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Zum Gedächtnis Ernst Windisch's
(4. September 1844 — 30. Oktober 1918).i)
I.
Erinnerungsworte an Ernst Windisch
im Auftrage der philosophischen Fakultät der
Universität Leipzig an der Bahre gesprochen
von Max Förster.
In tiefer Trauer steht die philosophische Fakultät an der Bahre
ihres hochgeschätzten und allverehrten Mitgliedes, des Vertreters
der indischen und keltischen Philologie, der 43 Jahre lang an unserer
Alma Mater gelehrt hat. Auch die Gesamtuniversität, die ihm im
Jahre 1895 ihr höchstes Ehrenamt, das Rektorat, anvertraut hatte, 5
stimmt in diese Trauer mit ein. Gehörte doch Ernst Windisch zu
jenen Männern, denen Leipzig den Ruf einer der hervorragendsten
Philologen-Universitäten in erster Linie zu verdanken hat. Und
selbst das Ausland, dessen gelehrte Körperschaften in Frankreich,
England, Irland und Amerika sich früh beeilt haben, ihm ihre wissen- lo
schaftliche Anerkennung zu bezeugen, wird von seinem Tode nicht
ohne Anteilnahme Kunde erhalten.
In seinen äußeren Lebensschicksalen wurzelte Ernst Windiscb^)
ganz und gar in dem heimischen sächsischen Boden. Geboren 1844
in Dresden als Sohn eines Lehrers , hat er hier in Leipzig seine 15
ganze wissenschaftliche Ausbildung genossen, hier sich 25 jährig
habilitiert (1869) und seitdem — mit je dreijähriger Unterbrechung
in Heidelberg und Straßburg — hier seine ganze akademische Lauf¬
bahn vollbracht. Dem kaum 27 jährigen übertrug man hier ein
Extraordinariat (1871), nachdem er eine Berufung nach Bombay in so
Indien abgelehnt hatte. Im folgenden Jahre schon ging er als
Ordinarius nach Heidelberg (1872—75), um von dort über Stra߬
burg 1877 als Nachfolger seines Lehrers Hermann Broekhaus an die
heimische Hochschule zurückzukehren. Ein stilles, schlichtes, aber
1) Das dieser Gedächtnisschrift beigegebene Bild unsers teuren Ehrenmit¬
gliedes und Vorstandsmitgliedes Ernst Windisch stammt von einer im Jahre 1904 gemachten Aufnahme.
184 Zurrf Gedächtnis Ernst Windisch's.
arbeitsreiches, echt deutsches Gelehrtenleben war ihm hier beschieden,
voll von äußerem und innerem Sonnenschein, reich überstrahlt von
stillem Pamilienglück und warmer Anerkennung und Preundschaft.
Und so reich war dieses Glück seiner Seele, daß selbst jene tückische
» Krankheit, welche schon seine kräftigsten Mannesjahre überschattete,
nicht seinen Lebensmut und seine Arbeitsfreudigkeit zu brechen
vermochte ; so reich, daß er mit staunenswertem Starkmut dem tiefen
seelischen Leid entgegentreten konnte, welches dieser Krieg auf ihn
geladen, — dieser Krieg, der gerade seine, tief-irenische Natiu-
10 doppelt schwer bedrückte. So ward es ihm vergönnt, bis zum
letzten Abend am Schreibtisch bei seiner Arbeit, auszuharren, bis ein
sanfter Tod im Schlaf ihm die Feder für immer aus der Hand nahm.
Seine wissenschaftliche Laufbahn war durch sachliche wie persön¬
liche Anregungen bestimmt worden. Um klassische Philologie zu
15 studieren hatte er die Universität bezogen ; und er hat aus ihr auch
noch seine Doktorarbeit über die homerischen Hymnen entnommen.
Aber die großen Entdeckungen Franz Bopp's hatten solchen Glanz
anf die vergleichende Sprachwissenschaft geworfen, daß damals auch
der klassische Philologe an solchen Studien nicht vorüberzugehen so pflegte, zumal gerade an unserer Universität diese Studien in Georg
Curtius einen begeisternden Vertreter gefunden hatten. So wurde
auch der junge Windiscb in den Bann der vergleichenden Sprach¬
wissenschaft gebogen. Durch Curtius auf die Wichtigkeit des Alt¬
indischen als Grundlage solcher Studien hingewiesen, wandte er sich
85 unter Broekhaus' Leitung auch diesem Gebiete energisch zu. Und
während eines einjährigen Aufenthaltes in London (1870—71), wo
er im Auftrage der englischen Regierung an der Katalogisierung
der Sanskrithandschriften des India Office sich beteiligte, nahm er
auf Anraten seines Lehrers Broekhaus auch das Studium der keltischen
90 Sprachen auf So haben seine beiden Hauptlehrer, Curtius und
Broekhaus, seiner wissenschaftlichen Arbeit für immer die ent¬
scheidende Richtung gegeben.
Seine wissenschaftliche Persönlichkeit war vor allem bestimmt
durch eine bewundernswerte Objektivität sowohl den Tatsachen wie
S5 den Menschen gegenüber, so daß er leicht fremden Meinungen ge¬
recht wurde und freudig fremde Leistungen anerkannte. Damit
hängt zusammen seine große Behutsamkeit und Vorsicht in der
Herbeiziehung und Beurteilung des wissenschaftlichen Tatsachen-
materiales und in der Formulierung der daraus gezogenen Schlüsse.
*o Hierbei ging seine Gewissenhaftigkeit sp weit, daß er Schwierigkeiten und Unsicherheiten, auf die er stieß, nie irgendwie verhüllte. Diese Eigenschaften kamen ihm besonders zu statten in einer Wissenschaft wie der keltischen Philologie, wo dilettantisches Unwissen und natio¬
nale Voreingenommenheit die Wege zur Erkenntnis allzusehr mit
45 unbewiesenen Behauptungen versperrt hatten. Weiterhin zeichnete
ihn aus eine staunenswerte Vielseitigkeit^), die ihn beftihigte, auf
1) Diese zeigte sich u. a. auch darin, daß er von 1880—1902 die ,Zeit
Entd Windisch
geb. 4. üeplemher Jl>i4, gest. 30. Okiober
Zam Gedächtnis E!mst Windisch's. 185
drei verschiedenen Wissensgehieten Bedeutendes zu leisten: der ver¬
gleichenden Sprachwissenschaft, der indischen Philologie und der
keltischen Philologie. Und bemerkenswert ist dabei, daß er diese
Gebiete nicht nur nach einer Seite hin betrieb, sondern das Sprach¬
liche und Literargeschichtliche in gleicher Weise beachtete. Prei- &
lich zeigte er darin eine Nachwirkung der Romantik, — mit der
er durch seinen Lehrer Broekhaus, einem Schüler der Bonner Lassen
nnd Schlegel, verknüpft war —, daß für ihn Philologie gleich¬
bedeutend mit Altertumskunde war, daß er dementsprechend sein
Interesse ausschließlich den älteren Stadien der indischen und kelti- lo
sehen Kultur zuwandte und die neueren Entwicklungsstufen weder
zum Gegenstand eigener Forschung machte, noch auch zur Beleuch¬
tung des Älteren heranzog.
Wenn wir nun einen Blick auf die einzelnen Forschungsgebiete
werfen , so darf Folgendes gesagt werden. Anf dem Gebiete der. is
vergleichenden Sprachwissenschaft hat er sowohl in der Formen-,
erklärung wie in der Syntax neue Wege eingeschlagen. Er zuerst
hat die richtigen Gesichtspunkte gefunden für eine Erklärung der
lateinischen Passivbildung -und der Personalendungen des indogerma¬
nischen Verbums Er gehörte zu den ersten, die eine syntaktische 20
Erscheinung, wie das Relativum, in vergleichender, sprachwissen¬
schaftlicher Weise behandelt haben Äußerst fruchtbar war seine
Theorie, wie Sprachmischung zustande kommt, nämlich nicht durch
bloße geographische Berührung zweier Sprachen , sondern nur da¬
durch, daß ein Volk eine fremde Sprache zu erlernen sucht und 25
dabei in seine eigene Sprache fremde Bestandteile einmischt*).
Wichtig für die Anschauungen von dem Entstehen einer Schrift¬
sprache war sein Nachweis, daß die heilige Sprache des Buddhismus, das Päli, zwar auf der Grundlage des indischen MäghadhI-Dialektes
aufgebaut ist, aber allerhand Abschleifungen und Beimischungen aus so
anderen Dialekten erfahren hat*).
Noch reicher und vielseitiger gestaltete sich seine Arbeit auf
dem Gebiete der indischen Philologie. Hier beschäftigten ihn vor
allem die ältesten indischen Religionsurkunden, für deren Betrach¬
schrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft' redigierte. Ein Bild von seinen weiten Interessen wie von seinem großen Freundeskreise gibt die 1914 zum 70. Geburtstag ihm überreichte „Festschrift". Ebendort befindet sich auf S. 366—380 ein fast vollständiges Verzeichnis seiner Schriften, zu dem noch nachzutragen wäre: Mittheilungen aus den Akten über das Innere der Pauliner Kirche (als Manuskript gedruckt, Leipzig o. J.) ; Brabmanischer Einfluß im Buddhis¬
mus (Kuhn-Pestschrift, 1916); Geschichte der Sanskrit-Philologie und indischen Altertumskunde, 1. Teil 1917. II. Teil im Druck.
1) Über die Verbalformen mit dem Charakter R im Arischen, Italischen und Keltischen (Abh. sächs. Ges. Wiss. 1887); Personalendungen im Griechischen und im Sanskrit (Ber. sächs. Ges. Wiss. 1899).
2) Untersuchungen über den Ursprung des Relativpronomens in den indo¬
germanischen Sprachen (1869).
3) Zur Theorie der Mischsprachen und Lehnwörter (Ber. sächs. Ges. Wiss. 1897).
4) Über den sprachlichen Charakter des Pali (Actes du 14« Congrfes inter¬
national des Orientalistes, Paris 1906).
186 Zum Gedächtnis Ernst Windisch's.
tung er — ungleich manch anderem philologischen Religionsforscher
— ein tiefes Verständnis für religiöses Empfinden mitbrachte, das
bei ihm in einem eng-persönlichen Verhältnis zum Christentum
wurzelte. Lockte es ihn doch sogar, in einer Rektoratsrede zu zeigen, 5 wie der moderne christliche Missionar die altindischen Religions¬
anschauungen seinem Bekehrungswerke in Indien dienstbar machen
könne ^). Besonders interessierte ihn die Geschichte des Buddhismus,
die er sowohl durch die Herausgabe neuen Textmateriales -) wie
durch Beleuchtung und Einreihung des bereits bekannten ^) nach-
10 drücklich förderte. Pür das Studium der brähmanischen Religion
war es sehr anregend, daß er zuerst die Herbeiziehung der alten
einheimischen Exegese der Vedahymnen, wie z. B. des Kommentators Säyana, als notwendig erwies *). Die Geschichte der indischen Philo¬
sophie zog reichen Nutzen aus seinem Katalog der philosophischen 15 Sanskrit-Handschriften des India Office ^). In der indischen Literatur¬
geschichte war epochemachend sein Versuch, die altindische Komödie aus der altgriechisehen und zwar der spätattischen abzuleiten ^), eine
Theorie, die anfangs fast allgemein Widerspruch fand, aber 1904
durch die Entdeckung eines griechischen Theaterbaues in Zentral-
20 indien eine dankenswerte Stütze erhalten hat und seitdem ein
Lieblingsthema der indischen Philologie geworden ist. Über den
Rahmeil der indischen Philologie hinaus ging seine Aufstellung, daß
in jener Mischung von Poesie und Prosa, wie sie altirische, alt¬
nordische und altfranzösische Denkmäler zeigen, die Urform der
25 Sagenüberlieferung zu sehen sei und daß die Form der mytholo-
logischen äkhyäna-Hymnen des Veda daraus zu erklären sei'). End¬
lich ist er der Geschichtsschreiber der indischen Philologie geworden
durch sein letztes , groß angelegtes Hauptwerk , von dem er noch
den größten Teil selbst im Druck besorgen durfte*).
30 Vielleicht am nachhaltigsten und dauerndsten wird seine Wir¬
kung auf dem Gebiete der keltischen Philologie sein. Hier hat er
1) Die altindisclien Religionsurlcunden und die cliristliehe Mission (1897).
2) Iti-Vuttalca (London 1889) und, zu der mit dem Buddhismus verwandten Jaina-Lehre, Hemacandra's YogaijSstra (ZDMG. 28, 1874).
3) Mära und Buddha (Abh. sächs. Ges. Wiss. 1895); Zu KausTtaliibrSh- mana Upanisad I, 2 (Ber. sächs. Ges. Wiss. 1907); Buddhas Geburt und die Lehre von der Seelenwanderung (Abh. sächs. Ges. Wiss. 1908); Die Kompo¬
sition des Mahävastu (Abh. sächs. Ges. Wiss. 1909); Brahmanischer Einfluß irn Buddhismus (Kuhn-Festschrift, 1916).
4) Zwölf Hymnen des Rigveda mit Säyanas Kommentar (1883).
5) A Catalogue of the Sanskrit Manuscripts in the Library of the India Office, Part IV (London 1894). Vgl. auch: Über die brahmanische Philosophie (Im Neuen Reich 1, 1878), Über das Nyäyabhäsya (1888) und Über die Be¬
deutung des indisehen Altertums (1895; neugriech. Übers. 1896).
6) Der griechische Einfluß im indischen Drama (Verh. 5. Orient.-Congr. 1882).
7) Über die altirische Sage der Tain Bö Cüalnge (Verb. 33. Vers, deutscher Philologen und Schulmänner zu Gera, 1879, S. 28).
8) Geschichte der Sanskrit-Philologie und indischen Altertumskunde, 1. Teil (1917). Von dem 2. Band, der im Manuskript druckfertig vorliegt, hat Windisch noch bis zum 28. Bogen die Korrekturen selbst lesen können.
Zum Gedächtnis Ernst Windisch's. 187
uns nicht nur eine wertvolle , zusammenfassende Darstellung des
, Keltischen Britanniens" gegeben^), sondern auch durch die Schaf¬
fung des ersten zuverlässigen Wörterbuches des Altirischen ^j, durch
die Herausgabe * verschiedener , zum teil umfangreicher Texte zur
altirischen Heldensage ^) sowie durch- viele Einzelabhandlungen über 5
Probleme der keltischen Grammatik*) wie katfm ein zweiter zum
Ausbau der keltischen Philologie beigetragen. Durch sein erstes
Lehrbuch des Altirischen , das auoh ins Englische übersetzt ist,
hat er allen denen, die in Deutschland und im Ausland diesem Stoff
sich zuwandten, die erste Einführung in ein schwer sich erschließen- 10
des Gebiet geboten, so daß so ziemlich alle lebenden Vertreter der
keltischen Philologie unmittelbar oder mittelbar als seine Schüler
zu betrachten sind.
Neben seiner reichen schriftstellerischen Arbeit lief eine rege
Lehrtätigkeit einher, die jene spröden und fernliegenden Materien 15
des Indischen und Keltischen so faßlich und anziehend zu gestalten
wußten, daß sich allsemestrig ein erkleckliches Häuflein Getreuer
zu seinen Füßen versammelte.
Seine selbstlose Hilfsbereitschaft ließ ihn regen Anteil nehmen
an den Verwaltungsgeschäften der Fakultät und der Universität, so 20
daß er dauerndes Mitglied der verschiedensten Ausschüsse war.
Nachdem sein Gesundheitszustand ihn zum Niederlegen dieses oder
jenes Ehrenamtes gezwungen hatte, nahm er doch bis zuletzt an
der Verwaltung des Königlichen Stipendienfonds und der allgemeinen
studentischen Krankenkasse teil. 25
Jeder, der mit ihm in Berührung kam, mußte seine wahrhaft
vornehme Gesinnung und seinen edlen, selbstlosen, geraden und
liebenswürdigen Charakter " hochschätzen. Wer ihm nahCT treten
durfte — und das war sicherlich die Mehrzahl der Kollegen —
1) Das keltische Britannien bis zu Kaiser Artbur (Abh. sächs. Ges. Wiss.
1912). Vgl. auch die wichtigen zusammenfassenden Artikel 'Keltische Sprachen' in Ersch und Gruber's Enzyklopädie (1884) und ' Keltische Sprache' in Gröbers Grundr. der romanischen Philologie (1886; '1904).
2) Irische Texte mit Wörterbuch (1880).
3) Tain bö Cüalnge (1905, 1120 Seiten); dazu: Tain böCüailnge nach der Hs. Egerton 1792 (Z. f. celt. Phil. 9, 1913); Das Fest des Bricriu und die Ver¬
bannung der Mac Dull Dermait (Ir. Texte, 2. Ser., 1884); Vier kleine Tain (ebenda 1887); De Chophur in dä muccida (Ir. Texte, 3. Serie, 1891), Tochmarc Ferbe (ebenda, 1897); Ein mittelirisches Kunstgedicht über die Geburt des Königs Aed Slane (Ber. sächs. Ges. Wiss. 1884); dazu: Über die irische Sage Noinden Ulad (Ber. sächs. Ges. Wiss. 1884).
4) Verlust und Auftreten des p in den celtischen Sprachen (KB. 8, 1873);
Das irische i-Präteritum (KB. 8, 1874); Das reduplizierte Perfektum im Irischen (KZ. 23, 1877); Die irischen Auslautsgosetze (PBB. 4, 1877); Zum irischen In¬
finitiv (BB. 2, 1878); Der irische Artikel (Rev. celt. 5, 1881); Das irische Praesens secundarium (KZ. 27, 1882); Vassus und Vassaüus (Ber. sächs. Ges. Wiss.
1892); Zu den irischen Zahlwörtern (IF. 4, 1894); Über einige als «-Aorist an¬
gesehene irische Formeu (Stokes-Festschrift, 1900); Pronomen infixum im Alt¬
irischen (IP. 14. 1903).
5) Kurzgefaßte irische Grammatik mit Lesestücken (1879, englisch von N. Moore, 1882).
188 Zum Gedächtnis Emst Windisch's.
mußte ihn auf das Innigste liebgewinnen. Seine unvergleichliche
Gabe, auf die Interessen anderer verständnisvoll einzugehen und
Werdendes durch schonende Kritik und zugleich ermunternden Zu¬
spruch zu fördern, hatte einen ganzen Kreis jüngerer Kollegen um
ihn geschart, die in inniger Verehrung und dankbarer Liebe zu
ihm aufblickten.
Zum Zeichen unauslöschlicher Dankbarkeit für alles, was Emst
Windisch unserer Universität gewesen ist, und zugleich als Gelöbnis
treuen Gedenkens lege ich diesen Kranz im Namen der philosophi¬
schen Fakultät an seinem Sarge nieder.
II.
Erinnerungsworte an Ernst Windisch
im Namen der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft
an der Bahre gesprochen
von E. Hnltzsch.
An der Bahre des großen, vielseitigen Gelehrten, des unermüd¬
lichen Arbeiters, des edlen und liebenswürdigen Menschen trauert
die große Schar seiner Schüler und Freunde. Einen herben Verlust
erleidet durch seinen Tod auch die Deutsche Morgenländische Ge¬
sellschaft, als deren gegenwärtiger Schriftführer ich dem teuern
Lehrer und Freunde einige Worte der Verehrung und des Dankes
ins Grab nachrufen möchte. Windisch gehörte dem Vorstande der
Gesellschaft vierzig Jahre lang an und war vierundzwanzig Jahre
hindurch zugleich Redakteur unserer Zeitschrift. Es war charakte¬
ristisch für seine Tätigkeit , daß er sich niemals in Kleinigkeiten verlor, sondern stets die allgemeinen, großen Ziele im Auge behielt.
Wenn es der Gesellschaft gelungen ist, trotz der jetzt immer weiter fortschreitenden Trennung der einzelnen Gebiete der orientalischen
Forschung ihren Fortbestand zu sichern , so ist dies zum großen
Teile Windisch's Verdienst. Seine vorsichtigen und ausführlichen
Gutachten pflegten die Entscheidungen des Vorstandes in maßgeben¬
der Weise zu beeinflussen. Wenn es Kämpfe gab, so gelang es
seiner vermittelnden Tätigkeit stets, die Gegner zu versöhnen oder
einen Ausgleich herbeizuführen. Der klare Blick dieser schönen, blauen
Augen, in denen sich Klugheit und Herzensgüte widerspiegelten,
übte auf uns alle eine magische Wirkung aus. So wird sein Bild
im Herzen seiner Freunde fortleben. An seinem siebzigsten Ge¬
burtstage verlieh die Gesellschaft ihrem Führer die höchste Würde,
welche sie ihm bieten konnte, die eines Ehrenmitglieds. Jetzt
stattet sie ihm, dem Unvergeßlichen, zum letzten Male den innigsten
Dank ab und legt als Symbol desselben einen Kranz am Fuße
seines Sarges nieder.
189
Anzeigen.
Hari Chand,^Ssatri , Kälidäsa et Vart poitique de I'Inde
(Alarikära-Sästra). Paris, Librairie ancienne, Honor6 Cham¬
pion, Edouard Champion, 1917. XIV, 252, 104 S.
Der Titel des Werkes läßt uns eine Darstellung erwarten, wie
sich die Werke Kälidäsa's zu den Lehren des Alarnkära^ästra ver¬
halten, wie weit sie vom Dichter gekannt und berücksichtigt worden
sind, weiter eine Darstellung der Folgerungen, die sich aus einer
solchen Vergleichung ergeben. Wer dieses erwartet, muß mit Ent¬
täuschung feststellen, daß das Buch, so umfangreich es ist, nichts
von alledem enthält, nichts von einer ästhetischen Würdigung der
Dichtungen Kälidäsa's im Bahmen des Alamkära^ästra. Von den
einzelnen Piguren wird überhaupt nicht gesprochen, eine ähn¬
liche Arbeit, wenigstens ,un glossaire historique des tei-mes tech¬
niques en usage dans l'Alankära' wird einer späteren Zeit vor¬
behalten (S. VII). Das Werk besteht vielmehr aus zwei ganz ver¬
schiedenartigen, nur äußerlich zu einem Ganzen vereinigten Teilen,
nämlich erstens aus einer Bibliographie des Alamkära^ästra mit
einer anschließenden Würdigung der einzelnen Vertreter dieser
Wissenschaft in chronologischer Reihenfolge (S. 1—117), wobei ein¬
leitend auf die allgemeinen Gesichtspunkte, insbesondere auf das
innere Wesen, die Seele der Dichtung, sowie auf den Genius des
Dichters eingegangen wird ; zweitens aus einer Nachweisung über
die in den einzelnen Werken des Alamkäräsästra zitierten Verse aus
den Dichtungen Kälidäsa's, woran sich eine Darstellung der Folge¬
rungen, die sich daraus für die Kävyas und Dramen des Dichters
ergeben, anschließt (S. 119—252). Den Abschluß des Buches bildet,
mit den vorangegangenen Ausführungen in keinem Zusammenhang
stehend, ein alphabetisches Verzeichnis sämtlicher Versanfänge Käli¬
däsa's. Man sieht, der Inhalt des Werkes besteht im Grunde aus
etwas ganz anderem als der Titel uns andeutet.
Die Hauptstärke des vorliegenden Werkes liegt in den überaus
reichen Literaturangaben. Jede Seite zeugt von einer erstaunlichen Belesenheit, vor allem natürlich auf dem Gebiete des Alamkäraäästra.
Auf den Seiten 9—59 gibt der Verfasser eine alphabetische Auf¬
zählung aller bekannten Autoren und Werke, die sich auf die Poetik
beziehen, von den ältesten Quellen an bis zur modernen Zeit. Da¬
bei werden auch die Handschriften eingehend berücksichtigt.. Die
Angaben können vollständig genannt werden , und wer immer sich
mit dem Alamkäraäästra beschäftigt, wird die Bibliographie Hari