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Uni-Report : Jg. 32 Nr. 5 vom 2. Juni 1999

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Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main

Lehrforschung in Afrika

Studierende eines Pilotprojekts untersuchen die Siedlungs- geschichte verschiedener Stämme in Burkina Faso.

Seite 2

»Ranking«-Ergebnis O.k.?

Prof. Dr. Wemer Meißner, Präsident der Goethe-Universität, kommentiert die »Spiegel«- Rangliste der deutschen Uni- versitäten.

Seite 3

Durchgeistete Natur

Nachlese Zum wissenschaftlichen . Festival »Durchgeistete Natur.

Ihre Präsenz in Goethes Dichtung, Wissenschaft und Philosophie«

auf den ...

Seiten 4, '5 und 6

Idee· und Gestalt in der Natur

Fast 2000 Menschen besuchten am Wochende vom 7. bis 9. Mai das wiSsenschaftliche Festival

»Durchgeistete Natur. Ihre Prä- senz in Goethes Dichtung, Wissen- schaft und Philosophie« im Casino des I.G. Farben-Gebäudes (Poel- zig-Bau). Prof. Dr. Alfred Schmidt hielt den Eröffhungs\'ortrag. In der heutigen akademischen Welt sind sie scharf voneinander getrennt:

Naturwissenschaften und Geistes- wissenschaften, »science« und

»humanities«. Erst in jüngster Zeit wird wieder danach gefragt, wie diese beiden Bereiche zusam- menfinden könnten.

nungsvortrag des wissenschaftlichen wandte sich gegen die atornistisch- Festivals »Durchgeistete Natur« vor materielle Zergliederung der Welt.

mehr als 350_Zuhörern. Goethes »Goethe dachte in qualitativen Kate- Dichtung ebenso wie seine naturwis- gorien«, so Alfred Schmidt.

senschaftlichen Arbeiten seien von Als Kritiker des Idealismus ver- der Frage nach dem Wesen der Natur stand sich GOßthe selbst als Empiri- d:urchdrungen. Er selbst bezeichnete ker und Realist. Er erhob die Natur sich als »naturforschender Pant- zum höchsten Bildungsgegenstand, heist<<: Die·physische wie die geistige die Anschauung zur geeigneten Me- Welt waren ihm beide nur Ausdruck thode. Die Forderung des »ErkeI!ne des All-Einen, des großen Ganzen. Dich selbst« seiner Zeit war ihm stets Für die heutige Naturwissenschaft suspekt: Sie erschien ihm als Rück- werfe Goethes Denkart so manche zug in die innere Beschaulichkeit.

Probleme auf, sagte Schmidt. So sei »Nach Goethe kennt der Mensch sich beispielsweise die Mathematik auf selbst nur, wenn er die Welt er- das angewiesen, was durch Zahl und kennt .. « Im Erkennen des Endlichen Maß angebbar ist, und sie konzen- schreite man auch weiter iri das Un- triere sich deshalb auf das äußerliche endliche - ohne es jedoch bis ins letz- Einer, der diese Trennung immer Univers~m. Ein Ansatz, den Goethe te begreifen zu können. Denn auch ablehnte, w.ar Johann WQlfgang ablehnte: Wenn er sie auch nicht für für Goethe bleibt ein letztes Uner- Goethe. Dichtkunst und Naturkunde völlig entbehrlich hielt, so wollte er forschliches verstehen. Er war sich waren für ihn einander verwandt, doch die physikalischen und mathe- bewußt, daß die Erkenntnis der Na- weil sie doch beide der selben Urteils- matischen FOrmeln dort aus der Wis- tur nur mittelbar sein. kann: gemäß kraft unterliegen. Diese »einheitliche senschaft verbannen, »wo sie nur die der eigenen Fähigkeit des Geistes.

Konzeption von Kunst und Naturfor- Erkeimtnis verstellen«. Goethe Nach der Italienreise und in der schung« Goethes ·verdeutlichte Prof. strebte vielmehr eine geistn~ich-dy- Auseinandersetzung mit Schiller Dr. Alfred Schmidt in seinem Eröff- namische Naturbetrachtung.an und zeigte sich für Goethe ganz deutlich,

.Einführung in das Naturverständis Goethes ~on pr.of. Dr. Alfred Schmidt .

daß sich seine Methode vo_m kausali- stischen Prinzip der herrschenden Naturwissenschaften deutlich unter- schied. Als Goethes »größtes natur- philosophisches Problem« beschrieb Schmidt seine Erkenntnis, daß Natur immer »zugleich ideell und materi- ell, zugleich prozessual und gestalt- haft« sei: »Goethe versteht die Natur als begeistet, als über-mechanisch.« Sie sei, so wie es ja auch der Titel des wissenschaftlichen Festivals aus- drückte, »Durchgeistete Natur«. Wie diese Gleichzeitigkeit von Gestalt und Idee zu denken sei, das war die zentrale Frage fürsowohl für den Na- turforscher als auch für.den Dichter Goethe. Claudia Baumgart

Auf den Seiten 4, 5, und 6 folgen weitere Berichte über das wissenschaftHche Festival.

Semesterticket: drastische Preiserhöhung geplant

Monolog

Die Termine der Vorlesungs- reihe von Einar Schleef, Poetik- Gastdozent 1999

Seite 7

Zehn Kilogramm Sprengstoff reichten nicht-aus, um den alten FllIlkturm der US-amerikani - schen Armee auf dem Gelände des Poelzig-Ensembles niederzu- legen. Pressevertreter, Univer- sitätsangehörige und Bau;;ubeiter konnten nach Zündung der Sprengladung lediglich eine leichte Neigung des Turmes l:?eob- achten. Nachdem die Staubwolke verflogen war, stellte das Spreng- team fest, daß die 86 elektrisch gezündeten Bohrlochladungen zwar die erwünschte Sprengwir- kung entfalteten, diese allerdings nicht ausreichte, um den Turm zu Fall zu bringen. Innerhalb von 90 Minuten wurde eine zweite, klei- nere Sprengladung angebracht, die schließlich die gewünschte Wirkung brachte. Allerdings fiel

Nathalie Hahn, Vorsitzende des Allgemeinen Studentenaus- schusses, kritisiert die vom RMV geplante Erhöhung des Preises für das Semesterticket. '(UR)

1996 hat der RMV mit den hes- sischen Studierendenvertretungen einen Vertrag über das Semester- ticket abgeschlossen. Die Präambel dieser Vereinbarung lautet folgen- dermaßen: » In dem Bestreben, die sozialen unq wirtschaftlichen Belan- ge der Studierenden wahrzunehmen und die Mobilität der Studierenden mit umweltfreundlichen Verkehrs- mitteln zu gewährleisten, schließen der RMV und der AStA nachfolgende Vereinbarung ( ... ).«

Presse erfahren, daß der RMV Nach- verhandlungen zum bestehenden Vertrag anstrebt. Bei einem ersten Gespräch erläuterte uns der RMV, daß eine Erhebung ergeben habe, daß viel mehr Studierende als ge- plant das Semesterticket nutzen wür- den. Dies hätte zur Folge, daß der Preis um 46,5 % Prozent angehoben werden müßte, wenn man auch wei- terhin den InterRegio mit im Paket haben wollte. In internen Mitarbei- terinformationen des RMV war da- von die Rede, die InterRegio-Nut- zung schon für den Fahrplanwechsel 1999/2000 aus dem Semesterticket herauszunehmen. Dies ist. iJ).zwi- schen von Seiten des RMV wieder zurückgenommen worden.

Goethe-Universität, daß dann das sich für die dauerhafte Beibehaltung Semesterticket circa 260 Mark pro des Semestertickets auf Grundlage Semester kosten würde; Härtefond der bestehenden Verträge aus. Aus und die Beiträge für das Studenten- ökologischen, sozialen, verkehrspoli- werk und die verfaßt~ Studie~enden- tischen und wirtschaftlichen Grün- schaft kämen noch hinzu. Für uns ist den kann auf das Semesterticket es nur schwer nachvollziehbar, daß nicht verzichtet werden. Grundsätz- der RMV anscheinend davon aus- lich besteht auch bei allen die Bereit-

Vor einigen Wochen mußte der AStA indirekt durch Nachfragen der

Die vom RMV geplante Preiser- höhung hieße für Studierende der

geht, daß wir ohne weitere Begrün- dung eine solche Erhöhung hinneh- men und der vertraglichen Ände- rung zustimmen.

In diesen Tagen steht ein weiterer Verhandlungstermin mit dem RMV an, der ein neues Angebot vorlegen will. Die hessischen ASten nehmen jeweils gemeinsam an· diesen Ge- sprächen teil und machen sich auch dafür stark, daß nur mit allen gemeinsam verhandelt wird. Die Studierendenvertretungen sprechen

schaft, Verhandlungen mit dem RMV . zu führen, aber die Begründung, daß eine erwünschte höhere Nutzung des Semestertickets eine Erhöhung des Preises zur Folge habe, ist nicht nach- vollziehbar.

Der AStA wird weiter über den je- weils aktuellen Stand der Verhand- lunge:o im Rahmen von Vollver- sammlungen berichten und öffent- lichkeitswirksame Aktionen planen und durchführen. Bevor es zu einer Unterzeichnung eines neuen Vertra-

Stipendien.

Europaweit und nach Übersee.

Seite 10

Veranstaltungen

We~wann,was,wo?

Seite 11

der Thrm nicht auf das vorbereite- te Schuttbett, sondern knapp da- neben, so daß die durch das 260 . Kubikmeter Stahlbeton umfas-

sende Bauwerk verursachte Auf- prall erschütterung deutlich zu spüren war. Mit der Entfernung des Funkturmes ist ein das ur- sprüngliche Erscheinungsbild der Gesamtanlage störendes Bauwerk beseitigt. Dieser Abbruch ist ganz im Sinne des Architekten Hans Poelzig: Er konnte den damaligen Bauherren, die LG.-Farben, da- von überzeugen, daß innerhalb der zum Gebäude gehörenden Parkanlage kein turmähnliches Gebilde aufragen solle, da dies mit einer ästhetischen Beeinträch~'

tigung des Verwaltungsgebäudes sowie des anschließenden Ter- rains einherginge. (UR)

ges mit dem RMV kommt, wird eine Urabstimmung an der Universität durchgeführt. Denn nur dann, wenn das ' Semesterticket auch weiterhin eine große Akzeptanz unter den Stu- dierenden hat, kann es fortgeführt werden. Für uns ist das Semester- ticket aus sozialen, verkehrspoliti- scheR und ökologischen Gründen ei- ne wichtige Errungenschaft und wir setzen uns dafür ein, daß es auch in dieser Form fortgeführt wird. Und deswegen freuen wir uns auch darü- ber, daß das gemeinsam formulierte Ziel, nämlich die hohe Nutzung von Seiten der Studierenden, erreicht ist und der ÖPNV dem Auto vorgezogen wird. Informationen: AStA -Ge- schäftsstelle, Telefon 777575 oder 798-23182.

11(1 - . f-T ihn, AStA-Vor')itzend~

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2 UniReport 5/99· Mittwoch, 2. Juni passiert· notiert· passiert· notiert· passiert· notiert· passiert· notiert· passiert· notiert· passiert· notiert· passiert· notiert· passiert· notiert

Alles ganz anders in Burkina Faso

Ohne Dusche und Fernseher, aber mit Notizbuch und Kamera:

Was Feldforschung bedeutet, . erlebten sieben Studierende der

Historischen Ethnologie bei einem Pilotprojekt in Burkina Faso.

Zwei Semester Vorbereitungssemi- nar, ein Berg von Literatur, Dias und Filme ändern nichts daran: Wenn man das erste Mal nach Afrika kommt, ist eben wirklich »alles ganz anders als zu Hause«, erzählt Dagmar Schmengler. Zumal, wenn das Reise- ziel eben nicht der Robinson-Club am weißen Sandstrand ist, sondern ein kleines Dorf im Süden Burkina- Fasos. Zwischen drei und vier Mona- ten verbrachten Dagmar und sechs weitere Studierende der Historischen E1 lologie im vergangenen Seme-

Sl, .• 1 dem westafrikanischen Land. Staunen über die feinen Unterschiede im Alltag:

Lehrforschung ist das Wort, das ethnologische Studien in Burkina Faso dieses Pilotprojekt der Frankfurter

Ethnologen auf den Begriff bringt. kam, hatte sich die Familie, bei der er Schon im Hauptstudium sollen die nun drei Monate leben sollte, im Hof Studierenden hautnah erfahren kön- versammelt. Es war gegen Abend, nen, was Forschung in der Praxis be- und als Thorsten nach der Be- deutet. Der Arbeit im Feld ging eine grüßung und einem ersten Imbiß sei- intensive Vorbereitung im Seminar nen Moskito-Dom aufbaute, waren und am Schreibtisch in Frankfurt die Burkinabesen überrascht über voraus. Ein Forschungsbericht, den dieses seltsame Gebilde. Überhaupt die Studierenden gerade erstellen, standen die Besucher aus Deutsch- schließt das Projekt ab. Das Modell, land oft »im Mittelpunkt der Auf- das Lehre und Forschung verbindet,· merksamkeit«, erzählt Ursula Bür- brachte Prof. Dr. Carola Lentz von ger, »man war eigentlich nie ganz al- der Berliner Freien Universität mit lein«.

nach Frankfurt. Seit zwölf Jahren be- Doch trotz aller Unterschiede der schäftigt sich die Ethnologin mit Bur- Kulturen gab es »auch überraschend kina Faso und den angrenzenden viele Gemeinsamkeiten, über die wir Ländern und hat schon mehrere Stu- reden konnten«, berichtet Eveline dentengruppen bei Forschungspro- Rudolf. Vor allem mit den burkinabe- jekten betreut. Vor Ort standen Dr. sischen Partner-Studenten von der Kat ja Werthmann und Dr. Richard Universität der Hauptstadt Oua- Kuba den Studierenden zur Seite. gadougou entstand ein intensiver Das Geld für die Reise der sieben Austausch. Nach einem gemeinsa- Frankfurter kam zum Teil aus Mit- men Vorbereitungsseminar in Oua- teIn des Sonderforschungsbereichs gadougou seien sie paarweise, jeder 286 »Kulturentwicklung und mit einem Partner und Übersetzer, in Sprachgeschichte im Naturraum den Dörfern »ausgesetzt worden« er- Westafrikanische Savanne«, einen zählt Thorsten und seine Kommilito- Teil mußten die Studierenden selbst nen müssen lachen über diesen Aus-

gab es einen separaten Raum ohne Dach zum Waschen«, erzählt Andrea Wilhelmi. Anfangs habe ihr die Mau- er bis zum Bauch gereicht, Hdoch dann hat mein Familienchef sie extra für mich höher bauen lassen«. Und siehe da, ei~ einziger Eimer Wasser, auf dem Feuer erhitzt, reicht für die morgendliche Körperpflege tatsäch- lich aus.

»Es ist erstaunlich, mit wie wenig man auskommen kann«, sagt Dag- mar Schmengler - und ihre Kom mi- litonen stimmen kopfnickend zu.

Trotzdem: Wenn sie hin und wieder mit dem Mofa aus den Dörfern in die nahegelegene Provinzhauptstadt Da- no zu einem gemeinsamen Treffen fuhren, war die Vorfreude groß auf gekühlte Getränke, Telefon, fließen- des Wasser und die Hörnchen aus ei- ner kleinen französischen Bäckerei.

» Wenn ich mich dann nach einer Woche mal im Spiegel gesehen habe, dachte ich: Ich hatte mich irgendwie anders in Erinnerung«, erzählt Doro- thee Leutz.

Nach dem Aufenthalt in Burkina- finanzieren. Schon allein die Vorbe- druck. Doch ein wenig war es wirk- Faso könne er sich »viel besser vor- -reitung und Ausrüstung für den Afri- lieh wie »ausgesetzt werden«, allein stellen, wie die Bücher von Ethnolo-

ka-Trip wollten gut überlegt und be- in der fremden Umgebung. Denn die zahlt sein: Von der Malaria-Prophy- Erfahrung, das »alles ganz anders laxe über die Thermoskanne bis hin ist«, schließt die banalsten Dinge mit zum Moskito- Dom_ ein: die Sprache, den für europäische Letzterer sorgte bei den Einheimi - Mägen ungewohnten Hirse- oder schen für einige Verwunderung. Als Maisbrei, das Essen mit den Händen Thorsten Bär in »seinem Dorf« an- und die fehlende Dusche. »Im Hof

gen zustande kommen«, sagt Didier Knösel. » Man liest jetzt anders.«

Auch ihre eigenen Ergebnisse wep den die Studierenden in Berichten zusammenfassen. In den Dörfern führten sie zahlreiche Interviews, vor allem mit den älteren Bewohnern

zur Geschichte der einzelnen Sied- lungen. Didier erläutert, daß es dabei Hum den Umgang mit der oralen Tra- dition geht und wie man daraus Er- gebnisse ziehen kann«. Dennje nach Interviewpartner erhält man vonein- ander abweichende Versionen der Siedlungsgeschichte. Die Aufmerk- samkeit der jungen Forschergruppe galt deswegen weniger der »wahren Geschichte«, als den Interessen, die in den verschiedenen Überlieferun- gen ausgedrückt werden: Die Sied-

lungsgeschichte hat ganz konkrete Auswirkungen auf heutige Grenzzie- hungen, Landansprüche und ethni- sche Konflikte. Historische Ethnolo- gie wird so zur Forschung mit sehr aktuellen Bezügen.

Alle sieben würden gerne nochmal nach Burkina Faso reisen. »In den drei Monaten sind ja viele Kontakte entstanden, da würde ich schon gern wissen, wie's den Leuten. so geht «,

meint Thorsten Bär.

Claudia Baumgart

DI. Claude ·N. Somda

Endlich kann sich Dr. Claude Nu- Gast-Wissenschaftler im Rahmen der rukyor Somda einmal ausschließlich Universitätspartnerschaft Ouagadou- der Wissenschaft widmen. Denn in gou - Frankfurt verbringt, so richtig seinem Land Burkina Faso ist der genießen. Intensiv nutzt er die Professor vom Institut für Geschichte Strukturen des Fachbereichs Histori- und Archäologie der Universität von

Ouagadougou ein vielbeschäftiger Mann: Vater von vier Kindern, Wis- senschaftler und nicht zuletzt auch ein politisch engagierter Burkinabe- se: »Als Intellektueller in Burkina- Faso hat man auch eine gesellschaft- liche Verantwortung, man wird zu politischen Dingen gefragt. Und ich will diese Verantwortung wahrneh- men. {( Die wissenschaftliche For- schung und die Aufbereitung des ge~

sammelten Materials kommt dabei jedoch häufig zu kurz. Deswegen kann Somda sein DAAD-Stipendi- um, das er derzeit in Frankfurt als

sche Ethnologie, mit dem ihn ein seit längerem ein reger Austausch ver- bindet: Computer, Bibliotheken und natürlich das Gespräch mit den Kol- leginnen und Kollegen. »Ich bin sehr dankbar für die Gastfreundschaft«, sagt der Burkinabese, der sich in Frankfurt sehr wohl fühlt.

Somda, der von 1992 bis 1994 Ab- geordneter der burkinabesischen Na- tionalversammlung war und ansch- ließend zwei Jahre lang das Amt des Ministers für Kultur und Kommuni-.

kation innehatte, betreut in Frank- furt auch die Auswertung von Mate- rial aus der Lehrforschung. Das Pro- jekt des Frankfurter Fachbereichs deckt sich inhaltlich mit seiner eige- nen wissenschaftlichen Arbeit: ' der Aufarbeitung der Siedlungsgeschich- te im Südwesten Burldna Fasos. »Wir wollen wissen, wo wir herkommen- damit wir wissen, wohin wir gehen sollen«, meint Somda. Für eine ganze Reihe von aktuellen böden- rechtlichen, gesellschaftlichen und ethnischen Fragestellungen sei die Geschichte der Migration höchst re- levant. Der Blick von außen auf diese Sachverhalte, wie ihn die Studieren- den und überhaupt ausländische Forscher leisten könnten, sei dabei sehr wichtig: »Wir selbst ~ind häufig zu sehr in die Interessenlagen einge- .. ~ bunden. Erst durch diese Ergänzung

~ von außen ergibt sich ein vollständi- .. ~,E geres Bild.« Claudia Baumgart

Das janusköpfige Molekül: Slicksioffmonoxid

Impressum Zeitung der Johann Wolfgang Goethe- Universität Frankfurt am Main Herausgeber Der Präsident der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main

Als im Dezember des letzten Jah- res der Nobel-Preis für Physiolo- gie und Medizin an die drei ameri- kanischen Pharmakologen Robert F. Furchgott, New York, Ferid Mu- rad, Houston, und Louis Ignarro, Los Angeles, für ihre Entdeckung von Stickstoffmonoxid (NO) als fundamentales Signalmolekül im Herz-Kreislauf-System verliehen wurde, fand eine mehr als 20 Jah- re unaufhaltsame Karriere eines kleinen gasfönnigen Moleküls seinen vorläufigen Höhepunkt.

Im Jahre 1977 konnte Murad zei- gen, daß Nitroglycerin und andere organische Nitrate, die als Standard- präparate in der Kardiologie zur Be- handlung der Angina pectoris bei koronare·r Herzkrankheit eingesetzt werden, ebenso wie das Gas Stick- stoffmonoxid in der glatten Ge- fäßmuskulatur durch Aktivierung des Enzyms Guanylylcylase zu einer Erhöhung des zyklischen Guanosin- monophosphats und damit zu einer Gefäßerweiterung führen. Drei Jahre später beschrieb Furchgott, daß iso- lierte Blutgefäße auf bestimmte ge- fäßaktive Substanzen nur dann mit einer Erschlaffung der glatten Mus- kulatur reagierten, wenn die innerste Zellschicht der Gefäße, das Endothel, unversehrt war. Durch weitere Expe-

rimente schloß Furchgott auf die Exi- stenz eines sehr· labilen relaxieren- den Faktors, für den er - da er die chemische Natur nicht identifizieren konnte - das Acronym EDRF (endo- thelium-derived relaxing factor) prägte. 1986 äußerten Furchgott und Ignarro unabhängig voneinander die Vermutung, daß EDRF identisch mit NO sein könnte, eine Hypothese, die ein Jahr später von Salvador Monca- da in England bestätigt wurde.

Als Star unter den Signalmole- külen avancierte NO mit einer Viel- falt biologischer Effekte 1992 zum Molekül des Jahres im amerika ni - sehen Wissenschaftsjournal »Scien- ce«. Heute weiß man, daß das Ge- hirn, das Gefäßsystem, das Immun- system, die Leber, die Bauchspei- cheldrüse, der Magen, die Ge- schlechtsorgane des Mannes, die ab- leitenden Harnwege, periphere Ner- ven und die Skelettmuskulatur nur dann ihre physiologischen Funktio- pen erfüllen, wenn NO in diesen Ge- weben in adäquater Menge gebildet wird. NO ist jedoch einjanuskopfiges Molekül: Es kann, in zu großen Men- gen gebildet, den Organismus schädi- gen. Diese negativen Effekte können zum einen auftreten, wenn immun- kompetente Zellen zur Abtötung pa- thogener Mikroorganismen ver- mehrt NO bilden, zum anderen,

wenn die Kontrolle der Regulation der NO-Bildung in Nervenzellen und Zellen der Gefäßwand versagt.

Seit 1998 ist von der DFG gemein- sam an der Goethe-Universität sowie der Universität Mainz ein Sonderfor- schungsbereich (SFB 553) zu diesem Supermolekül eingerichtet worden.

Von den derzeit zwölf Projekten sind acht am Frankfurter Universitätskli- nikum, in der Medizinischen Klinik IV (Kardiologie), dem Institut für Pharmakologie und Toxikologie so- wie dem Institut für Kardiovaskuläre Physiologie angesiedelt. Im Titel des SFB »Stickstoffmonoxid (NO): Gene- rator- und Effektorsysteme« sind die beiden grundsätzlichen Forschungs- ziele ausgedrückt. Zum einen sollen die molekularen Prozesse, die an der Regulation der NO-bildenden Enzy- me - der NO-Synthasen - beteiligt sind, aufgeklärt werden. In den vor- wiegend molekular- und zellbiolo- gisch ausgerichteten Projekten wer- den die Mechanismen der NO-Synt- hase-Expression auf der Ebene der Signaltransduktionsprozesse, der Ak- tivierung von Transkriptionsfakto- ren, der Transkription und Translati- on, sowie die Regulation der Aktivie- rung der NO-Synthase durch physio- logische und pharmakologische Sti- muli untersucht. Zum anderen soll die physiologische Relevanz einer

ungestörten NO-Bildung sowie die pathophysilogischen Konsequenzen einer erhöhten bzw. erniedrigten NO-Konzentration im Gewebe erfaßt werden. Aus den gewonnenen Er- kenntnissen sollen langfristig inno- vative diagnostische wie auch thera- peutische Ansätze entwickelt wer- den. Schwerpunkte sind hierbei das Herz-Kreislauf-System und die Nie- re. So konnte die Gruppe um Prof.

Dr. Zeiher (Kardiologie) zeigen, daß NO ausgeprägte gefäßprotektive Ef- fekte besitzt und die unzureichende biologische Verfügbarkeit von' NO entscheidend zu der Entwicklung der Atherosklerose in den Herzkranzge- fäßen und damit zu dem Bild der koronaren Herzkrankheit beiträgt.

Einen weiteren deutlichen Schritt konnten jetzt die Arbeitsgruppen aus der Kardiologie und aus der Physio- logie auch bei der Aufklärung des Aktivierungsmechanismus der endo- thelialen NO-Synthase (eNOS) ma- chen. Glaubte man bislang, daß die- ses Enzym nur über eine Erhöhung des intrazellulären Ca2+ aktiviert wer- den kann, konnte nun gezeigt wer- den, daß eine Phosphorylierung der eNOS, die durch eine Reihe physio- logischer Stimuli ausgelöst wird, ebenfalls zu einer langanhaltenen Aktivitätserhöhung führt.

Prof. Dr. Rudi Busse

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Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Herausge-

berswieder. .

Der UniReport erscheint alle vier Wochen mit Ausnähme der Semesterferien. Die Auflage von 15.000 Exemplaren wird an die Mitglie- der der Goethe-Universität Frankfurt verteilt.

Für unverlangt eingesandte Artikel und Fotos wird keine Gewähr übernommen. Die Redaktion behält sich Kürzungen vor.

Die letzte Ausgabe des UniReport (6/'99) im Sommersemester erscheint am 30. Juni 1999.

RedaktionssChluß für diese Aus- gabe ist am 14.6.1999.

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die Seite drei· die Seite drei· die Seite drei· die Seite drei· die Seite drei· die Seite drei· die Seite drei· die Seite drei· die Seite drei· die Seite drei Mittwoch, 2. Juni· UniReport 5/99 3

Nachlese

Die virtuelle Universität

Am »Tag der Lehre« der Goethe- Universität im April lag der Schwerpunkt in diesem Jahr auf der Nutzung des Internets in For- schung und Lehre. Zum Thema

»Neue Medien in der Lehre« wur- den verschiedene Workshops und Vorträge angeboten. An dreizehn Ständen stellten sich zudem ver- schiedene Fachbereiche vor, die bereits mit der Technik des Inter- nets Erfahrung gesammelt haben.

Fachbereichen nicht mehr wegzu- denken, aber noch immer gibt es an- dere, die überhaupt erst überlegen, wie sie diese Lehrmittel einsetzen könnten.

. Der Fachbereich 9 war durch eine Arbeitsgruppe des »Instituts für Kul- turanthropologie und Europäische Ethnologie« vertreten, die im ver- gangenen Semester erstmals die in- ternetgestützte Kommunikation zwi- schen Seminaren der Goethe-Uni- versität und der Humboldt-Univer- An die »virtuelle Universität« als sität Berlin praktiziert hatte. Hiermit Ersatz für die »Präsenzuni« ist, wie sollte eine größere Bandbreite von zu hören war, nicht zu denken. Die Lehre und Studium erreicht werden.

virtuellen Elemente der zukünftigen Per E-mail-Kontakt mit Berliner Lehre können, wie Dr. Hans-Hen- Kommilitoninnen und Komrnilito- ning Kappel ausführte, nur eine Er- nen wurden »Theorien zur Risikoge- gänzung zum traditionellen Lehran- seIlschaft «behandelt. »Trotz des effi- gebot sein. »Internet und neue Medi- zienteren Informationsaustausches en führen zu einer Entgrenzung der per E-Mail bleibt der persönliche Kommunikation, auch des Lern- und Kontakt aber wichtiger«, resümierte Studienprozesses«, so Kappe!. Inter- Petra Ilyes, Tutorin der Arbeitsgrup- nationalisierung, Überalisierung und pe, ihre Erfahrungen. Zwei Stunden Integration der Bildungssysteme er- »konventionelles Seminar« und wei- zwängen zudem einen Wettbewerb te re zwei Stunden Tutorium wurden staatlicher und privater Anbieter von durch intensive »Minirecherchen«

wissenschaftlicher, beziehungsweise im Internet und die Rück:kopplung universitärer Berufsvorbereitung. (E-mails und Newsgroups) mit dem Hierzu würden wiederum flexible Berliner Tutorium unterstützt. Wei- und mobile Studienbetriebsformen tere Projekte ähnlicher Art seien benötigt. aber, so Petra Ilyes, nicht vorgesehen.

Daß die »virtuelle Uni« auch zu »Das Internet war für uns ein Zusatz- einer personellen Einsparung führen raum zum eigentlichen Studium«, könne, widerlegte Dr. KappeI: »Vir- meint sie. Näheres hierzu unter tuelles Studieren erfordert sogar den httpl/www.rz.uni-frankfurLde/FB/

konsequenten Einsatz neuer didakti- fb09/kulturanthro oder unter http/!

scher Methoden und Mittel.« Die www.rz.uni-frankfurt.de/FB/fb09/

Online-Universität werde ebenso kulturanthrolinetli_semlintro.html.

personal- und arbeitsintensiv sein wie die Präsenz-Hochschule: Grup- penarbeiten müßten moderiert wer- den, die Möglichkeiten des Zugangs müßten interaktiv betreut und Lern- fortschritte individuell überwacht werden, wie es überhaupt um die Einbindung der Studierenden in ein »System intensiver Betreuung«

gehe,

An den Ständen im Foyer des Diak- tischen Zentrums präsentierten ver- schiedene Fachbereiche und Grup- pen ihre neuen Arbeitsansätze .. Die Möglichkeiten wurden von den Aus- stellern zwar hoch eingeschätzt, »Gold- gräberstimmung ( wollte allerdings nicht aufkommen. Wohl auch, weil sich die Vernetzung hierzulande noch in den Anfängen befindet. Zwar sind die neuen Medien, wie Vizeprä - sident Prof. Dr. Theodor Dingermann im Vorwort zum »Tag der Lehre(- Programm ausführt, in manchen

Die RechtswissenschaftIer waren durch den »Entwirrer«, eine CD- ROM-Software, vertreten, die es Stu- dierenden erlaubt, interaktiv metho- disches Arbeiten und einer solchen Methodik adäquate Techniken beim Lösen strafrechtlicher Fälle zu erler- nen. Fälle und Musterlösungen,

»Fallösungstheorien«, Demonstra- tionen für »schrittweises Fall- Lösen «(

~md die Aufbereitung des Strafge- setzbuches seien hier nur als Beispie- le der Interaktionspaleue genannt, die der »Entwirrer« zur Verfügung stellt. Unter der E-Mail-Adresse »fa- bricius@jur.uni-frankfurt.de« be- kommt man nähere Auskünfte zur CD-ROM.

Die Veranstaltung des Kunst- pädagogischen Instituts fand in der

»Fabrik« (Sophienstraße) statt. Hier ging es um den Aufbau eines Rech- nernetzes mit den Schwerpunkten

»digitale Bildverarbeitung «, »digita -

Face-to-face Kommunikation über Hyperlinks: Der Tag der Lehre gab Gelegenheit, sich über sinnvollen Einsatz digitaler Kommunikationswege und Wissensressourcen zu informieren.

ler Videoschnitt« und »3-D-Anima- tut für Didaktik der Physik (»Neue ,den werden. Magister- und Doktor- tion«. Wer hier einen Klick riskieren Medien unterstützen das Lernen - arbeiten sollen ebenso ins Internet möchte, sollte http://www.rz.uni- Europäische Universitäten untersu- gestellt werden, wie das studentische frankfurt.de/fb09/kunstpaed/richard. ehen gemeinsames Lernen«; http:// Projekt einer Digitalisierung tochari- htm in seinem Browser eintragen. www.ellinogermaniki.gr/e-Hermes) scher Handschriften. Außerdem soll

Videoclips von Demonstrationsver- vertreten. die Aufarbeitung gesprochener Spra- suchen konnte man sich am Stand Das Zoologische Institut präsentier- chen auf Seiten des »World Wide des Instituts für Theoretische Physik te mit »neue Medien in der Zoolo- Web« mit Audio- und Videounter- ansehen. Diese begleiten die Ein- gie« verschiedene computergestützte stützung erfolgen. (http://titus.uni- führungsvorlesungen der Experi- Instrumente, wie das Videomikro- frankfurt.de/curric.projekte.htm mentalphysik. Parallel zu den abge- skop, die Software »Powerpoint«und oder http://titus.fkidg.uni-frankfurt.

filmten Experimenten lassen sich via »Director«, die ein effizienteres Ler- de/texte/ocharic/tht.htm)

Internet in einern anderen Bild die nen durch Selbststudium und neue Auch das Didaktische Zentrum schematischen Darstellungen der Visualisierungsmöglichkeiten auf- stellte sich mit einern Stand vor.

Versuche, deren Erklärungen und zeigten. Das Institut für Didaktik der Andreas Hänssig und seine Arbeits- Auswertungen. Geographie wiederum demonstrierte guppe »Einsatz von Neuen Medien

Zwar ist bislang nur ein Teil der Ex- GEONET, ein geographisches Infor- im Unterricht« hatten sich der Frage perimente »komplett« im Netz do!.<:u- mationssystem für Sekundarstufe Ir angenommen, ob es eine didaktische mentiert, es lohnt sich aber schon und Grundstudium. (http://www.rz. Begründung dafür gebe, neue Medi- jetzt, unter http://www.rz.uni-uni-frankfurt.de/FB/fbI8/didaktik/ en im Unterricht, beziehungsweise frankfurt.de/piweb/ einen Blick dar- geonet/index.htm) im Seminar einzusetzen. Am Beispiel auf zu riskieren. Die Physiker waren Im Rahmen TITUS-Projekts (TITUS der Stiftung Lesen »Titanic ... Spuren- außerdem mit »Festkörperphysik am steht dabei für: »Tesaurus Indoger- suche - Ideen für den Unterricht«

PC« (http://www.rz. uni-frankfurt. mansicher Texte und Sprachmateri- wurden nicht nur die Möglichkeiten, de/piweb/fkppe) und der Vorstellung anlien«) des Instituts für Verglei- anhand »historischer Stoffe« ver- der Veranstaltung »Physik mit dem chende Sprachwissenschaft im Fach- schiedenste Themenbereiche anzu- Computer« (http://www.rz.uni- bereich 11 sollen Studierende in die sprechen, vorgeführt sondern auch frankfurt.de/piwebl) und dem Insti- wissenschaftliche Arbeit eingebun- kritisch diskutiert. Andreas Hofmann

Über Vorteile der Großstadtuniversitäten

Der »Spiegel« hat am 12. April eine Rangliste der deutschen Universitäten erstellt, die aus- schließlich kleine und in den vergangenen zwanzig Jahren neu gegründete Hochschulen in der Spitze und die größten deutschen Universitäten unter den letzten 14 (von 63) zeigt. Das »ranking«

wurde auf der Basis von Inter- views mit 12.000 Studenten erar- beitet.

Als erstes sagt dies, daß Studenten auch nicht anders sind als andere Menschen: Sie haben Sehnsucht nach kleinen übersichtlichen Einhei- ten. nach Überschaubarkeit, nach heiler Welt. Erstaunlich ist nur, daß von den 1,3 Millionen Universitäts- Studenten und -Studentinnen fast eine halbe Million freiwillig in die zehn schlecht plazierten großen Uni- versitäten, die am Schluß der Liste stehen, gehen - und dort arn liebsten in die großen Fächer: zu den Juri- sten, in die Betriebswirtschaftslehre, zu den Germanisten, den Wirt- schaftswissenschaftlern, den Medizi- nern.

Gründe für das Auseinanderklaffen von Wunsch und Wirklichkeit gibt es

wohl mehrere. Der wichtigste ist meines Erachtens, daß große Univer- sitäten in großen Städten unbestreit- bare Vorteile haben. Das Angebot in jeder Beziehung ist größer: Das be- ginnt beim Fächerangebot und der damit verbundenen Vielfalt von KombinationsmögliChkeiten des Stu- diums. Das setzt sich fort in der tech- nischen Ausstattung in den Natur- wissenschaften und der Medizin, in der Verknüpfung mit anderen wis- senschaftlichen Instituten in einer . Großstadt. Und natürlich endet es längst nicht bei den abwechslungs- reicheren städtischen Angeboten für jede Art von Freizeitgestaltung. Die Studenten wissen, daß für die künfti- ge Berufswelt eine frühzeitige Ein- übung in Urbanität, in Weitläufig- keit, in komplexe, schwierige, un- übersichtliche Strukturen, wie sie eben in Großstädten und weniger in Kleinstädten und Dörfern zu finden sind, von Nutzen ist. Die Sehnsucht nach der Idylle bleibt, nach der per- sönlichen Betreuung, der Nähe zum Professor, dem garantierten Leseplatz in der gut ausgestatteten Bibliothek;

aber gleichzeitig weiß jeder, daß dies nicht das ganze Leben ist, abgesehen davon, daß zuviel persönliche Be-

treuung Freiheit und Individualität einschränken kann. Wollte man das das »ranking« des »Spiegel« ad ab- surdum führen, stünde an der Spitze der Hitliste nicht die von der bayeri- schen Bischofskonferenz getragene katholische Universität Eichstätt, son- dern der Hauslehrer; und am Ende stünden nicht München, alle drei Ber- liner Universitäten, Frankfurt, Ham- burg, Köln und Bonn, sondern die ge- samte deutsche Bildungspolitik, die seit den siebziger Jahren nicht nur fünf Prozent, sondern mehr als dreißig Prozent eines Jahrgangs eine akade- mische Ausbildung verschaffen will.

Das Ergebnis des »rankings« ist also auch eine Frage an unsere Gesell- schaft: Wollen wir weiterhin ein Drit- tel jedes Jahrgangs wissenschaftlich ausbilden oder nicht? Ich interpre- tiere das Votum der Studenten für kleine überschaubare Provinzuniver- sitäten nicht als Handlungsanwei- sung für ein radikales Umsteuern un- serer Bildungspolitik: Es gibt kein Anzeichen dafür, daß die Studenten ihren Wunschvorstellungen folgen und von den überfüllten Großstadt- universitäten in die Provinzuniver- sitäten abwandern. Das Gegenteil ist der Fall.

Solange wir also bei unseren bil- dungspolitischen Grundsätzen blei- ben, brauchen wir die großen Uni- versitäten - mit ihren Nachteilen, aber eben auch den genannten Vor- teilen. Und nur, weil es die großen Universitäten gibt, können die klei- nen Idyllen blühen. Natürlich wün- schen auch wir, die großen, eine bes- sere Ausstattung; und natürlich ist die Beliebtheitshierarchie der Uni- versitäten ein deutliches Signal an die Politik, den großen Universitäten stärker unter die Arme greifen zu müssen. Doch ich bin Realist genug, um die finanziellen Grenzen unserer Ausstattungswünsche zu kennen.

Deshalb möchte ich nochmals auf die Vorteile der »Großen( zu sprechen kommen: Die großen Universitätskli- nika leisten einen erheblichen Anteil medizinischer Versorgung der Bevöl- kerung. Eine »Universität des dritten Lebensalter« kann nur eine große Universität anbieten.

Eine Vielzahl von Gastvorträgen, Stiftungsprofessuren, Veranstaltungs- reihen lockt Bürger und Bürgerin- nen in wissenschaftliche Ausein- andersetzungen und schafft Orte intellektueller Begegnung. Ob es in Frankfurt die Poetikvorlesungen

sind, ob die maßgebliche Teilnahme am Stadt-Projekt »Wissenschafts- stadt Frankfurt«, ob das von der Goethe-Universität vorbereitete und getragene Goethe -Festival »Durch- geistete Natur« - ein solches Angebot in die Stadt und die Region kön- nen nur die großen Universitäten leisten.

.. Das »ranking« des »Spiegel«( hat unbestreitbar ein Verdienst. Es hat deutlich gemacht, wo die Hauptlast der tertiären Ausbildung in Deutsch- land liegt. Und daß diese Last nicht ohne entsprechende finanzielle und personelle Unterstützung getragen werden kann, es sei denn, man fände sich mit Qualitätsverlust ab.

Das tun wir nicht. Auch ohne den

»Spiegel« werden Prüfungsordnun- gen geändert, Mentorenprogrammie für Studenten eingeführt, Orientie- rungsveranstaltungen für Anfänger verbessert und vieles mehr. Das gibt keine Schlagzeilen, wirdjedoch lang- fristig Wirkung zeitigen. Für vieles brauchen wir die Unterstützung der Landesregierung. Diese hat sie an- gekündigt. So bleibt Grund zum Op- timismus.

Prof. Dr. Werner Meißner Präsident der Goethe-Universität

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4 UniReport 5/99 . Mittwoch, 2. Juni Goethe·Jubiläum· Goethe·Jubiläum . Goethe·Jubiläum . Goethe·Jubiläum . Goethe·Jubiläum . Goethe·Jubiläum . Goethe·Jubiläum . Goethe·Jubiläum

»Wie herrlich leuchtet mir die Natur!«

Wie herrlich leuchtet

mir

die Natur!

Wie glänzt die Sonne!

Wie lacht die Flur!

Es dringen Blüten aus jedem Zweig Und tausend Stimmen aus dem Gesträuch

Johann Wolfgang von Goethe hat die Natur nicht nur als Dichter thematisiert, sondern sie und ihre Phänomene als Forscher auch . eingehend studiert. Er beschäftig·

te sich mit Botanik und Zoologie, mit Physik, Chemie, Meteorologie und Geologie. Prof. Dr. Thomas Görnitz, Institut für Didaktik der Physik der Goethe·Universität, interpretiert das breite Interesse Goethes als »starken Wunsch, der Einheit der Natur auch eine einheitliche Beschreibung durch die Naturwissenschaften gegen·

überzustellen«. Zum 250. Ge·

burtstag ihres Namenspatrons hat die Goethe·Universität diesen Aspekt im Schaffen des Dichters näher beleuchtet. Christian Rieth·

müller berichtet über die Sektio·

nen des Samstags, »Licht und Auge« und »Geist und Gestalt«.

Lasset walten, lasset gelten, Was ich wunderlich verkündigt!

Dürftet ihr den Guten schelten, Der mit seiner Zeit gesündigt?

Ja, der »Alte« konnte reimen, Wörter aneinanderleimen, doch sei- ne naturwissenschaftlichen Erkennt- nisse nahmen die Zeitgenossen nicht immer mit Begeisterung auf, standen ihnen, wie beispielsweise der Far- benlehre, sogar ablehnend gegen- über. Sowohl Prof. Dr. Gemot Böhme (Darmstadt) als auch Prof. Dr. Viktor Sanis vom Institut für Psychologie der Goethe-Universität brachen eine Lanze für Goethes Farbenlehre, die als Gegenentwurf zum naturwissen- schaftlichen Erklärungsansatz Isaac Newtons gesehen werden kann, die die Welt in Teile zerlegt und so glaubt, diese als Ganze erfaßt zu ha- ben. Goethe hingegen beschrieb die Phänomene so, wie sie dem Betrach- ter tatsächlich erscheinen, betont al-

so ihre Ganzheit: »Wär' nicht das Auge sonnenhaft, / / wie könnten wir das Licht erblicken?« stellte Prof. Dr.

Wolf Singer, Direktor des Max- Planck-Instituts für Hirnforschung, seinem Vortrag voran, in dem er über Goethes beinahe konstruktivisti- schen Denkansatz sprach.

Fritz Siemsen führte Experimente vor, die sowohl aus der Sicht Goethes als auch der damaligen und heutigen Physik gedeutet wurden. An vier Stationen im Foyer des Casinos konnten die Besucher kleine Expe- rimente zu Vulkanismus, Magne- tismus, mit Elektrizität und mit Prismen durchführen oder auch mit einer »singenden Säge« das Neryen- kostüm der Umstehenden testen.

Wandtafeln informierten über Goe- thes Beschäftigung mit der Camera Obscura oder seiner Deutung des Phänomens Regenbogen.

Wie Prof. Dr. Ralph-Rainer Wuthe- now in seinem Vortrag erläuterte, hatte die wissenschaftliche Beschäfti- gung Goethes Einfluß auf dessen Ly- rik und Prosa. War der junge Goethe noch von der Magie der Natur betört, so finde sich in den späteren Werken ein »deskriptiv-lyrischer Zugang«

zum Gegenstand. Die bloße Bezau- berung sei dem Einblick in übergrei- fende Zusammenhänge gewichen.

org Zizka referierte über die Entwick- lung und die Blütezeit der Morpholo- gie. Vielleicht ist deren Hochzeit vorüber, doch Goethes Erkenntnisse sind immer noch von Wert.

Ein Detail ist Goethes Entdeckung des Zwischenkieferknochens beim Menschen, obwohl er voller Begei- sterung an Herder schrieb: »Ich habe gefunden - weder Gold noch Silber, aber was mir unsägliche Freude macht, das Os intermaxillare beim Menschen«. Prof. Dr. Horst -Werner Korf und Dr. Gerhard Storch beschei- nigten Goethe einen bis heute gülti- gen Ansatz, der immer noch Bedeu- tung für die Wirbeltieranatomie ha- be, wenngleich der Zwischenkiefer- knochen ein an sich unbedeutendes morphologisches Detail des mensch- lichen Schädels sei. Weit wichtiger sei die Entdeckung aber im Streit des 18. Jahrhunderts gewesen, ob der Mensch ein »supranaturales Wesen«

besitze oder in die übrige animalische Natur einzuordnen sei. Bei Goethes pantheistischem Weltverständnis ist seine Begeisterung über seine Ent- deckung nur zu verständlich, doch ob er damit auch einer der Vorläufer von Darwins Evolutionstheorie war?

Dr. Klaus-Jürgen Grün ist einer Be- hauptung Ernst Haeckels nachge- gangen, der im Jahre 1900 Goethe als »bedeutendsten Vorläufer von

H ••• Röslein auf der Heiden, Darwin und Lamarck« bezeichnete.

War so jung und morgenschön, ... « Haeckels Vergleiche, so Grün, seien Bei seiner Beschäftigung mit Na-

turgegenständen erkannte Goethe, daß für dieses Gebiet eine eigene Lehre nötig sei. Mit der Morphologie, der Gestaltungslehre, begründete er eine solche Lehre, die sich damit be- schäftigen sollte, die Gestaltungen von Tieren, Pflanzen und Gesteinen zu beschreiben und zu vergleichen.

Prof. Dr. Dorothea Kuhn (Marbach) wertete in ihrem Vortrag Goethes Entwurf einer eigenen Lehre als sei- nen Beitrag zur Loslösung von bibli- schen Anschauungen und zur Ver- selbständigung der Naturwissen- schaften zu jener Zeit. Im Lauf der Jahrzehnte war die Morphologie freilich der Kritik ob ihrer wissen- schaftlichen Relevanz ausgesetzt. Ge-

nicht erlaubt, weil dieser, um eine Geistesverwandtschaft zu konstruie- ren »Goethes Pantheismus mit Dar- wins >züchtendem Gott< verbindet«.

Das Geeinte zu entzweien, das Entzweite zu einigen, ist das Leben der Natur.

Seit Goethes Tagen haben die Na- turwissenschaften eine rasante Ent- wicklung genommen. Taugt der Ge- heimrat da überhaupt noch als »in- spirierender Partner«? Ja, sagt Prof.

Dr. Thomas Görnitz, weil Goethes Naturphilosophie die Einheit der Na- tur ernst genommen habe und die Kluft zwischen den Disziplinen zu überwinden suchte.

Christian Riethmüller

Goethes Entdeckung des Zwischenkieferknochens

»Ich habe gefunden - weder Gold noch Silber, aber was mir unsägliche Freude macht, das Os intermaxillare beim Men- schen«, schreibt Goethe an Her- der. Die Entdeckung des Zwi- schenkieferknochens beim Menschen wurde sowohl von Goethe selbst als auch von den meisten Interpreten seiner na- turwissenschaftlichen Untersu- chungen als entscheidender Akt in Goethes zoologischen For- schungen angesehen. Die Beant- wortung der Frage, ob ein sol- cher Knochen ausschließlich bei Tieren oder bei Tier und Mensch vorkommt, klärt weit mehr als ein (an sich unbedeutendes) morphologisches Detail des menschlichen Schädels. Sie wird im 18. Jahrhundert ein wichtiges Argument im Streit darüber, ob der Mensch ein )SU-

pranaturales Wesen< besitzt oder in die übrige animalische Natur einzuordnen ist. Prof. Dr. Horst- Werner Korf und Dr. Gerhard Storch stellten in ihrem Vortrag die Entdeckung als solche dar, beleuchteten ihren Stellenwert für die Entwicklung naturwis- senschaftlicher - insbesondere vergleichend -anatomischer - Forschung und schätzten ihre Bedeutung für Goethes weitere Entwicklung als Naturforscher und Dichter ab. Anschließend diskutierten sie die Schädel- modelle mit Besuchern.

(UR)

Goethe, ein I<onstruktivist?

Prof. Dr. Wolf J. Singer, Direktor des Max-Planck-Instituts für Hirnforschung, beschäftigte sich in seinem Vortrag mit der Frage- stellung, ob Goethes Erkentnisse

über das Wesen der Wahrneh~

mung nicht aufs Engste mit aktu- ellen Forschungsergebnissen über Wahrnehmung als Suchpro- zeß korrespondieren. (UR)

Brückenschlag

zwischen den Disziplinen

Zeigen sich begeistert übeulie.,.>. ; Ergebnisse der zweijährig'en ' Vorbereitung des wissenschaft- lichen Festivals durch Philoso- phen und Chemiker, Juristen und Germanisten, Biologen und Geologen, Physiker und Psycho-

logen: Dr. Hans-Bernhard Nordhoff, Dezernent für Kultur und Freizeit der Stadt Frank- furt, Prof. Dr. Alfred Schmidt, Prof. Dr. Werner Meißner, Präsident der Goethe-Univer- sität (v.l.n.r.) (UR)

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Goethe·Jubiläum • Goethe·Jubiläum • Goethe·Jubiläum • Goethe·Jubiläum • Goethe·Jubiläum . Goethe·Jubiläum . Goethe·Jubiläum • Goethe·Jubiläum MiHwoch, 2. Juni . UniReport 5/99 5

Spektakulum der dritten Art

Zum Abendprogramm des wissen- schaftlichen Festivals gehörte die szenische Lesung >>Goethe, Schiller und die Natur - Tempera- mentenrose«, eingerichtet von Hans Hollmann. Anne Maase steift die szenische Lesung vor, die die Goethe-Universität in Kooperation mit der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst, der Hoch- schule für Gestaltung Offenbach und dem Schauspiel Frankfurt realisiert hat.

>;Jedem, der Mittwochs und Sonn- tags früh in mein Zimmer kommt, wird auf die Finger gesehen, ob· er nicht einen Brief von Ihnen bringe ... « Mit diesen an seinen Freund Schiller gerichteten ungeduldigen Worten Goethes endete die Aufführung am· Abend des 7. Mai im bis auf die letz- ten Plätze gdüllten Blauen Saal im Casino des· I.G. Farben-Gebäudes.

Rund 150 Zuschauer waren gekom- men, um dem als Dialog inszenierten Briefwechsel der Dichterfürsten zu lauschen. Die berühmten Briefe- schreiber, von denen nur die scharf umrissenen Schatten hinter einer be- leuchteten Leinwand zu sehen wa- ren, verband eine endlos lange, eng beschriebene Papierrolle. Jeweils ein Ende des Dokumentes in den Hän- den haltend und allmählich abrol- lend, tauschten sie Gedanken über Philosophie, Kunst und Natur aus, die sich schließlich zu einen impo- santen Papierberg zwischen den bei-

den Künstlern sammelten. Der als Dialog inszenierte Briefwechsel zwischen Goethe (Edgar M. Böhlke, rechts) und Schiller (Sabine Fengler, links).

»Geistiger Vater« dieser szenischen Lesung ist Dr. Klaus-Jürgen Grün

Jeweils ein. Ende einer Textrolle in den Händen h:altend und allmählich abrollend, tauschten sie Gedanken über Philosophie, Kunst und Natur aus.

vom. Institut für Philosophie der Temperamentenrose« charakterisie- Goethe-Universität. Basierend auf ren sollte.

den Briefen, ,die Goethe und Schiller Grün, zu dessen Schwerpun~ten in im Zeitraum von Januar bis Februar Forschung und Lehre Naturphiloso- 1798 fast täglich wechselten, ver- phie gehört, beschäftigt sich schon faßte er das »Drehbuch(( für die Auf- seit einigen Jahren intensiv mit dem führung. Sein Hauptinteresse lag Naturverständnis Goethes. »Im poe- dabei auf der Diskussion über geeig- . tischen Naturbild des Wissenschaft- nete Methoden der Naturwissen- lers Goethe offenbart sich der Künst- schaft, die die Dichter in diesen Wo- ler. Ebenso wie Goethes Lyrik ist ehen lebhaft führten und die Goethe auch seine Naturanschauung von selbst später in seinem Tagebuch Sinnlichkeit geprägt(, so Grün. Diese als »gemeinsame Arbeit an jene.r Einheit von Kunst und Wissenschaft

sollte auch in die Form der Darbie- tung einfließen. Grün wendete sich mit seiner Idee an den befreundeten Theaterregisseur und Professor an der Hochschule für Musik und Dar- stellende Kunst, Hans Hollmann.

Dieser erklärte sich spontan bereit, an der Realisierung des Projekts, das er in seiner einführenden Ansprache als »weder Vorlesung noch Theater, eher ein Spektakulum der dritten Art« bezeichnete, mitzuwirken.

Hollmann gelang es, innerhalb

kürzester Zeit weitere Künstler für das Vorhaben zu begeistern. Für die Rolle des Goethe konnte Edgar M.

Böhlke, ehemaliges Mitglied des Schauspiel Frankfurt-Ensembles und ebenfalls Dozent an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst, gewonnen werden. Den Part des Schiller, für den Hollmann sich eine weibliche Besetzung gewünscht hat- te, übernahm Sabine Fengler, ihrer- seits Absolventin der Frankfurter Kunsthochschule.

Die Raumgestaltung und die Ko- stüme schließlich hat Adele Vetter, Theatermalerin und Bühnenbild- Studentin an der Hochschule für Ge- staltung Offenbach, entworfen. In der Realisation arbeitete sie mit dem Schauspiel Frankfurt zusammen.

Durch diese Kooperation zwischen drei hessischen Hochschulen und ei- nem Künstlerhaus wurde die frucht- bare Verbindung von Wisseoschaft und Kunst verwirklicht, die schon Goethe postulierte. Anne Maase

Wissenschaftliches Festival lockte fast 2000 Wissensdurstige an

Neben den Vorträgen wurde im Foyer des Casinos ein umfangreiches Begleitprogramm angeboten.

Auf großes Interesse stießen das interaktive Experimentierfeld der Physik-Didaktik, ein Elefantenschädel (Leihgabe des Naturmuseums Senckenberg) und ein Büchertisch mit ausgiebiger Literatur zum Thema.

Kleine Speisen aus Goethes Küche servierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Studentenwerks.

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6 UniReport 5/99 • MiHwoch, 2. Juni Goethe-Jubiläum· Goethe-Jubiläum . Goethe-Jubiläum • Goethe-Jubiläum • Goethe-Jubiläum.· Goetlie-Jubiläum • Goethe-Jubiläum • Goethe-Jubiläum

Nachlese· .

Nachtisch für Vulcanus

Die erste große theoretische Aus- einandersetzung in der mehr als 250 Jahre alten Geschichte der . Geologie war die Frage nach dem Ursprung der Gesteine. Nach der Theorie der Neptunisten entstan- den die Gesteine durch Ablage- rung aus dem Urozean. Dem standen die Vorstellungen der Plutonisten über großräumige, heiße Schmelzherde (Magmen- kammern) unter der Erdober- fläche gegenüber, die langsam abkühlten und zu großen grob-

körnigen Plutonen·erstarrten.

GQethe neigte den Vorstellungen der Neptunisten zu. Er suchte jedoch aufgrund seiner eigenen Beobachtungen eine Synthese der Gesteinsbildung zu schaffen.

Seinen Vorstellungen nach ent- stand das Urgestein, der Granit, aus einem amorphen Vorzustand, den Goethe flüssig nennt und der durch das innerliche Feuer bei der Bildung der Erde als Körper entstanden war. Der Kern der Erde kristallisierte wahrschein-

lieh als schwerste Masse, umge- ben von der ursprünglichen, innigst vermischten Flüssigkeit, aus der sich Quarz, Feldspat und Glimmer durch chemische Kräfte als Granit zusammenzogen.

Miriam Schwab erklärt das Vulkanmodell der Physik-Didak- tik; Zur Darstellung eines Vul- kanausbruchs wurde in einem versteckten Kolben ein Schoko- lade-Wasser-Gemisch erhitzt.

Kindlicher Forschergeist.wurde

gestiilt. (UR)

Vorherrschaft des Lebendigen

Goethe unter Bedingungen der

~odeme zu verstehen, heißt: ihn immer wieder neu zu -erfinden. Er- reicht wurde dies auf dem wissen- schaftlichen Festival »Durchgei- stete Natur« durch eine bildhaHi- ge und erlebnisintensive Präsen- tationsform, die behutsam das Pu- blikum in jenen holistischen, die Subjekt-Objekt-Trennung überwin- denden Verstehenszusammenhang zu integrieren wußte und es da- durch dem einzelnen Betrachter auf sinnlich-faßbare Art gestatte- te, die Goethesche Naturansicht in je individueller Aneignung unmit- telbar nach- und mitzuvollziehen.

Der Zuhörer wandelte sich zum Be- obachter, der Abstand suggerierende Blick auf Goethe wich einer Präsenz des Dargestellten, die ahnen ließ, daß Natur mehr sein könne als die Sum- me ihrer Teile, mehr sein könne als eine nur bloß zufällige Anhäufung ihrer Objekte; »Goethes herrlich leuchtende Natur« (Alfred" Schrnidt) ist dem aufmerksamen Publikum nicht fremd geblieben.

Besonders deutlich wurde das in dem Vortrag von Prof. Dr. Christian- Dietrich Schönwiese über »Wolken und Witterung aus der Sicht Goethes und heute« in der Sektion »Ele- mente und Kosmos«. Schönwiese wies nachdrücklich auf die ästheti- sche und psychologische Dimension von Goethes meteorologischen Stu- dien hin. Seine Wetterbeobachtun- gen seien insofern »Brückenschläge

senschaftliches Interesse. Im Streit zwischen Neptunisten und Plutoni- sten, die sich an der Frage nach der Entstehung von Basalt enzündete, schlug sich Goet.g.e auf die Seite des 'Neptunisten Johann Gottlieb Wer-

ner, »flach dessen Theorie die Gestei- ne durch Ablagerung aus dem Uroze- an enstanden« seien.

Der letzte Redner des Vormittags, Privatdozent Dr. Jörg Villwock, er- schloß in seinem Vortrag »Die Weile der Ewigkeit. Goethe und das kosmi- sche Naturverständnis der Griechen«

zentrale Aspekte »der Beziehung Goethes zum griechischen Natur- denken«.

zwischen Natur- und Geisteswissen- _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ ~ schaften«: Einerseits galt Goethes

Q h · k' f·· G t ?

systematisches Interesse an der Me-

Der Sonntagnachmittag stand im Zeichen der Sektion »Natur und Frei- heit«. »Der poetisch-philosophische Naturbegriff Goethes«, erläutert von Prof. Dr. Klaus JeziorkowskL führte auf instruktive Weise in Goethes Konzept einer »lebendigen Natur«

ein, eine Natur, die für Goethe nur als erzählte wesentlich lebendig sein konnte. Anschauende Sprache und angeschaute Natur, Idee und Erfah- rung, Subjekt und Objekt, Detail und Ganzes sind dabei innigst aufeinan- der verwiesen. Damit antizipierte Goethe bereits das Projekt der Mo- deme, in dem er Begriff und Begrif- fenes auf den Begreifenden selbst hin bezog: » Der Mensch kennt nur sich selbst, insofern er die Welt kennt, die er nur in sich und sich in ihr gewahr wird. Jeder neue Gegenstand, wohl beschaut, schließt ein neues Organ in uns auf.« Der Goetheschen Sprach- auffassung haftete somit nicht ein herrschaftlich-konstruktiver Zug an;

vielmehr sollte in ihr die Offenba- rung der geistvoll angesch.auten Na- tur selbst zum Ausdruck kommen. In diesem Sinne war Natur die Sprache, die sie erzählerisch bezeugte, weil nur in der Sprache die Natur selbst als erfahrene anwesend war.

uantenmec anl ur · ermanls en. ' teorologiedemImpuls,indi~Vielge-

staltigkeit der Wolken eine Ordnung

Prof. Dr. Rüdiger Bubner, Heidel- berg, vertrat in seinem Vortrag über

»Goethe und die moralische Welt«

die These, daß Goethe ein kritischer

Beobach~er der moralischen Welt ge- wesen sei und sich zeit seines Lebens

»Über Goethe hinau·s .... ( ging die Abschlußrunde mit Alfred schmidt, Martin Trömel, Helmut Gebelein, Heiner Boehncke, Thomas Görnitz, Walter Saltzer und Wolfgang Schad (v.l.n.r.).

hineinzubringen. In diesem Zusam- menhang begann er sich 1815 für Luke Howards (1772-1864) Wol- kentypologie zu interessieren. Ande- rerseits schien in seinen Forsch un- gen immer wieder eine poetische Dimension auf - niedergeschlagen hat sich das in zahlreichen Zeichnun- gen und Aquarellen. Als dramaturgi- sches Element verwandte Goethe die meteorologische Symbolik - darauf machte Schönwiese aufmerksam - in Faust 11. Und für einen kurzen Mo-

. eine vormoderne . Auffassung be- wahrt habe. Sein weltanschaulicher Naturalismus habe ihn nämlich auf Ist Goethes Naturverständnis für

die heutige Forschung und Lehre überhaupt noch aktuell? Dieser Frage ging die Podiumsdiskussion zum Abschluß des wissenschaft- lichen Festivals »Durchgeistete Natur« nach.

Ein vor allem mit Naturwissen- schaftlerri besetztes Podium, das un- ter der Moderation von HR -Redak- teur Prof. Dr. Heiner Boehncke diese Frage beleuchtete, machte deutlich:

Die Auseinandersetzung mit Goethe, der Naturforschung und Kunst. zu- sammendachte, ist bis auf den heuti- gen Tag äußerst gewinnbringend.

Boehncke forderte die Diskussions- teilnehmer auf, Wünsche für Lehre und Forschung aus Goethes Natur- verständnis heraus zu foimulieren.

Der Gießener Chemiker· Prof. Dr.

Helmut Gebelein sagte, daß Goethes Gegenstand immer die Phänomene der Natur waren - nie die Experi- mente im Labor. Auch der heutige Unterricht müßte sich wieder stärker an den Phänomenen ausrichten, we- niger an Formeln und Abstraktionen:

»Wenn Schüler heute Löwenzahn und Johanniskraut nicht unterschei- den können, ist doch etwas schief ge- laufen.«

Prof. Dr. Thomas Görnitt vom In- stitut für Didaktik der Physik der Goethe-Universität betonte, daß man heute von fundierter wissen- schaftlicher Warte aus Goethe in vie- len seiner Annahmen Recht geben

müsse. Für seinen eigenen Fachbe- reich wünscht.e sich Görnitz mehr Raum für philosophische Reflexion über die eigene Arbeit. Damit sprach Görnitz ein Thema an, das sich wie ein roter Faden durch die Podiums- diskussion zog: Die Frage, wie die strikte Trennung zwischen Natur- und Geisteswissenschaften etwas ab- gemildert oder gar aufgehoben wer- den könne. Immerhin sei, so Prof. Dr.

Alfred Schmidt, der Dualismus von Geist und Natur eine Erfindung der Professoren. Schmidt verwies darauf.

daß bei Goethe die Natur ein Eigen- recht habe -und daß der Mensch ein Teil dieser Natur sei. »Weiterzuarbei-

"ten im Geist Goethes orächte uns alle voran«, sagte Schmidt. Auch Prof.

Dr. Martin Trömel, Institut für Anor- ganische Chemie, betonte, daß der Mensch und Wissenschaftler selbst ein Teil der Natur sei, die er erfor- sche; und zwar ein Teil, der sich selbst begreift und in Worten aus- drückt: eine Erkenntnis, die man schon bei Goethe finden kömie. Trö- mel kritisierte, daß viele Naturwis- senschaftler erkenntnistheoretische Fragen bei ihrer Arbeit völlig außer acht ließe!l. » Wenn die Rede auf Phi- losophie kommt, beherrschen viele die Sprache gar nicht. « Die Einheit von Kunst und Geist auch in den Wissenschaften wiederzufinden, ganz konkret als Fortsetzung der in- terdisziplinären Vorbereitungsarbeit für das Festival, war Trömels Wunsch für die Zukunft.

Ein Wunsch, den Prof. Dr. Walter ment schließlich wurden in seinen das Tiefste :von dem aufklärerischen Saltzer vom Institut für die Geschich,- an die Howardsche Klassifikation Interesse geschieden, die Vervoll- te der Naturwissenschaften gerne erinnernden Gedichten »Stratus«, kommnung de's Menschlichen in der aufnahm: Er formulierte die Vision »Cumulus«, »Cirrus« und Nimbus« - zunehmenden Verrechtlichung sei- eines integrierten Studiengangs für vorgetragen von Julia Ribbeck - wie- ner natürlichen Verhältnisse zu se- Wissenschaft und Kunst, der die der etwas von jener »durchgeisteten hen. Die Kehrseite seines versöhnep.- strikte Trennung der Disziplinen auf- Natur« lebendig. den Naturalismus kam hier zum Tra- heben würde. Jedoch müßte dazu, Goethes Weltbild ist von der Ein- gen: je mehr wir uns von der Natur wie Alfred Schmidt anmerkte, erst sicht in die Vorherrschaft des Leben- entfernen, desto mehr ~ntfremden

»eine gemeinsame Sprache« gefun- digen geformt worden. In diesem Zu- wir uns von uns selbst und brechen den werden: Zu sehr seien die Aka- sammenhang spielten seine alchemi- Pathologien, Furcht und Gewalt her- demiker in ihren jeweiligen Diktio- stischen Neigungen - die er offen- vor. Nur künstlerisch - so faßte Bub- nen verfangen. Auch Helmut Gebe- kundig mit Novalis, I<leist und E.T-A. ner Goethes Bemühungen um einen lein gab zu bedenken, daß man in' Hoffmann teilte - eine wesentliche adäquaten Zugang zum Menschli- den anderen Terminologien nicht Rolle, wie Prof. Dr. Helrput Gebelein ehen zusammen -lasse sich ein Ver- zu Hause sei und eine Koopera- (Gießen) und Prof. Dr. Erich-Walter' ständnis des Moralischen ent- tion nicht einfach verordnet werden Grabner in ihrem Vortrag über »Che- wickeln: Das, was wir von uns ver- könne. Für Thomas Görnitz ist die mie und Alchemie in Goethes poeti- stehen, ist das, was wir literarisch fas- Sprachbarriere hingegen ein didak- sehen und wissenschaftlichen Wer- sen können.

tisches Problem, »das' nicht unlös- ken« anhand einer Vielzahl von ex- Weitere Vorträge zu Einzelaspekten bar ist<c Dem Vorschlag Heiner perimentellen Demonstrationen ein- des Gesamtwerkes, etwa zu den Boehnckes, doch einmal Quanten- drucksvoll belegen konnten. Die al- Goetheschen Direktiven gesunder mechanik für Germanisten zu lesen, chemistische Weltsicht einer allbe- Lebensführung (Prof. Dr. Heinrich würde er deshalb gerne nachkom- lebten Natur, die sich in der Vorstel- Schipperges, Heidelberg) oder aber men. Prof. Dr. Wolfgang Schad vom lung ausdrückte, anorganisches Ma- zu seinem Verhältnis zur Medizin Institut für Evolutionsbiologie in terial in lebensfähige Stoffe umwan- (Prof. Dr. Helmut Siefert), rundeten Witten/Herdecke verwies schließlich deIn zu können, hinterließ entspre- die bei den Sektionen ab: In seinem auf den langfristigen Nutzen und die chende Spuren im künstlerischen Abschlußvortrag spannte prof. Dr.

Notwendigkeit einer Zusammenar- Werk, so unter anderem im »Faust«. Walter Saltzer nochmals den Bogen beit: Wenn heute ein Problem in der Goethes literarische Beschäftigung 'zwischen dem wissenschaftlichen Wissenschaft gelöst würde, entstün- mit alchemistischen Experimenten und künstlerischen Naturverstehen den gleichzeitig mindestens drei wurde dann auch in einigen Versu- bei Goethe. Er vertiefte in seinem neue. »Wir kommen nur weiter, ehen nachgestellt; das obligate Vortrag die Frage nach den Normen wenn wir enger zusammenarbei- »Goldmachen« durfte hier natürlich der wissenschaftlichen und künstle- ten.« Anstatt also »über Goethe hin- nicht fehlen. rischen Erklärung und Interpretati- aus« zu gehen, wie die Podiumsdis- In seinem Vortrag über das »Span- on, welche 'die erwünschten Über- kussion betitelt war, solle man des- nungsfeld zwischen Neptunismus gZinge zwischen wissenschaftlichem halb »mit Goethe weiter« denken. und Plutonismus« beleuchtete Prof. und künstlerischem Naturverstehen Claudia Baumgart Dr. Gerhard Brey Goethes geowis- ermöglichen. Michael Kühnlein

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