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Betriebsärztinnen und Betriebsärzte im Gesundheitswesen Schnittstellen zum Infektionsschutzgesetz

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Academic year: 2022

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Arbeitsmedizin

Betriebsärztinnen und Betriebs- ärzte im Gesundheitswesen – Schnittstellen zum

Infektionsschutzgesetz

Arbeitsmedizinische Empfehlung

Ausschuss für Arbeitsmedizin

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Vorwort...4

Einleitung...4

1. Allgemeine Aufgaben des Betriebsarztes im Arbeitsschutz...5

1.1 Grundlagen...5

1.2 Arbeitsmedizinische Vorsorge und Impfungen ...6

1.3 Unterweisungen und allgemeine (kollektive) Beratungen...9

1.4 Begehungen...9

1.5 Organisation der Ersten Hilfe ...9

1.6 Mutterschutz...9

1.7 Eingliederung von Menschen mit Behinderung und Langzeiterkrankten am Arbeitsplatz...10

2. Gesundheitliche Eignung von Beschäftigten ...10

3. Infektionsschutz im Gesundheitswesen...11

3.1 Allgemein empfohlene Impfungen ...12

3.2 Betriebsärztliche Aufgaben bei Unfällen zur Prävention blutübertragbarer Virusinfektionen (Erste Hilfe) ...12

3.3 Chronisch infizierte Beschäftigte ...14

3.3.1 Ärztliche Schweigepflicht (berufliche Verpflichtung zur Verschwiegenheit) / Meldepflicht...15

3.3.2 Aufgaben des Betriebsarztes im Zusammenhang mit chronisch infizierten Beschäftigten ...16

3.4 Multiresistente Erreger (MRE) und nosokomiale Infektionen...18

3.5 Tuberkulose...19

3.5.1 Zusammenarbeit zwischen Gesundheitseinrichtung und Gesundheitsamt ...20

3.5.2 Postexpositionelles Vorgehen (TBC) ...22

Literaturverzeichnis und Hinweise...23

Anlage 1: Mustervordruck Liste von TBC-Kontaktpersonen...26

Anlage 2: Ablaufschema zur Vorsorge bei Tuberkulosegefährdung...27

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Vorwort

Die vorliegende Arbeitsmedizinische Empfehlung (AME) richtet sich insbesondere an in Einrichtungen des Gesundheitswesens tätige Betriebsärztinnen und Betriebsärzte, die an der Schnittstelle zwischen Arbeitsschutz- und Infektionsschutzgesetz tätig sind.

Darüber hinaus richtet sie sich an Fachärztinnen und -ärzte für Hygiene und an Ärztin- nen und Ärzte1 im öffentlichen Gesundheitsdienst, betriebliche Sozialpartner und Ent- scheidungsträger. Die AME soll als Handlungs- und Argumentationshilfe dienen. Be- rücksichtigt werden arbeitsrechtliche Aspekte, die Interessen und Rechte der Beschäf- tigten sowie der Datenschutz.

Infektionsschutz ist eine Querschnittsaufgabe, die nur gelingen kann, wenn alle Ak- teure ihre Aufgaben und Rollen klar definieren. Diese AME ist ein Beitrag aus Sicht der Arbeitsmedizin.

Einleitung

Eine besondere Rolle im Gesundheitswesen spielt der Schutz der Beschäftigten und der Patienten vor Infektionen. Beim Infektionsschutz bedarf es der Zusammenarbeit zwischen Betriebsärzten, Fachärzten für Hygiene und dem öffentlichen Gesundheits- dienst (ÖGD). Rollenkonflikte können auftreten, wenn Betriebsärzte Aufgaben über- nehmen, die dem betriebsärztlichen Grundverständnis widersprechen. Schließlich gel- ten im Arbeitsschutz, Arbeitsrecht und Infektionsschutz unterschiedliche gesetzliche Regelungen. Die Biostoffverordnung (BioStoffV), die Verordnung zur arbeitsmedizini- schen Vorsorge (ArbMedVV) und das Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) dienen dem Schutz der Beschäftigten. Dagegen fokussiert sich das Infektionsschutzgesetz (IfSG) auch auf den Schutz Dritter (Bevölkerung und zum Beispiel Patienten). Die Schnittstel- len und der Umgang mit ihnen werden nicht beschrieben; dies führt zu Unsicherheiten bei den betrieblichen Akteuren. Die vorliegende Empfehlung soll vorrangig den in Ein- richtungen des Gesundheitswesens tätigen Betriebsärzten Handlungssicherheit geben und den Arbeitgebern bei der Organisation der interdisziplinären Prozesse helfen. Sie soll insbesondere die Grenzen eigenständigen betriebsärztlichen Handelns transparent machen und aufzeigen, an welchen Schnittstellen interdisziplinäre Zusammenarbeit notwendig wird.

1 Der besseren Lesbarkeit wegen wird nachfolgend die männliche Form verwendet.

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Vorgaben des Infektionsschutzgesetzes dienen dem Schutz der öffentlichen Gesund- heit; vor allem die Impf- oder Nachweispflicht für einen Masernschutz nach § 20 IfSG, der Nachweis des Impf- oder Serostatus nach § 23a IfSG und das Vorgehen bei Epide- mien etwa beim Umgang mit SARS-CoV-2. Hier sind die Institutionen gefordert, die das IfSG umsetzen. Bei Epidemien sind betriebsärztliche Aufgaben betroffen, soweit Beschäftigte tätigkeitsbedingt mit dem Biostoff (Krankheitserreger) umgehen oder auf- grund des Infektionsgeschehens besondere Anforderungen an die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Arbeit zu stellen sind (sogenannte be- triebliche Pandemieplanung). Betriebsärzte sollten dabei auf die Anpassung der Ge- fährdungsbeurteilung, die Sicherstellung von Unterweisungen und persönlicher Schutz- ausrüstung sowie arbeitsmedizinische Vorsorge achten.

1. Allgemeine Aufgaben des Betriebsarztes im Arbeitsschutz 1.1 Grundlagen

Die Aufgaben des Betriebsarztes sind in § 3 ASiG geregelt und werden in anderen Vorschriften präzisiert und ergänzt, vor allem in der Unfallverhütungsvorschrift „Be- triebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit“ (DGUV Vorschrift 2), der ArbMedVV und in Arbeitsmedizinischen Regeln (AMR).

Die Unterstützung und Beratung des Arbeitgebers beim Aufbau einer Arbeitsschutzor- ganisation, bei der Anwendung der Arbeitsschutzvorschriften, der Umsetzung von Maßnahmen und in allen Fragen des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten ist eine betriebsärztliche Aufgabe. Durch die Nutzung gesicherter arbeitsmedizinischer Er- kenntnisse soll ein möglichst hoher Wirkungsgrad bei der Verbesserung des Arbeits- schutzes im Betrieb erreicht werden (§ 1 ASiG).

Zentrale betriebsärztlich relevante Themen sind: die Beurteilung der Arbeitsbedingun- gen (Gefährdungsbeurteilung), die Beratung zur Planung, Ausführung und Unterhal- tung von Betriebsanlagen und von sozialen und sanitären Einrichtungen; die Gestal- tung der Arbeitsplätze, des Arbeitsablaufs und der Arbeitsumgebung; die Beschaffung von technischen Arbeitsmitteln; die Einführung von Arbeitsverfahren und Arbeitsstoffen sowie die Auswahl und Erprobung von persönlicher Schutzausrüstung. Der Betriebs- arzt untersucht Ursachen von arbeitsbedingten Erkrankungen und schlägt dem Arbeit- geber Maßnahmen zu deren Verhütung vor. Über die fachkundige Beratung des Ar- beitgebers sollen arbeitsphysiologische, arbeitspsychologische und sonstige ergonomi-

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sche Erkenntnisse, insbesondere auch zu Arbeitsrhythmus, Arbeitszeit und Pausenre- gelung, in die Gefährdungsbeurteilung einfließen; siehe AMR 3.2 (Arbeitsmedizinische Prävention).

Für die Gewährleistung des Arbeitsschutzes ist der Arbeitgeber verantwortlich. Die Verantwortung des Betriebsarztes erstreckt sich in diesem Zusammenhang aus- schließlich auf eine fachlich richtige Beratung. Wenngleich der Betriebsarzt im Auftrag des Arbeitgebers tätig wird, ist er fachlich unabhängig und weisungsfrei. Er ist seinem ärztlichen Gewissen unterworfen und hat die Regeln der ärztlichen Schweigepflicht zu beachten; siehe § 8 Absatz 1 ASiG und § 9 (Muster-)Berufsordnung für die in Deutsch- land tätigen Ärztinnen und Ärzte. Der Bruch der ärztlichen Schweigepflicht ist strafbe- wehrt; § 203 Strafgesetzbuch (StGB). Die Berufung auf den rechtfertigenden Notstand (§ 34 StGB) ist juristisch an hohe Anforderungen geknüpft. Eignungsuntersuchungen müssen unabhängig von der Vorsorge nach ArbMedVV geregelt werden [1] [22].

Dienstanweisungen, Betriebsvereinbarungen und ähnliche betriebliche Regelungen können sich nur im Rahmen gesetzlicher Grundlagen bewegen, das heißt das Selbst- bestimmungsrecht der Beschäftigten und der Datenschutz müssen vollumfänglich ge- wahrt sein. Auch die Weisungsfreiheit der Betriebsärzte muss unangetastet bleiben.

Ärztliche Überwachungsuntersuchungen Beschäftigter nach dem Strahlenschutzrecht und ärztliche Untersuchungen bei Arbeiten in Druckluft (zum Beispiel in Druckkammern zur hyperbaren Sauerstofftherapie) unterscheiden sich grundsätzlich von der arbeits- medizinischen Vorsorge nach der ArbMedVV und sind auch hinsichtlich der Bescheini- gung anders geregelt.

Es ist dem Betriebsarzt verboten, Krankmeldungen von Arbeitnehmern auf ihre Be- rechtigung zu überprüfen (§ 3 Absatz 3 ASiG). Zur Prüfung von Arbeitsunfähigkeitsbe- scheinigungen berät beispielsweise der Medizinische Dienst der Krankenkassen.

1.2 Arbeitsmedizinische Vorsorge und Impfungen

Der Betriebsarzt berät, untersucht und beurteilt die Beschäftigten, erfasst die Untersu- chungsergebnisse und wertet diese aus (§ 3 ASiG). Er wird mit der Durchführung der arbeitsmedizinischen Vorsorge der Beschäftigten nach § 3 ArbMedVV beauftragt.

Allerdings wird der Betriebsarzt in der Praxis auch beauftragt, Untersuchungen durch- zuführen, die keine arbeitsmedizinische Vorsorge darstellen, sondern der Feststellung der gesundheitlichen Eignung dienen und deshalb in dieser Empfehlung an anderer Stelle behandelt werden (siehe Abschnitt 2).

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Arbeitsmedizinische Vorsorge leitet sich aus der Gefährdungsbeurteilung ab und dient der Beurteilung der individuellen Wechselwirkung von Arbeit und physischer und psy- chischer Gesundheit, der Früherkennung arbeitsbedingter Gesundheitsstörungen so- wie der Feststellung, ob bei Ausübung einer bestimmten Tätigkeit eine erhöhte ge- sundheitliche Gefährdung besteht [2]. Sie dient damit dem Schutz der betroffenen Be- schäftigten und nicht dem Schutz Dritter.

Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung muss der Arbeitgeber unter Beteiligung des Betriebsarztes ermitteln, ob Vorsorgeanlässe vorliegen und daraus die erforderlichen Maßnahmen ableiten. Beurteilungen der Infektionsgefährdungen sind in der BioStoffV geregelt und werden in den Technischen Regeln für Biologische Arbeitsstoffe (TRBA) konkretisiert, insbesondere in der TRBA 400 (Handlungsanleitung zur Gefährdungsbe- urteilung und für die Unterrichtung der Beschäftigten bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen). Für das Gesundheitswesen gilt darüber hinaus die TRBA 250 (Biologi- sche Arbeitsstoffe im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege). Die Anlässe für Pflicht- und Angebotsvorsorge werden im Anhang der ArbMedVV abschließend be- schrieben. Arbeitsmedizinische Pflichtvorsorge hat der Arbeitgeber regelmäßig zu ver- anlassen bzw. arbeitsmedizinische Angebotsvorsorge regelmäßig anzubieten; siehe hierzu AMR 2.1 (Fristen für die Veranlassung/das Angebot arbeitsmedizinischer Vor- sorge) und AMR 5.1 (Anforderungen an das Angebot von arbeitsmedizinischer Vor- sorge). Zusätzlich können Beschäftigte Wunschvorsorge in Anspruch nehmen, wenn sie einen entsprechenden Beratungsbedarf haben [3].

Arbeitsmedizinische Vorsorge beinhaltet stets eine alle Arbeitsbedingungen und ar- beitsbedingten Gefährdungen umfassende Anamnese und eine individuelle arbeits- platzbezogene Beratung und Aufklärung. Dazu muss der Betriebsarzt den Arbeitsplatz kennen und/oder vom Arbeitgeber entsprechende Informationen bekommen; vgl.

AMR 3.1 (Erforderliche Auskünfte/Informationsbeschaffung über die Arbeitsplatzver- hältnisse). Die Beratung wird durch erforderliche Untersuchungen und/oder Impfange- bote auf Grundlage der Gefährdungsbeurteilung ergänzt, sofern der Beschäftigte diese nicht ablehnt. Die Kosten für die arbeitsmedizinische Vorsorge und Impfungen dürfen nicht dem Beschäftigten auferlegt werden. Sie werden in der Regel vom Arbeitgeber getragen.

Die aktive Immunisierung gegen Infektionskrankheiten (Impfen) ist gerade im Gesund- heitswesen eines der wichtigsten Primärpräventionsangebote. Wenn für Beschäftigte ein tätigkeitsbedingt erhöhtes Infektionsrisiko besteht und die Infektion impfpräventabel ist, muss der Betriebsarzt im Auftrag des Arbeitgebers im Rahmen der arbeitsmedizini- schen Vorsorge eine Impfung anbieten; vgl. § 6 Absatz 2 Satz 3 und 4 ArbMedVV,

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AMR 6.5 (Impfungen als Bestandteil der arbeitsmedizinischen Vorsorge bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen). Gegen seinen Willen muss sich kein Beschäftigter impfen lassen. Die Kosten für die Impfungen auf der Grundlage der ArbMedVV trägt nicht der Beschäftigte, sondern der Arbeitgeber. Kommt es nach einer solchen Impfung zu einer über das übliche Maß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung, muss der Betriebsarzt den Verdacht eines Impfschadens dem Gesund- heitsamt (§ 6 IfSG) und zusätzlich als Arbeitsunfall dem Unfallversicherungsträger (UVT) melden.

Über anamnestische Angaben und Untersuchungsbefunde erlangt der Betriebsarzt häufig Kenntnis von persönlichen Ansichten, Problemen im Arbeitsumfeld und gesund- heitlichen Beeinträchtigungen von Beschäftigten. Diese Informationen der individuellen ärztlichen Beratung unterliegen der ärztlichen Schweigepflicht (siehe Abschnitt 1.1). Es können sich allerdings Anhaltspunkte für Defizite im Arbeitsschutz ergeben, aus denen der Arzt Vorschläge zu geeigneten betrieblichen Maßnahmen ableiten und dem Arbeit- geber unter Wahrung der ärztlichen Schweigepflicht mitteilen muss. Hält der Arzt aus medizinischen Gründen einen Tätigkeitswechsel für erforderlich, bedarf die Mitteilung hierüber der vorherigen Einwilligung des Beschäftigten; näher AMR 6.4 (Mitteilungen an den Arbeitgeber nach § 6 Absatz 4 ArbMedVV). Bescheinigungen über die Teil- nahme an der Vorsorge nach der ArbMedVV enthalten keine Informationen über kon- krete gesundheitliche Aspekte oder andere persönliche Belange der Beschäftigten;

siehe AMR 6.3 (Vorsorgebescheinigung).

Wenn sich der begründete Verdacht ergibt, dass eine Berufskrankheit (BK) vorliegt, muss der Betriebsarzt den Betroffenen informieren und an den zuständigen UVT oder an die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständige Stelle eine BK-Verdachtsan- zeige senden; vgl. § 202 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Ohne ausdrückli- che Zustimmung des Beschäftigten nimmt der UVT keinen Kontakt zum Arbeitgeber oder Betriebsarzt auf.

In jedem Fall außerhalb der arbeitsmedizinischen Vorsorge und in der Regel ohne ak- tive Rolle der Betriebsärzte liegen Rechte der Arbeitgeber und Pflichten der Beschäf- tigten zu gesundheitsrelevanten Informationen aufgrund von Rechtsgrundlagen außer- halb des Arbeitsschutzes. Beispielsweise wird in § 23a IfSG geregelt, dass der Arbeit- geber das Recht hat, vom Beschäftigten Informationen zu erhalten über den Impfsta- tus- bzw. Serostatus übertragbarer Erkrankungen [4, FAQ 1.49] [20]. Nach § 20 Ab- satz 9 Satz 1 IfSG müssen bestimmte Personen (unter anderem bestimmte Beschäf- tigte) einen ausreichenden Impfschutz gegen Masern oder eine Immunität gegen Ma-

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sern aufweisen und hierüber einen Nachweis erbringen [21]. Außerhalb des Arbeits- schutz sind auch arbeitsrechtlich zulässige Untersuchungen zum Nachweis der ge- sundheitlichen Eignung für berufliche Anforderungen (Eignungsuntersuchungen) [22].

1.3 Unterweisungen und allgemeine (kollektive) Beratungen

Vom Arbeitgeber durchzuführende Unterweisungen der Beschäftigten und die bei be- stimmten Gefährdungen (unter anderem Gefahrstoffe, Biostoffe, physikalische Gefähr- dungsfaktoren) vorgeschriebenen kollektiven arbeitsmedizinischen Beratungen werden vom Betriebsarzt unterstützt. Der Betriebsarzt soll die notwendigen Informationen be- reitstellen und sich möglichst aktiv einbringen (siehe auch AMR 3.2).

1.4 Begehungen

Um die Arbeitsplätze zu kennen und bei der Gefährdungsbeurteilung mitwirken zu kön- nen, begeht der Betriebsarzt die Arbeitsstätten in regelmäßigen Abständen. Dabei beo- bachtet er die Durchführung des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung im Betrieb.

Er wirkt auf die Beschäftigten ein, sich arbeitsschutzgerecht zu verhalten und informiert über Unfall- und Gesundheitsgefahren, denen sie bei der Arbeit ausgesetzt sind sowie über die Möglichkeiten zur Abwendung dieser Gefahren. Er achtet beratend auf die sachgerechte Benutzung der persönlichen Schutzausrüstung. Festgestellte Mängel teilt er dem Arbeitgeber mit, schlägt Maßnahmen vor und unterstützt oder fördert deren Umsetzung.

1.5 Organisation der Ersten Hilfe

Weiterhin wirkt der Betriebsarzt bei der Organisation der Ersten Hilfe im Betrieb mit. Im Zusammenhang mit der Exposition gegenüber Biostoffen ist besonders die Organisa- tion der Postexpositionsprophylaxe (PEP) einschließlich der Impfungen nach Kontakt mit Erregern von gefährlichen Infektionskrankheiten zu bedenken. Das gilt in Einrich- tungen des Gesundheitswesens insbesondere für die Festlegung der erforderlichen Maßnahmen nach Kontakt mit potenziell infektiösen Patienten und Nadelstichverlet- zungen [5].

1.6 Mutterschutz

Im Gesundheitswesen finden sich zahlreiche Tätigkeiten oder Einflüsse, die eine Frau oder ihr Kind während der Schwangerschaft, nach der Entbindung und in der Stillzeit gefährden können. Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung hat der Arbeitgeber diese

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Faktoren zu berücksichtigen. Der Betriebsarzt kann dem Arbeitgeber beratend zur Seite stehen. Bei arbeitsplatzbezogenem Beratungsbedarf können sich schwangere oder stillende Frauen im Rahmen der arbeitsmedizinischen Wunschvorsorge an den Betriebsarzt wenden. Gegenüber dem Arbeitgeber ist Aufgabe des Betriebsarztes, ihn bei der Klärung der Einsatzmöglichkeiten dieser Frauen im Rahmen der Gefährdungs- beurteilung zu unterstützen und zu betrieblichen sowie ärztlichen Beschäftigungsver- boten zu beraten. Dagegen ist es nicht die Aufgabe des Betriebsarztes, Arbeitgeber- pflichten zu erfüllen (zum Beispiel die Mitteilungen nach § 27 Mutterschutzgesetz zu erstellen).

1.7 Eingliederung von Menschen mit Behinderung und Langzeiterkrankten am Arbeitsplatz

Für Beschäftigte, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind, hat der Arbeitgeber die Pflicht zu klären, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hil- fen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann (betriebliches Eingliederungsmanagement). Soweit erforderlich wird der Betriebsarzt hinzugezogen; siehe § 167 Absatz 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Wenn Beschäftigte aus gesundheitlichen Gründen den Arbeitsplatz wechseln müssen oder wenn Menschen mit Behinderung beschäftigt werden sollen, sollte der Betriebsarzt in die adäquate Gestaltung des vorgesehenen Arbeitsplatzes eingebunden werden und Arbeitgeber und Beschäftigte entsprechend beraten. Soweit dazu persönliche Informa- tionen des Betroffenen offengelegt werden müssen, muss sein Einverständnis dazu vorliegen.

2. Gesundheitliche Eignung von Beschäftigten

Für bestimmte Tätigkeiten sind ärztliche Untersuchungen zum Nachweis der gesund- heitlichen Eignung rechtlich vorgeschrieben oder vertraglich vereinbart. Eignungsunter- suchungen dienen in den meisten Fällen nicht dem Arbeitsschutz, sondern dem Dritt- schutz oder der Feststellung, ob die zu begutachtende Person die gesundheitlichen bzw. leistungsorientierten Kriterien für eine vorgesehene Aufgabe erfüllt oder nicht. Au- ßerdem soll in der Regel eine prognostische Einschätzung zum Fortbestand der Eig- nung abgegeben werden. Der untersuchende Arzt wird hierbei als medizinischer Sach- verständiger im Auftrag des Arbeitgebers, als Personalarzt, tätig. Weil möglicherweise Entscheidungen getroffen werden müssen, die den Grundrechten und den Interessen der betroffenen Beschäftigten entgegenstehen, sollten Eignungsuntersuchungen gene- rell nur bei einer gültigen Rechtsgrundlage durchgeführt werden. Der Arbeitgeber sollte

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sich zu den Möglichkeiten und Grenzen der ärztlichen Eignungsfeststellung ausführlich fachlich medizinisch (durch den Betriebsarzt) und vor allem juristisch (zum Beispiel durch Rechtsanwälte) beraten lassen.

Mit der Übernahme personalärztlicher Aufgaben riskiert der Betriebsarzt möglicher- weise, das Vertrauen der Belegschaft zu verlieren [5]. Falls der Betriebsarzt die Auf- gabe dennoch übernimmt, ist darauf zu achten, dass dies außerhalb der betriebsärztli- chen Einsatzzeit erfolgen muss. Außerdem müssen die Aufgaben der Eignungsunter- suchung und arbeitsmedizinische Vorsorge durch den Betriebsarzt im Termin transpa- rent dargestellt und getrennt durchgeführt werden [6]. Dem Beschäftigten muss vor der Eignungsuntersuchung klar sein, dass ein negatives Ergebnis arbeitsrechtliche Folgen haben kann. Deshalb muss gleich zu Beginn der ärztlichen Konsultation über den je- weiligen Zweck und die möglichen Konsequenzen aufgeklärt werden. Soll im Einzelfall neben einer arbeitsmedizinischen Vorsorge im selben Termin eine Eignungsuntersu- chung durchgeführt werden, empfiehlt es sich, zunächst die nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit konzipierte Eignungsuntersuchung durchzuführen. Wenn die Eig- nungskriterien erfüllt sind, kann die individuelle Beratung anschließend im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge stattfinden. Für beide Fragestellungen müssen dann gesonderte Bescheinigungen ausgestellt werden.

3. Infektionsschutz im Gesundheitswesen

Neben den arbeitsschutzrechtlichen Pflichten haben Einrichtungen im Gesundheitswe- sen nach IfSG die Pflicht, alles zu unternehmen, um Infektionsgefährdungen zu mini- mieren bzw. zu verhindern. Die Leiter dieser Einrichtungen sind zudem verpflichtet, in allen Fragen des Infektionsschutzes mit den Gesundheitsämtern zusammenzuarbei- ten. Auf Landesebene werden Rechtsverordnungen zu den Hygieneanforderungen in Gesundheitseinrichtungen und zur Ausstattung mit qualifiziertem Personal erlassen.

Das IfSG wird primär von den mit hoheitlichen Rechten ausgestatteten Akteuren des öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD, Gesundheitsämter) ausgeführt bzw. über- wacht. Ein berufliches Tätigkeitsverbot nach § 31 IfSG kann nur der ÖGD veranlassen.

Beim Infektionsschutz berühren sich die betrieblichen Aufgaben der für die Kranken- haushygiene Verantwortlichen und des Betriebsarztes. Die Beteiligten im Betrieb neh- men die Aufgaben ihres jeweiligen Fachgebietes wahr und sprechen sich über die Or- ganisation beim Auftreten besonderer Infektionsereignisse ab. Dabei sind Schweige- pflicht und Datenschutzregelungen zu berücksichtigen. Die interdisziplinäre Zusam- menarbeit soll gewährleisten, dass von den Beteiligten die Aufgaben ihres jeweiligen

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Rechtsgebiets wahrgenommen und Informationen ausgetauscht, aber keine fachfrem- den Beurteilungen gefordert werden können. Im Arbeitsschutz geht es darum, Be- schäftigte vor Infektionen zu schützen. Konkrete Vorgaben finden sich in der

TRBA 250. Sollen Betriebsärzte Aufgaben außerhalb des durch das Arbeitsschutzrecht gesetzten Rahmens nach IfSG wahrnehmen, muss dies außerhalb der betriebsärztli- chen Einsatzzeiten mit einem gesonderten Zeitbudget geschehen. Eine Aufgabener- weiterung mit Auswirkung auf die Beschäftigten und auf die Betriebsärzte ist mitbestim- mungspflichtig (Betriebsverfassungs- oder Personalvertretungsgesetz). Für den Be- triebsarzt darf dabei keine Interessenkollision entstehen, wie etwa durch die Übertra- gung beziehungsweise Übernahme von zusätzlichen Kontroll- und Meldeaufgaben ge- genüber Dritten und Behörden oder durch die Einschränkung der Weisungsfreiheit. Im Gegensatz zum Betriebsarzt verfügt der ÖGD nach dem IfSG über besondere Instru- mente, um seiner Überwachungsaufgabe zum Schutz der Bevölkerung nachzukom- men. Beispielsweise kann er Tätigkeits- und Beschäftigungsverbote und duldungs- pflichtige Umgebungsuntersuchungen aussprechen und durchsetzen.

3.1 Allgemein empfohlene Impfungen

Arbeitsmedizinische Impfindikationen werden auf Basis der Gefährdungsbeurteilung gestellt. Darüber hinaus ist das Schließen von Impflücken bei allgemein empfohlenen Impfungen eine sinnvolle Aufgabe, erfolgt jedoch außerhalb des Arbeitsschutzrechts im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF). Wenn der Betriebsarzt diese Aufgaben übernimmt, sind zusätzliche zeitliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Die Kosten für diese Impfungen trägt in der Regel die Krankenversicherung des Versicherten. In Verträgen mit den gesetzlichen Krankenkassen können Betriebs- ärzte bzw. ihre Verbände entsprechende Vereinbarungen treffen; vgl. § 132e Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Regelungen der privaten Krankenversicherung kön- nen abweichen.

3.2 Betriebsärztliche Aufgaben bei Unfällen zur Prävention blutübertragbarer Virusinfektionen (Erste Hilfe)

Der Arbeitgeber hat gemäß § 13 BioStoffV vor Aufnahme einer Tätigkeit der Schutzstu- fen zwei bis vier die erforderlichen Maßnahmen festzulegen, die bei Unfällen notwen- dig sind, um die Auswirkungen auf die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten und anderer Personen zu minimieren (Abschnitt 6.1 TRBA 250).

Stich- und Schnittverletzungen mit kontaminierten Instrumenten und Arbeitsgeräten so- wie andere ungeschützte Kontakte mit potenziell infektiösen Körperflüssigkeiten sind

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trotz aller Präventionsbemühungen nicht vollständig zu vermeiden [5] [7]. Neben der schnellen lokalen Behandlung der Verletzung müssen in der Regel Blutentnahmen für spezielle Laboruntersuchungen und je nach Risikokonstellation im Rahmen der PEP Impfungen oder Medikamentengabe erfolgen. Es gehört zu den Aufgaben des Be- triebsarztes, den Arbeitgeber zu Organisation und Qualitätssicherung der Nachsorge sowie zu möglichen Folgen eines solchen Arbeitsunfalls zu beraten, auch wenn er nicht als erster Ansprechpartner konsultiert werden kann.

Um zu gewährleisten, dass alle nach einem solchen Vorfall erforderlichen Maßnahmen ohne Zeitverzug erfolgen, wird empfohlen, dass der Betriebsarzt im Vorfeld gemein- sam mit den zuständigen D-Ärzten und gegebenenfalls dem Labor die grundsätzlichen Verfahrensweisen für ein Schadensereignis festlegt. Für die vorgeschriebene Unter- weisung der Beschäftigten in verletzungsträchtigen Arbeitsbereichen über die nach sol- chen Ereignissen notwendigen Handlungsschritte sollte der Betriebsarzt die entspre- chenden Informationen für den Arbeitgeber aufbereiten [5] [8] [4].

Für die schwerwiegenden Infektionsrisiken durch Hepatitis-B-Viren (HBV), Hepatitis-C- Viren (HCV) und Humane Immundefizienz-Viren (HIV) haben die UVT Konsensemp- fehlungen zur Nachsorge von Stich- und Schnittverletzungen mit infektiösem Material erarbeitet [9]. Auch die Merkblätter des RKI2 sind geeignete Informationsquellen. Ist eine HIV-PEP oder eine Hepatitis-B-Immunglobulin-Gabe indiziert, wird den erstversor- genden Ärzten empfohlen, mit infektiologisch erfahrenen Ärzten zusammenzuarbeiten.

Der Arbeitgeber hat ein standardisiertes betriebsinternes Meldeverfahren vorzuhalten (Abschnitt 6.2.1 TRBA 250) und auf dieser Grundlage den Betroffenen arbeitsmedizini- sche Vorsorge anzubieten (vgl. Anhang Teil 2 Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe a ArbMedVV). Entsprechend den betrieblichen Verfahrensregeln sollte der Betriebsarzt außerdem Nachsorgetermine und Laborkontrollen, die nach Arbeitsunfällen mit der Gefahr einer Infektionsübertragung notwendig sind, koordinieren.

Die Kosten für die Wundversorgung, die notwendigen Laboruntersuchungen, Impfun- gen und eine PEP können die Ärzte direkt mit dem zuständigen UVT abrechnen. Vo- raussetzung ist die Unfallmeldung. Über den Leistungskatalog des UVT hinausge- hende Leistungen müssen begründet werden. Sollte sich aus einem solchen Ereignis eine berufsbedingte Infektion entwickeln, muss außerdem der BK-Verdacht angezeigt

2 Robert Koch-Institut (http://www.rki.de)

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werden. Die UVT sind gehalten, eine fachgerechte Therapie mit allen geeigneten Mit- teln sicherzustellen.

3.3 Chronisch infizierte Beschäftigte

Chronisch infizierte Beschäftigte können Auslöser für nosokomiale Infektionen sein.

Jede Gesundheitseinrichtung muss sich auf diese Situation vorbereiten.

Ist dem Arbeitgeber ein Beschäftigter als potenzielle Infektionsquelle bekannt, muss er die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um den Infektionsschutz im Betrieb zu ge- währleisten. Weil durch diese Maßnahmen auch das arbeitsvertraglich vereinbarte Tä- tigkeitsspektrum des infizierten Beschäftigten berührt werden kann, sind arbeitsrechtli- che Vorgaben zu beachten. Rechtsanwälte und andere zur Rechtsberatung befugte Personen und Stellen können hierzu beraten. Betriebsärzte sind hingegen insoweit nicht zur Beratung befugt und sollten daher auch keine rechtliche Auskunft geben, son- dern unter Beachtung der Schweigepflicht lediglich ihre arbeitsmedizinische Fach- kenntnis einbringen.

Hinweise zur Risikoabschätzung und Erläuterungen, welche Voraussetzungen für die weitere Tätigkeitsausübung in kritischen Bereichen bestehen, können den Empfehlun- gen der Behörden, zum Beispiel des Robert Koch-Institutes (RKI), und der medizini- schen Fachgesellschaften, beispielsweise der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten e. V. (DVV) zur Prävention einer nosokomialen Übertragung, ent- nommen werden [10].

Chronisch infizierte Beschäftigte sind grundsätzlich selbst verpflichtet, dem Arbeitgeber mitzuteilen, wenn sie eine Gefahr für Dritte darstellen; arbeitsvertragliche Nebenpflicht, vgl. § 241 Absatz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Es ist von der Möglichkeit auszu- gehen, dass Beschäftigte ihre Erkrankung nicht offenbaren oder symptomlose Infekti- onsträger von ihrer Erkrankung keine Kenntnis haben.

Der Arbeitgeber muss Tätigkeiten mit einem erhöhten Risiko für nosokomiale Infektio- nen definieren, in denen ein besonderer Patientenschutz gewährleistet werden muss (zum Beispiel Operationsbereiche, Onkologie, Transplantationsabteilung). Im Rahmen der Unterweisung sind die Beschäftigten über die erforderlichen Schutzmaßnahmen zu informieren.

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3.3.1 Ärztliche Schweigepflicht (berufliche Verpflichtung zur Verschwiegenheit) / Meldepflicht

Der Betriebsarzt kann auf verschiedene Weise von der chronischen Infektion eines Be- schäftigten erfahren, beispielsweise:

Der betroffene Beschäftigte wendet sich vertrauensvoll an den Betriebsarzt, um sich beraten zu lassen und um Unterstützung zu bitten. Er teilt dem Betriebsarzt die Diag- nose mit oder gibt Einblick in die erhobenen Befunde.

Im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge (einschließlich der Wunschvorsorge) oder in der Nachsorge einer Verletzung werden erstmals Befunde erhoben, die zur Di- agnose führen oder eine bislang unerkannte Erkrankung aufdecken.

Andere (Arbeitgeber, betriebliche Interessenvertretung oder andere Beschäftigte) infor- mieren den Betriebsarzt und bitten um Unterstützung zum Umgang mit einem chro- nisch infizierten Beschäftigten.

In diesem Spannungsfeld muss der Betriebsarzt die grundsätzlichen Regeln des ärztli- chen Handelns und der Schweigepflicht beachten (informationelle Selbstbestimmung, Grundgesetz). Es darf nicht erwartet werden, dass er Informationen über den Gesund- heitszustand von Beschäftigten an andere preisgibt, außer es handelt sich um melde- pflichtige Erkrankungen nach dem IfSG. Das gilt auch für chronische Infektionen von Beschäftigten, die in kritischen Bereichen tätig sind. Es ist deshalb außerhalb der en- gen Grenzen des § 34 StGB (siehe Abschnitt 1.1) ausgeschlossen, dass der Betriebs- arzt den Arbeitgeber über die Infektiosität eines Beschäftigten ohne dessen Zustim- mung informiert. Der Betriebsarzt hat den Betroffenen zu beraten, ihm gegebenenfalls seine Bedenken darzulegen und diese in den ärztlichen Aufzeichnungen zu dokumen- tieren. Wenn der Beschäftigte eine Infektion nicht offenbaren will, kann der Betriebsarzt lediglich weiter individuell aufklären und beraten. Dies sollte er in seinen Aufzeichnun- gen dokumentieren.

Sofern eine arbeitsbedingte Infektion vorliegt, kann diese den Verdacht auf eine Be- rufskrankheit begründen, der von Ärzten anzuzeigen ist (§ 202 SGB VII). Handelt es sich um einen erhobenen Erstbefund (HBV, HCV, HIV3, TBC) ist das Labor zur Mel- dung nach IfSG verpflichtet. In der Folge ermittelt das Gesundheitsamt. Im Rahmen

3 HIV: nur nicht-namentliche Meldung.

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dieser Ermittlung sind Betriebsärzte auskunftspflichtig. Nach der Meldung einer Neuer- krankung kann das Gesundheitsamt Maßnahmen hinsichtlich des Bevölkerungs-/Pati- entenschutzes ergreifen.

3.3.2 Aufgaben des Betriebsarztes im Zusammenhang mit chronisch infizierten Beschäftigten

Zu den Aufgaben des Betriebsarztes bei chronisch infizierten Beschäftigten im Ge- sundheitswesen gehören:

a) allgemeine Arbeitgeberberatung (gemeinsam mit dem Krankenhaushygieni- ker)

In Gesundheitseinrichtungen ist mit chronischen Infektionen Beschäftigter zu rechnen.

Deshalb besteht ein betriebliches Interesse, schon im Vorfeld Regeln und Standards für den Umgang damit zu schaffen. In diesen Regeln sollten die originären Zuständig- keiten der Beteiligten besonders beachtet werden, um spätere Rollenkonflikte zu ver- meiden.

Sowohl das ArbSchG als auch das IfSG richten sich an die Verantwortungsträger, den Arbeitgeber oder dessen Vertreter. In Gesundheitseinrichtungen muss der Leiter Re- geln zur Verhütung, Erkennung, Erfassung und Bekämpfung von nosokomialen Infekti- onen aufstellen (§ 23 IfSG). Dazu gehören auch nosokomiale Infektionen, die von Be- schäftigten ausgehen.

Arbeitsvertragliche Regelungen oder Betriebsvereinbarungen können sich nur im Rah- men gesetzlicher Grundlagen bewegen, das heißt das Selbstbestimmungsrecht der Beschäftigten und der Datenschutz müssen vollumfänglich gewahrt sein. Hilfreich sind Regelungen, in denen die Pflichten konkretisiert und gegebenenfalls auch betriebliche Unterstützungszusagen für sich offenbarende Beschäftigte zugesichert werden [11]

[12]; zu einer Musterbetriebsvereinbarung: [12, siehe Anhang 3, Seite 229 bzw.

https://www.ffas.de/publikationen/]. Der Betriebsarzt kann zu medizinischen Aspekten des Arbeitsschutzes beraten.

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b) Beratung des Beschäftigten zu den betrieblichen Verfahrensregeln und den

Konsequenzen der Infektion

Die Kenntnis, dass ein Beschäftigter infiziert ist und Dritte gefährden kann, erfordert, sofern die Verantwortlichen im Betrieb darüber noch nicht informiert sind, dass der Be- triebsarzt den Beschäftigten zu den im Betrieb vereinbarten Verfahren (siehe Abschnitt a) berät.

Für Infektionen von Patienten, die grob fahrlässig oder vorsätzlich herbeigeführt wer- den, kann medizinisches Personal den Versicherungsschutz verlieren und persönlich haftbar gemacht werden. Legt der Beschäftigte seinen Infektionsstatus dem Arbeitge- ber oder dessen Vertreter nicht offen, so verletzt er damit unter Umständen seine ar- beitsvertraglichen Pflichten [13] [12]. Eine (arbeits-) rechtliche Beratung kann und darf der Betriebsarzt nicht leisten (siehe Abschnitt 3.3). Er kann lediglich fachlich zu den persönlichen und beruflichen Schutzmaßnahmen und Einsatzmöglichkeiten beraten.

c) Beratung des Beschäftigten zu den notwendigen individuellen Schutzmaßna- men

Bei der Beratung sind die Empfehlungen der Fachgesellschaften zu berücksichtigen (DVV, AWMF-Leitlinien, RKI, KRINKO). In der individuellen Beratung wird der infizierte Beschäftigte auf die mögliche Eigengefährdung (zum Beispiel eingeschränkte Im- munkompetenz) und auf Schutzmaßnahmen hingewiesen (zum Beispiel Bewertung des Therapieverlaufs mit behandelnden Ärzten, leidensgerechte Gestaltung der Ar- beitsbedingungen, Einsatz von persönlicher Schutzausrüstung).

d) Beratung durch Expertengremium/Fallkonferenz

Die DVV bietet eine Aufstellung von infektionsträchtigen Tätigkeiten im invasiven chi- rurgischen Bereich an [10]. Die Verantwortung im Sinne des IfSG und die Prozessver- antwortung für die Einberufung des Expertengremiums und den Personaleinsatz ver- bleiben immer beim Arbeitgeber und können nicht auf den Betriebsarzt übertragen werden, weil dies dessen Aufgaben nach ASiG widerspricht und ihn zudem in einen Rollenkonflikt bringt [14] [15].

Um über den Einsatz infizierter Beschäftigter mit invasiven Tätigkeiten zu entscheiden, sollte mit Einwilligung des Beschäftigten in strittigen Fällen ein interdisziplinär besetz- tes Expertengremium einberufen werden (Arbeitgeber, Infektiologen, Gesundheitsamt, erfahrene Kollegen aus dem Tätigkeitsbereich, der Beschäftigte, Betriebsarzt und

(18)

Facharzt für Hygiene der Einrichtung, Interessenvertretung, gegebenenfalls Rechtsan- walt) [11]. Grundlage kann die Musterbetriebsvereinbarung sein. Gegenstand einer Fallkonferenz ist die Diskussion und Bewertung des Risikoprofils bezogen auf die je- weilige konkrete Tätigkeit eines Betroffenen. Ziel ist es, Maßnahmen festzulegen, die zur Verhütung weiterer Infektionen notwendig, geeignet und angemessen sind [10]

[16]. Die von einem chronisch infizierten Beschäftigten ausgehenden Gefahren für Pa- tienten hängen von seinem Aufgabenbereich, den Einsatzbedingungen sowie von der Art der Infektion, der Behandlung und nicht zuletzt von der Kooperationswilligkeit des Betroffenen ab und sind außerhalb chirurgischer Bereiche meist unproblematisch. Bei aktiver Tuberkulose verbietet sich der berufliche Einsatz bis eine Ansteckungsgefahr ausgeschlossen wurde. Die auf breiter Basis getroffenen Entscheidungen einer Fall- konferenz können zwar unter Umständen zu einer Einschränkung der Tätigkeit des chronisch Infizierten führen, geben aber den Betroffenen wie den Verantwortlichen Handlungssicherheit und helfen, Konflikte zu vermeiden [10] [16]. Nach Musterbe- triebsvereinbarung entbindet der betroffene Beschäftigte die Teilnehmer untereinander von der Schweigepflicht. Für alle Teilnehmer gilt nach außen Verschwiegenheitspflicht.

e) Prozessbegleitung im Einzelfall

Im Einzelfall kann der Personaleinsatz zum Beispiel von zu überwachenden Infektions- parametern abhängig gemacht werden (beispielsweise Bestimmung der Viruslast auf der Grundlage der Freiwilligkeit). Der Arbeitgeber muss klären, wer die Beurteilung über Einsatzmöglichkeiten im Einzelfall vornimmt. Wegen möglicher Rollenkonflikte sollte der Betriebsarzt davon Abstand nehmen. Er sollte sich auf die Beratung zum Verfahren beschränken.

3.4 Multiresistente Erreger (MRE) und nosokomiale Infektionen

In Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen werden bei Patienten und Beschäftigten anlassbezogen Screeninguntersuchungen durchgeführt, wenn in Ausbruchssituationen (zeitlich und räumlich gehäuftes Auftreten) gesunde MRE-Träger identifiziert werden sollen. Zusätzlich kann dies auch der Überprüfung der Einhaltung der Hygienestan- dards dienen. Besiedelte Beschäftigte können die Keime – ohne es zu wissen – durch Kontakt an Patienten weitergeben und so zur Quelle von Infektionsclustern werden.

Identifizierte Infektionsquellen (Beschäftigte, Patienten) werden unter Verantwortung des für die Hygiene zuständigen Fachpersonals in Abstimmung mit dem Gesundheits- amt saniert. Betroffene Beschäftigte müssen gegebenenfalls besondere Vorkehrungen treffen, um die Keime nicht zu übertragen. Diese Maßnahmen erfolgen auf Basis des IfSG.

18

(19)

Im Zusammenhang mit kolonisierten Beschäftigten kann sich betriebsärztlicher Bera- tungsbedarf ergeben. Der Betriebsarzt sollte sich nicht an der Quellensuche beteiligen, weil diese Aufgabe den Hygieneverantwortlichen obliegt und ein positiver Befund auf Grund der Schweigepflicht zu einem Rollenkonflikt führen kann. Auch an einer Sanie- rung von symptomfreien kolonisierten Beschäftigten sollte sich der Betriebsarzt nicht beteiligen, weil die durchzuführenden Maßnahmen nicht deren Gesundheit und dem Arbeitsschutz dienen. Eine BK-Verdachtsanzeige ist bei symptomfreien MRE-Trägern nicht indiziert. Bei Ausbruchsfällen muss der Arbeitgeber dies laut dem IfSG dem Ge- sundheitsamt melden.

Der Betriebsarzt:

− empfiehlt ergänzend zur Standardhygiene zusätzliche Schutzmaßnahmen für Beschäftigte und berät zur Auswahl von geeigneten Desinfektionsmitteln und persönlicher Schutzausrüstung unter Beteiligung der Beschäftigten (zu den Schutzmaßnahmen siehe TRBA 250),

− führt im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge bei entsprechender Ge- fährdung (vor allem wenn die beruflich bedingte Besiedlung mit MRE wieder- holt aufgetreten ist [17]) die individuelle Beratung der Beschäftigten durch und

− schlägt dem Arbeitgeber geeignete Arbeitsschutzmaßnahmen vor, sofern sich aus den gewonnenen Erkenntnissen entsprechende Hinweise ableiten lassen, dass die bisherigen Arbeitsschutzmaßnahmen nicht ausreichen.

Eine besondere Problematik stellen auch nach wiederholter Sanierung dauerhaft be- siedelte Beschäftigte dar. Hier empfiehlt es sich, interdisziplinär das weitere Vorgehen zu beraten, etwa im Rahmen eines Expertengremiums (siehe Abschnitt 3.3.2). Grund- lage dafür ist das Einverständnis des Beschäftigten.

3.5 Tuberkulose

Der Gesundheitsschutz der Beschäftigten im Gesundheitswesen ist primär Aufgabe der betrieblichen Arbeitsschutzorganisation. In Krankenhäusern und Pflegeeinrichtun- gen wird den Beschäftigten deshalb nach engem Kontakt zu infektiösen Tuberkulose (TBC)-Indexpatienten eine arbeitsmedizinische Vorsorge zur TBC-Frühdiagnostik an- geboten, sobald der Kontakt bekannt geworden ist (§ 5 Absatz 2 in Verbindung mit An- hang Teil 2 Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe a ArbMedVV). Die Beschäftigten müssen das Angebot des Arbeitgebers zur Vorsorge jedoch nicht annehmen oder keine TBC-

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(20)

Diagnostik durchführen lassen. Außerdem unterliegt der Betriebsarzt uneingeschränkt der ärztlichen Schweigepflicht und darf das Ergebnis von Untersuchungen nicht ohne Zustimmung des Beschäftigten weitergeben, solange keine ärztlichen Meldepflichten berührt sind.

Für Beschäftigte im Gesundheitswesen gelten nach infektionsrelevantem TBC-Kontakt zugleich die Regelungen des Infektionsschutzgesetzes (IfSG). Bei infektiöser TBC-Er- krankung ermittelt das zuständige Gesundheitsamt (GA) zu Art, Ursache, Anste- ckungsquelle und Ausbreitung der Krankheit (§ 25 IfSG). Alle Maßnahmen zur Fallfin- dung, zur Aufdeckung der Infektionsketten und zur Verhütung der Weiterverbreitung sind sogenannte „Umgebungsuntersuchungen“ [18]. Personen, die wegen ihres Kon- takts zu einem an ansteckungsfähiger TBC Erkrankten einem Infektions- und Erkran- kungsrisiko ausgesetzt waren, werden vom GA im Rahmen einer Umgebungsuntersu- chung ermittelt und im erforderlichen Umfang untersucht. Damit die Ziele des Infekti- onsschutzes erreicht werden können, sind die vom GA veranlassten Maßnahmen und Untersuchungen duldungspflichtig. Außerdem sind die ärztliche Schweigepflicht sowie der im Datenschutz konkretisierte grundgesetzlich garantierte Persönlichkeitsschutz (Artikel 2 Absatz 1 GG) eingeschränkt. Die Aufgabe des GA ist es, eine entsprechende Beratung und Untersuchung anzubieten oder diese in Zusammenarbeit mit anderen medizinischen Einrichtungen sicherzustellen (§ 19 Absatz 1 Satz 1 IfSG). Erst wenn die Untersuchung von einer anderen medizinischen Einrichtung (etwa dem Betriebs- arzt aufgrund der arbeitsmedizinischen Vorsorge zur TBC-Frühdiagnostik entspre- chend der ArbMedVV, siehe Absatz zuvor) nicht sichergestellt werden kann (§ 19 Ab- satz 1 Satz 2 IfSG), kommt die Schnittstellenproblematik zum Tragen (siehe Abschnitt d). Allerdings ist es dem GA nicht gestattet, den Arbeitgeber zu arbeitsmedizinischer Vorsorge anzuweisen; siehe FAQ zur ArbMedVV, Frage 2.16 [4].

Da die TBC-Untersuchungen mit Kosten, Ausfallzeiten und organisatorischem Auf- wand verbunden sind und die Schnittstellen zwischen Arbeitsschutz und Infektions- schutz nicht explizit geregelt sind, ergibt sich zwischen Betrieb und GA gegebenenfalls Abstimmungsbedarf; siehe FAQ zur ArbMedVV, Fragen zur TBC ab Nummer 2 [4].

3.5.1 Zusammenarbeit zwischen Gesundheitseinrichtung und Gesundheitsamt Die gebotene Zusammenarbeit zwischen der Gesundheitseinrichtung und dem GA bei Untersuchungen nach engem Kontakt zu infektiösen TBC-Erkrankten wird nachfolgend vor dem Hintergrund von ArbMedVV und IfSG unter Berücksichtigung des Datenschut- zes beschrieben.

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a) Der Arbeitgeber unterbreitet den betroffenen Beschäftigten ein Vorsorgeange- bot (ArbMedVV)

Der Arbeitgeber bietet den betroffenen Beschäftigten schriftlich eine arbeitsmedizini- sche Vorsorge an, die vom Betriebsarzt bzw. dem nach der ArbMedVV beauftragten Arzt ab 8 Wochen nach infektionsrelevantem Kontakt durchgeführt wird. Diese freiwil- lige Vorsorge beinhaltet eine Beratung und gegebenenfalls diagnostische Maßnahmen (Interferon-Gamma-Release-Assay, IGRA) zum Ausschluss einer TBC-Neuinfektion.

Inhaltlich orientiert sich das Untersuchungsangebot an den vorhandenen Leitlinien und Empfehlungen der Fachgesellschaft [18].

Die Befunde bleiben als Bestandteil der ärztlichen Unterlagen beim Betriebsarzt unter Verschluss. Der Betriebsarzt wird nicht von sich aus personenbezogene Informationen an das Gesundheitsamt übermitteln. Die Bescheinigung über die Teilnahme an der an- lassbezogenen arbeitsmedizinischen Vorsorge erhält der Arbeitgeber nach der ersten Konsultation. Wenn das Angebot zur arbeitsmedizinischen Vorsorge angenommen wird, trägt der Arbeitgeber die Kosten. Beschäftigte, die an der Angebotsvorsorge nach TBC-Infektionsgefährdung teilnehmen, müssen darüber aufgeklärt werden, dass der Arzt nach dem IfSG zur Weitergabe zweckdienlicher Befunde an das Gesundheitsamt verpflichtet werden kann (siehe Abschnitt d). Dieses Vorgehen hilft außerdem häufig Ausfallszeiten und Wege durch den Gang zum GA zu minimieren.

b) Das GA ermittelt die Kontaktpersonen zum Indexfall

In der Regel erfährt das GA von einem TBC-Fall – dem sogenannten „Indexfall“ – über die Meldung der behandelnden Ärzte oder Labore. Es ermittelt die näheren Umstände und übernimmt die Organisation und Koordination bei der Feststellung der Kontaktper- sonen im häuslichen und sozialen Umfeld des Erkrankten sowie deren Untersuchung [18].

c) Die Gesundheitseinrichtung übermittelt eine Liste der Kontaktpersonen inner- halb der Einrichtung (auch der Beschäftigten) an das GA

Der Leiter der Gesundheitseinrichtung, in der sich der TBC-Erkrankte aufgehalten hat, kann vom GA aufgefordert werden, Kontaktpersonen nach fachlich anerkannten Krite- rien [18] – differenziert nach Patienten und Beschäftigten – aufzulisten und zu übermit- teln Dafür kann die betriebsinterne Erfassungsliste verwendet werden (Mustervordruck siehe Anlage 1).

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d) Das GA kann ermittelte Kontaktpersonen vorladen

Das GA hat als Vollzugsbehörde des IfSG ordnungsrechtliche Befugnisse und kann alle erforderlichen Maßnahmen durchsetzen. Es hat das Recht, zweckdienliche Be- funde beim Beschäftigten oder beim Betriebsarzt anzufordern. Beschäftigte, die nicht an der Vorsorge teilgenommen oder die die im Rahmen der Vorsorge angebotenen Untersuchungen abgelehnt haben, müssen damit rechnen, dass das GA entspre- chende Untersuchungen anordnet (siehe insgesamt § 16 Absatz 2, § 25 IfSG). Die Kosten für vom GA veranlasste Untersuchungen werden von diesem aus öffentlichen Mitteln getragen.

Inhaltlich unterscheiden sich die diagnostischen Maßnahmen des GA nicht von den Untersuchungen durch den Betriebsarzt im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vor- sorge [18].

3.5.2 Postexpositionelles Vorgehen (TBC)

Stand in der Vergangenheit die frühzeitige radiologische Diagnostik einer behand- lungsbedürftigen, aktiven TBC im Vordergrund, soll heute neben deren Ausschluss auch eine latente TBC-Infektion (LTBI) erkannt werden, weil man mit einer präventiven Chemotherapie (entspricht der postexpositionellen Prophylaxe im Sinne der Arb- MedVV) das TBC-Erkrankungsrisiko deutlich senken kann.

Für eine vollständige Klärung, ob eine Infektion eingetreten ist, können mehrere Ter- mine erforderlich sein (siehe Flussdiagramm zur Angebotsvorsorge TBC im Anhang).

Ergeben sich bei der Diagnostik Hinweise auf eine LTBI (positiver IGRA) bzw. eine TBC-Erkrankung, wird der Betroffene an eine pneumologische Fachpraxis verwiesen, wo eine weitergehende Diagnostik erfolgt und eine präventive Chemotherapie bzw. Be- handlung begonnen werden kann. Sofern ein Zusammenhang zu der beruflichen Expo- sition (infektiöser Patient) naheliegt und sich weitere therapeutische Konsequenzen er- geben (zum Beispiel präventive Chemotherapie), muss jeder feststellende Arzt dem zuständigen UVT die Anzeige über den begründeten Verdacht auf eine BK zukommen zu lassen (§ 202 SGB VII).

Die Meldung einer aktiven TBC an das GA (§§ 6, 7 IfSG) erfolgt erst nach Sicherung der Diagnose. Zur Meldung verpflichtet sind alle Arztgruppen, die eine behandlungsbe- dürftige TBC erstmalig diagnostizieren, in der Regel der Lungenfacharzt bzw. im Falle des Labornachweises das Labor. Der „Verdacht“ auf eine TBC-Erkrankung oder eine Serokonversion (= LTBI) allein sind nach dem IfSG nicht meldepflichtig [18].

22

(23)

Literaturverzeichnis und Hinweise

[1] Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V. [Hrsg.]: Eignungsuntersuchungen in der betrieblichen Praxis (DGUV Information 250-010); 2014

[2] Verband Deutscher Betriebs- und Werksärzte e.V.: Empfehlungen für

arbeitsmedizinische Untersuchungen (Untersuchungsregeln). ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2018;53:746–747

[3] Ausschuss für Arbeitsmedizin (AfAMed) [Hrsg. BMAS]: Wunschvorsorge – Arbeitsmedizinische Empfehlung; 2015;

https://www.bmas.de/DE/Service/Medien/Publikationen/a458-ame- wunschvorsorge.html

[4] Ausschuss für Arbeitsmedizin (AfAMed) [Hrsg. BMAS]: Arbeitsmedizinische Prävention – Fragen und Antworten (FAQ); 2019;

https://www.baua.de/DE/Aufgaben/Geschaeftsfuehrung-von-

Ausschuessen/AfAMed/pdf/Arbeitsmedizinische-Praevention-FAQ.pdf [5] Müller-Barthelmeh R, Brinker L [Hrsg.]: Risiko Nadelstichverletzung. Leitfaden

zum Umgang mit Nadelstichverletzungen und Einsatz von

Nadelschutztechniken. Stuttgart: Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg, Unfallkasse Baden-Württemberg; 2007

[6] Nationaler Ethikrat [Hrsg.]: Prädiktive Gesundheitsinformationen bei Einstellungsuntersuchungen. Berlin; 2005

[7] Wicker S, Gottschalk R, Rabenau HF: Gefährdungen durch

Nadelstichverletzungen: Betrachtung aus arbeitsmedizinischer und virologischer Sicht. Deutsches Ärzteblatt 2007;104:A3102-A3107

[8] Abele-Horn M, Al-Nawas B, Blacky A, Chaberny IF, Ciesek S, Dobermann UH, Eikmann T, Eschenberger D, Gruber B, Hedtmann A, Hoyme UB, Jäkel C, Klein HH, Kramer A, Lemm F, Luckhaupt H, Novotny A, Piechota H, Pitten F-A, Reinecke V, Reydelet J, Schneider A, Schulz HJ, Schulz-Schaeffer W, Seifert J, Studtmann V, Sunderdieck U, Suger-Wiedeck H, Wagner M: Empfehlung des Arbeitskreises Krankenhaus- und Praxishygiene der AWMF: Prävention blutübertragbarer Virusinfektionen. AWMF-Leitlinien-Register Nr. 029/026 (Stand 11/2017). Hygiene und Medizin 2018;43:78-81

23

(24)

[9] Stranzinger J, Wunderle W, Nienhaus A, Kaiser B, Steinmann J, Polywka S:

Verletzungen mit Infektionsrisiko: Was tun nach dem Stich? Deutsches Ärzteblatt 2019;116:A690-692

[10] Rabenau HF, Gottschalk R, Gurtler L, Haberl AE, Hamouda O, Himmelreich H, Korn K, Mertens T, Schmidt KW, Schmiedel S, Spickhoff A, Wirz G, Wutzler P, Wicker S: Prävention der nosokomialen Übertragung von humanem

Immunschwächevirus (HIV) durch HIV-positive Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheitswesen: Empfehlungen der Deutschen Vereinigung zur

Bekämpfung der Viruskrankheiten (DVV) e.V. und der Gesellschaft für Virologie (GfV) e.V. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 2012;55:937-943

[11] von Schwarzkopf H, Michaelis M, Nienhaus A, Hofmann F: Zum sicheren Einsatz chronisch infizierter Beschäftigter im Krankenhaus.

Krankenhaushygiene up2date 2018;13:435-446

[12] Michaelis M, von Schwarzkopf H, Kranich J, Stößel U, Hofmann F: Zum sicheren Einsatz von chronisch Hepatitis- oder HIV-infizierten und langfristig MRSA-besiedelten Beschäftigten im Gesundheitsdienst (Version 1.1). Freiburg:

FFAS; 2018

[13] Steinigen J: Arbeitsrechtliche Handlungspflichten und -möglichkeiten zur Vermeidung von Krankenhausinfektionen. Zeitschrift für Tarifrecht 2012;26:66- 76

[14] Hofmann F: Zur nosokomialen Übertragung von Hepatitis-B- und Hepatitis-C- Viren durch Beschäftigte im Gesundheitsdienst. ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2015;50:439-445

[15] Henderson DK, Dembry L, Fishman NO, Grady C, Lundstrom T, Palmore TN, Sepkowitz KA, Weber DJ, Society for Healthcare Epidemiology of America:

SHEA guideline for management of healthcare workers who are infected with hepatitis B virus, hepatitis C virus, and/or human immunodeficiency virus.

Infection Control and Hospital Epidemiology 2010;31:203-232

[16] Wunderle W, Hittmann F, von Schwarzkopf H: Verfahrensvorschlag zum Umgang mit chronisch infizierten Mitarbeitern (HBV-, HCV-, HIV-Infektion in medizinischen Einrichtungen in Bremen. Gesundheitswesen 2004;66:121-125

24

(25)

[17] Ochmann U, Zimmermann M, Wicker S: MRSA-Screening von Personal im Gesundheitswesen. ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2019;54:354–361 [18] Diel R, Loytved G, Nienhaus A, Castell S, Detjen A, Geerdes-Fenge H, Haas W,

Hauer B, Königstein B, Maffei D, Magdorf K, Priwitzer M, Zellweger JP, Loddenkemper R: Neue Empfehlungen für die Umgebungsuntersuchungen bei Tuberkulose. Pneumologie 2011;65:359-378

[19] Stranzinger J, Von Schwarzkopf H, Wunderle W, Nienhaus A: TB-Vorsorge entsprechend der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge. In: Nienhaus A, Brandenburg S, Teschler H [Hrsg], Tuberkulose als Berufskrankheit – Ein Leitfaden zur Begutachtung und Vorsorge; 2017

[20] Bundesminiterium für Arbeit und Soziales und Bundesministerium für Gesundheit: Abgestimmte Stellungnahme von BMAS und BMG zu §23a Infektionsschutzgesetz (IfSG), insbesondere zum Verhältnis zur Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV); Stand 29.05.2020;

https://www.baua.de/DE/Aufgaben/Geschaeftsfuehrung-von-

Ausschuessen/AfAMed/pdf/Stellungnahme-Infektionsschutzgesetz.pdf [21] Bundesminiterium für Arbeit und Soziales und Bundesministerium für

Gesundheit: Abgestimmte Stellungnahme von BMAS und BMG zum

Masernschutzgesetz und zu § 20i des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V), insbesondere zum Verhältnis zur Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV); Stand 29.05.2020;

https://www.baua.de/DE/Aufgaben/Geschaeftsfuehrung-von- Ausschuessen/AfAMed/pdf/Stellungnahme-Masernschutzgesetz.pdf [22] Bundesminiterium für Arbeit und Soziales: Zum Thema

Eignungsuntersuchungen, Stand Oktober 2018;

https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Thema-Arbeitsschutz/zum- thema-eignungsuntersuchungen.pdf

AMR und TRBA sind abrufbar unter https://www.baua.de/DE/Angebote/Rechtstexte- und-Technische-Regeln/Technischer-Arbeitsschutz/Technischer-Arbeits-

schutz_node.html.

Links zu AME sind veröffentlicht unter: https://www.baua.de/DE/Aufgaben/Geschaefts- fuehrung-von-Ausschuessen/AfAMed/AME.html.

25

(26)

Anlage 1: Mustervordruck Liste von TBC-Kontaktpersonen Liste zur Auswahl von TBC-Kontaktpersonen unter den Mitarbeitenden Bitte vom Stationspersonal ausfüllen

Station: ____________________ Tel.-Nr. für Rückruf: _____________ Datum: ______________

Patienten_ID (anonymisiert): _________________ stationär vom ___________ bis ___________

Patient ist/war: bettlägerig:  pflegeintensiv:  hustet / hat gehustet: 

Wichtig! Nachweis der TB-Bakterien **TBC-Direktnachweis im Sputum Datum:

* Sputumkultur pos.

unklar / nicht bekannt Name /

Vorname

Geburts- datum

Beruf / Funktion

Mund- schutz

Kurzer Kontakt unter 8h

*,**Enger Kontakt

**Kon- takt

≥8h

*Kon- takt

≥40h Füllt BÄD aus

Bitte leserlich in Druckbuchstaben schreiben und an die Personalabteilung / BÄD schicken.

Beschäftigte mit kürzeren Kontakten, die sich mehrfach für kurze Zeit ohne engen Kontakt und insgesamt unter 8 Stunden im Zimmer des TB-Patienten aufgehalten haben, gelten als nicht be- sonders gefährdet. Sie können sich bei Beratungsbedarf für eine Wunschvorsorge anmelden.

Rückfragen zur Vorgehensweise können an den Betriebsarzt gerichtet werden.

(27)

Anlage 2: Ablaufschema zur Vorsorge bei Tuberkulosegefährdung

Abbildung: Empfehlung zur betriebsärztlichen Beratung und Untersuchung nach TB-Kontakt in Anlehnung an die Empfehlungen des Deutschen Zentralkomitees zur Bekämpfung der Tuberku- lose (DZK) [19]

IGRA = Interferon-Gamma Release Assay; TRU = Thorax-Röntgen-Untersuchung

Das Schema beschreibt nicht die ärztlichen Meldepflichten nach Infektionsschutzgesetz und SGB VII. Diese sind im Abschnitt 3.5.1 nachzulesen.

(28)

Impressum

Herausgeber:

Bundesministerium für Arbeit und Soziales,

Referat Information, Monitoring, Bürgerservice, Bibliothek 53107 Bonn

Stand: August 2020

Wenn Sie Bestellungen aufgeben möchten:

Best.-Nr.: A 461

Telefon: 030 18 272 272 1 Telefax: 030 18 10 272 272 1

Schriftlich: Publikationsversand der Bundesregierung Postfach 48 10 09, 18132 Rostock

E-Mail: publikationen@bundesregierung.de Internet: http://www.bmas.de

Gehörlosen/Hörgeschädigten-Service:

E-Mail: info.gehoerlos@bmas.bund.de Schreibtelefon: 030 221 911 016

Fax: 030 221 911 017

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Satz/Layout: Grafscher Bereich des BMAS, Bonn Titelbild: INQA/Uwe Völkner/FOX

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