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PJ84_S389-391_Dempf_August Vetter als Metaphysiker

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Berichte und Diskussionen 389

nähm e vor, w as ihm in der T a t v ö llig geglückt ist. D ie Untersuchung verm ittelt einen nahezu vo llstän digen Ü berblick über die bisherige medizintheoretische D iskussion zum D iagnoseproblem . D as überzeugende A rgum ent des V erf., wonach fü r G run dbegriffe praktischer D isziplin en eine wissenschaftstheoretische Untersuchung im engeren Sinne nicht ausreicht und durch handlungstheoretische Ü berlegungen ergän zt w erden muß, h at der D iskussion zudem eine bessere B asis gegeben. In Zukunft ist insbesondere von der V ertiefung des handlungstheoretischen Gesichtspunktes ein Fortschritt zu erw arten. E s ist zu hoffen, daß der V erf. dieses T h em a nicht aus den A ugen verliert.

August Vetter als Metaphysiker

Von Alois D E M P F (München)

A ugust Vetter, 1887 in E lb erfeld geboren und im O ktober 1976 in A m m erland am Starnberger See gestorben, hat m it der ihm eigenen a u f G em einverständlichkeit bedach­

ten Sprachgew alt in „Psychologie in Selbstdarstellungen“ seine Lebens- und W erk­

geschichte geschrieben, die Geschichte eines G läubigen, eines D enkers und Seelenfór- schers. D aß er schon im Elternhaus die A tm osphäre der drei K onfessionen erlebte (der V ater w ar reform iert, die M utter evangelisch u nd der G roß vater katholisch), w ar für ihn w ohl von Bedeutung. E r h at die G egensätze später in der eigenen Persönlichkeit zu binden gelernt, ihre anthropologischen Voraussetzungen erforscht, in der G eistes­

geschichte v e rfolgt und schließlich die Lösung der Z eitnot von der Glaubenseinigung erw artet.

In seinem Frühw erk von 1913, „D ie däm onische Z eit“ , das erst 1919 veröffentlicht w urde, ist die K on zeption seines Lebensw erkes enthalten. V on A n fan g an erkannte er den Zusam m enhang von Erkenntnistheorie, L o g ik und O ntologie. A ngeregt durch K a n ts „T ran szen den tale Ä sth etik “ und Bergsons Zeitlehre, untersucht er die Synthese und A ntithese von R au m und Zeit in M aterie und G eist und sucht das durch K a n t nach

„innen“ verschobene Gleichgewicht durch die betonte Entsprechung zwischen N atu r- uind Geistesgesetz w ieder auiszugleichen. „D ie R elatio n von Z eit und R au m , die an sich d as A bsolute ist und als solches die apriorische V orau ssetzun g schlechthin bleibt, er­

scheint (konkret) in Zeit und R au m als K a u salitä t und kategorischer Im p e ra tiv “ (D ä ­ monische Zeit II 52). Auch Einsteins E in fü hrun g der Z eit in die P h ysik h at V etter ontologisch verstanden. A llerdings w ollte er die Z eit nicht als vierte D im ension be­

zeichnen, er nennt sie Bew egungskraftgröße, numerals m otus, die in notw endiger Wech­

selw irkung m it detm Zubew egenden die G estalt bildet.

In der Theorie des W illens und der Liebe betont V etter eine andere Entsprechung.

„A uch W ille und Z w an g, Freiheit und N otw en digkeit stehen in absoluter R e latio n “ ,

„w ir w erden um so freier, je besser w ir die N otw en digkeit kennenlernen“ (Däm onische Zeit I I 52). A us dem Lebensgrund erwachsen Phantasie und Streben, die in ihrer E r­

lebensbedeutung erkannt w erden müssen. Diese Linie w ird in dem neuen Buch1 von 1923

„D ie K ritik des G efü h ls“ wieiterverfolgt. D ie tiefenpsychologischen V erm ögen w erden im „G em ü t“ geeint, das A usdruck der Leibseele ist. D am it korrigiert V etter den „E s- k o m p lex “ der naturwissenschaftlichen Tiefenpsychologen. D ie Leibseele oder der L e­

bensgrund ist Wesenseinheit. D aß der Psychologe und Tiefenpsychologe die m etaphy­

sische Einheit im m er im A uge behält, macht seine Sonderstellung unter seinen Zeitge-

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Berichte und Diskussionen

nossen aus. So verm ag er auch die verschiedenen Richtungen der Tiefenpsychologie als Teilbetrachtungen des Lebensgrundes aufzuzeigen ; als Beispiel seien die Archetypen C . G. Ju n gs genannt, die er durch die sym bolisierende Phantasie erklärt. D am it ist es V etter gelungen, die Leistungen der ursprünglichen V orstellungskraft über die em otio­

nale sym bolisierende Vernunft Schlegels und Schleiermachers hinaus zu würdigen.

D a s H au p tw e rk seiner Sym bolik „D ie M itte der Z eit“ h at Vetter bereits 1933 ge­

schaffen und 1966 verbessert neu aufgelegt. A ber ehe au f diese G laubens- und G eistes­

geschichte näher eingegangen w ird, noch ein W ort zu den W erken „N a tu r und Person“ , U m riß einer A nt'hropognom ik v o n 1949, und „P erson ale A n th rop o lo gie“ , A ufriß der humanen Stru ktu r von 1966. In unermüdlicher Synthese der Antithesen v e rfolgt Vetter in ihnen die Bindung der konträren K rä fte in der Substanzeinheit, d. h. in der Person und in den N atu rstu fen (Geistseele, Leibseele, Leib). O hne genauere K enntnis der a lt­

christlichen und scholastischen Menschenlehre von der K oord in atio n von Person und Geistseele und der Subordination der Leibseele und des Leibes unter die Geistnatur, die tausend Jah re lang bis zu D escartes maßgeblich w ar und vom N eovitalism us wieder aufgenom m en w urde, erreicht V etter denselben A ufriß der humanen Struktur, wenn auch m it einer anderen Term inologie und bereichert durch die F ülle der Ergebnisse m oderner Wissenschaft. Ein Menschenalter nach seinem Frühw erk erreichte der scharf­

sinnige und viel erprobte G rap h olo ge und C h arakterologe die über den psychophysi­

schen Parallelism us hinaus erstrebte personale A nthropologie. Selbstsein ermöglicht Selbstbewußtsein, Selbstbestim m ung und Selbsterleben in der T at. D er Geist bestim mt den Lebensgrund und den O rganism us. „ N u r vo m instinktenthobenen Menschen kann rechtmäßigerweise gesagt w erden, er sei außerdem noch Person. In dieser K erninstanz ist die natürliche A ngelegtheit der Seele und des G h arakters geistig überform t, w as ihre mögliche Entzw eiung verhindert. Durch ihre numinose Beziehung zur Transzendenz hebt sich die Person sodann von der empirisch faßbaren Persönlichkeit ab, in der ihr Wiesen zur Erscheinung gelan gt“ (Personale A nthropologie, 1966, 40/41). „F ü r das humane Selbstverständnis ist die Berücksichtigung des vegetativen Lebensgrundes wie des transzendierenden Geistes gleich unerläßlich, weil sie die beharrende Achse unseres G efüges kon stituieren “ (ebd. 176).

D ie M ethoden zur Beobachtung des V ollzugs der Geistgesetzlichkeit sind A usdrucks­

sym bolik, Tiefenpsychologie und W esenslehre. D er Lebensgrund ist vegetative und sen­

sitive W esenheit im W iderstreit m it den sensorischen und motorischen A ntrieben in der Lebensangst. D iese kann bew ältigt w erden durch die „B in dungsm itte“ des Selbstgefühls, M itgefühls und transitiven G ottesbezugs. E rst im Geistbereich w ird die Im agination au f höherer Ebene durch die ideative und im perative Spannung der Vernunft reif fü r M etaphysik.

V etters H au p tw e rk der Lebensweisheit von 1933 „M itte der Z eit“ ve rrät durch seinen U ntertitel „Geschichtlichkeit des Geistes im Lichte der Menschwerdung G o ttes“ aus­

drücklich den metaphysischen H in tergru n d seiner Überzeugung. In diesem Jah re des U nheils und U ngeists ist das Buch einie unerbittliche K am p fan sag e durch sein Bekenntnis zur geoffenbarten, ewigen W ahrheit. Ebenso w ie K a rl B arth ist Vetter von K ie rk e­

g aard erweckt, durch den ihm die „V erfassun g des neuzeitlichen Menschen . . . in seiner verselbständigten N a tu r “ enthüllt w ird. D ies gilt trotz seiner kritischen Bedenken. D er Titel seiner K ierkegaard deutu n g „F röm m igkeit als Leidenschaft“ kennzeichnet ihn selbst.

So betont er in der Einleitung zur „M itte der Z e it“ ausdrücklich, daß er die religiöse Fragestellung zum A usgangspu nkt nim mt. Je tz t w ird die gebotene Bew ältigung der Lebensangst durch die H offn u n g au f ewige Seligkeit zur M itte der Persönlichkeitsent­

wicklung. Sie ist die persönliche Begründung der ewigen G otteskindschaft aller M en­

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sehen durch' C hristus und w ird au f diese Weise m it der Gesam tentw icklung in P arallele gesetzt. D er Geist der Zeiten vollendet sich, ähnlich wie schon im Jugendw erk, in der Integration des wesentlichen W issens, W ollens und Liebens. D ie anthropologische M eta­

p h ysik steht hinter der Geschichtlichkeit. D em G erede v o m M y th o s um 1933 setzt V etter eine fundierte D arstellu ng frühmenschlicher G eistesart aus mystischem und magischem Seelenleben entgegen, die Geisterglauben, Zauberhandlungen, N aturerleben, Sitten vo r­

schriften und Erlösung in G ebet und O p fer um faßt und die O b jektivität in der D re i­

einigkeit von V atergott, M uttergöttin und Sohnschaft erreicht. Doch sind hier theologi­

sche und philosophische Fragen nur insow eit behandelt, „w ie sie zur anthropologischen G rundlegung gehören, wenn diese nicht v ö llig der naturalistischen Selbstentfrem dung anheim fallen soll, von der sie heute mehr denn je verlockt w ird “ (250). V or allem ist hier neben dem H istoriker der unvergleichliche K enner menschlicher Seelen kräfte am W erke. „A u s dem G ew irr der Geister fragen w ir nach dem G eist, aus dem D unkel der Sinnlichkeit nach dem Sin n “ (201). In der E in m aligkeit des Gottmenschen, der Einheit des ewigen L ogos m it dem leidenden u n d auferstehenden Menschen ist das U rb ild und V orbild der eigenen V ollendungspflicht gefunden. V etter entwickelt hierbei eine neue D ialektik von Idee, Im perativ und D ogm a, die die unsichtbare Kirche begründet. D as christliche Gottesreich en tfaltet das N ebeneinander von johanneischem, paulinischem und schließlich petrinischem Christentum . „D ie D reifaltigk eit des christlichen G ottes w irkt sich gleichwohl erst im geschichtlichen Zusam m enhang der christlichen Bekennt­

nisse aus, die darum untrennbar sind. Doch zwischen dem einmal geborenen und dem w iedergeborenen Jün ger, den tragenden Säulen der östlichen und der westlichen G lau ­ bensgemeinschaft, steht der A postel, au f den der Stifter des Christentum s selbst seine K irche gründet. Seine Jüngerschaft verläuft weder gleichförmig noch weist sie jene un­

bedingte U m kehr auf. In ihrer M itte liegt die dreim alige V erleugnung: das Erlebnis abgründiger Skepsis, aus der sich das D ogm a bildet, als Fels, der den B au der Kirche trä g t“ (220). D as ist neu gegenüber dem romantischen Dreischritt des N acheinanders von K ath olizism us, Protestantism us und O rthodoxie.

A ugust V etter w ar ein großer Psychologe und gleichzeitig ein M eister der kritisch- realistischen M etaphysik. Durch diese M etaphysik hat er eine besondere Stellung unter den Zeitgenossen seiner W issenschaft erreicht. M öge seine Bedeutung fü r eine Lösu ng der heutigen K rise des Geistes deutlicher erkan nt werden.

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