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T r a n s f o r m a t i o n s f o r s c h u n g

- Band 2 -

Arbeitsrnarkt und Beschäftigung im Transformationsprozeß

Holle Grünert

Dezember 1993

Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung Reichpietschufer 50, D-10785 Berlin

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Seite Abschnitt I:

Zum Stand der transformationsorientierten Arbeitsmarktforschung

und Arbeitsmarkttheorie 1 1. Ein verbreitetes Defizit an theoretischer Reflexion 1

2. Zur Rolle der Institutionen bei der Erklärung des

Transformationsprozesses 3 3. Der segmentationstheoretische Ansatz 4

4. Interne Arbeitsmärkte als dominantes Merkmal der Beschäftigungs­

strukturen in der DDR 6 5. Umbruch der ostdeutschen Arbeitsmärkte im Lichte der

Segmentationstheorie 7 Abschnitt II:

Überblick über (vorwiegend empirische) Literatur zu Arbeitsmarkt und

Beschäftigung im Transformationsprozeß 9 1. Aggregierte Darstellungen der Beschäftigungsentwicklung 9

1.1 Fachserien des Statistischen Bundesamtes 10 1.2 Daten der Bundesanstalt für Arbeit 12

1.3 Sozio-ökonomisches Panel 15 1.4 Zu einigen Lücken in der Datenbasis 16

2. Auswirkungen der Transformation auf verschiedene Gruppen der

erwerbsfähigen Bevölkerung 17

2.1 Frauen 18 2.2 Jugendliche und ältere Menschen 19

2.3 Wissenschaftler, FuE-Personal 20 2.4 Differenzierungstendenzen in der ostdeutschen Bevölkerung 20

3. Erwerbsbiographien 21 4. Zusammenhang von Arbeitsmarkt und Wirtschaftsentwicklung 22

5. Arbeitsmarktpolitische Instrumente und normative Regulierung

von Arbeit 24 6. Entwicklungstendenzen von Bildung und Qualifizierung 27

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2. Veröffentlichungen zu Arbeitsmarkt und Beschäftigung im Transformationsprozeß

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Abschnitt I:

Zum Stand der transformationsorientierten Arbeitsmarktforschung und Arbeitsmarkttheorie

Auf dem Gebiet von Arbeitsmarkt und Beschäftigung treten die Wirkungen des Transformationsprozesses in den neuen Bundesländern besonders gravierend zu­

tage. Etwa die Hälfte der 1989 vorhandenen Arbeitsplätze ist obsolet geworden.

Beim überwiegenden Teil der verbliebenen oder neu geschaffenen Arbeitsplätze haben sich die Anforderungen stark verändert. Angesichts dieser Problemdimen­

sionen verwundert es nicht, daß eine Vielzahl sozial- und wirtschaftswissenschaftli­

cher Arbeiten zu Verlauf und Folgen des Transformationsprozesses in den neuen Bundesländern sich speziell mit Themen aus dem Bereich von Arbeitsmarkt und Beschäftigung befaßt.

1. Ein verbreitetes Defizit an theoretischer Reflexion

Jedoch konzentrieren sich die bisherigen Veröffentlichungen überwiegend auf Teil­

aspekte. Die meisten tragen ausgeprägt empirischen Charakter. Sie sind darauf ge­

richtet, die ablaufenden Veränderungen zu dokumentieren. Gleichzeitig verfolgt ein Teil der Autoren das Ziel, politischen und wirtschaftlichen Akteuren (der Bundes­

regierung, der Bundesanstalt für Arbeit, den Landesregierungen, den Tarifparteien) Entscheidungshilfen zu geben. - In Abschnitt 2 wird ein relativ umfassender Über­

blick über einschlägige Publikationen gegeben.

Allen diesen Arbeiten ist gemeinsam, daß theoretische Fragen kaum aufgegeriffen werden. Die Ursache könnte darin liegen, daß einerseits die vorhandenen Arbeits­

markttheorien unter Transformationsbedingungen nicht genügend Erklärungskraft besitzen und daß es andererseits noch nicht gelungen ist, aus der empirischen Transformationsforschung und der hieraus entstehenden theoretischen Reflexion Fragen an die Arbeitsmarktforschung zu richten.

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Dies wiederum ließe sich daraus erklären, daß

der Mainstream der Volkswirtschaftslehre von der Neoklassik geprägt ist;

die neoklassische Arbeitsmarkttheorie aber kaum geeignet ist, jene Prozesse, die sich auf dem Arbeitsmarkt (bzw. den Arbeitsmärkten) im Gebiet der ehe­

maligen DDR seit 1989 vollzogen haben, durchschaubar zu machen.

Die neoklassische Arbeitsmarkttheorie geht bekanntlich davon aus, daß Anbieter und Nachfrager auf dem Arbeitsmarkt individuell und punktuell ihren Nutzen ma- ximieren: Arbeitskraft wird solange angeboten, wie der Grenznutzen der Waren, die der Anbieter für sein Arbeitseinkommen kaufen kann, für ihn gleich dem Nut­

zen der geopferten Freizeit ist. Und sie wird solange nachgefragt, wie für den Er­

werber der Grenzerlös aus der Beschäftigung zusätzlicher Arbeitskraft gleich den Grenzkosten ihrer Entlohnung ist. Als Gleichgewichtsbedingung werden markt­

räumende Preise (Löhne) unterstellt.

Auch Erweiterungen der neoklassischen Arbeitsmarkttheorie (human capital theory, job search theory, die Berücksichtigung verschiedener Transaktionskosten) bleiben

letztendlich diesem Grundprinzip verhaftet.

Zur Abbildung einer Situation, in der der Arbeitsmarkt durch starke Asymmetrien und gruppenspezifisch weit divergierende Opportunitätsstrukturen gekennzeichnet wird, wie dies charakteristischerweise in den neuen Bundesländern der Fall ist, können solche Konzepte offenkundig wenig beitragen. Sie werden denn auch in der Literatur auf Probleme von Arbeitsmarkt und Beschäftigung in den neuen Ländern bisher kaum "herübergeschlagen".

Dies legt es nahe zu fragen, ob nicht vom Mainstream abweichende theoretische Zugänge zur Analyse des Arbeitsmarktes sehr viel erfolgversprechender sind. Er­

forderlich scheint ein Zugang, der nicht individuelles Entscheiden und Handeln ab­

solut setzt, sondern vielmehr die Vorstrukturierung des Arbeitsmarktes und die hierbei wirksamen Faktoren - vor allem institutioneller Art - in den Mittelpunkt rückt.

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2. Zur Rolle der Institutionen bei der Erklärung des Transformations- prozesses

Bei vielen mit Transformationsforschung beschäftigten Sozialwissenschaftlern hat sich in jüngster Zeit zunehmend die Erkenntnis durchgesetzt, daß Institutionen bei der Erklärung des Transformationsprozesses und der durch ihn ausgelösten Pro­

bleme eine Schlüsselrolle spielen. So bezeichnet Zapf (1992, S. 12) Transforma­

tion und Transition als Modernisierungsprozesse, "die sich ... dadurch auszeich­

nen, daß das Ziel bekannt ist: die Übernahme, Errichtung, Inkorporation von mo­

dernen demokratischen, marktwirtschaftlichen, rechtsstaatlichen Institutionen".

Auch die Teilnehmer eines Workshops der Kommission zur Erforschung des so­

zialen und politischen Wandels (KSPW) im Mai 1993 in Halle haben sich darauf verständigt, Transformation als jenen (auf dem Gebiet der neuen Länder in den Grundzügen sehr rasch vollzogenen) politisch-institutionellen Wandel zu verste­

hen^, dessen vielfältige soziale Folgen jetzt sowohl praktisch bewältigt als auch wissenschaftlich aufgearbeitet werden müssen.

Lutz (1992, S. 141 f.) betont, ein großer Teil der Schwierigkeiten bei der Integra­

tion Ostdeutschlands in die Bundesrepublik sei dadurch zu erklären, daß in der bundesdeutschen Gesellschaft ein unvollständiges Bild von ihren eigenen Verhält­

nissen vorgeherrscht habe: "Die wichtigste Schwäche dieses Bildes scheint in der weitgehenden Ausblendung des komplizierten institutionellen Gefüges zu liegen, das sich seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges ... in einer tendenziell immer breiter werdenden Überlappungszone zwischen Politik, Wirtschaft und privatem Leben herausgebildet hatte." Auf Grund dieses verzerrten Bildes seien sowohl die strukturellen Unterschiede zwischen den beiden Teilen Deutschlands, die im Zuge der Wiedervereinigung überwunden werden mußten, als auch die dabei auftreten­

den Probleme stark unterschätzt worden.

Der Nexus zwischen den hier skizzierten Positionen und der Arbeitsmarkttheorie dürfte darin bestehen, daß wesentliche Aspekte des Umbruchs von Arbeitsmarkt

Der dabei strittig gebliebenen Frage, ob Institutionen nur als Normen (Lepsius) oder gleichzeitig als diese Normen inkorporierende Organisationen (Lutz u.a.) aufzufassen sind, soll hier nicht weiter nachgegangen werden. Im­

plizit liegt den folgenden Ausführungen jedoch die zweite Auffassung zu­

grunde.

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und Beschäftigung nicht allein durch die veränderte makroökonomische Konstella­

tion zu erklären sind, sondern ihrerseits auf der institutionellen Ebene liegen (im Wandel der Arbeitsmarktstrukturen, der betrieblichen und überbetrieblichen Regu­

lierungsformen von Arbeit usw.). Eine institutionentheoretische Analyse dieser Veränderungen und Problemlagen stellt eine nachdrückliche Herausforderung an die Sozialwissenschaften und insbesondere an ihr konzeptionelles Instrumentarium dar. Sie könnte sowohl zum besseren Verständnis des Transformationsprozesses und seiner Folgen beitragen, als zugleich auch neue Denkanstöße für die Arbeits­

marktforschung, vor allem in strukturell-segmentationstheoretischer Sicht geben.

3. Der segmentationstheoretische Ansatz

Im Gegensatz zur streng, neoklassischen Arbeitsökonomik hoben institutionelle Ökonomen in den USA schon in den 40er und 50er Jahren (eher soziologisch ar­

gumentierend) die Existenz nicht-marktgesteuerter, von Institutionen beherrschter und verfestigter Arbeitsmärkte hervor, deren Entstehungsursachen sie hauptsächlich in der zunehmenden Zahl großer Unternehmen und in den sich ausbreitenden Indu­

striegewerkschaften sahen. Das Verdienst von Doeringer und Piore in der zweiten Hälfte der 60er Jahre bestand darin, daß sie (darauf aufbauend) den "internen Ar­

beitsmarkt" als wissenschaftliche Kategorie einführten und Barrieren zwischen be­

triebsinternem Arbeitsmarkt und externem Arbeitsmarkt herausarbeiteten.

In Deutschland griffen besonders die Autoren des "Münchner Segmentationsan- satzes" (Lutz, Sengenberger u.a.) sowie die WZB-Autoren Freiburghaus und Schmid diese Anregungen auf. Der wesentliche Unterschied gegenüber dem ur- spünglichen Dualismus von Doeringer und Piore (der in späteren Arbeiten von Piore durch eine weitere Differenzierung des primären Marktes ergänzt wurde) be­

steht in der Definition dreier Idealtypen von Arbeitsmärkten: dem "Jedermanns- Markt", der keine besonderen Qualifikationen voraussetzt, dem berufsfachlichen Markt und dem internen Markt, dessen Verbreitung zur "betriebszentrierten Ar­

beitsmarktsegmentation " führt.

Unter "internem Arbeitsmarkt" sei hierbei, in Anlehnung an die genannten Auto­

ren, eine Kombination folgender Merkmale verstanden:

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langfristig angelegte Beschäftigungsverhältnisse (tendenziell lebenslange Be­

schäftigung) mit mehr oder minder geregelten Aufstiegsmustern, wobei Auf­

stieg und Qualifizierung eng miteinander verbunden sind (qualifizierende Mo­

bilitätsketten im Sinne von Doeringer/Piore)

Austausch mit dem externen Markt nur über einen begrenzten Satz von

"Einstiegsarbeitsplätzen" mit im Regelfall relativ niedriger Qualifikation und, gemessen an den von hieraus durch Aufstieg erreichbaren Arbeitsplätzen, ver­

hältnismäßig schlechten Arbeitsbedingungen

ausgeprägte Stratifizierung der Arbeitsplätze, zumeist im Rahmen arbeitsteilig bürokratischer Organisationsstrukturen und

hohe ßetriebsspezifizität der Qualifikationen.

Interne Arbeitsmärkte - d.h. Arbeitsplatz- und Organisationsstrukturen ("Arbeitsstrukturen" im Sinne von Lutz, 1987) - sind aus verständlichen Gründen fast nur in Großbetrieben bzw. Großorganisationen (z.B. öffentliche Verwaltung oder Armee) zu finden. Dies wird in der Literatur bisher am Beispiel westlicher Industrieländer und Japans untersucht.

Das Konzept des internen Arbeitsmarktes ist ein charakteristisches Konzept der Mikroebene, d.h. des einzelnen Betriebes bzw. Unternehmens. In der arbeits- markttheoretischen Diskussion der 70er Jahre spielte nun die Frage eine wesentli­

che Rolle, wie das relative Gewicht interner Arbeitsmärkte in einer ganzen Volkswirtschaft, also der Grad betriebszentrierter Arbeitsmarktsegmentation auf der Makroebene, zu bewerten sei.

In Ermangelung zuverlässiger und detaillierter Verlaufsdaten über die Mobilität der gesamten Erwerbsbevölkerung (die erst in den 80er Jahren verfügbar waren) wurde deshalb ein Ersatzindikator gesucht. Er wurde abgeleitet aus der These, daß die Funktionsfähigkeit interner Arbeitsmärkte an eine explizite oder implizite Beschäf­

tigungsgarantie (zumindest im Anschluß an eine gewisse Übergangszeit auf

"Eintrittsarbeitsplätzen") gebunden sei; während umgekehrt funktionierende ex­

terne Arbeitsmärkte von bestimmten Institutionen und Leistungssystemen abhängig sind.

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4. Interne Arbeitsmärkte als dominantes Merkmal der Beschäftigungs­

strukturen in der DDR

Auf diese Diskussionszusammenhänge soll in unserem Kontext zurückgegriffen werden:

Zwar liegen über einzelne empirische Fallstudien hinausgehende arbeitsmarkttheo- retische Analysen der Beschäftigungsstrukturen (des "Beschäftigungssystems") der ehemaligen DDR und insbesondere ihrer Kombinate, in denen ungefähr die Hälfte der Erwerbspersonen tätig war, nicht vor. Eine Reihe von Tatsachen und Überle­

gungen sprechen jedoch für die Annahme, daß eine Analyse dieser Strukturen als interne Arbeitsmärkte im Sinne der Theorie der Arbeitsmarktsegmentation sehr aufschlußreich wäre.

Unabhängig von eventuellen rechtlichen Normen, die den einzelnen Beschäftiger zwingen oder veranlassen, seinen Beschäftigten hohe Arbeitsplatzsicherheit zu ga­

rantieren, läßt sich - und dies ist für die Anwendung der Theorie interner Arbeits­

märkte auf die ehemalige DDR von großer Bedeutung - das relative Gewicht inter­

ner Arbeitsstrukturen bzw. der Internalisierungsgrad der Beschäftigungsverhältnisse auch ex negativo daran messen, inwieweit die für das Funktionieren externer, vor allem berufsfachlicher Arbeitsmärkte notwendigen Institutionen und Regelungen existierten. Hierzu gehören:

eine Arbeitsvermittlung als zentrales Instrument der Informationsgewinnung ein System der Arbeitslosenversicherung, die ja keineswegs nur eine Absiche­

rung gegen Einkommensverlust im Falle unfreiwilliger Arbeitslosigkeit be­

deutet, sondern auch zu einer substantiellen Reduzierung der Suchkosten der einzelnen Arbeitskraft beiträgt

betriebsexterne Umschulungs- und Weiterbildungsinstitutionen

leistungsfähige überbetrieblich agierende Institutionen der Interessenvertretung und nicht zuletzt ein Bildungs- und Ausbildungssystem, das betriebsunabhän­

gige Qualifikationen vermittelt und diese mit "arbeitsmarktgängigen" Ab­

schlüssen/Diplomen zertifiziert.

Je weniger Institutionen und Normen der genannten Art existieren, desto stärker wird der Druck auf die Beschäftiger, ihre Arbeitskräftepolitik zu internalisieren. Je

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mehr wiederum die Strukturmuster interner Arbeitsmärkte die Wirtschaft eines Landes prägen, desto geringer ist auch die Notwendigkeit und die Chance dafür, daß diese Institutionen und Normen entstehen.

In der Perspektive der Funktionsvoraussetzungen (bzw. der Existenz) externer Ar­

beitsmärkte ergibt sich für die DDR ein sehr klares Bild: Es gab keine Arbeitsäm­

ter und keine Arbeitslosenversicherung, da - per definitionem - auch keine Ar­

beitslosigkeit existierte (und zumindest offene Arbeitslosigkeit tatsächlich nicht be­

stand). Überbetriebliche Institutionen der Interessenvertretung waren schwach, wie sich an der Rolle der im Freien Deutschen Gewerkschaftsbund (FDGB) zusam­

mengeschlossenen Gewerkschaften zeigte. Was Institutionen auf den Gebieten von Aus- und Weiterbildung betrifft, so war die Situation differenziert (siehe Abschnitt 2.6).

Soweit externe Arbeitsmärkte vorhanden waren, wurden die entsprechenden Funk­

tionen (Lehrstellenvermittlung, Absolventenvermittlung, überhaupt Arbeits­

kräftelenkung", Verantwortung für soziale Problemfälle u.a.), bei insgesamt ge­

ringer institutioneller Differenzierung der DDR-Gesellschaft, bis zu einem gewis­

sen Grade ersatzweise durch die vorhandenen "Basisinstitutionen" (Lutz, 1992) mit wahrgenommen.

Insgesamt aber bestanden externe Arbeits "markte" (soweit man diesen Begriff überhaupt verwenden kann für eine Gesellschaft, die sich ausdrücklich dagegen verwahrte, Arbeit oder Arbeitskraft könnten in ihr Warencharakter tragen) nur ru­

dimentär, auf Teilgebieten, ergänzend zur vorherrschenden Strukturierung des Be­

schäftigungssystems in internen Arbeitsmärkten.

5. Umbruch der ostdeutschen Arbeitsmärkte im Lichte der Segmentations- theorie

Wenn es richtig ist, daß Arbeitsmarktstukturen und Beschäftigungsverhältnisse in der ehemaligen DDR stark bis sehr stark von den Merkmalen des internen Ar­

beitsmarktes geprägt waren (und zwar wesentlich stärker, als dies in Westdeutsch­

land der Fall war und ist), müssen sich daraus auch weitreichende Konsequenzen für den Transformationsprozeß ergeben.

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So ist zu erwarten, daß der - nur zu einem geringen Teil durch die Entstehung neuer Arbeitsplätze kompensierte - Verlust von über der Hälfte der Beschäfti­

gungsmöglichkeiten aus der alten DDR zu einer ausgeprägten Differenzierung der Erwerbschancen und beruflichen Perspektiven der Bevölkerung in den neuen Bun­

desländern führt und weiter führen wird. Alle bisherigen empirischen Untersu­

chungen bestätigen, daß die fortbestehenden Arbeitsplätze fast ausschließlich mit bereits früher hier beschäftigten Arbeitnehmern besetzt sind. Für alle anderen Er­

werbstätigen im Gebiet der ehemaligen DDR ist eine stabile und einigermaßen at­

traktive Beschäftigungsperspektive nur dann erreichbar, wenn ihnen der Einstieg in einen berufsfachlichen Arbeitsmarkt gelingt; hierauf waren jedoch die meisten Ar­

beitnehmer der DDR (von ihrer Berufserfahrung wie von den antrainierten Ver­

haltensweisen her) ausgesprochen schlecht vorbereitet.

Wem dieser Einstieg nicht gelungen ist, der dürfte auch auf längere Zeit wenig an­

dere Perspektiven haben als Dauerarbeitslosigkeit oder einen mehr oder minder prekären Arbeitsplatz deutlich unterhalb des früheren Qualifikationsniveaus und Berufsstatus.

Das arbeitsmarktpolitische Instrumentarium der alten Bundesländer, das ohne sub­

stantielle Modifikationen, allerdings mit einem einzigartigen Aufwand eingesetzt wurde, um den Strukturwandel im Gefolge der deutschen Einheit sozial abzufedern und zu unterstützen, ist dagegen nach wie vor primär an zwischenbetrieblichen An­

passungsprozessen und insbesondere an deren Bewältigung über berufsfachliche Märkte orientiert. Es scheint der besonderen Situation in Ostdeutschland nur be­

dingt gerecht werden.

Wesentliche Arbeitsmarktprobleme, die im Zuge der Transformation des ostdeut­

schen Wirtschaftssytems und der Bewältigung der Transformationsfolgen auftreten, dürften, nach Ansicht der Verfasserin, zureichend nur erklärt (und damit letztend­

lich auch gelöst) werden, wenn man sie in einer segmentationstheoretischen Per­

spektive, als Prozesse und Folgen des Umbruchs in Arbeitsmarktstrukturen, Seg- mentationslinien und den hiermit verbundenen Allokationsmustern und Verhal­

tensanforderungen analysiert.

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Abschnitt II:

Überblick über (vorwiegend empirische) Literatur zu Arbeitsmarkt und Beschäftigung im Transformationsprozeß

Die bisher vorliegenden Untersuchungen tragen, wie erwähnt, eher empirischen Charakter. Thematisch lassen sich dabei unter den einschlägigen Publikationen mindestens folgende Gruppen unterscheiden:

Aggregierte Darstellungen von Beschäftigungsentwicklung, Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit;

Arbeiten zu den Auswirkungen der Transformation auf bestimmte Gruppen der erwerbsfähigen Bevölkerung (nach Alter, Geschlecht, Bildungsabschluß und anderen individuellen Merkmalen);

Untersuchungen über Erwerbsbiographien der ostdeutschen Bevölkerung;

Analysen zum Zusammenhang von Arbeitsmarkt und Wirtschaftsentwicklung, Lage der Unternehmen;

Untersuchungen über arbeitsmarktpolitische Instrumente und ihre Wirksamkeit sowie über die normative Regulierung von Arbeit;

Veröffentlichungen zu neuen Anforderungen und Entwicklungstendenzen auf dem Gebiet von Bildung und Qualifizierung.

Auf diese Gruppen wird im folgenden kurz eingegangen.

1. Aggregierte Darstellungen der Beschäftigungsentwicklung

Eine wichtige Voraussetzung, um überhaupt zu Arbeitsmarktstrukturen in den neuen Bundesländern vordringen zu können, bilden zunächst einmal aggregierte Darstellungen der Beschäftigungsentwicklung, von Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit.

Solche Darstellungen basieren auf umfangreichem statistischem Material, dessen Erhebungsmethoden und Aufbereitungskriterien z.T. aus den alten Bundesländern übertragen werden konnten, z.T. neu erarbeitet werden mußten. Die Federführung liegt dafür beim Statistischen Bundesamt, Wiesbaden, und der Bundesanstalt für Arbeit, Nürnberg.

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1.1 Fachserien des Statistischen Bundesamtes

Im Kontext von Arbeitsmarkt und Beschäftigung im Transformationsprozeß inter­

essieren besonders die Fachserien 1 (Bevölkerung und Erwerbstätigkeit) sowie 16 (Löhne und Gehälter).

Fachserie 1:

Reihe 4 Erwerbstätigkeit

Reihe 4.1 Struktur der Erwerbsbevölkerung

Reihe 4.1.1 Stand und Entwicklung der Erwerbstätigkeit (Ergebnisse des Mikrozensus)

Reihe 4.1.2 Beruf, Ausbildung und Arbeitsbedingungen der Erwerbstätigen (Ergebnisse des Mikrozensus) Reihe 4.2 Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte Reihe 4.2.1 Struktur der Arbeitnehmer

Reihe 4.2.2 Entgelte und Beschäftigungsdauer der Arbeitnehmer Reihe 4.3 Erwerbstätigkeit und Arbeitsmarkt

(Bundesergebnisse einschl. Ergebnisse aus den neuen Bundesländern)

Hier sei besonders auf den Mikrozensus verwiesen: Er wird als jährliehe Reprä'- sentativstatistik über die Bevölkerung und den Arbeitsmarkt in der Bundesrepublik Deutschland seit 1957 durchgeführt. In die Erhebung vom April 1991 wurden erstmals auch die neuen Länder und Berlin-Ost einbezogen. Die Ergebnisse dös Mikrozensus vom April 1991 liefern somit die ersten - auch international ver­

gleichbaren - Daten über Art und Umfang der Erwerbsbeteiligung sowie die wirt­

schaftliche und soziale Lage der Bevölkerung in allen 16 Bundesländern.

Da sich in den neuen Ländern seit der Vereinigung Deutschlands rasche und tief­

greifende Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt vollziehen, das statistische Ge­

samtsystem aber noch nicht voll ausgebaut ist, werden Zusatzinformationen benö­

tigt, die diese kurzfristigen Entwicklungen aufzeigen. Daher wurden im Oktober 1991 und im Januar 1992 zwei MikrozensusZusatzerhebungen durchgeführt, die sich ausschließlich auf die neuen Bundesländern und Berlin-Ost bezogen. Das Er­

hebungsprogramm konzentrierte sich auf das zwingend Notwendige und erfaßte vorrangig (neben demographischen Angaben) Merkmale zur Erwerbstätigkeit, Er-

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werbslosigkeit und zum Unterhalt/Einkommen. Für die Mikrozensus-Zusatzerhe- bungen wurden die Haushalte eines sogenannten Rotationsviertels (ein Viertel der Auswahlbezirke eines Erhebungsjahres) herangezogen, die auch schon im April 1991 befragt worden waren. Bei einem Auswahlsatz von 1 % der Bevölkerung in einem "normalen" Mikrozensus waren es hier also nur 0,25 %, so daß der Gliede­

rungstiefe der Ergebnisse engere Grenzen gesetzt sind.

Erste Ergebnisse zur Entwicklung der Erwerbstätigkeit in den neuen Ländern und Berlin-Ost aus dem Mikrozensus vom April 1991 sowie aus den Mikrozensus-Zu- satzerhebungen vom Oktober 1991 und Januar 1992 erschienen in der Zeitschrift Wirtschaft und Statistik (1993), Heft 2. Detailliertere Angaben werden in den er­

wähnten Reihen des Statistischen Bundesamtes veröffentlicht. Die turnusmäßigen Erhebungen, unter Einschluß der neuen Länder, wurden inzwischen mit zwei Wellen im Mai 1992 und im April 1993 fortgesetzt.

Fachserie 16:

Reihe 1 Arbeiterverdienste in der Landwirtschaft

Reihe 2 Arbeitnehmerverdienste in Industrie und Handel Reihe 2.1 Arbeiterverdienste in der Industrie

(Bundes- und Länderergebnisse einschl. Ergebnisse aus den neuen Bundesländern)

Reihe 2. S.l (Sonderbeitrag):

Arbeiterverdienste in der Industrie der neuen Bundesländer (Ausgabe Januar 1991)

Reihe 2.2 Angestelltenverdienste in Industrie und Handel (Bundes- und Länderergebnisse einschl. Ergebnisse aus den neuen Bundesländern)

Reihe 2. S.2 (Sonderbeitrag):

Angestellenverdienste in Industrie und Handel der neuen Bundesländer

Reihe 3 Arbeiterverdienste im Handwerk Reihe 4 Tariflöhne und -gehälter

Reihe 4.1 Tariflöhne (Bundes- und Länderergebnisse einschl.

Ergebnisse aus den neuen Bundesländern)

Reihe 4.2 Tarifgehälter (Bundes- und Länderergebnise einschl.

Ergebnisse aus den neuen Bundesländern)

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Mit Inkrafttreten des Einigungsvertrages am 3. Oktober 1990 gilt das Gesetz über die Lohnstatistik auch in den neuen Bundesländern. Die Übergangsmodalitäten re­

gelt - wie für die Bundesstatistik allgemein - die sogenannte Statistikanpassungs­

verordnung. Hiernach ist für die Einführung der einzelnen Repräsentativerhebun­

gen ein Stufenplan vorgesehen.

Trotz Schwierigkeiten, die durch die Umstrukturierung der Wirtschaft bedingt wa­

ren, konnte die laufende Verdienststatistik in Industrie und Handel mit dem Be­

richtsmonat Januar 1991 als erste der repräsentativen Lohnstatistiken in den neuen Bundesländern eingeführt werden. Übergangsweise sind hierbei Unternehmen er­

faßt worden, da zunächst keine Auswahlgrundlagen für Betriebe, d.h. "örtliche Niederlassungen" der Unternehmen, existierten. Mit dem Berichtsmonat Juli 1992 wurde die jeweils für den ersten Monat eines Quartals durchgeführte Erhebung auf das Betriebskonzept umgestellt und der Berichtskreis neu abgegrenzt. Dies gilt ebenfalls für die Bruttojahresverdiensterhebung in Industrie und Handel. Die in halbjährlichem Turnus erfolgende Verdiensterhebung im Handwerk wurde erstma­

lig für den Berichtsmonat Mai 1992, die jährliche Verdiensterhebung in der Land­

wirtschaft für den Berichtsmonat September 1992 durchgeführt.

Ein Zwischenbericht über die Einführung und erste Ergebnisse der Lohnstatistik in den neuen Bundesländern erschien in der Zeitschrift Wirtschaft und Statistik (1992), Heft 7.

1.2 Daten der Bundesanstalt für Arbeit

Aggregierte Darstellungen zu Arbeitsmarkt und Beschäftigung in den neuen Bun­

desländern finden sich

- in den Amtlichen Nachrichten der Bundesanstalt für Arbeit, - im Arbeitsmarkt-Monitor für die neuen Bundesländer wie auch

- in den Erhebungen der Beschäftigungsperspektiven von Treuhandunternehmen und Ex-Treuhandfirmen.

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Amtliche Nachrichten der Bundesanstalt für Arbeit:

Basierend auf den Mitteilungen der Arbeitsämter, informieren die Amtlichen Nach­

richten der Bundesanstalt für Arbeit unter anderem über:

- die Zahl der Arbeitsuchenden und offenen Stellen;

- Arbeitsvermittlungen;

- Kurzarbeit;

- Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung (ABM);

- Maßnahmen zur beruflichen Fortbildung, Umschulung und Einarbeitung;

- Berufsausbildungsstellen und Bewerber für Berufsausbildungsstellen;

- Empfänger von Leistungen bei Arbeitslosigkeit;

- Anträge auf Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe, Eingliederungsgeld/-hilfe und Altersübergangsgeld.

In die meist monatlichen Statistiken wurden die neuen Bundesländer und Berlin- Ost, soweit möglich, frühzeitig einbezogen. Bedeutsam für die Untersuchung von Segmentationslinien auf dem Arbeitsmarkt (unter dem Gesichtspunkt individueller Merkmale der Arbeitsuchenden) ist darüber hinaus eine Strukturanalyse des Be­

standes an Arbeitslosen, wie sie für das Bundesgebiet Ost z.B. mit Stand von Ende September 1992 in den Amtlichen Mitteilungen der Bundesanstalt für Arbeit (1993), Heft 6, vorliegt.

Arbeitsmarkt-Monitor für die neuen Bundesländer:

Im Jahre 1990, als sehr rasche und tiefgreifende Umbrüche von Wirtschaft und Ar­

beitsmarkt in den neuen Bundesländern einsetzten, die "normalen" statistischen In­

strumente wie Mikrozensus und Beschäftigtenstatistik aber noch nicht in der erfor­

derlichen Differenzierung verfügbar waren, initiierte die Bundesanstalt für Arbeit außerdem den Arbeitsmarkt-Monitor. Mit der Durchführung entsprechender Erhe­

bungen beauftragte sie Infratest Sozialforschung.

Der Arbeitsmarkt-Monitor für die neuen Bundesländer wurde erstmals im Novem­

ber 1990 durchgeführt. Befragt wurde eine repräsentative 0,1%-Stichprobe der Ge­

burtsjahrgänge 1926 bis 1974 - also der Bevölkerung im Erwerbsalter (16 bis 64 Jahre). Im Abstand von jeweils vier Monaten - also im März, Juli und November 1991 - fanden weitere Befragungswellen statt. Sie erstreckten sich auf denselben

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Personenkreis, der sich an der Erstbefragung beteiligt hatte; zusätzlich wurden bei der vierten Welle Personen des Geburtsjahrgangs 1975 erfaßt. Eine fünfte und sechste Befragungswelle erfolgten dann im Abstand von jeweils sechs Monaten - d.h.im Mai und November 1992. Hier fand der Geburtsjahrgang 1926 keine Be­

rücksichtigung mehr. Auch wurde die Stichprobe (aus der einige Personen aus un­

terschiedlichen Gründen herausgefallen waren) aktualisiert.

Der Arbeitsmarkt-Monitor enthält Daten zur Entwicklung der Erwerbstätigkeit (u.a.Beschäftigungsentwicklung seit September 1989, Erwerbsstatus der weiblichen und männlichen Erwerbstätigen vom November 1989 zum Zeitpunkt der Erhe­

bung); Arbeitslosigkeit (u.a. Zu- und Abgänge, längerfristige Arbeitslosigkeit, Verbleib der Arbeitslosen vom November 1990); Kurzarbeit (u.a. Verbleib der Kurzarbeiter vom November 1990); zu Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen; West­

pendlern; neuer Beschäftigung; Arbeitsuche; Teilnahme an beruflicher Qualifizie­

rung; aber auch zur wirtschaftlichen Lage der Befragten und zu erwarteten berufli­

chen Ereignissen.

Das vorhandene Zahlenmaterial erlaubt sowohl Querschnittsvergleiche der jeweils 16 bis 64jährigen Bevölkerung zwischen verschiedenen Erhebungsjahren als auch - zumindest für einen Teil der Stichprobe - Längsschnittanalysen auf der Basis von Verlaufsdaten (bisher allerdings nur für einen relativ kurzen Zeitraum).^

Für die einzelnen Länder Ostdeutschlands liefert dieser Arbeitsmarkt-Monitor Eckwerte. Der Stichprobenumfang setzt jedoch einer länderbezogenen Analyse Grenzen. Das Land Sachsen-Anhalt hat deshalb - als einziges Bundesland - selbst ein entsprechendes Instrument etabliert: den "Arbeitsmarkt Monitor Sachsen-Anhalt". Die erste Erhebung fand im Frühjahr 1992 (März/April), die zweite im Herbst 1992 (September/Oktober) statt. Grundlage ist eine Zufalls­

stichprobe von 0,5 % der Bevölkerung im Alter von 15 bis unter 65 Jahren in Sachsen-Anhalt. Mit der Durchführung der Arbeiten wurde zunächst Infratest Sozialforschung beauftragt. Inzwischen ist die Verantwortung für weitere Er­

hebungswellen des "Arbeitsmarkt Monitor Sachsen-Anhalt" an das im Lande ansässige Institut für Strukturpolitik und Wirtschaftsförderung e. V. Halle (ISW) übergegangen.

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Beschäftigungsperspektiven von Treuhandunternehmen und Ex Treuhandfir­

men:

Gegenstand dieser Quelle sind - anders als beim Arbeitsmarkt-Monitor - nicht Indi- vidualdaten, sondern Betriebsdaten. Im Jahre 1991 beauftragten die Bundesanstalt für Arbeit und die Treuhandanstalt gemeinsam ein Team unter Leitung von J.

Wahse (zunächst Akademie der Wissenschaften der ehemaligen DDR, später Sozialökonomische Strukturanalysen e.V., Söstra), periodisch alle Treuhandunter­

nehmen zu ihrer Beschäftigungssituation (Stand und Perspektiven) zu befragen, damit - so das erklärte Ziel - bei bevorstehendem Beschäftigungsabbau größeren Ausmaßes rechtzeitig arbeitsmarktpolitische Maßnahmen ergriffen werden könnten.

Die Befragungen werden seitdem zweimal jährlich, im April und im Oktober durchgeführt. Seit Oktober 1991 werden auch Ex-Treuhandfirmen einbezogen.

Verfügbar im Rahmen der Erhebungen sind Angaben über die Beschäftigungsent­

wicklung (u.a. nach Betriebsgrößenklassen und betrieblichen Einsatzbereichen), über Kurzarbeit, ABM und ABS ( = Gesellschaften zur Arbeitsförderung, Beschäf­

tigung und Strukturentwicklung), über Ausbildung und betriebliche Weiterbildung, über Lohn- und Gehaltszahlungen, aber auch über solche betrieblichen Parameter wie Umsatz und Bruttoinvestitionen.

Mit Hilfe dieser Daten ist es möglich, zumindest für ein wichtiges Segment des ostdeutschen Arbeitsmarktes die individuell-personenbezogene Forschungsperspek­

tive um eine strukturell-unternehmensbezogene zu erweitern.

1.3 Sozio-ökonomisches Panel

Über die genannten Datenbestände des Statistischen Bundesamtes und der Bundes­

anstalt für Arbeit hinaus kann zur aggregierten Darstellung von Arbeitsmarkt und Beschäftigung - sowie darüber hinaus für Untersuchungen auf dem Gebiet der So­

zialberichterstattung - natürlich auch auf Angaben aus dem Sozio-ökonomischen Panel zurückgegriffen werden, das bislang vom Deutschen Institut für Wirtschafts­

forschung herausgegeben wird. Es beruht, ebenso wie der Arbeitsmarkt-Monitor, auf Personenbefragungen und wurde auf die neuen Bundesländer ausgedehnt. Wir erwähnen es hier deshalb eher am Rande, weil seine eigentliche Stärke im Kontext der Arbeitsmarktforschung - nämlich Verlaufsdaten für die Untersuchung von Er-

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werbsbiographien zur Verfügung zu stellen - erst bei längeren Erhebungsreihen auch in den neuen Bundesländern voll zum Tragen kommen wird.

1.4 Zu einigen Lücken in der Datenbasis

Trotz der Vielzahl statistischer Quellen bleibt festzustellen, daß wir es teilweise mit einem "Datendefizit" zu tun haben: Gerade in den Bereichen, in denen die Wirt­

schafts- und Währungsunion und die deutsche Einheit mit besonders dramatischen Umbrüchen verbunden waren, fehlen bislang die statistischen Massendäten, mit denen Sozialwissenschaftler in den alten Bundesländern bei vergleichbaren Frage­

stellungen selbstverständlich zu arbeiten gewohnt sind.

Ein Großteil der hier skizzierten Daten decken entweder nur bestimmte Zeitphasen des Transformationsprozesses ab oder arbeiten mit Klassifikationen, die mit denen anderer Daten nicht paßfähig sind. So verfügen wir einerseits über relativ viele Daten aus der alten DDR (z.B. die Berufstätigenerhebungen, die jährlich als Völ­

lerhebung bei den Beschäftigern durchgeführt wurden). Andererseits werden seit 1991 die meisten Standardzählungen der amtlichen Statistik, der Bundesanstalt für Arbeit und anderer mit gleichen Systematiken auch in den neuen Bundesländern durchgeführt. Zwischen beiden Gruppen bestehen allerdings - wie nicht anders zu erwarten - erhebliche inhaltliche und methodische "Brüche".

Diese "Brüche" wurden inzwischen, nicht zuletzt durch die Arbeiten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), auf der Ebene der neuen Bundeslän­

der insgesamt durch ziemlich verläßliche Schätzungen und Brückenrechnungen überwunden (z.B. Koller/Jung-Mammon, 1993). Sie machen sich jedoch oft dann dramatisch bemerkbar, wenn man kleinere - regionale oder sektorale - Untersu- chungseinheiten wählt.

Umfragedaten, vor allem der Arbeitsmarkt-Monitor der Bundesanstalt für Arbeit, können zwar dabei helfen, einige dieser Datenlücken in der amtlichen Statistik zu schließen, sind jedoch selbst mit nicht unerheblichen Schwächen behaftet, die sieh z.B. aus der hohen Panelmortalität, der Unzuverlässigkeit retrospektiver Angaben der Befragten, der Schwierigkeit bei der Zuordnung von Berufspendlern u.a. erge­

ben.

(21)

So fehlt es bisher vielfach noch an einigermaßen zuverlässigen Zeitreihen, die ge­

nau die kritischen ein bis zwei Jahre des Umbruchs abdecken und in eine längere zeitliche Perspektive einzuordnen erlauben. Und auf nicht wenigen Gebieten ist zu befürchten, daß diese Datenlücken - mit gravierenden Folgen für intensivere Ver­

lauf sanalysen - auch ex post nicht mehr geschlossen werden.

2. Auswirkungen der Transformation auf verschiedene Gruppen der erwerbsfähigen Bevölkerung

Starkes quantitatives Gewicht besitzen unter den bisher vorliegenden Untersuchun­

gen zu Arbeitsmarkt und Beschäftigung in den neuen Ländern solche Studien, die sich mit den Auswirkungen des Transformationsprozesses auf einzelne Gruppen der erwerbsfähigen Bevölkerung beschäftigen. Verwiesen sei hier insbesondere auf eine große Zahl der im Auftrag der Kommission zur Erforschung des sozialen und politischen Wandels in den neuen Bundesländern (KSPW) angefertigten Kurzstudien, daneben aber auch auf Veröffentlichungen anderer Autoren und Institutionen. Die Verfasser dieser Arbeiten stützen sich zum Teil auf das oben genannte aggregierte Datenmaterial, zum Teil aber auch auf eigene, eher punktuelle Erhebungen.

Die Abgrenzung der zu untersuchenden Bevölkerungsgruppen erfolgt großenteils unter dem Gesichtspunkt individueller Merkmale: nach Geschlecht, Alter usw.

Deutlich ist dabei der Einfluß jener Traditionslinie westlicher Segmentationsfor- schung zu spüren, der es darum geht, am Arbeitsmarkt benachteiligte Gruppen zu benennen und die Ursachen für ihre Benachteiligung aufzuzeigend

Bei der Rezeption des Segmentationsansatzes in der Literatur der 80er und frühen 90er Jahre lassen sich zwei Richtungen erkennen. Sie unterscheiden sich vor allem in der Frage nach heutigen Ursachen von Segmentation: ob diese Ursachen eher individuell (in persönlichen Merkmalen der Arbeitneh­

mer, wie Alter, Geschlecht, Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit) oder eher strukturell (z.B. in der Beschäftigungspolitik, Personalwirtschaft, Arbeitsorganisation von Betrieben) zu sehen sind. Der Blickwinkel folgt dabei aus dem jeweiligen Forschungsziel: Gilt das primäre Interesse benachteiligten Gruppen in der Gesellschaft, so sucht man die Ursachen der Segmentation in individuellen Merkmalen. Fragt man dagegen nach Formen der Arbeitskräf- teallokation und den Faktoren ihrer Effizienz in einzelwirtschaftlicher und volkswirtschaftlicher Perspektive, so rücken strukturelle Ursachen in den Vor­

dergrund. - In den vorliegenden Untersuchungen zu Verlauf und Folgen des

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2.1 Frauen

In der Genderperspektive interessieren vor allem die Arbeitsmarktchancen von Eiaueji. Es wird versucht, die Beschäftigungssituation der Frauen in der DDR theoretisch zu rekonstruieren. Das geschieht zum einen mit dem Ziel, nach einer möglichen Vorbildwirkung bestimmter rechtlicher Regelungen für die Frauenförde­

rung in der Bundesrepublik und anderen westlichen Ländern zu fragen. Zum ande­

ren wird aber auch gezeigt, daß die tatsächliche Gleichberechtigung von Männern und Frauen am Arbeitsplatz in der DDR längst nicht soweit gediehen war, wie es dem Selbstverständnis des Systems entsprach. Vor dem Hintergrund der rekon­

struierten Ausgangssituation werden dann aktuelle Umbrüche am Arbeitsmarkt analysiert und - so die übereinstimmende Sicht der Autorinnen - soziale Positions­

verluste, wachsende Diskriminierungen von Frauen signalisiert.

Bereits 1990 resümierten Rudolph und andere ihre Untersuchungen in einer WZB- Veröffentlichung folgendermaßen:

"Frauen waren in der alten DDR fast in gleichem Umfang erwerbstätig wie Män­

ner. Die Struktur ihrer Beschäftigungsbereiche und der Berufsausbildung verwies allerdings auf Prozesse der 'Integration mittels Segregation'. Diese wurden gestützt durch gesetzliche, institutionelle und finanzielle Regelungen zur Vereinbarkeit von Familienaufgaben und Beruf, die praktisch ausnahmslos auf Frauen bzw. Mütter gerichtet waren. Frauen haben bei der Umstrukturieiiing der Wirtschaft in den neuen Bundesländern vermutlich die schlechteren Karten hinsichtlich Beschäfti­

gungschancen, zumal das infrastrukturelle Netzwerk abgebaut wird."

(Rudolph/Appelbaum/Maier, 1990, o.S.)

Unter inhaltlicher Ausweitung auf die Frauenerwerbstätigkeit im Strukturwandel Mittel- und Osteuropas wurde ein Jahr später festgestellt:

"Trotz der international außergewöhnlich hohen Erwerbsbeteiligung von Frauen in Mittel- und Osteuropa unterschied sich ihr Status hinsichtlich des Lohnniveaus, der Stellung in betrieblichen Hierarchien, den Aufstiegschancen und der Qualifika­

tionsstruktur deutlich von dem der Männer. Eine der Hauptursachen für diese Dis­

krepanz zwischen dem offiziellen Ziel der beruflichen Gleichstellung und der Wirklichkeit liegt in der ungebrochenen Tradition, den Frauen die Verantwortung für Haushaltsführung und Kinderbetreuung zu überlassen. Daß Mütter - und nur sie - sozialpolitisch bei der Vereinbarung von Kindererziehung und Berufstätigkeit un­

terstützt wurden, förderte das Vorurteil von Frauen als unzuverlässigen Arbeits­

kräften.

Transformationsprozesses findet sich ganz überwiegend die erste Sichtweise.

Dies entspricht offenbar der derzeit dominierenden Verwendung des Segmen- tationsbegriffes und -ansatzes.

(23)

Der Prozeß der Transformation in Marktwirtschaften wird eine weitreichende Neu­

organisation und Umverteilung von Erwerbsarbeit, Einkommen und Lebenschancen bedeuten. Frauen und Männer haben dabei ungleiche Startchancen. Die aktuellen Entwicklungen auf den Arbeitsmärkten bestätigen zunächst - trotz nationaler Unter­

schiede hinsichtlich Tempo und Strategien - die Erwartung, daß Frauen ein grö­

ßeres Risiko der Entlassung und Ausgrenzung tragen. Gleichwohl sind das hohe Ausbildungsniveau und die umfangreiche berufliche Erfahrung der mittel- und ost­

europäischen Frauen eine wertvolle Ressource, die ihnen - gerade auch wegen der zu erwartenden Ausdehnung des Dienstleistungssektors - Chancen in der zukünfti­

gen Arbeitsmarktentwicklung eröffnen können. Dies wird aber nicht automatisch eintreten, sondern bedarf der sozial- und arbeitsmarktpolitischen Flankierung. Bei der institutionellen Transformation sollte beachtet werden, daß Regulierungspro­

zesse und -kriterien nicht geschlechtsneutral wirken." (Rudolph/Maier/Hübner/Fi­

scher, 1991, o.S.)

Wir kommen im Punkt 5 auf die geforderte arbeitsmarktpolitische Flankierung der Beschäftigungsentwicklung zurück.

Was zunächst die Arbeiten über Auswirkungen der Transformation auf Gruppen der erwerbsfähigen Bevölkerung betrifft, so zeigt sich mitunter in ein und dersel­

ben Arbeit, häufiger jedoch beim Themenvergleich zwischen mehreren Untersu­

chungen (z.B. den KSPW-Kurzstudien) ein interdisziplinärer Ansatz, der unbedingt ausgebaut werden sollte. Beispielsweise wird neben der Tatsache, daß Frauen in der Region Jena ihren Arbeitsplatz verloren haben, auch - vorwiegend unter psy­

chologischem Aspekt - auf ihr Kündigungserleben und auf persönliche Bewälti­

gungsstrategien eingegangen (Müller/Stapelfeld, 1992).

2.2 Jugendliche und ältere Menschen

Ähnliches gilt für Untersuchungen über Jugendliche und über ältere Menschen. So finden sich neben KSPW-Studien zur Jugendarbeitslosigkeit und den Mangel an Ausbildungsplätzen in den neuen Ländern auch solche über den Wandel der Le­

benswelt Jugendlicher aus der ehemaligen DDR, über jugendliche Subkulturen, über Aggressivität und Gruppengewalt Jugendlicher und andere. Das (nach der

"Wende" häufig erzwungene) vorzeitige Ausscheiden älterer Menschen aus dem Erwerbsleben wird nicht nur in arbeitsmarktpolitischer Perspektive behandelt, son­

dern ebenso interessieren Gesundheitszustand, psychische Befindlichkeit und Le­

bensperspektiven der "jungen Alten".

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2.3 Wissenschaftler, FuE-Personal

Schließlich ist bei der Frage nach Auswirkungen der Transformation auf verschie­

dene Gruppen der erwerbsfähigen Bevölkerung auch nach Ausbildungsabschluß und Vorkenntnissen zu differenzieren. Im Gegensatz zur traditionellen (vor allem amerikanischen) Segmentationsforschung, die sich in diesem Zusammenhang vor allem für Gruppen mit relativ schlechterem Zugang zu Bildung interessiert, geht es in den neuen Bundesländern schwerpunktmäßig um Hochqualifizierte, insbesondere um Akademiker.

So finden sich - wiederum aus dem Bereich der KSPW-Studien - unter anderem Untersuchungen über das berufliche Entscheidungsverhalten von Wissenschaftle­

rinnen auf ABM-Stellen, über die Effektivität der Umschulung von Lehrern und sozialwissenschaftlich gebildeten Akademikern, über Berufsverbleib und -chancen von Kulturwissenschaftlern wie auch - weit über die Arbeitsmarktproblematik hin­

aus - über "Diskurs und Identität" bei Intellektuellen aus der ehemaligen DDR.

Die Forschungsgruppe Wissenschaftsstatistik am WZB (Meske u.a.) hat Analysen vorgelegt, die an Hand umfangreichen Datenmaterials über Anzahl und Struktur (nach damaligen Tätigkeitsbereichen) der FuE-Beschäftigten in der DDR sowie über die Umgestaltung - die oft mit drastischem Personalabbau einhergegegangen ist - der universitären wie außeruniversitären Wissenschaftspotentiale seit 1989/90 informieren.

Außerdem sind der Personalabbau und - soweit dies eingeschätzt werden konnte - die Leistungsfähigkeit der wenigen verbliebenen Potentiale auf dem Gebiet der In­

dustrieforschung auch in anderen Untersuchungen (z.B. Albach/Grünert/Schwarz, 1992; Naschold, 1992; Ritschel/Markus, 1992) sowie im Rahmen diverser Unter­

nehmensstudien, Branchen- und Regionalanalysen dargestellt worden.

2.4 Differenzierungstendenzen in der ostdeutschen Bevölkerung

Übereinstimmend lassen die vorliegenden Veröffentlichungen (neben den oben an­

geführten auch solche z.B. über "neue Eliten") eine wachsende Differenzierung in den Arbeitsmarktchancen und der Beschäftigungssituation, in der sozialen Lage und im subjektiven Befinden zwischen den Angehörigen verschiedener Gruppen

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der ostdeutschen Bevölkerung erkennen. Diese Differenzierung dürfte - gerade als Kontrast zu einem Ausgangszustand, der durch relativ egalitäre Lebensbedingungen in der DDR gekennzeichnet war - zu den einschneidendsten Veränderungen und prägenden Erfahrungen der Menschen im Transformationsprozeß gehören.

Die Arbeitsgruppe Sozialberichterstattung am WZB widmet sich ausführlich den damit verbundenen Problemen. Ihre Veröffentlichungen - über die soziale Lage privater Haushalte im gesellschaftlichen Umbruch (Berger, 1992 a); Veränderung der Struktur und der sozialen Lage ostdeutscher Haushalte nach 1990 (Berger/Hin- richs/Priller/Schultz, 1993); über "Sozialindikatorenforschung, Amtliche Statistik und Sozialberichterstattung in Ostdeutschland" (Berger 1992 b); über sozialstruktu­

relle Entwicklung und wahrgenommene Lebensqualität (Landua, 1993) sowie viele andere - tangieren unser Thema, gehen in in einer ganzen Reihe behandelter Fra­

gen aber auch darüber hinaus.

3. Erwerbsbiographien

Wenn man - wie dies hier vorgeschlagen wird - Arbeitsmarkt und Beschäftigung im Transformationsprozeß aus segmentationstheoretischer Perspektive betrachten will, scheint es erforderlich zu sein, die Untersuchungen über die Auswirkungen der Transformation auf verschiedene Gruppen der erwerbsfähigen Bevölkerung zu ergänzen durch Analysen der individuellen Berufsmobilität (möglichst über einen längeren Zeitraum), die sich auf die Erwerbsbiographien zumindest eines reprä­

sentativen Teils der ostdeutschen Bevölkerung stützen müßten.

Die Voraussetzungen für ein solches Vorgehen sind bisher äußerst begrenzt. Es können erste Daten aus dem Arbeitsmarkt-Monitor für die neuen Bundesländer und aus dem Sozio-ökonomischen Panel genutzt werden. Diese reflektieren jedoch höchstens das aktive Suchverhalten oder passive Reagieren der Befragten auf äu­

ßere Veränderungen seit der "Wendezeit". Über Ausbildungswege, den Eintritt in interne Arbeitsmärkte, über betriebliche Berufskarrieren sowie über Häufigkeit und Mechanismen eines zwischenbetrieblichen Arbeitsstellenwechsels zu DDR-Zeiten können sie, ihrer prinzipiellen Anlage und Zielrichtung zufolge, keine Auskunft geben.

(26)

In Ansätzen wird diese Lücke durch die Bemühungen der Projektgruppe

"Lebensläufe und historischer Wandel in der ehemaligen DDR" am Max-Planck- Institut für Bildungsforschung in Berlin geschlossen. Die Mitarbeiter haben (im Rahmen einer empirisch-quantitativen Studie) die biographischen Daten von mehr als 2300 ehemaligen DDR-Bürgern erhoben. Einen Schwerpunkt der Erhebung bil­

deten dabei Angaben zum Themenbereich "Ausbildungsverläufe, Berufsverläufe und Arbeitsmarktprozesse".

Allerdings konnte das Material bisher nur in Teilen ausgewertet werden. Erste Veröffentlichungen dazu existieren z.B. von Huinink, 1992; Huinink/Mayer, 1993;

Mayer, 1991; 1993; Trappe, 1992.

4. Zusammenhang von Arbeitsmarkt und Wirtschaftsentwicklung

Der Zusammenhang von Arbeitsmarkt und Wirtschaftsentwicklung ist evident. Er wird in der Literatur zum einen im Hinblick auf die Zahl der Arbeitsplätze, zum anderen im Hinblick auf die Entlohnung thematisiert.

In der ersten Forschungsperspektive beschäftigen sich zahlreiche Fallstudien (im Auftrag der KSPW wie auch in anderen Forschungszusammenhängen) mit den Ar­

beitsmarktfolgen bei der Umstrukturierung einzelner Unternehmen, ganzer Bran­

chen und Regionen.

Dabei geht es um die Beschäftigungsauswirkungen jenes zurückgestauten Struktur­

wandels, der durch die deutsche Vereinigung und den institutionellen Transforma­

tionsprozeß im Osten Deutschlands akut geworden ist: So existieren nicht wenige Untersuchungen über die Beschäftigungsentwicklung in solchen Branchen, die - wie Schiffbau und Textilindustrie - auch international unter erheblichem Restruktu- rierungs- und Schrumpfungsdruck stehen.

Die Auswahl der untersuchten Regionen ist dagegen zum Teil durch die Problem­

anhäufung in bisher weitgehend monostrukturierten Räumen bedingt, zum Teil aber auch durch die Ansiedlung bestimmter Forscherteams personell begründet.

(27)

Analysen, die sich nicht dem dramatischen Arbeitsplatzabbau, sondern den bisher erkennbaren Ansätzen zur Schaffung neuer Arbeitsplätze zuwenden, stellen nicht selten die Verbindung zur Neugründung von Kleinunternehmen und/oder zu einer sich neu etablierenden Branche wie der Umwelttechnik her (siehe z.B. Vale- rius/Röber/Sterzik, 1992; Wieland/Schmeling, 1992; Braun/Wanke, 1992). Au­

ßerhalb der Industrie interessiert vor allem die Schaffung von Arbeitsplätzen in Unternehmen des Dienstleistungssektors. Staatliche und kommunale Verwaltungen werden dagegen (unserem Eindruck zufolge) eher - soweit dies überhaupt geschieht - unter dem Aspekt ihrer neuen Aufgaben als unter demjenigen ihres Arbeitskräfte­

bedarfes behandelt.

Kritisch ist allerdings anzumerken, daß der Großteil der bereits abgeschlossenen oder laufenden Untersuchungen zu diesem Thema sich offenbar doch auf das Seg­

ment mittel- und großbetrieblicher Arbeitsplätze und Beschäftigungsverhältnisse konzentrieren. Dies ist deshalb besonders bedauerlich, weil:

im gewissermaßen "offiziellen" Konzept der Eingliederung der ehemaligen DDR in die Marktwirtschaft der Neugründung von "mittelständischen" Unter­

nehmen in Landwirtschaft, Produzierendem Gewerbe und Dienstleistungen eine herausragende Bedeutung zuerkannt wird;

die vorliegenden (allerdings eher spärlichen und disparaten) Daten darauf ver­

weisen, daß die Beschäftigungsdynamik im "kleingewerblichen Sektor" - so­

fern und soweit sie eingesetzt hat - mit einer verbreiteten Prekarisierung der Beschäftigung und der Unterschreitung von etablierten Standards verbunden ist.

Hier scheint eine gravierende Forschungslücke zu bestehen.

Eine weitere Gruppe von Forschungsarbeiten zum Zusammenhang zwischen Ar­

beitsmarkt und Lage der Unternehmen beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Ver­

änderungen der betlieblichen Personalstrukturen in zumeist größeren Betrieben.

Unter den im Auftrag der KSPW angefertigten Arbeiten, beispielsweise, befinden sich zahlreiche Fallstudien zu dieser Problematik, so daß eine Zwischenverdichtung der Ergebnisse geboten scheint. Dabei ließe sich auch ein Bezug zu aggregierten statistischen Daten (Verteilung der Beschäftigten nach betrieblichen Einsatzberei­

chen in den Treuhandunternehmen und Ex-Treuhandfirmen) herstellen.

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Bis zu einem bestimmten Grad enthalten die - stark empirisch-dokumentarisch an­

gelegten - Fallstudien implizit auch Hinweise auf interne Arbeitsmärkte in der ehemaligen DDR sowie auf den Zerfall der alten internen Arbeitsmärkte im Zuge von Transformation und Strukturwandel. Je nach der früheren Struktur eines kon­

kreten Arbeitsmarktes lassen sich z.T. unterschiedliche Verhaltensdispositionen der Arbeitsmarktakteure in der Gegenwart erkennen.

Die zweite o.g. Forschungsperspektive schließt ihrerseits zwei Dimensionen - eine wirtschaftswissenschaftliche und eine im engeren Sinne sozialwissenschaftliche - ein:

In der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur werden bereits seit Anfang 1990 um­

fangreiche Diskussionen über die Höhe von Löhnen, Lohnstückkosten usw. ge­

führt. Es geht (heute schon retrospektiv) um Fragen der Währungsumstellung, durch die das Ausgangsniveau von Löhnen und Lohndynamik fixiert wurde (und damit um eine "makroökonomische Bedingung der Transformation, auf die R.

Schwarz im ersten Teil der vorliegenden kommentierten Bibliographie eingegangen ist). Und es geht aktuell um Möglichkeiten der Lohnangleichung, um Zeithorizonte dieses Prozesses sowie um die Wettbewerbsfähigkeit ostdeutscher Betriebe.

Teile der sozialwissenschaftlichen Literatur befassen sich dagegen vorrangig mit den rechtlichen Bedingungen unter denen und der Art und Weise wie Lohnverein­

barungen ausgehandelt werden. Sie berühren also Fragen der normativen Regulie­

rung von Arbeit.

5. Arbeitsmarktpolitische Instrumente und normative Regulierung von Arbeit

Von Forschungsergebnissen zu arbeitsmarktpolitischen Instrumenten und normati­

ver Regulierung der Arbeit dürfen besondere Anhaltspunkte für die Untersuchung des institutionellen Wandels auf dem Gebiet von Arbeitsmarkt und Beschäftigung, und damit für den Transformationsprozeß in diesem Bereich, erwartet werden. Al­

lerdings beziehen sich vorliegende Veröffentlichungen bisher auch hier eher auf jeweils einzelne Facetten der Gesamtproblematik.

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Wir finden Untersuchungen zur normativen Regulierung von Arbeit in der ehema­

ligen DDR (z.B. über die Rechtsprechung des Obersten Gerichts auf dem Gebiet des Arbeitsrechtes - Pawelzig, 1992; zu Arbeitsanalyse-Instrumentarien in der DDR - Pfefferkorn/Hacker, 1992); ebenso eine Darstellung des Funktions- und Organisationswandels von der Kadeipolitik zur betrieblichen Personalwirtschaft (Denisow/Stieler, 1992). Es gibt Arbeiten zur Implementation rechtlicher Regelun­

gen (wie bundesdeutsches Kündigungsrecht) und arbeitsmarktpolitischer Instru­

mente (wie Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen) aus den alten Bundesländern, wobei deutlich wird, daß diese Regelungen und Instrumente unter den Bedingungen des Strukturwandels in den neuen Ländern zum Teil eine ganz andere Rolle überneh­

men. Uns liegen Ausarbeitungen vor über die Weiterentwicklung dieser und die Einführung neuer Instrumente - z.B. der Gesellschaften für Arbeitsförderung, Be­

schäftigung und Strukturentwicklung (so befaßt sich eine Studie mit der Entwick­

lung des Aufbauwerkes Sachsen unter dem Aspekt erster Erfahrungen mit dem Aufbau einer Trägerstruktur für ABS-Gesellschaften - Kletzin, 1992; eine andere mit dem Vergleich der arbeitsmarktpolitischen Instrumente in Sachsen und Sachsen-Anhalt - Wenk, 1992).

Von vorrangigem soziologischem Interesse in diesem - hier nur durch die Nennung einiger Themen umrissenen - Prozeß institutionellen Wandels ist verständlicher­

weise das Verhalten der Akteure (ihre gegenseitige Beeinflussung, das Entstehen neuer Akteursnetzwerke usw.). Umso mehr fällt auf, daß die Forschung auch zu Fragen des Akteursverhaltens noch am Anfang steht.

Einige Arbeiten widmen sich dem Gebiet der Transformation von Interessenwahr­

nehmung und Mitbestimmung in ausgewählten Betrieben (Kirschner, 1992), der Herausbildung neuer Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Betriebsräten

(Röbenack/Hartung, 1992). Interssante Ergebnisse brachte auch eine Fallstudie, die sich der Frage zuwandte, inwieweit "eine absichtsvolle - strategische - Kooperation der Akteure unter den gegebenen politisch-ökonomischen Rahmenbedingungen die Chance einer Beschäftigungsgesellschaft erhöht, nicht nur zeitlich befristet soziale Auffangstation oder Träger arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen zu sein, sondern darüber hinaus strukturpolitische Impulse geben zu können" (Peinemann, 1992 und

1993).

(30)

Dagegen existiert (abgesehen von einem ersten Ansatz bei Schreiber, 1992) offen­

bar keine detaillierte, verallgemeinerungsfähige Untersuchung darüber, welche Wechselbeziehungen z.B. zwischen der Schaffung von Arbeitsämtern und ihrer Klieritelbildung bestehen - eine Untersuchungsperspektive, die sich auch auf andere neugeschaffene Ämter übertragen ließe.

Doch nicht nur zum Verhalten der arbeitsmarktpolitischen Akteure beim Abwägen ihrer Interessen und Aushandeln von Interessenkomprommissen unter bestimmen Rahmenbedingungen besteht weiterer Forschungsbedarf. Dasselbe gilt auch für die Wirksamkeit arbeitsmarktpolitischer Instrumente. Eine entscheidende Frage ist hier, welchen Beitrag diese Instrumente zur langfristigen Bewältigung des Struk­

turwandels in den neuen Ländern geleistet, oder ob sie lediglich dazu gedient ha­

ben, das Niveau offener Arbeitslosigkeit zu reduzieren (wobei auch dieser Effekt insofern positiv zu werten ist, als dadurch die Ausgrenzung von Dauerarbeitslosen verzögert oder verringert wird).

Auf Fragen solcher Art tun sich Forschung und Literatur bisher allerdings schwer mit definitiven Antworten. Unbestreitbar ist, daß der massive Abbau von Ar­

beitsplätzen zu einer "Spaltung" der Bevölkerung der ehemaligen DDR geführt hat in - um einen polemischen Begriff aus den alten Bundesländern zu übernehmen -

"Arbeitsplatzbesitzer" und andere, die als Arbeitslose, in Arbeitsbeschaffungs- oder Umschulungsmaßnahmen bzw. als Vorruheständler entweder gar nicht oder zumin­

dest nicht am "normal" geregelten Arbeitprozeß teilhaben. Offen bleibt bislang die Frage, ob diese Entwicklung zu einer dauerhaften "Dichotomisierung" der Er­

werbsbevölkerung führt - die dann vermutlich auch in der Entstehung ausgeprägter

"depressed areas" ihren Niederschlag finden würde - oder ob es zu einem mehr oder minder kontinuierlichen Austausch zwischen Nichterwerbstätigen und Er­

werbstätigen kommt, dessen Stützung und Steuerung durch arbeitsmarktpolitische Instrumente dann von großer Bedeutung wäre.

Desgleichen bleibt beim gegenwärtigen Stand der Forschung offen, ob der Ver­

such, das "Normalarbeitsverhältnis", wie es sich in den westlichen Bundesländern seit langem als normativer Bezugspunkt der Arbeitsmarktpolitik und der Sozialpo­

litik durchgesetzt hat, in einer vergleichbaren Funktion auch in den neuen Bundes­

ländern zu etablieren - was zwar der langen DDR-Tradition weitgehender Vollbe­

schäftigung, kaum aber der gegenwärtigen Arbeitsmarktsituation entspräche. Im­

merhin wurden in Untersuchungen Indikatoren dafür genannt, daß die Prekarisie-

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rung der Beschäftigungsverhältnisse in den neuen Bundesländern rasch um sich greift. Ob und inwieweit dies dann auch auf die alten Länder und die dort vorherr­

schende normative Regulierung von Arbeit zurückschlägt, wird in der aktuellen Literatur höchstens unterschwellig gefragt, aber nicht beantwortet.

Außer Zweifel steht allerdings, daß das Instrumentarium der Arbeitsmarktpolitik, das formal weitgehend unverändert aus den alten auf die neuen Bundesländer über­

ragen wurde, hier unter der Hand stark seinen Charakter geändert hat (was sich z.B. an Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Umschulungen und Einarbeitungsregeln deutlich zeigt). Unbestritten ist weiterhin, daß die normativen Regulierungen im Sinne des Normalarbeitsverhältnisses wichtige Gruppen der Erwerbsbevölkerung in der ehemaligen DDR (z.B. Frauen gegenüber Männern, Teilzeit- im Verhältnis zu Vollzeitbeschäftigten, befristet gegenüber unbefristet Eingestellten) in sehr unter­

schiedlichem Maße schützen. Prognosen über die Richtungen, in die sich die nor­

mative Regulierung von Arbeit entwickeln wird, und über soziale Konsequenzen verschiedener möglicher Entwicklungspfade werden hingegen kaum gewagt.

6.5 Entwicklungstendenzen von Bildung und Qualifizierung

Sowohl der Zusammenhang von Arbeitsmarkt und Lage der Unternehmen als auch die Überlegungen zu arbeitsmarktpolitischen Instrumenten lenken unsere Aufmerk­

samkeit darüber hinaus auf ein bisher ausgespartes, relativ selbständiges Feld der Arbeitsmarktforschung: Bildung und Qualifizierung. Untersuchungen über neue Anforderungen auf diesem Gebiet haben im Zusammenhang mit Transformations­

prozessen in der ehemaligen DDR seit 1990 wachsenden Stellenwert erlangt. Dabei ist das Interesse unmittelbar praxisbezogen. Es erklärt sich aus der Tatsache, daß mit Hilfe von Aus- und Weiterbildung zwar nicht die Arbeitslosigkeit beseitigt werden kann, es aber doch möglich ist, bestimmte strukturelle Diskrepanzen zwi­

schen Angebot und Nachfrage nach Arbeitskräften in der gegenwärtigen Umbruch­

situation der ostdeutschen Wirtschaft zu überwinden.

Einen vorwiegend quantitativen Überblick über Ausbildungsaktivitäten in den neuen Bundesländern geben die Zusatzerhebungen zum Arbeitsmarkt-Monitor (Beiträge zur Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 154) seit Mai 1991. Einen Über­

blick über organisierte Maßnahmen zur betrieblichen Weiterbildung vermitteln die

(32)

(erstmals im Oktober 1992 vorgenommenen) Zusatzerhebungen zu den Beschäfti­

gungsperspektiven von Treuhand- und Ex-Treuhandbetrieben. Umfangreiche ag­

gregierte Daten liegen inzwischen auch mit den Ergebnissen der Bildungsgesamt­

rechnung für die alten und neuen Bundesländer vor (Beiträge zur Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 170).

Der inhaltlichen Ermittlung von Qualifikationsdefiziten sowie Maßnahmen zu ihrer Überwindung widmen sich vor allem Studien

- der Arbeitsgemeinschaft Betriebliche Weiterbildungsforschung (BWF), Bochum;

- des Bundesinstituts für Berufsbildung;

- der Innovationstransfer- und Forschungsstelle für beruflich-betriebliche Weiter­

bildung (ITF), Schwerin;

- der Kommission zur Erforschung des sozialen und politischen Wandels in den neuen Ländern;

- und nicht zuletzt der Arbeitsgemeinschaft QUEM (Qualifikations-Entwicklungs- Management).

In einigen Arbeiten bestätigt sich, unter dem Gesichtspunkt von Bildung und Quali­

fizierung, die oben geäußerte Befürchtung, es könnte zu einer längerfristigen Di- chotomisierung (genauer sogar: Trichotomisierung) der früheren Erwerbsbevölke­

rung in den neuen Bundesländern kommen. So heißt es in einer Untersuchung über kaufmännische Industrieangestellte:

"Auf der einen Seite haben wir Angestellte, die sich zahlenmäßig auf etwa ein Drittel des früheren Bestandes schätzen lassen, die nach wie vor als kaufmännische Industrieangestellte beschäftigt sind (und zwar überwiegend in ihrem bisherigen Betrieb oder bei desen Nachfolger). Sie hatten die Gelegenheit, im Umstellungs­

prozeß zu lernen, angebotene Weiterbildung nach ihrem unmittelbaren Nutzen zu bewerten, nicht selten auch sich zu bewähren und damit neues Selbstbewußtsein zu gewinnen, das sich dann seinerseits in zunehmender Verhaltenssicherheit und der Chance, neue Erfahrungen zu sammeln, niederschlägt. ...

Auf der anderen Seite steht die Mehrheit der kaufmännischen Angestellten, die keine Arbeit mehr haben. Ein Teil von ihnen ist sicher definitiv aus dem Arbeits­

prozeß ausgeschieden: über Vorruhestandsregelungen, durch Rückkehr in den Haushalt u.a. Der Rest ist derzeit arbeitslos oder in ABM, Umschulung und der­

gleichen eingebunden. ... Die Chance dafür, daß sie seit ihrer Entlassung nicht nur das Wissen, sondern vor allem auch jene Verhaltensweisen und Fertigkeiten erwer­

ben konnten, die auch in den neuen Bundesländern zunehmend als selbstverständli­

ches Merkmal einer kaufmännischen Fachkraft vorausgesetzt werden, muß unter den obwaltenden Umständen und ohne weitreichende Innovationen im Bereich der Weiterbildung als gering bis sehr gering veranschlagt werden." (Grünert, 1993, S.

71)

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Zur "Transformation der Qualifikations- und Sozialisationspotentiale von Er­

werbstätigen in den neuen Bundesländern" verabschiedete das Kuratorium von QUEM im Frühjahr 1993 Thesen, die eine gewisse Zwischenbilanz aus der bishe­

rigen Tätigkeit dieser (vom Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft ge­

förderten und für Forschungen zur beruflichen Weiterbildung in den neuen Län­

dern kompetenten) Arbeitsgemeinschaft ziehen. Adressiert unter anderem an polti- tische Entscheidungsträger, wird darin auf erforderliche Verbindungen zwischen Qualifizierung der Beschäftigten in den neuen Ländern einerseits sowie Neugestal­

tung der Arbeitskultur und Weiterentwicklung der Unternehmenskultur andererseits aufmerksam gemacht. Der Arbeitsplatz wird als Lernort im sozialen Umfeld the­

matisiert. Es wird die Verantwortung der privaten und öffentlichen Arbeitgeber, des einzelnen Arbeitnehmers wie auch derSozialpartner angemahnt. Und schließ­

lich wird vorgeschlagen:

"7. These: Möglichkeiten des Arbeitsförderungsgesetzes

Der Einsatz der Instrumentarien des AFG sollte betriebliche Interessen stärker be­

rücksichtigen und ist in Teilbereichen möglichst betriebsnah zu gestalten. ...

"8. These: Eine neue Verantwortung des Staates

Hilfen für Investitionen in das Humankapital müssen im Transformationsprozeß den gleichen Rang haben wie Investitionen in das Sachkapital, wenn die Wettbe­

werbsfähigkeit der Unternehmen möglichst kurzfristig verbessert werden soll.

Diese Hilfen sind für einen begrenzten Zeitraum erforderlich und betriebsspezifisch zu differenzieren; sie sind entweder als Ergänzung der Investitionshilfen in Sach­

kapital oder als reine Investitionen in das Humankapital denkbar. ...

"9. These: Qualifizierung von Personal- und Organisationsentwicklern

Angesichts der zentralen Bedeutung der betrieblichen Personal- und Organisations­

entwicklung für den Transformationsprozeß sind die Anstrengungen zur Qualifizie­

rung betrieblicher Anwender der Personal- und Organsationsentwicklung zu inten­

sivieren. Diese Initiativen müssen sowohl Führungskräfte aller Ebenen als auch Betriebs- und Personalräte einbeziehen. ...

"10. These: Intensivierung der Transformationsforschung

Die Lösung der komplexen Qualifikationsprobleme im Transformationsprozeß bie­

tet die Chance zum Aufbau zukunftsweisender integrierter Organisations-, Perso- nalentwicklungs- und Lernstrukturen im Betrieb, die auch für die Organsiationen in den alten Ländern von Bedeutung sein können." Daher wird gefordert, entspre­

chende betriebliche Modelle zu erproben und wissenschaftlich zu begleiten. "Die so gewonnenen Erfahrungen in den neuen Ländern können auch zur effektiveren Ausgestaltung der internationalen Hilfen für Mittel- und Osteuropa genutzt wer­

den." (QUEM-Bulletin, 6/1993)

(34)

Nicht zuletzt läßt dieses hier ausführlich widergegebene Zitat auch noch einmal er­

kennen, wie weitgesteckt der Rahmen dessen ist, was in verschiedenen Veröffentli­

chungen und auf unterschiedlichen Abstraktionsebenen als "Transformationsfor­

schung", insbesondere im Themenzusammenhang von Arbeitsmarkt und Beschäfti­

gung im Transformationsprozeß, behandelt wird.

Ohne diesen Rahmen vollständig ausschreiten zu können, hat die Verfasserin ver­

sucht, einige Schwerpunkte der Diskussion, einige offene Fragen wie auch einige praktische, anwenderbezogene Vorschläge aus der Literatur zur Unterstützung und weiteren Gestaltung des institutionellen und strukturellen Wandels in den neuen Ländern auf dem genannten Gebiet vorzustellen.

(35)

Abschnitt III:

Literaturverzeichnis

1. Ausgewählte Literatur zu den arbeitsmarkttheoretischen Ansätzen

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