa" an¬
zog (vgL Mustafa Öawäd in Loghat el-'Arab, VIII, 1930, S. 242).
550 Bücherbesprechungen
Auch bei Achi Näsireddin fehlen nicht Züge, die unser Bild
vom Achitum festigen. So der, daß Sultan Ahmed ihm eine
Zäviye zur Verfügung stellt: wie wir aus Ibn Battüta wis¬
sen bezeichnete man mit dem Ausdruck Zäviye das Klub¬
haus der Achis. — Schließlich ist in dem Bericht über das Ver¬
hör, dem Achi Mehemmed unterzogen wird, von einem Eide die
Rede, an den der Achi sich gebunden fühlt; es handelt sich
hier wohl um einen Eid auf die Fütüvvet, der, wie Freunde und
Feinde dieses Bundeswesens berichten, von dem Fatä unter
allen Umständen gehalten wurde*). Alles in allem haben wir
hier in dem Berichte über die beiden Verschwörer aus dem
Achistande ein Stück wirklichen Lebens der Angehörigen
dieser Kreise und ein interessantes Sittenbild der Zeit vor uns.
6. Einem Achi 'Ädilschäh wird von Sultan Ahmed 1385
eine Medrese in Zile verliehen, die aber befestigt wird und
daher außer ihrem geistlichen Zwecke auch einem militä¬
rischen diente (S. 62). Tatsächlich wird diese Medrese im
Jahre darauf von Feinden angegriffen und zerstört, Achi
'Ädilschäh selbst gefangengenommen (S. 63). Von Achi
'Ädilschäh ist dann noch kurz aus Anlaß einer militärischen
Expedition i. J. 1393 die Rede, an der der Achi im Auftrage
des Sultans Ahmed beteiligt ist (S. 91). Sonst ist auch mehr¬
fach von einem Scheich 'Ädil die Rede; doch wird es sich
hierbei doch wohl eher um eine andere Person handeln.
7. Ein Achi Ayn ab eg (so ist doch wohl zu lesen, nicht
Ayenbeg) wird kurz i. J. 1379 als Besitzer von Ländereien bei
1) Vgl. Ibn Battüta {Voyages d'Ibn Batoutah, Paris 1877, Neu¬
druck 1914), II. Bd., S. 261, Z. 6.
2) Der Eid bei der Futuwwa, den die Fityän unter allen Um¬
ständen halten, wird erwähnt von Ibn Dschubair {The Travels of
Ibn Jubair, 2. ed. rev. by du Go«jk, London u. Leyden 1907, S. 280,
Z. 13) und von Ibn al-DschauzI {an-Nämüs fl Talbls Iblis, l.Ausg.
Kairo 1340, S. 421, 2. Ausg. Kairo 1928, S. 392, Z. 15). Daß er von
den Fityän der höfischen Futuwwa des Kalifen an-Näsir wirklich ge¬
übt wurde, bezeugt Ibn 'Ammär (vgl. über diesen zuletzt P. Kablb
in Festschrift Georg Jacob, S. 112 ff.). Ibn Taimlya polemisiert gegen den Eid bei den ,, Hosen der Futuwwa" und erklärt ihn als ungültig (Jobs. Pbdbbsbn, Der Eid bei den Semiten, Straßburg 1914, S. 208).
BflcherDesprechungen 551
Erzindsclian erwähnt (S. 32). Ein Mann namens Aynabeg
wird auch sonst erwähnt; doch ist es auch liier zweifelhaft,
ob CS sich um dieselbe Person handelt.
Diese Berichte über Personen, die dem Achitum angehö¬
ren, würden uns gewiß manches mehr sagen können über die
Stellung dieses Bundeswesens im öffentlichen Leben, wenn sie
ausführlicher wären, und der Verf. des BR uns etwas Näheres
über die Intentionen dieser Leute gesagt hätte. Denn daß das
Achitum eine bestimmte politische Linie verfolgte, dürfen
wir nach allerdings nicht sehr bestimmten Äußerungen Ibn
B attütas *) erwarten. So aber bietet uns nur der Bericht über
den jungen Achi Mehemmed einige Handhaben. Bezüglich
der übrigen Achis sind wir durchaus im unklaren, ob und in
wieweit ihre Handlungsweise von Motiven diktiert war, die
aus ihrer Zugehörigkeit zum Achitum entsprangen. Immer¬
hin müssen die Berichte des BR über Achis aus der Umgebung
des Sultan Ahmed von Sivas im Auge behalten werden bei
der weiteren Erforschung des Achitumes.
Was für die Geschichte des Achitums gilt, gilt in gleicher
Weise auch für andere Gebiete der historischen Forschung,
auch für das der historischen Geographie, auf das ich hier nur
kurz hinweisen will. Es finden sich im BR eine Anzahl von Orts¬
namen wieder, die in den alten Itinerarien, die ich in meinem
Buche, ,,Das anatolische Wegenetz nach osmanischen Quel¬
len" Leipzig 1924 und 1926, zusammengestellt habe, er¬
wähnt werden, — Namen, die schon seit Jahrhunderten ver¬
schollen sind und sich daher auf unseren Karten nicht finden.
Für einige von diesen kann man auf Grund des Zusammen¬
hanges die ungefähre Lage feststellen. Ich weise da auf den Ort
Scheich Nusret hin, der im BR als Station auf dem Wege
zwischen Artuqäbäd (d. i. die Ard Ova, die Ebene im Quell¬
gebiet des Tschekerek), und Qazäbäd (d. i. die Kaz Ova, die
Ebene am Yeschil Irmak zwischen Tokat und Turhal) er¬
wähnt wird (S. 35). Im Dschihänniimä des Hadschi Kalfa
(vgl. mein „Wegenetz" I, S. 239 und 5*) wird die örtlichkeit
1) Ibn Battota, a. a. O., S. 261, Z. 3f.
552 Bttcherbesprechungen
als in der Nähe von Zile auf dem Wege zwischen der Halys-
brücke, der Tscheschnigir Köprüsü, und Tokat liegend an¬
gegeben. Diese beiden Angaben zusammengenommen er¬
geben eine Lage im Schnittpunkte beider Routen, die nur
mehr wenig Spielraum für Möglichkeiten übrigläßt; die ge¬
naue Identifizierung im Gelände kann nunmehr freilich nur
an Ort und Stelle vorgenommen werden. — Außer diesen in
den Itinerarien vorkommenden Namen finden sich im BR
noch eine ganze Reihe von solchen, die vorläufig noch völlig
unbelegbar sind. Manches wird sich auch wohl von diesen an
Ort und Stelle noch feststellen lassen. Auf jeden Fall ist auch
in historisch-geographischer Hinsicht das BR eine wichtige
Quelle und wird, wenn es sich darum handelt, das Landschafts¬
bild Ostanatoliens, des Raumes um Sivas, etwa von Amasia
im Norden bis Kaiseri im Süden und von Kirschehir im Wes¬
ten bis Erzindschan im Osten, im Wandel der Zeiten zu
zeichnen, mit heranzuziehen sein.
Diese Hinweise mögen genügen, um zu zeigen, in welcher
Richtung die Auswertungsmöglichkeit der durch H. H. Gik-
SECEE erschlossenen Quelle, des Bazm u Razm des Asta¬
räbädi, liegt. Für sich allein genommen geben ihre Aussagen
nicht allzu viel her; doch zusammengestellt mit Aussagen
anderer Quellen vermögen sie zur Klärung so manchen histo¬
rischen und historisch-geographischen Problems des tür¬
kischen Anatolien ihren Beitrag leisten.
Fbanz Taeschner
Abü-Muhahuad 'Aü Ibn-Qazm al-Andalusi. Halsband der
Taube. Ober die Liebe und die Liebenden. Aus dem Ara¬
bischen übersetzt von Max Weisweileb. VII u. 238 S.
Leiden: E. J. Brill. 1941.
Nur wenige Werke der arabischen Literatur können es
an ästhetischem Reiz auch für den Nichtfachmann mit der
Liebestheorie des großen spanischen Theologen Ihn Qazm
aufnehmen. Dies sein Jugendwerk, in dem die Bestrebungen
Bttcherbesprechungen 553
seines Mannesalters sich erst leise andeuten, ist noch ganz
erfüllt von den Erinnerungen an eine glückliche Kindheit
und ein seliges Frühlingserwachen in den blühenden Fluren
Andalusiens und auf dem glänzenden Stadtschloß seines
Vaters zu Cordova, und, obwohl in der Verbannung zu Al¬
meria geschrieben, kaum beschattet von dem Unglück, das
sein Haus mit dem Sturz seines Vaters betroffen hatte. In
glänzenden Farben malt es das Leben einer Gesellschaft, die
bei ihrer politischen Unfähigkeit schon die Keime des Ver¬
falls in sich trägt und am Abgrund noch die Blumen ver¬
feinerten Lebensgenusses zu pflücken bereit ist. Die naive
Sinnlichkeit ist ihr noch nicht ganz verlorengegangen, aber
sie sieht sich doch schon gedrängt, sich ihrer durch Reflexion
zu entäußern. Nachdem Nykl 1931 seine erste englische
Übersetzung geliefert hatte, der 1933 Salib's vielfach getreuere
und durch eine Einleitung von I. Krackovskij besonders
wertvolle russische Übertragung (Verlag Academia, Moskau-
Leningrad) gefolgt war, ist es sehr zu begrüßen, daß Weis-
-WBiLER das Werk nun auch den deutschen Lesern erschlossen
hat. Vor seinen Vorgängern zeichnet sich W.s Arbeit da¬
durch besonders aus, daß er die vielen poetischen Einlagen,
die jene nur in Prosa wiedergegeben hatten, in zierliche und
geschmackvolle Verse umgegossen hat, ohne der Form die
Treue gegenüber dem Inhalt zu opfern. Besonders dankbar
werden ihm die Romanisten sein, die sich so am besten in
den Geist der spanisch-arabischen Kultur einführen lassen
können, wenn sie deren Beziehungen zu den romanischen
Literaturen untersuchen wollen.
Weiswbiler's Übersetzung zeichnet sich neben ihrer voll¬
endeten Form durch Treue aus, die jeder noch so feinen
Nuance des Originals gerecht zu werden sucht. Bei dem
schon oft beklagten Zustand der arabischen Philologie, die
noch immer kein wissenschaftlichen Ansprüchen genügendes
Wörterbuch aufzuweisen hat, ist es unvermeidlich, daß auch
ein solcher, nun schon zweimal übersetzter und mehrmals
kritisch untersuchter Text immer noch Stellen bietet, deren
Interpretation zu Zweifeln Anlaß gibt. Einige von diesen
3 7
554 Bttcherbesprechungen
sollen im folgenden kurz erörtert werden, um dem Übersetzer
unsern Dank für seine hervorragende Leistung abzustatten.
S. 11, 8 übersetzt W. 25, 17 die Lesart der Hds. salimuhä
„wer von ihr (der Krankheit der Liebe) frei ist, mag die
Gesundheit nicht", aber die Gesundheit ist ja eben die Frei¬
heit von Krankheit, also ist MARgAis' Verbesserung saqlmuhä
nicht zu umgehen.
S. 13,1. Ein Anzeichen der Liebe ist es, daß der Verliebte,
auch wenn er sonst geizig war, plötzlich zu verschwenden
anfängt, als ob er der Beschenkte wäre „wal-mas'lyu fi hoffti-
hV\ Das kann wohl nicht heißen: „und sich veranlaßt ge¬
fühlt hätte, für sein Lebensglück zu arbeiten" (W. 28, 24),
auch nicht „for whose happiness he was working" (Nykl),
sondern nur: „und um dessen Glück man sich bemüht" wie
Salix 24: n o6 ero cnacTLH CTapaioTCfl.
19,5. süraian min suwariH-hammäm könnte wohl ein Bild¬
werk sein, wie sie in Bädern stehn (W. 38,26), denn Plastiken
scheinen ja der islamischen Kunst in Spanien nicht ganz so
fremd gewesen zu sein, wie der des Ostens (s. H. PäRijs, La
Poesie Andalouse en Arabe classique au XI* siecle, Paris
1937, S. 330), aber es ist doch wohl eher an Gemälde zu
denken, wie wir sie aus dem Badezimmer in Qusair 'Amra
kennen, dessen Stil die Umaiyaden auch nach Spanien ver¬
pflanzt haben werden.
21, 18 falä matma'a laka fVn-nlyaii walä ilä mä targabuhü
sabÜ kann wohl nicht heißen „denn du hast keine Aussicht,
dein Ziel zu erreichen" (W. 43, 26), „for their is no use to ex- spect (the realization of) your intention (N. 31)", S. 41 richtig
„Te6e He^iero hchh mejiarb" es ist ^tj für CJlJ zu lesen.
Bei einem theologisch gebildeten Mann wie b. ^azm kann
niya keine andere Bedeutung mehr haben als die bekannte
religiöse (s. Wensinck, Semietische Studien, Leiden 1941,
61fr.).
29,10. Sie klagte ihr Leid, ohne daß jemand wußte siwa
H-maSküwi mä känat tusammi, das ist nicht „als der Beklagte,
den sie nicht geoffenbart" (W. 56 u.), „except the one com¬
plained about whom she did not name", sondern otcm oaa
Bücherbesprechungen 555
roBopHJia (S. 55) „was sie meinte"; diese Bedeutung von
sammä kennt ja schon Freytao aus Maidäni.
53, 14 wa^iyäkum waqätl (so!) at-talätati gibt in der wört¬
lichen Übersetzung von S. (102) 6epeniTecb y6HBaioii) ero
TpoHX keinen Sinn, kann aber auch nicht heißen: ,, Hütet
euch vor drei Arten von Menschen" (W. 95) oder ,, Beware
of and oppose three" ; man muß mit Fischer, Isl. V, 468
wa^aqäwila lesen, oder vielleicht einfacher waqälaia, wie Z. 21.
53, 21 walä tatabaddal qälatan qad samVtahä gibt in der
wörtlichen Übersetzung S. (103) ne HSHeHfl^cfl usw. keinen
Sinn, kann aber wohl auch nicht heißen „Do not take the
saying which you heard being said for another" (N. 82) noch
„Hab' acht, wenn du Gerede hörst, daß du es von dir weist".
Lies tatabaddal „Nimm nicht sorglos auf" (s. Yäqüt, IrSäd II,
327 pu, Gähiz in RAAD III, 291, 1).
55,11 haben N. 84 und W. 98 die Konstruktion verkannt,
daher W. sich genötigt sieht, ein „da soll er ihn als . . . be¬
trachten" zu ergänzen. S. 105 gliedert richtig mit ecjin — to
,,Wo der Glaube ihm Halt gebietet, als Bürge für die rich¬
tige Einsicht usw., da kennt (Gott), der das Gesetz erlassen
usw., am besten den Weg der Wahrheit usw."
55, 18. Die Welt als 'j: jb ist nicht „eine Stätte von
Bitternis" (W. 99, N. 86), sondern der „Vergänglichkeit"
(mamarrin, S. 106 oßarejibio nepexo^nmeA').
69, 12 folgen alle drei Übersetzer der Vermutung Gold¬
ziher's ta^lü für t^l der Hds. W. 118: „Die Straßen sind
häufig leer von Reisenden geworden, und diese sind, nur um
ihn zu sehn, absichtlich an seiner Haustür in der Straße vor¬
beigegangen usw." Man erwartet aber gerade das Gegenteil:
„Die Straßen waren oft voll von Reisenden", es ist also
tahfilu oder tatahaffalu zu lesen.
74,1 warugiyat il-ulfatu wafm' fi'r-rag'ati kann wohl nicht
heißen „solange man noch auf den vertrauten Umgang und
auf Verlangen nach der Rückkehr hoffen darf" (W. 125,
N. 113), sondern es ist watumta wie bei S. 138 h ynosaiOT
Ha ee BOSEpaa^eHne zu lesen.
556 Bficherbesprechungen
94, 7. Bei fi qasri däri'l-Mugaddadi läßt die Übersetzung
„eines neuen Schlosses" (W. 156, N. 144) nicht erkennen,
daß es sich um den Namen eines Schlosses in Cordova han¬
delt (Salib, Anm. 108).
97, 22. Du hast fürwahr die Sonne dir gemacht zur Skla¬
vin hattä 'iSquhä baina daH-warä laka bädi kann wohl nicht
heißen „drum scheint in einem Menschen ihre Liebe dir"
{W. 162), sondern, da ward ja nur Kollektiv ist, mit N. 150,
S. 179 „so daß ihre Liebe zu dir (allen) Menschen klar ist".
102, 19 mimman ya^iffu maudi'uhä wayaltufu mahaUuh
sind wohl nicht „Leute in gehobenem Rang und besserer
Stellung" (W. 170), sondern „all of them sympathetic and
sociable people" (N. 158), S. 188 etwas zu wörtlich: vbe uecro
6iuio 3rroABO h nojiomeHHe SHa^HrejibHO.
102, 21. „Ein Schloß, von dem aus man ganz Cordova
überschaute wafuhüshä mufattahat al-abwdb'\ W. 170 „und
dessen Wandnischen große offene Fenster hatten" ebenso
N. 158, aber S. 188 richtig Kopflosy h npeAMecTbfl h ^BepH
ee 6ujiH OTKpuTbi, also lies wafuhüsihä (s. Dozy) mufatta-
hati'l-abwcA, „ganz C. und sein Weichbild, und dessen Türen
weit offen standen".
106, 18. MARgAis hat seine Verbesserung warhal . . . ma-
tiya H-'uqäri gut erläutert mit „remplis les coupes". Das
darf aber nicht verstanden werden als „Die Esel sattle dir
den Wein zu bringen" (W. 175, ähnlich N. 164); denn es
handelt sich um eine Metapher, die S. 195 mit ceAJiatt ...
KOHett BHHa gut wiedergibt; die Krüge sind selbst die Reit¬
tiere des Weines.
In einem speziell für die Fachgenossen bestimmten An¬
hang schlägt W. noch einige überzeugende Verbesserungen
zu Pktrof's bekanntlich auf einer einzigen Hds. beruhen¬
den Text vor. Wenn er aber zu 51, 7 die von Krackovskij
für das Jj^l der Hds. eingesetzte Lesung durch jr^l er¬
setzen will, so wird dadurch die Beziehung auf Jer. 31, 29,
Ez. 18, 2 zerstört, die dem Verf. zwar nicht als wörtliches
Zitat vorgeschwebt zu haben braucht, ihm aber doch wohl
Bücherbesprechungen 557
als sprichwörtHche Redensart bekannt war, siehe die Nach¬
weise zu arabischen, neusyrischen und türkischen Sprich¬
wörtern, Ostas. Ztschr. VIII, 67, Nr. 209. Da W. zu 67, 16
hinter abl richtig 'All ergänzt, mußte er in der Übersetzung
116, 12 das abl 'All der Hds. für Petrof's abfl-Husain
wiederherstellen. S. 138, 2 ist sein 'idatih wohl durch das
besser zu der Überlieferung passende 'idätih zu ersetzen.
C. Brockelmann
Engelbert Kampfer, Am Hofe des Persischen Großkönigs
(1684 — 85). Das erste Buch der Amoenitates exoticae. Ein¬
geleitet und in deutscher Bearbeitung herausgegeben von
Walther Hinz. XII u. 248 S., 12 Tafeln (davon 2 Tafeln
farbig) u. 1 Karte. Leipzig: K. F. Koehler Verlag. 1940.
Engelbert Kampfer, der vom Dezember 1683 bis zum
November 1685 in Iran weilte, hat vom Beginn seiner Reise
an ein Tagebuch in deutscher Sprache geführt, das jetzt im
Britischen Museum liegt. Nach Beendigung seiner weiteren
Reisen in Asien hatte er gehofft, die Ergebnisse in einer Reihe
von Veröffentlichungen der Allgemeinheit zu unterbreiten.
Ungünstige Umstände hielten ihn leider lange Zeit von diesem
"Vorhaben zurück. Erst 1712 erschien ein zusammenfassendes
Werk unter dem Titel ,, Amoenitates exoticae", von dessen
fünf Faszikeln das ganze erste und vierte und große Teile des
zweiten und dritten über Persien handeln.
In zwei Veröffentlichungen*) hat Karl Meier-Lemgo auf
diesen großen deutschen Forschungsreisenden hingewiesen,
der in der jüngeren Literatur über Iran kaum erwähnt wird.
Die älteren Reisenden sind für die Erforschung Irans von
größter Bedeutung. Um diese Quellen nützen zu können,
müssen zuverlässige Ausgaben vorliegen. Leider ist auf diesem
1) Engelbert Kämpfer: 1651—1716. Seltsames Asien ... in Aus¬
wahl übersetzt von K. Mbicb-Lkmoo. Detmold 1933; — Engelbert
Kämpfer, der erste deutsche Forschungsreisende . . . nach den bisher
unveröffentlichten Handschriften Kämpfer's im Brit. Museum bear¬
beitet von K. Mbibb-Lemgo, Stuttgart 1937.
ZeHichrift d. DMG Bd. M (Neoe Folge Bd. Sn 3T
:i *
558 Bücherbesprechungen
Gebiete erschreckend wenig geleistet. Um so erfreuter ist man,
wenn eine so eminent wichtige Quelle wie Kämpfer in deut¬
scher Bearbeitung vorgelegt wird.
In der Einführung, S. 11, sagt der Herausgeber, daß bis¬
her nur ganz geringfügige Teile der Amoenitates in deutscher
Übersetzung erschienen sind und daß damit eine sachkundige
bearbeitete Neuausgabe des KjtMPFKB'schen Persienbuches in
deutscher Sprache eine nationale Verpflichtung unserer
Wissenschaft geworden sei. Darin muß man dem Herausgeber
voll beistimmen. Solch eine Ausgabe kann nun zweierlei be¬
zwecken: entweder ist sie eine wirkliche Ausgabe des Be¬
richtes mit kritischem Kommentar, oder sie hat das Ziel, die
Allgemeinheit mit einer wenig oder gar nicht benützten Quelle
bekanntzumachen. Nach dem soeben zitierten Satz aus der
Einführung zu urteilen soll das Werk zu der ersten Art rech¬
nen. Tatsächlich gehört sie nach Meinung des Ref. zu den all¬
gemeineren Darstellungen, und sie ist durchaus geeignet, ein
Bild vom Leben am persischen Hof zu Kämpfer's Zeiten
zu geben.
Das Buch ist prächtig ausgestattet, z. T. mit Bildern aus
den Amoenitates, z. T. nach farbigen Aufnahmen des Heraus¬
gebers. Am Schluß des Buches ist in Schwarz-Weiß eine Ver¬
kleinerung der Iran-Karte des Adrianus Relandus aus dem
Jahre 1695 beigefügt. Der Text umfaßt das erste Faszikel
der Amoenitates, das hier in deutscher Übersetzung, einer
Gemeinschaftsarbeit von C.-G. Frh. von Brandenstein,
H. Braun, W. Eilers, W. Haag, H. Hartmann, A. Kranz,
H. Roemer, B. Spuler und des Herausgebers W. Hinz, vor¬
gelegt wird.
Aber die Absicht des Herausgebers war es nicht, ein Buch
wie das von Meier-Lemgo zu schaffen. Die vorliegende Be¬
arbeitung beschränkt sich auf die Teile der Amoenitates, die
sich auf Persien beziehen, soweit sie im ersten Faszikel stehen.
Sobald man von einer zusammenfassenden Darstellung wie
den Amoenitates eine sachkundig bearbeitete Neuausgabe
machen will, muß sie den Anforderungen, die an eine solche
gestellt werden, genügen. Ref. hat bei genauer Durcharbeit
Bücherbesprechungen 559
des Werkes und nach Vergleich der Übersetzung mit dem
lateinischen Original den Eindruck gewonnen, daß dies nicht
der Fall ist, und zwar aus folgenden Gründen:
1. Wie bereits erwähnt, beschäftigt sich der größte Teil
der Amoenitates mit Iran. Die hier vorgelegten Abschnitte
bilden zwar eine gewisse Einheit, was bereits Kampfer da¬
durch betont hat, daß er sie zu einem Faszikel vereinigte.
Jedoch hätten die wertvollen Mitteilungen in den anderen
Faszikeln dazu beigetragen, ein vollständigeres Bild von der
Leistung Kämpfer's um die Erforschung Irans zu geben.
2. Die Arbeit an der Übersetzung der Amoenitates wurde
im Winterhalbjahr 1935/36 begonnen, d. h. zu einer Zeit, als
die handschriftlichen Schätze des Britischen Museums noch
zugänglich waren. Wenn ein Text für wissenschaftliche
Zwecke zugänglich gemacht werden soll, muß man unbedingt
auf die ältest erreichbare Fassung zurückgreifen, zumal dann,
wenn, wie hier der Fall liegt, die spätere Fassung eine Über¬
setzung ist. Eine kritische, kommentierte Ausgabe von Kimp-
fer's Tagebuch wäre notwendig gewesen. Der Herausgeber er¬
wähnt S. 9 der Einführung, daß Kämpfer den Inhalt seines
Tagebuches bei der Übersetzung unter Berücksichtigung des
einschlägigen Schrifttums, vor allem der Reisebeschreibungen
von della Valle, Tavernier, Chardin und Thevenot erwei¬
terte und abrundete. Da die genannten Werke erhalten, wenn
auch zum größten Teil auch noch nicht kritisch ediert sind,
hätte die Möglichkeit bestanden, diese übernommenen Teile
als solche zu kennzeichnen, um die originale Leistung Kämp-
fkr's plastischer heraustreten zu lassen. Es wäre auch eine
lohnende Aufgabe, die Einflüsse von Raphael du Mans, mit
dem Kämpfer in Isfahan zusammentraf, zu untersuchen:
einigen Anhalt gibt dafür nach Meinung des Ref. Kämpfer's
LTmschriftsystcm persischer und türkischer Worte.
3. Die Übersetzung des nicht immer leichten Lateins der
Amoenitates in ein lesbares Deutsch ist sicher nicht ohne Mühe
gewesen. Diese Leistung ist durchaus anzuerkennen. Daß trotz¬
dem vieles nicht befriedigt, liegt nicht so sehr an einer mi߬
glückten Übersetzung als an dem Schema, nach dem be-
37»
560 Bücherbesprechungen
stimmte Dinge, die wiederholt vorkamen, verdeutscht worden
sind. Man muß zugeben, daß es äußerst schwer ist Termini
der Verwaltung und Titel aus einer Sprache in eine andere zu
übertragen. Hier wäre das deutsche Original des Tagebuches
von unschätzbarem Wert gewesen. Kampfer hat meist hinter
dem lateinischen Ausdruck in den Amoenitates das persische
oder türkische Original und zwar meist in arabischer Schrift
und in Umschreibung beigefügt. In der vorliegenden Bearbei¬
tung ist der einheimische Teil in das Fachwörterverzeichnis
im Anhang (S. 223—228) verbannt. Die persisch-arabisch¬
türkischen Worte sind nach einem modernen Umschriftsystem
wiedergegeben. Dagegen ist einzuwenden, daß ein großer Teil
der Eigenart des Verfassers der Amoenitates ausgelöscht ist.
Die andere Seite dieser Fachausdrücke, nämlich die deutsche
Wiedergabe will Ref. hier nicht näher berühren. Er stimmt
im großen und ganzen dem zu, was R. Hartmann in seiner
Besprechung des vorliegenden Werkes in der DLZ 1941, Sp. 634
geäußert hat.
4. Was die Übersetzung des Textes selbst angeht, so kann
Ref. gleichfalls auf die erwähnte Besprechung durch R. Hart¬
mann verweisen. Es ist ganz unmöglich, durch das ganze Buch
den Vergleich durchzuführen und Beanstandungen anzufüh¬
ren, da das den hier zur Verfügung stehenden Raum bei wei¬
tem überschreiten würde. Nur einige Andeutungen müssen
genügen. Eine ganze Reihe Fachausdrücke, die nicht in den
Anhang aufgenommen sind, werden bald so, bald anders über¬
setzt. So das Wort rex. Abgesehen von direkten Fehlern, die
bei jeder Übersetzung vorkommen können, hat Ref. verschie¬
dentlich Kürzungen festgestellt und zwar gerade dort, wo das
lateinische Original nicht klar ist. An den Stellen hätte das
vermerkt werden müssen: vgl. z. B. S. 18, Ende des ersten
Absatzes, oder S. 24 Mitte.
Die geäußerten Mängel des Werkes sollen die Leistung der
Arbeitsgemeinschaft und des Herausgebers nicht herabsetzen.
Man muß dem Herausgeber und seinen Mitarbeitern durch¬
aus zu Dank verpflichtet sein, daß sie diese dornige Aufgabe
auf sich genommen haben. Solange eine Neuausgabe der
Bücherbesprechungen 561
Amoenitates oder eine Erstausgabe des Tagebuches nicht vor¬
liegt, wird man dankbar dieses Buch in die Hand nehmen,
könnte allerdings das lateinische Original keinesfalls unbefragt lassen.
Das Werk ist als Band 7 der von Albert Herrmann
herausgegebenen Quellen und Forschungen zur Geschichte der
Geographie und Völkerkunde erschienen. Dem Herausgeber
der Quellen und dem Verlag K. F. Koehler in Leipzig muß
für die schöne Ausstattung des Buches besonders gedankt
werden. Olap Hansen
Ibn Quzmän Poite Hispano-Arabe Bilingue. Edition critique
Partielle et Provisoire par 0. J. Tuulio. Chansons X, XIX,
XX, LXXIX, LXXXIV, LXXXVII, XC (= Studia
Orientalia edidit Societas Orientalis Fennica IX, 2). XX
u. 138 S., 1 Faks. Helsinki: Societatis Orientalis Fennica.
1941.
Auf die Bedeutung der in der spanisch-arabischen Mund¬
art verfaßten Strophengedichte (Zagal) des Ibn Quzmän
(gest. 555/1160) hat bereits 1881 V. v. Rosen, Notices som-
maires des Manuscrits arabes du Musee Asiatique S. 242 ff.
in seiner ausführlichen Beschreibung der einzigen Hand¬
schrift hingewiesen. Dann hat sein Schüler D. de Gunzburo,
Le Divan d'Ibn Guzmän, Berlin 1896, diese Handschrift in
einer phototypischen Wiedergabe allgemein zugänglich ge¬
macht. Aber einer kritischen Ausgabe standen außerordent¬
liche Schwierigkeiten entgegen: Die handschriftliche Grund¬
lage ist sehr schmal, das Vulgärarabische des Dichters ist uns
sonst so gut wie unbekannt, der Formenreichtum des Zagal hat
noch keine zusammenfassende Darstellung gefunden, wie sie
für sein hochsprachliches Gegenstück, das MuwaSSah, von
M. Hartmann geliefert worden ist; der Inhalt dieser Ge¬
legenheitsgedichte ist reich an dunklen Anspielungen, und
Bchließlich geben die spanischen Wörter und Redensarten, die
der Dichter oft einstreut, in ihrer arabischen Verkleidung
viele schwer zu lösende Rätsel auf. Da wies 1912 Ribera auf
562 Bücherbesprechungen
gewisse formale und inhaltliche Übereinstimmungen zwischen
den Strophengedichten des Ibn Quzmän und der provenza-
lischen Troubadourpoesie hin; und wenn auch seine These,
daß Ibn Quzmän einer andalusischen Tradition angehöre,
der auch der Minnesang entstamme, sich nicht bewährt hat,
so ist doch sein Hinweis dem Studium des arabischen Dich¬
ters zugute gekommen, an welchem nunmehr Romanisten
und Germanisten ein plötzlich erwachtes Interesse nahmen.
Hauptsächlich von dem Bestreben geleitet, dem an der Ent¬
stehung des Minnesanges interessierten Kreise einen Einblick
in Form und Inhalt dieser Gedichte zu gewähren, gab A. R.
Nykl 1933 den Text in lateinischer Umschrift heraus samt
einer spanischen Teilübersetzung bzw. Inhaltsangabe. Auch
Tuulio, dessen kritische Teilausgabe hier anzuzeigen ist, will
damit im wesentlichen romanistischen Interessen dienen:
Ihm kommt es besonders auf eine Deutung der spanischen
Wörter an. Seine Arbeit enthält einen diplomatisch getreuen
Abdruck des überlieferten Textes und auf der gegenüber¬
stehenden Seite den kritisch hergestellten Text, beides in
lateinischer Umschrift; darunter steht seine französische
Übersetzung; etwaige Übertragungen seiner Vorgänger sind
in die Anmerkungen verwiesen. Auf den Text folgt eine Be¬
merkung zur Metrik des Gedichtes, den Schluß bilden An¬
merkungen, in denen T. vor allem seine Emendationen recht¬
fertigt und insbesondere die spanischen Ausdrücke behandelt.
Bei der Texthersteliung stützt sich der Herausgeber in der
Hauptsache auf die Metrik: Im Gegensatz zu andern, die im
Zagal eine Silbenzählung annehmen wollen, weist er mit Recht
darauf hin, daß die Quantität maßgebend ist, und benutzt
diese Erkenntnis zur Wiederherstellung des ursprünglichen
Textes. Daraus lassen sich auch Rückschlüsse auf den von
Ibn Quzmän gesprochenen Dialekt ziehen, worüber in der
Einleitung einige allzu knappe Bemerkungen gegeben werden.
Wenn Tuulio selbst den vorläufigen Charakter seiner
Ausgabe und insbesondere seiner Übersetzung nachdrücklich
betont, und wenn es auch fraglich sein mag, ob seine oft sehr
kühnen Emendationen, vor allem in den spanischen Wörtern,
Bücherbesprechungen 563
sich bewähren werden, so stellt doch seine ungemein sorgsame
und fleißige Arbeit mit ihren genauen metrischen Analysen
und den keiner Schwierigkeit aus dem Wege gehenden An¬
merkungen eine bedeutende Leistung dar, an die die künftige
Forschung auf diesem schwierigen Gebiete anknüpfen kann.
A. J. Wensinck, La Pensie de GhazzäU. Paris: Adrien Mai¬
sonneuve. 1940.
Es gibt keinen muslimischen Theologen, der die abend¬
ländische Forschung so gefesselt hätte, wie Gazäli, und das
Schrifttum über ihn ist bedeutend und umfangreich. In der
vorliegenden Studie wird es um einen wertvollen Beitrag be¬
reichert; in ihr untersucht Wensinck öazäli's Gedankenwelt
unter dem besonderen Gesichtspunkt seines Verhältnisses zu
den drei großen theologischen und philosophischen Systemen
seiner Zeit: Islam, Christentum und Neuplatonismus; auf
Grund ausgedehnter Belesenheit schildert er knapp und sach¬
kundig Gazäli's Stellung zu den wesentlichen theologischen
Fragen, von seiner Lehre von Gott an bis hin zu seinen An¬
sichten über die letzten Dinge. In dem Schlußkapitel faßt er
seine Ergebnisse etwas überspitzt in den Satz zusammen,
Gazäli sei als Theologe ein Mushm, als Denker und Wissen¬
schaftler ein Neuplatoniker und als Moralist und Mystiker ein
Christ, wobei er die Frage, auf welchen Wegen Gazäli seine
christlichen und neuplatonischen Kenntnisse erhalten habe,
offen läßt. Aber auch abgesehen von der Quellenfrage, die bei
Gazäli fast unlöslich erscheint, weil er mit seinen Vorlagen
nach Willkür schaltet, erhebt sich gegen diese Formulierung
das Bedenken, daß die drei genannten Elemente ja keines¬
wegs gleichberechtigt nebeneinanderstehen: Gazäli ist in jeder
Hinsicht Muslim, auch auf den Gebieten, auf denen er sich
christlicher oder neuplatonischer Elemente bedient. Da in¬
dessen W. jene allzu summarische Formulierung nur im
Schlußwort und mehr als einen Versuch vorbringt, so beein¬
trächtigt sie nicht den Wert derim Hauptteil gegebenen wohl¬
begründeten und zuverlässigen Darstellung. Johann FtJcK
564 Bücherbesprechungen
JoHAKNKS Ittmann, Grammatik des Duala (Kamerun). Unter
Mitarbeit von Carl Meinhof (= 20. Beih. z. Zeitschr.
f. Eingeb.-Sprachen). 250 S. Berlin: Dietrich Reimer.
Das Duala gehört zu den bereits sehr früh bearbeiteten
afrikanischen Sprachen. Die erste Grammatik (von Sakkr)
erschien schon vor hundert Jahren. Dann folgten nacheinander
die verschiedensten Veröffentlichungen, von denen vor allem
das Wörterbuch von Dinkklacker (1914) zu nennen ist. Das
Buch, das jetzt vorliegt, ist eine ganz ausführliche Grammatik
dieser nordwestlichen Bantusprache. Sie fußt auf keiner der
vorangegangenen Veröffentlichungen, sondern beruht auf den
jahrelangen praktischen Erfahrungen des Verfassers in Kame¬
run. Für den sachgemäßen Aufbau im Einklang mit der all¬
gemeinen Bantugraipmatik bürgt allein schon die Mitarbeit
von C. Meinhof.
Die Tonlehre, die für die Kenntnis des Duala unerläßlich
ist, wird als besonderes Kapitel unter der Lautlehre behandelt.
Dennoch ist sie ein Bestandteil auch der andern Abschnitte
des Buches, nämlich der Formen-, der Wortbildungs- und
der Satzlehre. Die Tonhöhen sind im Duala nicht nur etymo¬
logisch ausschlaggebend, sondern auch in den grammatischen
Formen und bei der Wortbildung bedeutsam. Ferner findet
eine gegenseitige Beeinflussung der Töne verschiedener Satz¬
teile statt. Wir müssen also im Duala mit etymologischen,
grammatischen und syntaktischen Tonhöhen arbeiten. Es
sind Hoch-, Mittel- und Tief ton, steigende und fallende Töne
zu unterscheiden. Schließlich hat der Verfasser auch das all¬
mähliche Absinken der Tonhöhen vom Beginn des Satzes zum
Satzende hin beachtet und bezeichnet, wodurch die Zahl der
Tonzeichen noch größer geworden ist. Für das Aufzeigen der
Tonbewegung im Satz ist dieses Vorgehen im Rahmen der
ausführlichen Grammatik sehr dankenswert, in Veröffent¬
lichungen von aUgemeinerem Charakter jedoch nicht notwen¬
dig, da die Zwischentöne nicht von grundsätzlicher Bedeutung
sind.
1939.
m
Bücherbesprechungen 565
Es ist wohl das erste Mal, daß in der großzügig angelegten
Grammatik einer Bantusprache auch die Lehre von den Ton¬
höhen in ihrem vollen Umfang mit erfaßt ist, ein zur Nach¬
ahmung zwingendes Beispiel für zukünftige Werke. Gleich¬
zeitig wird dadurch die Grundlage für die Bearbeitung der
Tonhöhen in der vergleichenden Bantuistik verbreitert, und
schließlich ist es ein allgemeiner Beitrag für die fortschrei¬
tende Erkenntnis von der Wichtigkeit der Töne in so vielen
afrikanischen Sprachen. Eioa Meter
Isläm Ansiklopedisi: Isläm Älemi, Tarih, Cografya, Etno¬
grafya ve Biyografya Lügati. Maarif Vekilli§;inin karari
üzerine Istanbul Üniversitesi Edebiyat Fakültesinde kuru-
lan bir heyet tarafmdan tercüme tädil, ikm&l ve telif
sureti ile nesredilmistir. 1.—8. Cüz. Istanbul: Maarif Mat¬
baasi. 1941^2.
Ein Komitee, das sich aus Mitgliedern der Istanbuler Philo¬
sophischen Fakultät zusammensetzt, hat sich der langwierigen,
zweifellos aber sehr verdienstvollen Aufgabe unterzogen, das
Meisterwerk europäischer Islamforschung, ,,Die Enzyklo¬
pädie des Islam", ins Türkische zu übertragen.
Die unter Patronanz des türkischen Kultusministeriums
stehende, unter Zugrundelegung der europäischen Ausgaben
bzw. der Originalversionen, durchgeführte Übersetzung be¬
gann im Jahre 1940 zu erscheinen und ist heute — soweit ich
dieselbe überblicken kann — bis knapp vor dem Abschluß des
Buchstabens A gediehen.
Der Nutzen und Wert dieser türkischen Ausgabe, die
sich ebenbürtig an die Seite ihrer deutschen, englischen und
französischen Schwestern reiht, steht eindeutig fest. Und zwar
nicht nur für die große türkische Welt, sondern auch für weite,
des Türkischen mächtige Kreise des islamischen Orients. Sie
verdient jedoch auch das Interesse der westlichen Orienta¬
listik, denn sie enthält eine Reihe mehr oder weniger bedeu¬
tender Aufsätze, die in den europäischen Ausgaben fehlen
566 Bücherbesprechungen
oder nur unvollkommen vorhanden sind. Selbstverständlich
handelt es sich hierbei in erster Linie um Artikel, die sich auf
die Geschichte und Kultur des alten osmanischen Reiches
oder auf die moderne Türkei beziehen, doch werden auch auf
außertürkischem Gebiete manche peinlich empfundenen
Lücken geschlossen.
Alle diese Belange behandelt u. a. der anonyme Verfasser
in der ausführlichen Vorrede, die in knappen Zügen eine Ent¬
wicklung der europäischen Orientalistik zu vermitteln sucht
und die Umstände aufzeigt, die i. J. 1908 zur Inangriffnahme
der E I sowie zu ihrer gegenwärtigen türkischen Übersetzung
führten. Die führende Rolle der deutschen orientalistischen
Wissenschaft und besonders ihr Anteil bei der Entstehung
der E I wird in diesen Zeilen klar hervorgehoben.
Unter den Aufsätzen nehmen die der Feder des Altmeisters
der türkischen Literatur- und Kulturgeschichte, M. Fuad Kö-
PRüLt), entstammenden den ersten Rang ein. Neben den auf¬
schlußreichen, die osmanische Welt angehenden Artikeln über
die Dichter Ahmedi (f 1413) (erweitert) und Ahmed Pasa
(t 1492), über das turkmenische Herrschergeschlecht der
Artuk Ogullari, erheischen solche mehr allgemein türkischer
Natur, die die Schlagworte Alp, Altaylilar, Arslan und A^med
Yesevi (erweitert) erschöpfend behandeln, die besondere Auf¬
merksamkeit des Türkologen.
Auch der bei uns wohlbekannte, ausgezeichnete Kenner
der Geschichte und Literatur der Türkvölker, A. Z. V. Togan,
hat eine Anzahl umfangreicher Artikel beigesteuert, unter
denen ich besonders diejenigen über Alfsungur, 'Ali Sir, Aras,
sowie die eingehende Neubearbeitung der BARTHOLn'schen
Artikel Ämü Daryä und Arrän erwähnen möchte. Sehr be¬
achtenswert erscheint mir auch die erweiterte Neufassung des
Artikels über die Turkmenenhorde vom Weißen Hammel,
die „Ak Koyunlular", durch M. H. Yinanq.
Die osmanische Geschichte hat ihre besonderen Bearbeiter
in M. C. Baybun und E. Z. Karal mit den stark erweiterten
Biographien Aj^med I., Ahmed II. und Ahmed III. gefunden.
Hierzu gesellen sich R. E. Kogu, A. H. Ongunsu, T. Gök-
Bficherbesprechungen 567
BiLoiN und I. H. UzuNQARSiLi, die eine Reihe von Biographien
mehr oder weniger bedeutender osmanischer Staatsmänner,
alle mit Namen 'AU Pasa,5 ' neu verfaßt bzw. recht wesentlich
ergänzt haben. In die gleiche Gruppe gehören auch die weit
ausführlicher gestalteten Aufsätze über AJimed Pasa Gedik
(t 1482) von dem bereits genannten M. H. Yinanq und über
Atmed Vefit Pasa (1823—1891) von A. H. Tanpinar. In
B. Darkot besitzt schließlich die türkische E I einen guten
Kenner der anatolischen Topographie und verdankt ihm u. a.
eine Anzalil stark bereicherter Städte-Monographien (Adana,
Ankara, Antalya).
Die Fülle des neugebotenen Stoffes ist damit noch lange
nicht erschöpft, dennoch mag hier abgebrochen werden in der
Hoffnung, einige der wesentlichsten Aufsätze herausgegriffen
und der allgemeinen Aufmerksamkeit zugeführt zu haben.
Die Transkription der Schlagworte erfolgt in der neuen
türkischen Rechtschreibung. Die ihr entsprechenden Worte
in alter, nur unwesentlich veränderter Umschrift finden sich
dankenswerterweise danebengestellt. Gelegentlich ist auch
das arabische oder persische Schlagwort der europäischen
Ausgaben durch im Türkischen gebräuchliche Ausdrücke er¬
setzt und dementsprechend eingereiht, z. B. erscheint für
Vuzü' Abdest.
Alles in allem gesehen, stellt die türkische E I eine wert¬
volle Ergänzung der europäischen Ausgaben dar, und wir
können nur aufrichtig wünschen, daß sie in rascher Folge —
rascher zumindest als ihre ägyptische Schwester — zu Ende
geführt werden möge. Karl Jass
Paul Lucket: Täbit b. Qurra Ober den geometrischen Richtig¬
keitsnachweis der A uflösung der quadratischen Gleichungen.
(= Berichte der math.-phys. Klasse d. Sächsischen Aka¬
demie der Wissenschaften zu Leipzig, Bd. 93.) S. 93—114.
Leipzig: S. Hirzel. 1941.
Die vorliegende Abhandlung zerfällt in zwei Teile. In der
Einleitung gibt Verf. vor allem einen kritischen Vergleich
568 Bttcherbesprechungen
zwischen der Behandlung der gemischt-quadratischen Glei¬
chung bei al-Hwärazmi (Algebra ed. F. Rosen, London 1831)
und der Abhandlung Täbit b. Qurra's über den geometrischen
Auflösungsweg. Täbit (834?—901, Bagdad) ist ein oder zwei
Generationen jünger als al-Hwärazml; er war die erste Auto¬
rität seiner Zeit für die richtige Übersetzung und Erklärung
mathematischer Texte in griechischer Sprache. Wie al-
^wärazml behandelt er die ,, Normalformen" in der Reihen¬
folge X* + px = q, X* -f q = px, x* = px -f q (p, q positiv) ; er
bestimmt zuerst x, dann x* und kennt im 2. Fall für p» > 4 q
die beiden positiven Wurzeln. Die primitive und teilweise
recht unglücklich gewählte Terminologie von al-Hwärazmi ist
bei Täbit wesentlich verbessert. Al-Hwärazmi hat für p und q
nur ganze oder gebrochene Zahlen und gibt eine geometrische
Bestätigung in Zahlen, Täbit macht die Verifikation ganz
allgemein; ob er für p und q auch irrationale Größen zuläßt
(wie etwa Su^ä'), bleibt unbestimmt. Umstritten ist, ob al-
^wärazmi's geometrische Beweise unter griechischem Einfluß
stehen. Täbit zeigt mit umständlicher Sorgfalt, daß die rech¬
nerische Lösung der Algebraiker genau im Einklang mit der
geometrischen Lösung steht, und führt die 2. Normalform auf
Euklid II, 5 zurück, die beiden andern auf Euklid II, 6. Viel¬
leicht läßt sich daraus entnehmen, daß die Rückführbarkeit
zu seiner Zeit erörtert wurde und den damaligen Algebraikern
noch nicht hinreichend überzeugend gelungen war.
Nun folgt eine möglichst wortgetreue deutsche Wieder¬
gabe mit Erklärung schwieriger Stellen und schließlich der
arabische Text nach der Hs. Istanbul, Aya-Sofya 2457, 3;
leider blieb dem Verf. die Teheraner Hs. und Meähed XVII,
11, 31 unzugänglich. Besonders verdienstvoll ist die Beigabe
eines mit Stellennachweis versehenen Verzeichnisses der Fach¬
ausdrücke — derartige Register wären ganz allgemein im Inter¬
esse der Mathematikgeschichte sehr erwünscht.
J. E. HOFUANN
Bücherbesprechungen 569
J. GoNDA, Kurze Elementar-Grammatik der Sanskrit-Sprache.
Mit Übungsbeispielen, Lesestücken und einem Glossar.
144 S. Leiden: E. J. Brill. 1941.
Von einem neuen Elementarbuch des Sanskrit kann man
keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse, sondern nur
gute klare Darstellung und geschickte Gruppierung des Stoffes
erwarten. Diese Erwartung erfüllt Gonda's Buch auch durch¬
aus. Erfreulich ist die Tatsache, daß trotz des beschränkten
Raumes 12 Seiten der Syntax gewidmet werden, wodurch
das vorliegende Buch den Vorrang vor mehreren ähnlichen
behauptet. Ein wenig zu gedrängt scheint mir die Behandlung
des Pronomens. Da Gonda in der Grammatik sowohl wie
in den Lesestücken auf die Verwendung der Devanägari ver¬
zichtet, ist das Buch wohl in der Hauptsache für Studierende
der indogermanischen Sprachwissenschaft gedacht. Indologen,
die gezwungen sind, in ihrer Praxis weitgehend indische Text¬
ausgaben zu benutzen, dürften aus pädagogischen Gründen
wenigstens die Darbietung des Lesestoffes in der Original-
echrift vorziehen. Helmut Hoffmann
3 S
MITGLIEDERNACHRICHTEN
Neue Mitglieder:
187 Institut für Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften, Berlin NW 7, Universitätsstr. 3 b.
2376 Herr Dr. Ernst F. Weidner, Berlin-Frohnau, Oranienburgerstr. 52.
2910 Herr Gesandter Dr. Hans Smend, Berlin-Halensee, Kurfürstendamm 149,1.
2911 Herr Professor Dr. phil. W. Gundert, Hamburg 13, Hagedornstr. 27, III.
2912 Herr Peter Winfried, Berlin-Schmöckwiti, NuBcheweg2d.
2913 Herr Ernst Rackow, Brandenburg (Havel), Werderstr. 42.
2914 Herr Torna Topoloff , Berlin W 50, Augsburger Str. 34 b. Winkler.
2915 Fräulein Ruth Becker, Hamburg 13, Moorweidenstr. 15.
2916 Herr Wilhelm Friedrich, Breslau 30, Trentinstr. 77.
2917 Herr Karl Korel; Berlin-Halen.see, Kurfürstendamm 93, III bei von Rommel.
2918 Herr Professor Dr. Johannes Stroux, Berlin-Lichterfelde, Baseler Str. 43.
Anschiiften-Ändenuigen :
(Mit der Bitte ma Abäadenmsr Im MltffUeder-Vemlofanto, Bd. 84, N. F. Bd. 9, H. 1.) Bibliothek der Ludwigs-Universität, Gießen (früher: Hessische Universitftb-
Bibliothek, Gießen).
Herr Otto Ahrens, Eisfeldt (Thür.), Werner-Büchner-Str. 3.
Herr Studienrat H. Dänzer, Dillingen (Donau), Weberstr. 2.
Herr Professor Dr. Adam Falkenstein, Berlin-Lichtenrade, Nürnberger Str. 13.
Herr Professor Dr. Erich Frauwallner, Wien XIX/117, Sieveringerstr. 16.
Herr Professor Dr. G. Furlani, Rom (Italien), via P. Ugonio N. 4.
Herr Dozent Dr. Karl Jahn, Prag XIX, Hanspan 21.
Herr Dozent Dr. Julius Junge, Breslau 13, Straße der SA. 61.
Herr Professor Dr. Paul Koschaker, Tübingen, Hirschauer Str. 9.
Herr Professor Dr. Nicholas N. Martinovitch, 471 West 153 Street, New York City (USA.).
Herr Lic. Davoud Monchi-Zadeh, Potsdam-Bornim, Parkstr. 18.
Herr P»rofessor Dr. Karl Philipp, Cottbus, Arndtstr. 13,1.
Frftulein Dr. Annemarie Schimmel, Berlin N 4, Krausnickstr. 15.
Herr Legationssekretär Dr. Hans Schlobies, Beriin-Wannsee, PaTdemannstr.21.
Herr Pastor i.R. Hermann Stocks, Bremen, Meinkenstr. 78.
Herr Bibliotheksrat Dr. Mai Weisweiler, Berlin NW 7, Unter den Linden 8 (Preufi. StaatabibUothek).