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Schutz der Hinweisgeber darf nicht auf ein Instrument zur Durch- setzung des EU-Rechts reduziert werden

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Deutscher Gewerkschaftsbund DGB Bundesvorstand Abteilung Recht

Dr. Marta Böning

Referatsleiterin Individualarbeitsrecht marta.boening@dgb.de

Telefon: 030-24060273 Henriette-Herz-Platz 2 10178 Berlin www.dgb.de/recht

Allgemeine Anmerkungen

Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften setzen sich seit Jahren für eine gesetzliche Re- gelung des Whistleblowerschutzes auf nationaler und europäischer Ebene ein und begrüßen daher jede Aktivität, die darauf gerichtet ist, den Schutz von Hinweisgebern in allen Beschäf- tigungsverhältnissen zu verbessern.

Zahlreiche Fälle von Wirtschaftskriminalität (LuxLeaks, Panama Papers, Lebensmittelskan- dale mit vergammeltem Fleisch) konnten nur dank Zivilcourage der Whistleblower aufge- deckt werden. Der Schutz der Whistleblower dient nicht nur der Verwirklichung der Mei- nungsfreiheit, sondern liegt auch im Interesse der Gesellschaft, der Wirtschaft und des Staates – und auch der Staatengemeinschaft der EU.

Dabei muss in erster Linie an die Stärkung der Rechtsposition von denjenigen Whistleblowern gedacht werden, die von den Führungsebenen ihrer Unternehmen ausgehende oder durch diese geduldete Verstöße an die Behörden und die Öffentlichkeit herantragen. Es ist aber hingegen nicht wünschenswert, dass mit dem Ausbau interner Meldesysteme ein „Kultur- wandel“ eingeleitet oder verstärkt wird, der das „Anschwärzen“ von Arbeitskollegen unter- einander befördert. Dem muss vielmehr entgegengewirkt werden; Denunziantentum soll nicht gefördert werden.

Nicht zuletzt im Zusammenhang mit dem Prozess gegen den LuxLeaks-Whistleblower Anto- ine Deltour zeigt sich, dass Beschäftigte, die rechtzeitig auf Risiken, Fehlentwicklungen oder sogar Straftaten in ihrem Arbeitsumfeld hinweisen, der Gesellschaft wichtige Dienste leisten.

Wenn es den Whistleblowern gelingt, Missstände ans Tageslicht zu bringen und Schaden abzuwenden, werden sie in der Öffentlichkeit gefeiert und gelobt. In ihrem beruflichen Um- feld werden sie jedoch fast immer schikaniert. Statt Anerkennung zu erhalten, stoßen Hin- weisgeber am Arbeitsplatz nicht nur auf Unverständnis und Ablehnung, sondern erfahren alle Formen der Benachteiligung, bis hin zur – wie im Falle LuxLeaks – Strafverfolgung. Dabei wird über die Hälfte der wirtschaftskriminellen Taten erst durch Anzeigen der Beschäftigten aufgedeckt.

stellungnahme

Kurzbewertung des Deutschen Gewerkschaftsbundes zum

Vorschlag für eine Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden (sog. Whistleblower-Richtlinie)

COM(2018)218 final

Schutz der Hinweisgeber darf nicht auf ein Instrument zur Durch- setzung des EU-Rechts reduziert werden

05.07.2018

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Unionsweite Regelung ist überfällig

Während die Geheimhaltungsinteressen von Unternehmen in der EU durch die EU-Richtlinie 2016/943 zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen einem strengen Schutz unterliegen, fehlt es bislang an einer unionsweiten Regelung zum Schutz von couragierten Beschäftigten, die zur Aufdeckung von geheim gehaltenen Missständen beitragen. Die Geschäftsgeheimnisse- Richtlinie nimmt Whistleblower-Aktivitäten aus ihrem Sanktionsregime heraus, sie bietet kei- nen Schutz gegen Benachteiligungen am Arbeitsplatz, welchen Whistleblower regelmäßig ausgesetzt sind.

Europäische Mindestregeln zum Schutz von Whistleblowern im Arbeitsverhältnis sind ange- sichts der international geltenden Standards längst überfällig. Obgleich die UN-Konvention gegen Korruption (UNCAC), die OECD-Konvention zur Bestechungsbekämpfung, die An- tikorruptions-Übereinkommen des Europarates, des UN-Zivilpaktes, der EMRK und der Revi- dierten ESC eine Vielzahl konkreter Regelungsvorgaben beinhalten, fehlt es bislang an einer systematischen, rechtsverbindlichen und sanktionsbewährten Umsetzung dieser Vorgaben in den Rechtssystemen der meisten Mitgliedstaaten der EU. Die durch den Europäischen Ge- richtshof für Menschenrechte in seiner Rechtsprechung (s. etwa EGMR v. 21.07.2011 - 28274/08) aufgestellten Grundsätze zum Schutz der Hinweisgeber im Arbeitsverhältnis sind in einer unionsweiten Regelung des Hinweisgeberschutzes zur Anwendung zu bringen.

Der DGB plädiert seit Längerem für eine europäische Regelung, die – in Umsetzung der in- ternationalen Standards – auf folgenden Eckpfeiler gestützt sein muss:

• Vermutungsregel für den Vorrang der Meinungsfreiheit für Äußerungen, die nicht leichtfertig und nicht wider besseren Wissens erfolgt sind,

• ausdrückliches individuelles Recht des Arbeitnehmers, Missstände in seinem Unternehmen oder seiner Dienststelle anzuzeigen,

• Klarstellung des Verhältnisses zwischen dem internen und dem externen Anzei- geverfahren zugunsten des letzteren, wenn der interne Weg nicht zumutbar, impraktikabel oder ineffektiv ist,

• ausdrückliches Verbot von Benachteiligung bzw. Maßregelung sowie ausdrück- liche Verpflichtung des Arbeitgebers zum Schutz von Hinweisgebern auch durch vorbeugende Maßnahmen,

• wirksame und abschreckende Sanktionen für Arbeitgeber sowie

• prozedurale Erleichterungen bei Klagen der Beschäftigten, insbesondere eine Beweislasterleichterung bei Geltendmachung von Benachteiligungen im ar- beitsgerichtlichen Verfahren.

Das Europäische Parlament hat bereits im Oktober 2013 die EU-Kommission aufgefordert, einen Gesetzgebungsvorschlag zum Schutz von Whistleblowern vorzulegen. Zudem haben im Zusammenhang mit der Abstimmung im Europäischen Parlament zur der Richtlinie über den Schutz der Geschäftsgeheimnisse mehrere Fraktionen eine eigenständige Regelung zum Schutz der Whistleblower im Arbeitsverhältnis gefordert.

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Zur Bewertung des Richtlinienentwurfs

Eine unionsweite Regelung des Schutzes von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern soll nach Überzeugung des DGB und seiner Mitgliedsgewerkschaften die internationalen Schutz- standards und Vorgaben umsetzen. Der vorliegende Entwurf ist als ein erster, aber nicht ausreichender Schritt zu bewerten. Mit dem Richtlinienentwurf sollen erstmalig unionsweite, allgemeine Regeln zum Schutz von Personen, die im Zusammenhang mit ihrer Berufstätigkeit Informationen über Rechtsverstöße erhalten haben und diese melden wollen, geschaffen werden. Der Vorstoß der EU-Kommission ist daher vom Grundsatz her zu begrü- ßen. In der Ausgestaltung wirft er allerdings grundsätzliche Probleme auf.

Sozialpolitische Ausrichtung des Entwurfs fehlt

Da der Richtlinienentwurf nicht auf die sozialpolitische Ermächtigungsgrundlage der EU (Art.

153 AEUV) gestützt wird, ist auch die Einbeziehung der Sozialpartner in den Gesetzgebungs- prozess gem. Art. 154 AEUV nicht vorgesehen. Die alleinige Ausrichtung der Richtlinie auf den Schutz der Interessen der EU bzw. Stärkung des Binnenmarktes ist kri- tisch zu bewerten. Sie wirkt sich auf die Ausgestaltung der Richtlinie negativ aus und stellt die Sinnhaftigkeit der gesamten Regelung aus Sicht der Interessen der Arbeitnehmer in Frage. Notwendig ist die Erweiterung der Ermächtigungsgrundlagen des Vorschlags auf Art.

153 AEUV und die Einbeziehung der Sozialpartner gem. Art. 154 AEUV im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens.

Zielsetzung zu eng

Der Richtlinienentwurf gewährt den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern (und einigen weiteren Personen) Schutz vor Benachteiligungen (im Arbeitsverhältnis bzw. sonstigem Rechtsverhältnis), die Verstöße gegen Rechtsvorschriften in den ausgewählten Rechtsberei- chen des Unionsrechts melden.

Nach Überzeugung des DGB und seiner Mitgliedsgewerkschaften muss eine unionsweite Whistleblower-Regelung vor allem darauf zielen, den Arbeitnehmer zu schützen, wenn sie Rechtsverstöße des Arbeitgebers (bzw. in seinem Namen handelnden Personen) aufdecken. Es ist hingegen nicht wünschenswert, einen Kulturwandel zu initi- ieren, der auf gegenseitiges „Anschwärzen“ innerhalb der Arbeitnehmerschaft hinausläuft.

Es kann nicht das Ziel einer unionsweiten Regelung sein, dass Unternehmen unter dem Vor- wand der Compliance-Anforderungen und mit dem Rückenwind einer gesetzlichen Whist- leblower-Regelung weitgehende interne Whistleblowersysteme etablieren, um die Beleg- schaften wirksam kontrollieren zu können.

Die Richtlinie zielt, ausweislich ihrer Begründung und ihres Art. 1 Abs. 1 sowie den Ermäch- tigungsgrundlagen, auf die sie gestützt ist (u. a. Art. 114 AEUV - Errichtung und Funktionie- ren des Binnenmarkts) primär darauf, die Durchsetzung des Unionsrechts durch Gewährung des Schutzes für Hinweisgeber, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, zu verbessern.

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Die vorgeschlagenen Rahmenbedingungen für den Schutz der Hinweisgeber sind also kein Selbstzweck, sondern dienen als Mittel zur Stärkung der Durchsetzung des Unionsrechts. Der nach dem Richtlinienentwurf gewährte Schutz soll nur bei der Meldung von Verstößen gegen das EU-Recht in den in Art. 1 der RL ausgewählten Bereichen (Art. 1) bzw. bei einer gutgläu- bigen Annahme, dass ein entsprechender Verstoß gegen diese Vorschriften vorliegt (Art. 13 Abs. 1), gelten. Der Anhang zu der Richtlinie enthält eine abschließende Auflistung der Richt- linien und Verordnungen, gegen die ein Verstoß im Rahmen dieser Richtlinie gemeldet wer- den kann. Zu diesen Vorschriften gehören u.a. Richtlinien und Verordnungen zur Regelung der fiskalpolitischen Interessen der EU, EU-Vorschriften zum Umweltschutz, Verkehrs-, Pro- dukt- und Lebensmittelsicherheit, Tier- und Verbraucherschutz. Eine Meldung von Verstößen gegen Arbeits- und Sozialrecht der EU ist – bis auf Aspekte des Datenschutzes – in dem abschließenden Katalog der Bereiche (Art. 1 des Entwurfs) nicht enthalten.

Die Mitgliedstaaten können für die Rechte der Hinweisgeber günstigere Bestimmungen ein- führen und damit den Schutz auch auf die Meldung von Verstößen gegen das nationale Recht oder sonstige Missstände erweitern (Art. 19). Verpflichtet sind sie dazu jedoch nicht.

Sowohl die Zielsetzung der Richtlinie, den Schutz für Hinweisgeber an die Mel- dung von Verstößen gegen ausgewählte EU-Vorschriften zu knüpfen, als auch die getroffene Auswahl der Bereiche bewerten wir kritisch.

Die Beschränkung des Schutzes der Richtlinie auf die Meldung von Fällen von Verstößen gegen ausgewählte Rechtsvorschriften würde in der Praxis zu großen Unsicherheiten führen.

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die auf einen Verstoß hinweisen wollen, müssten sich ggf. im Einzelfall vergewissern, ob der Verstoß unter den Bereichskatalog der Richtlinie fällt.

Zudem müsste der bzw. die Beschäftigte stets im Vorwege der Meldung einschätzen können, ob der gemeldete Missstand ein (tatsächlicher oder vermeintlicher) Verstoß gegen das EU- Recht oder das nationale Recht darstelle. Beides ist den juristischen Laien nicht zumutbar und nicht praktikabel, wird aber vorausgesetzt, damit die Schutzmechanismen der Richtlinie greifen. Beschäftigte, die andere Missstände in ihrem Unternehmen melden, erhielten nach dem Richtlinienentwurf keinen gesetzlichen Schutz, sondern wären auf die im Rahmen der richterlichen Rechtsfortbildung entwickelten Grundsätze angewiesen. Das könnte im Ergeb- nis zur Zweigleisigkeit des Hinweisgeberschutzes in den Mitgliedstaaten führen und hätte zur Folge, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus Vorsicht entweder gar keine oder – falls sie sich der rechtlichen Tragweite der Regelung bewusst wären – nur teilweise Hin- weise geben würden.

In dem abschließenden Katalog der Bereiche, in welchen die Meldung von Verstößen unter den Schutz der Richtlinie fällt, sind Verstöße gegen die fundamentalen Arbeit- nehmerrechte, die den Schutz des Unionsrechts genießen, bislang nicht enthal- ten. Das bewerten wir sehr kritisch. Eine Meldung von Verstößen gegen Tierrechte würde demnach unter den Schutz der Richtlinie fallen, ein Hinweis auf gravierende Verstößen gegen kollektive und individuelle Arbeitnehmerrechte (etwa Verletzung der Rechte der Inte- ressenvertretung im Betrieb, Verletzung der Vorschriften des Gesundheits- und Sicherheits- schutzes am Arbeitsplatz) dagegen nicht.

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In diesem Zusammenhang ist der Hinweis im Erwägungsgrund 20, wonach die Rahmenricht- linie 89/391 EWG mit ihrem Art. 11 diesbezüglich für ausreichend Arbeitnehmerschutz sorge, irreführend: der genannte Artikel, das ist dem Erwägungsgrund auch richtigerweise zu ent- nehmen, regelt, dass Arbeitnehmer das Recht haben, ihren Arbeitgebern ohne Nachteile Vorschläge zur Verbesserung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu unterbreiten. Das Recht auf Meldung von Verstößen etwa gegenüber den Behörden oder gar der Öffentlichkeit sieht die Richtlinie nicht vor. Von Hinweisgeberschutz kann deshalb nicht die Rede sein.

Positiv zu bewerten ist, dass der persönliche Anwendungsbereich der Richtlinie weit gefasst ist. Neben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollen auch Selbständige, in Unternehmen eingesetzte Beschäftigte von Drittunternehmen oder Geschäftsführer und andere in den An- wendungsbereich der Richtlinie fallen. Allerdings enthält die Richtlinie keinen Schutz für Per- sonen, die außerhalb des Beschäftigungsverhältnisses mit Hinweisgebern an der Aufdeckung von Missständen mitwirken – das ist kritisch zu bewerten.

EU-weit einheitliches Kontrollsystem als das eigentliche Ziel des Richtlinienent- wurfs

Der Richtlinienentwurf enthält sehr detaillierte Vorgaben zur Ausgestaltung der internen Mel- desysteme und Meldeverfahren (Art. 4 und 5), insbesondere aber zur Ausgestaltung der ex- ternen Meldesysteme und der Verfahren bei den zuständigen Behörden, inklusive Vorgaben zu den Bearbeitungsfristen und der Eignung der für die Entgegennahme der Meldungen zu- ständigen Personen (Art. 6 – 12). Mit der Verabschiedung dieser Vorgaben würde ein weit- gehend einheitliches System der Kontrolle der Einhaltung des EU-Rechts in den Mitgliedstaa- ten installiert werden – was das eigentliche Ziel der EU-Kommission zu sein scheint.

Dieses von der Kommission vorgeschlagene System, welches nicht bei der zu schützenden Person ansetzt, sondern auf die Durchsetzung des Rechts zielt und insofern – wie bereits eingangs ausgeführt – kritisch bewertet wird, soll den Hinweisgebern zur freiwilligen Nut- zung zur Verfügung stehen. Der DGB erwartet daher, dass es stets bei einem Recht zur Hin- weisgabe bleibt. Eine Meldepflicht ist ausdrücklich auszuschließen.

Rolle der Sozialpartner erscheint problematisch

In der Begründung der Richtlinie (S. 6 ff.) wird ausgeführt, den Sozialpartnern könne eine bedeutende Rolle bei der Ausgestaltung der Meldeverfahren zukommen. Es heißt: „Darüber hinaus können die Gewerkschaften die von den Hinweisgebern übermittelten oder offenge- legten Informationen entgegennehmen und eine wesentliche Rolle bei der Beratung und Un- terstützung von (potentiellen) Hinweisgebern spielen.“

Auch wenn sich diese Überlegung bislang nur sehr abgeschwächt in Art. 4 Abs. 1 der RL wiederfindet, halten wir diese Aufgabenzuweisung für problematisch. Es muss den Beschäf- tigten unbenommen bleiben, sich an ihre Gewerkschaft zu wenden. Die Kontaktaufnahme eines Beschäftigten zur Gewerkschaft darf nicht Anlass für Benachteiligungen sein und zwar auch dann nicht, wenn diese Kontaktaufnahme dazu dient, Missstände im Unternehmen zu

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erörtern. Anderseits ist es aber nicht wünschenswert, dass Gewerkschaften eine Funktion zugewiesen bekommen, in deren Rahmen sie mit für Unternehmen möglicherweise existenz- bedrohenden Informationen umgehen müssen – das würde der Rolle, die Gewerkschaften in Ländern wie Deutschland haben, nicht gerecht.

Abgesehen von den Interessenkonflikten, die sich aus der Vertretung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in den betroffenen Betrieben ergeben, besteht die Rolle der Gewerk- schaften in Deutschland nicht darin, im Dienste staatlicher Stellen bzw. der Strafverfolgungs- behörden oder im Dienste der Arbeitgeber an der Beseitigung von Rechtsverstößen mitzu- wirken. Die Gewerkschaften müssen ihre traditionelle Rolle als inner- und außerbetriebliche Ansprechpartner der Beschäftigten bewahren. Zugleich ist aber auszuschließen, dass sie ver- pflichtet werden, an der Organisation und Umsetzung der unternehmensinternen Meldeverfahren mitzuwirken. Dies könnte moralische, wenn nicht sogar rechtliche Mit- verantwortlichkeiten beteiligter Gewerkschaften begründen. Eine Beteiligung der Gewerk- schaften an der Beseitigung von Missständen etwa bei der Produktsicherheit oder beim Um- weltschutz und an der Rechtsverfolgung ggf. auch gegen Beschäftigte ist nach Ansicht des DGB und seiner Mitgliedsgewerkschaften mit der Rolle der Gewerkschaften als Vertretung der Interessen der Beschäftigten nicht zu vereinbaren.

Zum Verhältnis zwischen externem und internem Whistleblowing

Zu begrüßen ist, dass der Vorschlag zum Verhältnis zwischen den Meldewegen (intern / extern Behörde / Öffentlichkeit) die durch den EGMR entwickelten Grund- sätze berücksichtigt. So sollen Hinweisgeber auch dann den Schutz der Richtlinie erhal- ten, wenn sie sich unmittelbar an die zuständige Behörden wenden, weil der interne Melde- weg unzumutbar oder Abhilfe nicht zu erwarten ist (Art. 13 Abs. 2 lit. d). Hinweisgeber werden auch dann geschützt, wenn sie sich bei einer unmittelbar drohenden Gefährdung des öffentlichen Interesses oder besonderen Umständen des Einzelfalles unmittelbar an die Öffentlichkeit wenden (Art. 13 Abs. 4 b). Ähnlich wie der EGMR setzt auch die Kommission in ihrem Vorschlag in diesen Fällen auf ein vorbehaltloses Anzeigerecht, das im Arbeitsver- hältnis nicht disponibel ist und es Whistleblowerinnen und Whistleblowern ermöglicht, ex- terne Meldesysteme und die Öffentlichkeit zu informieren. Das sind aus Sicht der Whist- leblower fundamentale Zusicherungen, die im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens unbedingt aufrechtzuerhalten sind. Sie sind im Text der Richtlinie zudem stärker hervorzuheben.

Zudem benennt die Richtlinie ausdrücklich, welche Maßnahmen gegen Whistleblower expli- zit untersagt werden müssen (Art. 14) und welche Hilfen und Unterstützung gerichtlich und außergerichtlich für sie eingerichtet werden müssen (Art. 15 und Art. 16). Verstöße gegen die konkret benannten Vorgaben der Richtlinie sollen von den Mitgliedstaaten mit Sanktio- nen belegt werden (Art. 17). Diese konkreten Vorgaben an die Mitgliedstaaten sind zutreffend und dürfen im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens nicht verschlechtert werden.

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