Neubau
Energieeffizientes Bauen
Binz | Bichsel | Geissler | Hall | Huber | Ragonesi | Steinke | Weickgenannt
Inhalt
1. Energie und Gebäude 5 1.1 Energie im Gebäude und im
Gebäudepark Schweiz 5 1.2 Haus, Überbauung, Areal,
Quartier, Stadt 11
1.3 Konzepte, Strategien, Standards 15 1.4 Energiereduktion und
Eigenproduktion 23 1.5 Energetische Gesamt-
bilanzierung 25 1.6 Energiestandards und
Nachhaltigkeitslabels 28
1.7 Graue Energie 31
1.8 Behaglichkeit 36
1.9 Quellen 39
2. Gebäude – Form und Hülle 41
2.1 Baukörper 41
2.2 Gebäudehülle 42
2.3 Wärmeschutz 43
2.4 Opake Bauteile der thermischen
Gebäudehülle 46
2.5 Vermeidung von Schwachstellen 54 2.6 Gläser und Fenster 56
2.7 Vorhangfassaden 61
2.8 Sommerlicher Wärmeschutz 63 2.9 Tageslichtversorgung 68
2.10 Quellen 71
3. Hochgedämmte Gebäude -
hüllen 73
3.1 Verständigung 73
3.2 Konzeptionelle Überlegungen 73
3.3 Opake Bauteile 76
3.4 Transparente Bauteile 92
3.5 Wärmebrücken 94
4. Gebäudetechnik 99
4.1 Gesetzliche Vorgaben 99 4.2 Heizung und Warmwasser 101 4.3 Lüftung, Klima, Kühlung 110 4.4 Haushaltsgeräte 122
4.5 Beleuchtung 126
4.6 Photovoltaik 132
4.7 Allgemeine Gebäudetechnik 139 4.8 Gebäudeautomation 141
4.9 Quellen 146
5. Anhang 147
5.1 Autoren 147
5.2 Normen und Regelwerke 148 5.3 Stichwortverzeichnis 149
Impressum
Neubau – Energieeffizientes Bauen Autorinnen und Autoren: Armin Binz, Jürg Bichsel, Achim Geissler, Monika Hall, Heinrich Huber, Jürg Nipkow, Marco Ragonesi, Gregor Steinke, Beate Weick- genannt
Lektorat und Seitenherstellung: Faktor Journalisten AG, Zürich; Othmar Humm, Christine Sidler
Titelbild: FHNW Campus Muttenz von Pool Architekten (Foto: Andrea Helbling, Arazebra, Zürich)
Diese Publikation ist Teil der Fachbuch- reihe «Nachhaltiges Bauen und Erneu- ern». Die Publikation wurde durch das Bundesamt für Energie BFE / Energie- Schweiz und die Konferenz Kantonaler Energiedirektoren (EnDK) finanziert.
Bezug: Als Download (kostenfrei) unter www.energieschweiz.ch oder als Buch beim Faktor Verlag, info@faktor.ch oder www.faktor.ch
Januar 2020
ISBN: 978-3-905711-53-0
Der Schlüssel zur Energiewende
Seit 40 Jahren ist energieeffizientes Bauen ein Thema. Auch wenn seine Bedeutung im Lauf der Zeit mit den Energiepreisen schwankte: Es wurde viel erreicht in dieser Zeit. Neubauten, Heizungen, Pumpen und Ventilatoren, Geräte und Beleuchtungen sind um Grössenordnungen energieeffizi- enter als damals. Das Wissen zum energie- effizienten Bauen ist unüberschaubar ge- worden. Warum also dieses Buch?
Einerseits gerade wegen der Fülle an Ma- terial. Das Buch soll helfen, die Bäume trotz lauter Wald sehen zu können. Das Wesentliche wird herausgehoben und das Know-how, die Technologien und die Tools in ihrer Bedeutung eingeordnet. Die erfah- rene Energiefachperson soll mit wenig Aufwand das Übersichtswissen in den an- grenzenden Fachbereichen aktualisieren können. Studierenden und Neueinsteigern soll das Buch eine Landkarte sein, das ei- gene Fachgebiet zusammenfassen und Grundkenntnisse über das energieeffizi- ente Bauen vermitteln.
Andererseits braucht es das Buch, weil die- ses Wissen rasch veraltet. Entwicklung und Selektion von Effizienztechnologien haben über die Jahrzehnte eine gewisse Klärung und auch eine Fokussierung auf Schlüsseltechnologien bewirkt. Vieles hat sich bewährt und durchgesetzt, etwa Wärme pumpen oder verputzte Aussen- dämmungen. Anderes ist von der Entwick- lung überholt worden und verschwunden, beispielsweise wärmedämmende Fen ster- läden und bald auch Energiesparlampen.
Energieeffizientes Bauen hat damit auch eine gewisse Selbstverständlichkeit er- langt. Aber gerade in den letzten Jahren hat der Wandel – auch des Umfelds – zu grundlegenden Änderungen geführt. So haben die enormen technologischen Fort- schritte im Bereich der Wärmepumpen den Druck und die Unabdingbarkeit eines hervorragenden Wärmeschutzes relati- viert. Nicht jede Fassade muss mit Polysty- rol beklebt werden. Nicht jede Wärme- brücke muss – koste es, was es wolle – eli- Armin Binz
Vorwort
miniert werden. Die Planung von energeti- schen Erneuerungen hat an Freiheit ge- wonnen.
Auch sonst hat sich die Situation bei der grossen verbleibenden Aufgabe des ener- gieeffizienten Bauens, der Sanierung der vor 1980 erstellten Gebäude, geändert.
Die Grenze zwischen Neubau und Erneue- rung wird zunehmend unschärfer. Es ist geradezu ein Hauptmerkmal von erfolgrei- chen Erneuerungen, dass grössere Teile der Gebäudehülle als Neubau gestaltet werden. Aufstockungen und Anbauten, Integration bestehender Balkone und Neu- erstellung ganzer Fassaden mit grossen Fensterflächen bieten dieselben bautech- nischen Möglichkeiten wie der Neubau.
Und sie entsprechen dem politischen Wil- len zur Verdichtung, wie er im revidierten Raumplanungsgesetz festgehalten ist, das vom Souverän im Frühling 2011 ange- nommen wurde. Mit dieser Tendenz hält auch der Trend in der Gebäudeerneuerung Einzug, mehr und mehr integrale Systeme und nicht mehr handwerklich Materialien zu verbauen, mit positiven Folgen für Kos- ten, Qualität und Energieeffizienz.
Dass sich auch das politische Umfeld grundlegend verändert hat, kommt be- sonders deutlich im 2017 beschlossenen neuen Energiegesetz des Bundes und der zugehörigen Energiestrategie 2050 zum Ausdruck: Die Energieversorgung ist der Wirtschaftsbereich, der seit Jahrzehnten in hohem Masse globalisiert ist und drei Vier- tel der Energie als fossile oder nukleare Energie träger aus dem Ausland bezieht.
Sie soll jetzt umgebaut werden: Einhei- misch und erneuerbar sollen künftig ihre Hauptmerkmale sein. Da die Hälfte des Energieverbrauchs für den Betrieb von Gebäuden benötigt wird und Energieeffi- zienz – richtig umgesetzt – mit Kom fort- gewinn, Nutzungsverbesserung sowie Aufwertung der Bausubstanz verbunden ist, wird energieeffizientes Bauen die Pri- madonna der Energiewende sein.
Abbildung 1.1: End
energieverbrauch 2010 in der Schweiz nach Verwendungs
zwecken in TWh/a.
(Quelle: [1], Daten
grundlage: [2]) in Abbildung 1.3 nicht enthalten, aber
gleich wohl relevant ist). In Abbildung 1.2 wird zudem sichtbar, dass Wohnbauten das vorrangige Thema des energieeffizien- ten Bauens und Erneuerns im Gebäude- park Schweiz sind.
Energieeffizientes Bauen als Teil der Bauwirtschaft
Die Investitionen im Hochbau lagen 2016 in der Schweiz bei insgesamt 50 Mrd. Fr.
Zwei Drittel davon entfielen auf den Neu- bau, ein Drittel auf Erneuerungen. Von den gut 16 Mrd. Fr., die in Erneuerungen investiert wurden, wurde etwa ein Viertel für energetisch relevante Massnahmen verwendet. Davon wurde je etwa die Hälfte für Verbesserungen an der Bausub- stanz und an der Gebäudetechnik (Hei- zungsersatz, Komfortlüftungseinbau etc.) eingesetzt. Selbstredend erfüllen diese Massnahmen nicht nur energetische Ziele.
Neue Fenster sind in erster Linie ein neues Bauteil, das seine Funktionen besser als die alten Fenster erfüllt. Die moderne Wärme-
Energie und Gebäude
Kapitel 1
1.1 Energie im Gebäude und im Gebäudepark Schweiz
Mehr als die Hälfte des Energieverbrauchs und rund die Hälfte der gesamten Treib- hausgasemissionen der Schweiz entfällt auf den Gebäudepark – für Erstellung, Un- terhalt und Betrieb (Abbildung 1.1).
Raumwärme, Warmwasser und der grösste Teil des Stromverbrauchs für Beleuchtung, Geräte, Informations- und Kommunikati- onstechnik sowie die ebenfalls dort sub- summierte Energie für Gebäudetechnik (Pumpen, Ventilatoren, Ventile etc.) wer- den für den Betrieb von Gebäuden ge- braucht.
Der Energieverbrauch für die Erstellung und Erneuerung von Bauten (graue Ener- gie beziehungsweise der ganze Aufwand der Bauwirtschaft) ist in Abbildung 1.3 nicht separat erfasst beziehungsweise dem restlichen Energieverbrauch zugeord- net. Es dürfte sich dabei um eine Grössen- ordnung von 30 TWh handeln, wovon ein stattlicher Anteil importiert wird (was Armin Binz
Öl
Gas Sonstige
Holz/Biomasse Thermische Solarenergie Abfälle, Abwärme etc.
Netto-Import Wasserkraft Kernenergie Photovoltaik Windenergie
WKK/HK
Nicht inländischer Verbrauch fossiler Energieträger
Verbrauch Speicherpumpen und Verluste
Verluste
Raumwärme
Warmwasser Prozesswärme
Geräte, Beleuchtung Sonstiges
Mobilität
Fernwärme
Umwelt- wärme WKK/HK
Gesamt- end- energie- verbrauch 2010 137,3
32,1 1,8
10,6 2,7
3,1
2,1 2,3 1,1
11,1
1,4
0,1 0,1
1,3 5,8
18,3
18,3
2,2
8,9
83,8
12,7 27,4
149,6 20,6 233,6
87,6 6,8
3,7 3,7
4,9
3,7 8,8
8
0,4 0,4
0,4 0,8 5
2
3
7
1 21,3
6,8
126,5
35 25,2
20 58,8 32,3
58,8
69,3 64,4
TWh
6
Energie und Gebäude
schutzverglasung bringt jedoch die er- wünschte energetische Verbesserung (und wird deshalb je nach Situation auch sub- ventioniert). Bei Neubauten ist es schwieri- ger, dem Aspekt Energieeffizienz einen Investitionsanteil zuzuordnen. Anteilsmäs- sig wird es deutlich weniger sein als bei den Erneuerungen. Absolut gesehen dürfte es nochmals dieselbe Grössenord-
nung wie bei den Erneuerungen sein, wie dies in Abbildung 1.4 dargestellt ist. Im- merhin lässt sich festhalten, dass die Ener- gievorschriften und darüber hinausge- hende freiwillige Energieeffizienzanforde- rungen wie die verschiedenen Minergie- Standards oder der SIA-Effizienzpfad Ener- gie auch bei Neubauten einen eigenen
«Marktanteil Energieeffizienz» abstecken.
Einfamilienhäuser 21%
Mehrfamilienhäuser 30%
Sonstige Wohngebäude 14%
5,4%Büro
Schulen 3,7%
Handel 2,7%
Spital/Heim 2,6%
Sonstige Gebäude 3,7%
Landwirtschaft 1%
Gastgewerbe 1,8%
Verkehr 1,1%
Industrie 1,7%Büro
Industrie Betrieb
7,2%
Industrie übrige
4,1%
Wohngebäude 65% DLG 22% Industrie
13%
Abbildung 1.2:
Die Energiebezugs
fläche des schweize
rischen Gebäude
bestandes nach Nutzungen (2004).
100 % sind 665 Mio. m2. (Quelle: [3])
Thermische Solarenergie
Nutz- wärme- bedarf Gas
Öl
Sonstige Holz, Bio- masse Abfälle, Ab- wärme etc.
Elektrizitäts- verbrauch in Gebäuden Elektrizität
Beleuchtung Lüftungs- wärme Transmission
Umweltwärme Sonne Interne Wärme
Warmwasser
Gebäude- technik I &K Sonstiges Mobilität, Pro- zesswärme, offene Anla- gen und Instal- lationen etc.
Energiever- brauch ausserhalb Gebäude
GT-Verluste
Kochen, Waschen etc.
Netto ge- lieferte Energie
13,6
22,5
117,6 18 0,2
51
8,9 3
9 12
69,2
11 3
0,4
13 10,7
78,6 14
2,3 2,8 6,5 5,8 5,1 End- und Nutzenergiebilanz des Gebäudeparks der Schweiz 2010 in TWh/a
76,5 Abbildung 1.3:
Endenergiever
brauch 2010 in der Schweiz in TWh/a, aufgeteilt in den für Betrieb und Nutzung des Ge
bäudeparks nötigen Anteil und den Ver
brauch für alle übri
gen Zwecke (Mobi
lität, Prozessenergie Industrie etc.). Dar
gestellt gemäss Energiedefinitionen des SIA (netto gelieferte Energie anstelle der End
energie).
(Quelle: [1], [5], [6], [7] und Berechnun
gen A. Binz)
7 Neubau – Energieeffizientes Bauen
4. Elektrizitätsverbrauch für Licht und Geräte: Eigentlich geht es um die zwei grundlegend verschiedenen Optimierungs- felder «Beleuchtung» und «Betriebsein- richtungen» (von Kühlschränken bis zu Computern). An dieser Stelle sind die An- wendungen zusammengefasst, weil nicht nur der Energieträger, sondern auch der Energielieferant sowie der Planer und der Installateur oft derselbe ist.
5. Graue Energie: In den letzten Jahren wurden die nötigen Grundlagen zur Quan- tifizierung der grauen Energie von Bauma- terialien und Bausystemen sowie die Me- thoden zur rechnerischen Abschätzung der grauen Energie ganzer Gebäude be- ziehungsweise Bauvorhaben intensiv vor- angetrieben. Heute steht den Planern mit dem Merkblatt SIA 2032 «Graue Energie»
sowie geeigneten Methoden und Tools wie Minergie-Eco, dem elektronischen Bau teilkatalog und weiterer Software die Möglichkeit offen, die graue Energie sach- gerecht in den Entwurf einzubeziehen.
6. Eigenerzeugung von Wärme und Elektrizität: Neben der weitverbreiteten Wassererwärmung mit thermischen Kol- lektoranlagen ist die Eigenerzeugung von Wärme und Elektrizität vor allem mit zu- nehmend kostengünstig werdender Pho- tovoltaik zu einem wichtigen Thema der Energiewende geworden. Damit verbun- den sind ganz neue Herausforderungen, wie etwa die Belastung des Elektrizitäts- netzes, dezentrale Speicherung und Maxi- mierung der Eigennutzung des Strom- ertrages.
Energieflüsse am Gebäude
Energieeffizientes Bauen hat sich über die letzten vier Dekaden vom einfachen «Heiz- energiesparen» zur umfassenden und ent- wurfsintegrierten Energieoptimierung von Bauten und Bauprojekten entwickelt. Sie- ben Felder gilt es zu bearbeiten:
1. Raumheizung: Die Fokussierung auf diesen Bereich in der Vergangenheit hat dazu geführt, dass die weitgehende Opti- mierung von Neubauten heute schon von Gesetzes wegen gegeben ist. Das Thema bleibt aber von vorrangiger Bedeutung, weil immer noch ein Drittel des schweize- rischen Gesamtenergieverbrauchs für die Beheizung von Gebäuden verbraucht wird und die energetische Erneuerung der Be- standsbauten deshalb die vordringliche Aufgabe bleibt.
2. Raumkühlung scheint leider ein Zu- kunftsthema zu sein. Der Wunsch nach grossen Fensterflächen, die gesteigerten Komfortbedürfnisse und die Missachtung der Regeln des sommerlichen Wärme- schutzes führen dazu, dass immer häufi- ger in Zweckbauten, aber auch vermehrt in Wohnbauten, aktiv gekühlt wird. Die Zunahme an überdurchschnittlich heis sen Sommern unterstützt diesen Trend noch.
3. Warmwasser: Der Spielraum bezüglich Energiebedarf für die Wassererwärmung ist zwischen Gebäudetechnikoptimierung und suffizientem Benutzerverhalten auf- gespannt. Beide Ansätze weisen grosse Potenziale auf.
0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50
Hochbau Tiefbau
Mrd. Fr.
Wohnbauten 66%
Industrie, Gewerbe, DL
20%
Übrige Bauten 14%
Umbau, Erweiterung Neubau Energieeffizientes Bauen
Abbildung 1.4:
Bauinvestitionen in der Schweiz 2016, in Mrd. Fr., aufge
teilt in Neubau und Erneuerung bezie
hungsweise nach Nutzungsart der Gebäude. Energie
effizienz als Markt
komponente bei Neubau und Erneu
erung.
8
Energie und Gebäude
7. Induzierte Mobilität: Art und Umfang eines Teils der Mobilität hängt von Gebäu- den ab. In erster Linie vom Standort, dann aber auch von Massnahmen zur Förderung beziehungsweise Behinderung verschiede- ner Fortbewegungsarten. Die Massnah- menpalette erstreckt sich von optimalen Fussgängerverbindungen und Veloabstell- möglichkeiten bis hin zu Autoparkplatz- verknappung. Mit dem Merkblatt SIA 2039 «Mobilität – Energiebedarf in Ab- hängigkeit vom Gebäudestandort» kann der Planer eines Gebäudes auch diesen Aspekt einbeziehen.
In den Fachkapiteln dieser Publikation werden die oben dargestellten Bereiche aufgegriffen und – mit bewusster Setzung von Schwerpunkten – abgehandelt.
Umfassende Energieoptimierung heisst nicht nur, alle Energiebereiche abzude- cken, sondern auch, die ganze Kette der Energieumwandlung zu berücksichtigen.
Da es letztlich darum geht, Energieres- sourcen zu schonen und damit Treibhaus- gas- (und andere) Emissionen zu reduzie- ren muss gefragt werden, was Einsparun- gen an Nutz- und Endenergie auf dieser grundsätzlichen Ebene bewirken (Abbil- dung 1.6).
Die Basis des Energieflussdiagrammes von Abbildung 1.6 ist ein typischer Mehrfami- lienhaus-Neubau im schweizerischen Mit- telland. Alle spezifischen Werte im Dia- gramm multipliziert mit der Energiebe- zugsfläche von 600 m2 ergeben die Abso- lutwerte des Gebäudes. Das Diagramm zeigt den Energiefluss von links nach rechts. Wobei allerdings die ursächliche Wirkung von rechts nach links geht: Rechts sind die Energiebedarfswerte aufgeführt, die durch Erstellung und Betrieb des Ge- bäudes entstehen. Um die nötige Nutz- energie zur Bedarfsdeckung zu erzeugen, muss Endenergie eingekauft und umge- wandelt werden. Diese Endenergie ent- Heizung
Raumkühlung
Warmwasser
Geräte, Licht
Graue Energie
Eigenerzeugung
Induzierte Mobilität Abbildung 1.5: Die
sieben Bereiche des energieeffizienten Bauens.
6,1
Beleuchtung
Lüftungs- wärme
Trans- mission Sonne Interne Wärme
Warm- wasser
Gebäudetechnik I & K
Sonstiges Graue Energie
GT-Verluste 54,6
Kühlen, Kochen, Waschen etc.
Induzierte Mobilität
46 56
25
Umwandlungsverluste Primärenergie Elektri-
zität Graue Energie Mobili- tät
Erneuerbare
Primärenergie Erneuerbare Primärenergie nicht einbezogen
35 7,8
2,5
1,1
2,5
1,1 50,2
40
39
Erdgas 67,3 60,7
0,6
7,3 19
40
35
18 17
21
9 3 2 3 2 Thermisch-solar
12,4 Primär-
energie Nutz-
energie Netto gelie-
ferte Energie
Spezifische Energiebilanz eines Mehrfamilienhauses im MuKEn-2008-Standard (Erdgas) in kWh/m2 a
Abbildung 1.6:
Spezifische Energie
flüsse in kWh pro m2 EBF pro Jahr in einem durchschnitt
lichen Mehrfamili
enhausNeubau mit einem Erdgas
Wärmeerzeuger für Heizung und Warm
wasser.
9 Neubau – Energieeffizientes Bauen
ner Holzfeuerung wäre möglich, aber ebenfalls mit deutlich höheren Kosten ver- bunden. Gewählt wurde eine häufige Lö- sung: Mit einer relativ bescheidenen ther- mischen Sonnenkollektoranlage kann etwa 60 % des Warmwassers erwärmt werden und die 80-%-Limite für den (nicht erneuerbaren) Erdgaseintrag unterschrit- ten werden.
Erdgas weist auf dem Weg von seiner Ge- winnung als Primärressource bis zur Liefe- rung als Endenergie an den Kunden relativ wenig Verluste auf beziehungsweise braucht wenig Energie für Aufbereitung und Transport. Der erneuerbare Anteil in der Energieaufbereitung ist fast vernach- lässigbar, sodass praktisch die ganze Pri- märenergie als nicht erneuerbare Primär- energie von links in das Diagramm einge- führt wird.
Elektrizität für Geräte und Beleuchtung
Der Energiefluss des «Haushaltstroms»
wird nur bis zur Nutzenergie hingeführt.
Es ist unüblich, beim Elektrizitätsverbrauch Wirkungsgrade der Umwandlung von Endenergie in Nutzenergie anzugeben (wieviel Backofenhitze pro kWh Elektrizität und ähnliche Angaben). Vielmehr hat sich die Nutzungseffizienz der einzelnen Ge- räte, Leuchten, Lampen etc. als Schlüssel- grösse durchgesetzt (beispielsweise in Form von Energieetiketten, Lichtausbeute in Lumen/Watt etc.). Es wird auch ersicht- lich, welches die Verbrauchskategorien sind und dass Kühlen-Waschen-Kochen in der durchschnittlichen Wohnung die do- minante Verbrauchskategorie ist. Dass dem Elektrizitätsverbrauch besondere Be- deutung zukommt, wird auf der Stufe Pri- märenergieverbrauch deutlich. Jede kWh Endenergie Strom (aus dem Netz) wurde (im Mittel) mit 2,52 kWh nicht erneuerba- rer Primärenergie hergestellt [4]. Diese Pri- märenergiegewichtung entspricht nicht der inländischen Produktion von Elektrizi- tät, sondern dem sogenannten Verbrau- chermix, der wesentliche Anteile an im- portiertem Strom enthält.
steht wiederum aus Primärenergieressour- cen. Die damit verbundenen Umwand- lungsverluste sowie zusätzlich nutzbare Energien fliessen seitlich zu oder ab. An- hand Abbildung 1.6 lässt sich die aktuelle Situation des energieeffizienten Bauens il- lustrieren.
Wärme für Heizung und Warmwasser Das dargestellte Mehrfamilienhaus ist kein Vorzeige-Beispiel, sondern soll die heute durchschnittliche und typische Situation bei Neubauten illustrieren. Es ist ein Rendi- teobjekt. Tiefe Baukosten sowie ein gutes Preisleistungsverhältnis stehen im Vorder- grund und Energieoptimierung ist kein be- sonderes Anliegen. Eine moderne Gashei- zung und ein gesetzeskonformer Wärme- schutz entsprechen dieser Haltung. Die gesetzlichen Anforderungen bezüglich Heizung und Warmwasser sind allerdings anspruchsvoll. Sie erzwingen bereits einen recht hohen Standard an Energieeffizienz im Bereich Heizung und Warmwasser. Der Heizwärmebedarf von 46 kWh/(m2 a) liegt nur knapp unter dem gesetzlich vorge- schriebenen Wert (Basis: Mustervorschrif- ten der Kantone, MuKEn 2008). Die Werte für die Lüftungswärmeverluste und die Abwärmegewinne durch Personen und Elektrizitätsnutzung sind in der Bedarfsbe- rechnung vorgegebene Standardwerte.
Optimierungsspielraum bieten nur der Wärmeschutz der Gebäudehülle und die passiven Sonnenenergiegewinne. Ohne weitreichenden Wärmeschutz sind die heute geltenden Vorschriften nicht zu er- füllen. Es kommt jedoch noch eine zweite Bestimmung hinzu: Der maximal zulässige Höchstanteil an nicht erneuerbaren Ener- gien. Höchstens 80 % des maximal zulässi- gen Wärmebedarfs für Heizung und Warmwasser dürfen durch nicht erneuer- bare Energien erbracht werden. Weil der gesetzliche maximal zulässige Wärmebe- darf aber nur knapp unterschritten und die Wärme mit einem nicht erneuerbaren Energieträger (Gas) erzeugt wird, muss eine Lösung gesucht werden. Ein verbes- serter Wärmeschutz wäre zulässig, jedoch mit einer aufwendigen Aufdoppelung der Dämmschichten verbunden. Die Wahl ei-
10
Energie und Gebäude
Graue Energie
In der Herstellung, der Montage und der Entsorgung von Baumaterialien steckt viel Energie – graue Energie. Damit die Ener- gieinhalte der unterschiedlichen Energie- träger (Heizöl, Benzin, Elektrizität, Gas etc.) zusammengezählt werden können, müssen sie auf die Stufe Primärenergie zu- rückgerechnet werden. Graue Energie wird daher grundsätzlich auf der Stufe Pri- märenergie bilanziert. In Abbildung 1.6 wird daher der Fluss der grauen Energie nicht über die Stufe Endenergie hinausge- führt und es können auch keine entspre- chenden Umwandlungsverluste ausgewie- sen werden. Auch bei der grauen Energie ist die nicht erneuerbare Primärenergie re- levant und damit Ziel der Optimierungsbe- mühungen. Der Anteil der erneuerbaren Primärenergie ist in der Regel sehr klein, wie im erwähnten MFH. Einzig bei Holz- bauten verschieben sich nennenswerte An- teile der grauen Energie vom nicht erneu- erbaren zum erneuerbaren Anteil (was ja auch eine Optimierungsmöglichkeit dar- stellt).
Mobilität
Wie die graue Energie wird auch die vom Gebäude induzierte Mobilität direkt auf Stufe Primärenergie errechnet und es wird nur der nicht erneuerbare Anteil einbezo- gen. Als (vereinfachte) Gesamtsicht der Energieflüsse am Gebäude zeigt Abbil- dung 1.6 die Bedeutung der Energiever- brauchsbereiche, vor allem jene der erst in neuerer Zeit für das energieeffiziente Bauen thematisierten grauen Energie und Mobilität.
Umwandlungsstufen der Energie Energie wird durch die Umwandlung von Energieträgern genutzt. Diese Umwandlung führt von Stufe zu Stufe und ist jedes Mal mit Energieverlusten verbunden. Hier die wichtigsten Be- griffe in dieser Abfolge.
Primärenergieträger wurden (noch) keiner Umwandlung unterzogen. Bei- spiele: Erdöl (Rohöl), Erdgas, Uran, Waldholz, Sonnenstrahlung, Erd- und Umgebungswärme.
Endenergie: Energie, die dem Ver- braucher zur Umsetzung in Nutzener- gie zur Verfügung steht. Dazu zählt die Energie, die von der letzten Stufe des Handels geliefert wird und die am Standort gewonnene und benutzte Energie. Endenergie, die dem Verbrau- cher von der letzten Stufe des Handels (inkl. nachbarliche Netze) geliefert wird, heisst gelieferte Energie. Mass- gebend ist der Bilanzperimeter. Wird vom Verbraucher Energie, die er – z. B.
aus erneuerbaren Energien oder mit Wärme-Kraft-Kopplung – erzeugt hat, dem Handel zurückgeliefert, wird die zurückgelieferte Energie von der gelie- ferten Energie abgezogen und man spricht von netto gelieferter Energie.
Nutzenergie: Energie, die aus der Umwandlung von Endenergie entsteht und dem Verbraucher unmittelbar dient, z. B. als Wärme im Raum, als dem Raum entzogene Wärme (Küh- lung), als Warmwasser an der Zapf- stelle, als Licht in den Räumen, als Hitze im Backofen etc.
Grundlage: Normenwerk SIA, Gesamt- energiestatistik Schweiz
11 Neubau – Energieeffizientes Bauen
des Bedarfs spielt andererseits immer mehr auch die qualitative Optimierung eine Rolle:
]
] Möglichst tiefe (Vorlauf-)Temperaturen von Heizung und Wassererwärmung
]
] Minimierung der elektrischen Spitzenlas- ten des Bedarfsprofils, sowohl im Jahres- gang (Hochwinterspitze) wie auch im Ta- gesgang
]
] Hohe Eigenbedarfsdeckung bei eigener Stromerzeugung mit Photovoltaik
]
] Optimales Benutzerverhalten und opti- male Benutzerfreundlichkeit aller bedien- baren und energieverbrauchsrelevanten Elemente des Gebäudes sowie Messung und Information der Nutzer beziehungs- weise des Betreibers des Gebäudes Was an Energiebedarf nach der Gebäude- optimierung im engeren Sinne bleibt, wird dem Gebäude von aussen zugeführt. Der energetische Bezug zur Aussenwelt ergibt sich durch die Wahl der Energieträger, die zur Bedarfsdeckung zum Einsatz kommen.
Ob erneuerbare oder nicht erneuerbare Brennstoffe verwendet werden und in welchem Mass Elektrizität den Energiebe- darf des Gebäudes abdeckt und welcher Herkunft sie ist, spannt das Handlungsfeld von Bauherrschaften und Gebäudepla- nern versorgungsseitig auf. Abbildung 1.8 illustriert (schematisch), wie das Gebäude mit dem Umfeld verbunden ist. Die unmit-
1.2 Haus, Überbauung, Areal, Quartier, Stadt
Energieeffizientes Bauen fokussiert auf die Optimierung von Bauvorhaben; Neubau- ten und Erneuerungen. Das ist richtig und wichtig und ist das Thema dieser Publika- tion. Dabei darf es aber nicht bleiben. Ge- bäude bilden Überbauungen, Areale und Quartiere, Gemeinden, Städte. Diese Sied- lungsstrukturen sind ebenfalls bedeutsam für den Energieverbrauch. Je nach Ausprä- gung lösen sie übermässigen Energiekon- sum aus. Sie bieten aber auch zusätzliche Chancen für den nachhaltigen Energieein- satz.
Die Abbildung 1.7 zeigt schematisch die Handlungsfelder der Energieoptimierung von Gebäuden zwischen Versorgung und Bedarf. Die rechte Seite des Diagramms repräsentiert die Massnahmen des ener- gieeffizienten Bauens, das in zwei Felder unterschieden werden kann. Einerseits die klassischen Massnahmen der Energiebe- darfsreduktion wie Wärmeschutz, effizi- ente Heizungs- und Warmwassersysteme und bestmögliche Technologie bei elektri- schen Geräten und Beleuchtung. Traditio- nell werden auch die lokale Nutzung von Sonnenenergie sowie Wärmerückgewin- nungstechnologien (vor allem Lüftung) ebenfalls der Bedarfsreduktion zugeord- net. Neben dieser quantitativen Reduktion
Abbildung 1.7:
Bedarfs und Ver
sorgungsseite von Energie in Gebäu
den. Schematische Darstellung der direkten Optimie
rungsfelder des Ge
bäudes und der er
forderlichen Ener
giezufuhr von aus
serhalb des Gebäu
des.
Versorgung Bedarf
Erneuerbare Wasser Sonne Holz Wind Andere Nicht Erneuerbare Öl
Gas Uran Kohle Andere
Erneuerbare Energieträger Fossile Energieträger Elektrizitäts- Mix
Reduktion
Optimierung
Endenergie Nutzenergie Primärenergie Endenergie Gewichtung
Wärmedämmung Passive Sonnenenergie
Lüftung mit Wärmerückgewinnung Thermische Sonnenkollektoren Wärmepumpen
Bestgeräte Haushalt/Büro LED-Beleuchtung etc.
Niedertemperaturwärme
Elektrische Lastspitzenvermeidung (Tages- und Jahresgang)
Hohe Eigenbedarfsdeckung Optimales Benutzerverhalten etc.
12
Energie und Gebäude
Abbildung 1.8:
Energieversorgung aus dem nahen und fernen Umfeld.
Schematische Dar
stellung der energe
tischen Bezüge des Gebäudes zum Umfeld.
Abbildung 1.9:
Anergienetz.
(Quelle:
Anwendungshilfe Minergie, www.minergie.ch)
telbare Einbindung des Einzelgebäudes in eine Überbauung oder ein Areal ergibt die meisten Optimierungsmöglichkeiten:
]
] Heizzentralen mit oder ohne gemein- same Nutzung lokaler Ressourcen wie Um- weltwärmepotenziale (Erdwärme, Grund- wasser, Oberflächenwasser) oder von Ab- wärme benachbarter Betriebe
]
] Gemeinsame Anlage zur Sonnenener- gienutzung, thermisch respektive photo- voltaisch
]
] Wärmeverbundsysteme, welche die kri- tische Grösse erreichen, sodass zusätzliche Typen der Wärmeerzeugung möglich sind, z. B. Holzschnitzelheizungen oder Wärme- kraftkopplungsanlagen
]
] Je nach Nutzung und Grösse des Areals sind auch Anergienetze oder Niedrigtempe- raturnetze zu prüfen. Abbildung 1.9 zeigt die Darstellung aus der Anwendungshilfe von Minergie, die auch die Definition ent- hält: «Unter einem Anergienetz wird ein Wärmeverbund verstanden, der auf einem (aus der Optik von Heizungen) tiefen Tem- peraturniveau betrieben wird. Ein solches Netz gibt einerseits Wärme an verschiedene Bezüger ab (Heizbetrieb) und nimmt ande- rerseits Wärme von Bezügern auf (Kühlbe- trieb). Zudem ist eine Kopplung ans Erd-
Ausland
Fossile Brennstoffe, Uran, Elektrizität (EV-Mix) LandElektrizität (Schweiz. Produktions-Mix)
Region Holz
Gemeinde/Stadt
Holz, kalte und heisse Fernwärme Areal/Quartier
Wärmeverbund (Nahwärme) Überbauung
Heizzentrale, Wärmeverbund, Anergienetz, PV gemeinsam, Umweltwärme (z.B. Erdsonden)
Gebäude
Therm. Sonnenenergie Photovoltaikanlage Umweltwärme
1 2 3
4
Legende
1 Direktnutzung Kälte
2 Indirektnutzung Kälte (über Kälte- maschine)
3 Indirektnutzung Heizung (über Wärme- pumpe)
4 Direktnutzung Heizung Elektrische
Energie Wärmepumpe und Kälte- maschine
Erdkopplung (Wärmequelle oder Senke) Systemgrenze
Minergie
Bilanzgrenze Gebäude
Bilanzgrenze Anergienetz
Hilfsenergie Nutzenergie
Deckung Spitzenleistung
Endenergie zur Spitzendeckung
13 Neubau – Energieeffizientes Bauen
reich möglich (Erdsonden). Allenfalls kann eine Spitzendeckung für Heizung respek- tive Kühlung vorhanden sein.»
Von der Überbauung zur Stadt
Beim Überschreiten der Grenze von der Überbauung zum Areal, zum Quartier und zur Gemeinde oder gar zur Stadt verän- dert sich die Situation grundlegend. Bau- herrschaften und Gebäudeplaner nutzen Versorgungsangebote einerseits und pro- fessionelle Energieanbieter sowie Kommu- nalplaner und Gemeindepolitiker agieren als Energieversorger beziehungsweise Inf- rastruktur-Gestalter andererseits. Nebst den Möglichkeiten des Gebäudes und der Überbauung können weitere Optionen zur Diskussion stehen, vor allem Versorgungs- netze aller Art: heisse und kalte Nah- und Fernwärme beispielsweise.
Gemeinden werden in Zukunft eine akti- vere Energieplanung betreiben. Dazu ge- hört eine detaillierte Erfassung und Kartie- rung aller kommunalen Ressourcen und die Bedingungen für die Beschaffung extrakommunaler Energien sowie die Ana- lyse und Prognose von Energiebedarfswer- ten für die unterschiedlichen Nutzungen.
Abbildung 1.10 illustriert die Ressourcen- erfassung am Beispiel der Stadt Zürich.
Daraus wird auch deutlich, dass mit dem Übergang in das nachfossile Zeitalter der Energieversorgung eine übergeordnete
Energieangebot
Fernwärme ab KVA
Klärwerk Werdhölzli (Abwasser) Zürichsee (Seewasser)
Limmat (Flusswasser)
Parzellen-extern (standortgebunden) Parzellen-intern
Solarthermie, Aussenluft Erdwärme (eingeschränkt) Grundwasser (eingeschränkt)
Stadt-extern (Brennstoffe) Energieholz
Biogas (im Gasversorgungsgebiet) Feste Biomasse
Resultat: lokal verfügbares Angebot kann 90 % der Nachfrage 2050 decken
Koordination und Steuerung unumgäng- lich wird. Auch Bauherrschaften und Ge- bäudeplaner von Einzelgebäuden werden in Zukunft von solchen neuen Rahmenbe- dingungen betroffen sein. Natürliche Res- sourcen wie See-, Fluss- und Grundwasser werden nach Plan und gesetzlichen Vor- gaben erschlossen und genutzt werden müssen. Erdsonden-Wärmepumpenanla- gen als Schlüsseltechnologie der zukünfti- gen Wärmeversorgung werden in einer Dichte auftreten, die voraussichtlich eine systematische Wärmeregeneration zur Pflicht machen wird.
Je grösser der Planungsraum, desto politischer die Rahmenbedingungen Das regionale und das nationale Umfeld sind vor allem für den Energiemix und die Angebotspalette weiterer Energieträger wie Holz wichtig. Die internationale Ebene ist dies in ähnlicher Art für das Angebot an herkömmlichen Energieträgern (fossile und Uran), aber auch für Elektrizität aus erneuerbaren Quellen (Wind und Photo- voltaik). Gebäudeplaner und Bauherr- schaften müssen heute noch für sich selbst entscheiden, ob sie Nähe als positiv und Distanz als Nachteil bewerten wollen, was die Herkunft der Energie angeht. In der of- fiziellen Debatte sind die Meinungen dazu noch kontrovers. Minergie verlangt, dass für das Gebäudelabel anrechenbare Eigen-
Abbildung 1.10:
Übersicht der er
neuerbaren Ener
gieressourcen am Beispiel der Stadt Zürich. (Quelle:
Stadt Zürich, Depar
tement der Industri
ellen Betriebe)
14
Energie und Gebäude
erzeugung auch auf dem Gebäude zu rea- lisieren ist. Für die Erreichung der Ziele des SIA-Effizienzpfades Energie kann Öko- strom eingekauft werden. Er muss mindes- tens die Qualität «naturemade star» errei- chen und der Abschluss eines langjährigen Liefervertrags ist Pflicht.
Areale, Siedlungen oder gar Städte sind wesentlich komplexer als Gebäude. Sie weisen komplizierte Entscheidungsabläufe auf und Energiefragen sind eng mit ande- ren Politikbereichen verknüpft. So ist selbstverständlich die Verdichtungspla- nung in Gemeinden in höchstem Masse energierelevant und das politische Instru- ment des Ausnützungsbonus (z. B. im Rah- men von Sonderbauvorschriften bei Areal- überbauungen) ist ausserordentlich wirk- sam. Das Umfeld für Gebäudeplaner wird sich durch die intensivierten energieplane- rischen Aktivitäten der Gemeinden stark ändern. Es werden neue, ortsbezogene Bestimmungen zu berücksichtigen sein und neue Energieversorgungsangebote zur Verfügung stehen. Der Gebäudeplaner wird auf dieser Ebene allerdings tendenzi- ell vom Agierenden zum Reagierenden.
Dies ist auch die Ebene, auf der wirklich wirksame Massnahmen getroffen werden
Instrumente zur Beurteilung und Planung von Arealen
2000-Watt-Areal: Das 2000-Watt- Areal-Zertifikat bietet eine umfas- sende Qualitätssicherung für nachhal- tige Areale. Es wurde im Rahmen des Programms EnergieSchweiz des Bun- desamts für Energie entwickelt. Die Zertifizierung ist umfassend doku- mentiert. Das «Handbuch zum Zertifi- kat 2000-Watt-Areal» und weitere Unterlagen sind downloadbar von www.2000watt.swiss
Sméo: Frei zugängliches Online-Tool für die Bewertung und Optimierung von Quartieren hinsichtlich Nachhal- tigkeit.
Auch die grossen internationalen Labels für nachhaltiges Bauen haben Tools und Zertifizierungsangebote für Areale und Quartiere, so beispiels- weise DGNB, LEED und BREEAM.
Abbildung 1.11:
HunzikerAreal in ZürichNord – Nutzungsmix belebt das Quartier.
(Quelle: 2000Watt
Areal, Energie
Schweiz)
können, beispielsweise durch eine bessere Erschliessung durch den öffentlichen Ver- kehr. Denn der durch ein Gebäude indu- zierte Verkehr ist gemäss Merkblatt SIA 2039 «Mobilität» zu berücksichtigen.
15 Neubau – Energieeffizientes Bauen
verwendungen und nicht nur Endenergie werden betrachtet, sondern der gesamte Primärenergiebedarf wird zum massgebli- chen Optimierungsgegenstand. Die Wer- tigkeit von Nutzenergie und Energieträ- gern wird gewürdigt und exergetische Potenziale genutzt. Die Vielfalt an Konzep- ten, Normen, Standards und Hilfsmitteln, aber auch an Technologien, Materialien und Geräten ist ins Unübersehbare ge- wachsen. Abbildung 1.13 stellt eine Aus- wahl heute massgeblicher Instrumente dar.
Das Gebäudeprogramm stellt umfangrei- che Mittel mit langfristiger Kontinuität zur Förderung der Energieeffizienz am Bau zur Verfügung (www.dasgebaeudeprogramm.
ch). Zusammen mit den neuen Energievor-
1.3 Konzepte, Strategien, Standards
Energieeffizientes Bauen – Ziele und Mittel
Das energieeffiziente Bauen hat sich mitt- lerweile über mehr als vier Jahrzehnte ent- wickelt. Mehrere Entwicklungslinien las- sen sich erkennen: Der Fokus des energie- effizienten Bauens ist breiter und umfas- sender geworden. Von Heizung und Warmwasser über Geräte, Beleuchtung und Eigenenergieerzeugung bis hin zu grauer Energie und Mobilität werden alle Energiewirkungen eines Gebäudes in Be- tracht gezogen. In Abbildung 1.12 wer- den die dem Thema heute zugehörigen Elemente aufgezeigt: Sämtliche Energie-
Abbildung 1.12:
Themenbereiche, Hintergrund und Rahmenbedingun
gen des energieeffi
zienten Bauens.
En er g ie ef fi zi en te s B au en
Chronologie der Ausweitung und Differenzierung1980
2020
Alle Energieanwendungen, alle Umwandlungsstufen
Systemische Optimierung
Beachtung der Wertigkeit der Energie (Exergie)
Leistungsaspekte im Jahresgang und Tagesprofilen
Politisches Umfeld: Hochschätzung und Konstanz Energieeffizientes Bauen als wichtiger Baustein der Energiestrategie
2050 des Bundesrates und in der Energiepolitik der Kantone, Kontinuität der Förderung mit dem Gebäudeprogramm
Technologie -Reife
Reichhaltiges Arsenal an ausgereiften Technologien und Systemen der energetischen Optimierung von Bauten, Trend zu Schlüsseltechnologien und standardisierten Lösungen
Konzept des Nearly Zero Energy Building (NZEB) Eigenerzeugung von Elektrizität dank kostengünstiger Photovoltaik,
Eigenverbrauchsmodelle und Autarkiegrad-Erhöhung dank Last- management und Batterien, Energiemonitoring/-Regelung
Suffizienz-Debatte
Vermehrter Einbezug und Operabilisierung des Benutzerverhaltens Heizung, Warmwasser, Raumkühlung, Geräte/Beleuchtung,
Eigenerzeugung, graue Energie, induzierte Mobilität Primärenergie Endenergie Nutzenergie
Optimierung über alle Bereiche und lange Zeithorizonte, optimiertes Zusammenspiel von Gebäude und Gebäudetechnik
Erschliessung der grossen Umwelt- und Abwärme-Potenziale dank der rasanten Entwicklung der Wärmepumpen-Technologie
Gestaltung der Interaktion des Gebäudes als Stromkonsument und als Stromproduzent (Photovoltaik) mit dem Elektrizitätsnetz
16
Energie und Gebäude
schriften im Gebäudebereich, den Muster- vorschriften der Kantone im Energiebe- reich 2014 (MuKEn 2014), dem Beschluss zum Ausstieg aus der Kernenergie und der Energiestrategie 2050 des Bundesrates hat das energieeffiziente Bauen weiteren Auf- trieb erhalten. Neue Themenfelder werden angegangen. Ein Beispiel ist die Suffizienz- Debatte, in der das Benutzerverhalten und die Benutzerbedürfnisse thematisiert wer- den. Im technologischen Bereich wird ei- nerseits der Siegeszug der Photovoltaik weitergehen und andererseits wird die Digitalisierung im Gebäudebereich in Form der Gebäudeautomation immer selbst- verständlicher, wobei auch zunehmend Wohn bauten mit Systemen zu Monitoring und intelligenter Regelung ausgestattet werden.
Optimierungskonzepte und Schlüssel
technologien
Die politisch beschlossene Energiewende lässt sich nicht mit einem Patent-Konzept erreichen. Es werden alle Register der Energieeffizienz gezogen und alle zur Ver- fügung stehenden erneuerbaren Energie- träger eingesetzt werden müssen. Trotz- dem kann festgestellt werden, dass es ei-
nige Schlüsseltechnologien gibt, welche die Energiezukunft prägen werden. Am bereits mit Abbildung 1.6 eingeführten ty- pischen Mehrfamilienhaus-Neubau soll dies illustriert werden. Verschiedene Stu- fen der Energieoptimierung werden in der Folge an diesem Beispiel gezeigt und kom- mentiert.
In Abbildung 1.14 wird das Energiefluss- diagramm desselben Mehrfamilienhaus- Neubaus mit einer anderen, ebenfalls häu- figen technischen Lösung gezeigt und auf den Einsatz eines fossilen Energieträgers (Erdgas) verzichtet. Erdsonden-Wärme- pumpen sind zur Schlüsseltechnologie für Heizung und Warmwasser geworden. Mit Jahresarbeitszahlen über vier erfüllen sie die Forderung nach Nutzung der Exergie von Energieträgern optimal. Die Energiebi- lanz ist geprägt vom Ausmass an Umwelt- wärme, die gewonnen werden kann. Das Grundschema dieses Konzepts dürfte in Zukunft sehr häufig sein und es illustriert den Trend zur «Vollelektrifizierung» der Gebäude. Nicht nur bei der Mobilität, wo ein starker Trend zur «Elektromobilität»
hin feststellbar ist, wird auch der Gebäude- park in Zukunft mehr und mehr mit Elekt- rizität betrieben werden. Auch die damit
Abbildung 1.13:
Übersicht über wichtige Instru
mente des nach
haltigen Bauens (Auswahl).
Konzepte Methoden und
Instrumente
Standards und Labels
SIA-Energienormen 380/1, 380/4, 382, 384, 385, 387/4 etc.
2000-Watt-Gesellschaft
Geräte-Energie-Etiketten
Graue Energie, SIA 2032
Energiestadt SIA-Effizienzpfad Energie, SIA 2040
KBOB-Empfehlungen
Minergie, Minergie-P, Minergie-A
SIA Empf. Nachhaltiges Bauen 112/1
Gebäude-Energieausweis der Kantone (GEAK, GEAK Plus) Minergie-Eco
Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz, SNBS MuKEn
2000-Watt-Areale
SMEO
Eco-Devis
Gebäudeinduzierte Mobilität, SIA 2039 Suffiziente Energienutzung
17 Neubau – Energieeffizientes Bauen
Abbildung 1.14:
Spezifische Energie
flüsse in kWh pro m2 EBF pro Jahr in einem durchschnitt
lichen Mehrfamili
enhausNeubau mit einer Erdsonden
Wärmepumpenan
lage für Heizung und Warmwasser.
Erneuerbare Primärenergie
Erneuerbare Primärenergie nicht einbezogen Netto
gelieferte Energie
15,3 Nutz-
ener- gie
17 18
46
25
56 21 Sonne Interne Wärme
Lüftungs- wärme Trans- mission Warm- wasser Kühlen, Kochen, Waschen etc.
Beleuchtung Gebäudetechnik I & K
Sonstiges 9
3 2 3 2 GT-Verluste Umweltwärme
17,5 1,9 51,7
19
40
35
Graue Energie Induzierte Mobilität
Umwandlungsverluste Primärenergie
78,2 Elektrizität
Graue Energie Mobilität
40
35
Pri- mär- ener- gie
2,5 2,5
1,1 1,1
15,6
100,7
verbundene Problematik wird augenfällig:
Der Bedarf an nicht erneuerbarer Primär- energie liegt wegen des hohen Strombe- darfs hoch, weil für die durchschnittliche kWh Elektrizität in der Schweiz 2,6 kWh nicht erneuerbare Primärenergie einge- setzt werden müssen. Die 2000-Watt-Ge- sellschaft bezieht sich auf Primärenergie.
Dank der hohen Jahresarbeitszahlen der Wärmepumpenanlagen kann der Primär- energiefaktor (nicht erneuerbar) von Elek- trizität mehr als kompensiert werden. Der SIA-Effizienzpfad Energie, der sich als Inst- rument des Konzepts der 2000-Watt-Ge- sellschaft versteht, setzt seine Ziel- und Richtwerte daher auch auf Stufe Primär- energie an. Die Summe der Richtwerte für Erstellung, Betrieb und Mobilität ergeben den Zielwert für die 2000-Watt-Gesell- schafts-Kompatibilität eines Bauvorha- bens. Bei neuen Wohnbauten liest sich diese Gleichung als 30 (Erstellung) + 60 (Betrieb) + 30 (Mobilität) = 120 kWh/
(m2a). Mit 175 kWh/(m2a) ist das Beispiel gemäss Abbildung 1.14 allerdings mehr als 40 % von diesem Zielwert entfernt.
Eine oft vergessene Anforderung des SIA- Effizienzpfades Energie ist die Erfüllung des Grenzwertes für den Heizwärmebe-
darf nach Norm SIA 380/1. Wäre das be- trachtete Mehrfamilienhaus eine Erneue- rung, würde das immerhin bedeuten, dass der Heizwärmebedarf 77 kWh/(m2a) un- terschreiten müsste. Dies stellt sicher, dass zur Einhaltung des Zielwertes gemäss Effi- zienzpfad nicht eine thermisch miserable Gebäudehülle mit einem erneuerbaren Energieträger oder mit eingekauftem Öko- strom kompensiert wird.
Bei Minergie würde das Bild leicht anders aussehen, weil anstelle der nicht erneuer- baren Primärenergie die gewichtete End- energie (bzw. gelieferte Energie) stehen würde. Ausserdem würde nur der Wärme- teil vom Minergie-Grenzwert betroffen.
Mit einer Gewichtung von 2 des Elektrizi- tätsbedarfs für Heizung und Warmwasser von 17,5 kWh/(m2a) erreicht das Projekt den Grenzwert MuKEn 2014 und von Minergie knapp (38 kWh/(m2a)). Aller- dings sind andere Anforderungen an Minergie nicht erfüllt beziehungsweise nachgewiesen, vor allem die automatische Lüftung.
18
Energie und Gebäude
werden. Auch bei der grauen Energie wird angenommen, dass die diesbezügliche Optimierung ein Anliegen sei. Das führt zum Resultat, dass der Richtwert des Effi- zienzpfades für den Betrieb des Gebäudes (Wärme und Elektrizität für Geräte, Be- leuchtung etc.) um 10 % unterschritten und der Gesamt-Zielwert gerade erreicht wird, obwohl der Richtwert für graue Energie nicht ganz eingehalten wird. Dass der Bedarf an Holzenergie im SIA-Effizienz- pfad Energie kaum ins Gewicht fällt und daher alle Schwächen eines Gebäudekon- zepts mit dieser Wahl ausgebügelt werden können, wird oft bemängelt.
Bei Minergie ist dies anders. Der Gewich- tungsfaktor für Holz liegt bei 0,5, sodass im betrachteten Fall der gewichtete Holz- energiebedarf bei 16,4 kWh/(m2a) liegt.
Dazuzurechnen ist noch der Elektrizitäts- bedarf für die Lüftung von ca. 2 kWh/(m2a), womit die Minergie-Kennzahl Wärme auf 18,4 kWh/(m2a) zu liegen kommt. Das ist deutlich unter dem Minergie-Grenzwert von 55 kWh/(m2a) für den Gesamtener- giebedarf beziehungsweise 35 kWh/(m2a) für den Energiebedarf für Heizung und Warmwasser.
In Abbildung 1.15 wird der Schritt zum Minergie-Standard gemacht. Der Nutz- wärmebedarf wird durch zwei Massnah- men deutlich verringert, nämlich den Ein- bau einer Komfortlüftung mit Wärmerück- gewinnung und einen verbesserten Wär- meschutz der Gebäudehülle. Wegen der geringeren Verluste verschlechtert sich die Fähigkeit des Gebäudes, Solarstrahlung und interne Wärme (Abwärme von Be- leuchtung, Geräten und Personen) zu nut- zen und die entsprechenden Erträge sin- ken etwas. Für die Wärmeversorgung wird auf einheimische erneuerbare Energie ge- setzt. 60 % der Wassererwärmung werden mit einer thermischen Kollektoranlage ge- deckt. Für die Heizung und den Rest der Wassererwärmung kommt eine Holzhei- zung mit einer automatischen Pelletfeue- rung zum Einsatz. Da der Brennwert von Holz erneuerbar ist, beschränkt sich der Anteil nicht erneuerbarer Primärenergie auf Holzschlag, Pelletierung und Transport und ist damit minimal. Selbstverständlich könnte das Ziel Minergie auch mit einer Wärmepumpenlösung erreicht werden.
Beim übrigen Elektrizitätsverbrauch wird angenommen, dass überdurchschnittlich effiziente Geräte und Leuchten eingesetzt
Erneuerbare
Primärenergie Erneuerbare Primärenergie nicht einbezogen
Netto gelieferte Energie
Nutz- energie
Sonne Interne Wärme
Lüftungs- wärme Trans- mission Warm- wasser
Kühlen, Kochen, Waschen etc.
Beleuchtung Gebäudetechnik I & K
Sonstiges 7
2 3 3 2 GT-Verluste Thermische
Solarenergie 36,5
35
35
Graue Energie Induzierte Mobilität Umwandlungsverluste Primärenergie
8,1 Elektrizität
Graue Energie Mobilität
35
35
Primär- energie
2,5 2,5
1,1 1,1
7,7
36,9
34,9
44,9
Holz 31
17
WRG Abluft
45 21 22
16 17 15
10
5,5 12
7 Abbildung 1.15:
Spezifische Energie
flüsse in kWh pro m2 EBF pro Jahr im Mehrfamilien hausNeubau im MinergieStandard.
19 Neubau – Energieeffizientes Bauen
Abbildung 1.16 zeigt die Projektvariante Minergie-A mit einer Lösung, die auch die Anforderungen von Minergie-P erreicht, d. h. über einen aussergewöhnlich guten Wärmeschutz verfügt. Die sehr stark redu- zierten Wärmeverluste führen dazu, dass die Ausnutzung der eingestrahlten Son- nenenergie und der internen Abwärmen sich nochmals etwas verschlechtert. Miner- gie-A wird hier durch eine relativ grosse Photovoltaikanlage erreicht, die nicht nur den Wärmebedarf abdeckt, wie dies für Minergie-A verlangt ist (inkl. Ventilator- energie der Lüftung), sondern auch noch den Elektrizitätsbedarf für Beleuchtung, Geräte etc. Es kann sogar noch überschüs- siger Strom an das Netz abgegeben wer- den. Bei einem Gebäude standort im schwei zerischen Mittelland braucht es zur Erzeugung von 30 kWh Photovoltaikstrom etwa 0,25 m2 bis 0,3 m2 hochwertiger PV- Zellen. Das bedeutet, dass das diskutierte Energieflussbild nur für ein Gebäude mit maximal vier Stockwerken (bei 0,25 m2) beziehungsweise mit maximal drei Stock- werken (bei 0,3 m2) realisiert werden kann.
Jedenfalls, wenn die ganze Photovoltaik auf dem Dach platziert ist und das Dach vollständig dafür genutzt werden kann.
Abbildung 1.16:
Spezifische Ener
gieflüsse in kWh pro m2 EBF und pro Jahr im Mehrfamili
enhausNeubau, der die Standards MinergieP und MinergieA erreicht.
Erneuerbare
Primärenergie Erneuerbare Primärenergie nicht einbezogen
Netto gelieferte Energie
Sonne Interne Wärme
Lüftungs- wärme Trans- mission Warm- wasser
Kühlen, Kochen, Waschen etc.
Beleuchtung Gebäudetechnik I & K
Sonstiges 7
2 3 3 2 GT-Verluste Umweltwärme 30
Graue Energie Induzierte Mobilität PV-Export
8,5
Graue Energie Induzierte Mobilität
Elektrizität
2,1 2,1
1,1 1,1
8,4
17
AbluftWRG
13 15
15 10
0,8
17
21,9 7,6
10
21
Photovoltaik lokal
15
4,6
Nutz- energie
26,5 21
30 30
35 35
20
Energie und Gebäude
Abbildung 1.17: Die wichtigsten Anfor
derungen an ein MinergieGebäude.
(Quelle: Minergie)
Planen und bauen mit Minergie Minergie ist ein Qualitätslabel für energie- effiziente Neubauten und Modernisierun- gen und umfasst alle Gebäudekategorien.
Im Fokus stehen eine hochwertige Gebäu- dehülle, ein kontrollierter Luftwechsel und eine effiziente Versorgung mit erneuerba- ren Energien. Das Label umfasst die drei Standards Minergie, Minergie-P und Minergie-A sowie den Zusatz Eco. Dabei steht Minergie-P für Niedrigstenergie-Ge- bäude und Minergie-A für Plusenergie- Gebäude. Der Zusatz Eco lässt sich mit al- len Standards kombinieren und bezeichnet Gebäude, bei denen auch bauökologische und gesundheitliche Aspekte berücksich- tigt sind.
Minergie wendet sich gleichermassen an Bauherrschaften wie an Planer und Archi- tekten. Die Minergie-Standards sind prä- zise definiert und werden durch den erfor-
derlichen Zertifizierungsnachweis auch detailliert dokumentiert. Für Bauherrschaf- ten ist es damit möglich, mit der Bestel- lung eines Minergie-Standards – einem einzigen Begriff im Architektenvertrag – ein Gebäude zu erstellen, das nach den aktuellen, in der Fachwelt anerkannten Regeln des energieeffizienten Bauens mit hohem thermischem Komfort gebaut wurde. Architekten und Planer finden bei Minergie eine Fülle an Hilfsmitteln und In- strumenten, die ihnen helfen, auf bewähr- ten Wegen zum energieeffizienten Ge- bäude zu gelangen. 2017 wurden – recht- zeitig zum zwanzigjährigen Jubiläum von Minergie – die Standards und Hilfsmittel auf den aktuellsten Stand des Wissens ge- bracht. Minergie ist somit auch umfassen- der Hort des Wissens und der Erfahrung in energieeffizientem Bauen. Es soll daher in der Folge gezeigt werden, wie mit Miner-
Der Baustandard Minergie für Neubauten
Eigenstromproduktion Neubau: mindestens 10 W/m2 mit Eigenbedarfsoptimierung Minergie-A: Jahresproduktion bedarfsdeckend
Gebäudehülle
Heizwärmebedarf gemäss MuKEn 2014
Minergie-P: 30% tiefer
Energie-Monitoring
bei Grossbauten (EBF > 2000 m2) Minergie-A: auch kleine Bauten, ohne Wärmemessung
100% fossilfreie Energie Für Wärme- und Kälte- erzeugung (ausser Fern- wärme und Spitzenlast) bei Neubauten Beleuchtung, Geräte Anreize für hohe Effizienz, bei Zweckbauten Beleuchtungs- nachweis nach Norm SIA 387/4 Warmwasser
Minimierung Energiebedarf
Sommerlicher Wärmeschutz Nachweis erforderlich
Luftdichtheit
Gebäudehülle wird geprüft Minergie: ohne Messung
Lüftung
Kontrollierte Lufterneuerung erforderlich
Gewichteter Endenergie- bedarf Wärme
gemäss MuKEn 2014 Minergie-Kennzahl
Gewichteter Gesamtenergiebedarf für Heizung, Warmwasser, Lüftung, Klimatisierung, Beleuchtung, Geräte und allgemeine Gebäudetechnik minus die anrechenbare Eigenstromproduktion