Klimawandel und Gesundheit
Extremwetterereignisse und die
Auswirkungen auf die mentale Gesundheit von Kindern und Jugendlichen
Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychosomatik 7.10.2021 | Dr. med. Inga Wermuth
Dr. phil. Julia Schoierer
PD Dr. med. Stephan Böse-O´Reilly
Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin
Klimawandel
und Extremwettereignisse
www.climatevisuals.org 2
Globale Temperaturentwicklung 1850-2020
www.klimafakten.de
3
Temperaturentwicklungen in Berlin
4
Expertennetzwerk aus: Deutsches Klima-Konsortium, Deutsche Meteorologische Gesellschaft, Deutscher Wetterdienst, Extremwetterkongress Hamburg, Helmholtz-Klima-Initiative, klimafakten.de, 2021
„Climate change is the greatest threat to global health in the 21st century”
„Jegliche Zunahme der globalen Erwärmung wird sich laut Projektionen auf die menschliche Gesundheit
auswirken, mit überwiegend negativen Folgen”
(IPCC 2018)
Das Bildelement mit der
Beziehungs-ID rId3 wurde in der Datei nicht gefunden.
Report 2019 Lancet Countdown
„Ein heute geborenes Kind wird eine Welt erleben, die mehr als vier Grad wärmer ist als der vorindustrielle Durchschnitt, der
Klimawandel wirkt sich auf die menschliche Gesundheit aus von der Kindheit und Jugend bis zum Erwachsenenalter und Alter“
15.10.21 2020 2027 2034 2045 2060 2080 2095 2100
7
Stürme
Alter &
Geschlecht
Luft-
verschmutzung
Überschwem- mung Dürren
Wasser- qualität
Änderung Landnutzung
Gesundheits- status Sozioöko- nomischer
Status Soziales
Kapital
Gesundheits- infrastruktur Direkte Effekte Indirekte Effekte Soziale Faktoren
Klimawandel Mentale Gesundheit
Unterernährung Allergien
Herzkreislauferkrankungen Infektionskrankheiten
Verletzungen/Unfälle Atemwegserkrankungen
Vergiftungen
Gesundheitliche Folgen
Hitzewellen Ökologischer
Wandel Mobilität &
Konfliktstatus
Watts et al. 2015;
siehe auch Watts et al. 2018
Was ist ein Extremwetterereignis?
8
(Extremwettereignis = EWE)
§ Im deutschen Sprachraum keine einheitliche Definition für „Extremwetter“
§ Meterologisch: selten vorkommendes Ereignis, das stark von einer Referenzperiode (meist 1961-1990), dem statistischen langjährigen Durchschnittwert, abweicht und nur alle 10 Jahre wiederkehrt
§ Die Kategorisierung als „extrem“ ist an den gesellschaftlichen und geografischen Kontext gebunden, in dem sich das Ereignis zuträgt
§ EWE können Hitze, Starkwind, Stürmen, Lawinen, Starkniederschlag mit Sturzfluten und
Überschwemmungen
Seneviratne SI et al (2012): Managing the risks of extreme events and disasters to advance climate change adpation: changes in climate extremes and theri impacts on the natur physical
environment
Garcia DM et al (2016): Extreme weather-driven disasters and children‘s health
www.climatevisuals.org
Zunahme von Naturkatastrophen
https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=7072869 10
Medieneffekt?
Warum gibt es mehr Extremwetter?
Extremwetterereignisse global
Zunahmen von Naturkatastrophen in Deutschland
Zunahme von Niederschlägen
Alle Trends und Vorhersagen sind
regional spezifisch & stark unterschiedlich
§ Starkniederschlag im Winter und Übergangsjahreszeiten
§ Starkniederschlag
in Süddeutschland auch im Sommer
§ Westen und Süden:
Gefahr von Hochwassern
Prognose für Deutschland 1961-1990 versus 2021-2050
Änderungspotential der Tage mit Starkniederschlag (Niederschlagsmenge ≥ 20 mm) 2021 - 2050 im Vergleich zu 1961 - 1990 bei starkem Wandel
Quelle: Buth, M., et al. 2015
Überschwemmungen
16
Rheinland-Pfalz / Nordrhein-Westfalen - 2021
https://www.swr.de/swraktuell/rheinland-pfalz/koblenz/traumatisierte-kinder-hochwasser-100.html
Titel | Abteilung/Institut | Datum 18
Psychotraumatologie Exkurs
www.climatevisuals.org 19
Posttraumatische Belastungsstörung
Aus Landolt: Psychotraumatologie des Kindesalters (ISBN 9783840928796). © 2021 Hogrefe Verlag, Göttingen 20
Traumafolgestörungen gemäß ICD-11 und DSM-5
à Änderungen in der ICD-11:
Wegfall der Akuten Belastungsstörung in der ICD-11 (nur noch Z-Code);
Neu: Komplexe PTBS und Anhaltende Trauerstörung
à Hohe Rate an Komorbiditäten, insbesondere auch affektive Störungen
Posttraumatische Belastungsstörung
21
Diagnostische Kriterien nach ICD-11
Aus Landolt: Psychotraumatologie des Kindesalters (ISBN 9783840928796). © 2021 Hogrefe Verlag, Göttingen
à In der ICD-11 keine spezifischen
Anpassungen der PTBS-Kriterien für das Kindesalter, aber in der Einleitung
Hinweise auf altersspezifische Ausprägungen von Symptomen
(bei jüngeren Kindern traumatisches Spiel, repetitive traumabezogene
Zeichnungen, Alpträume ohne klaren Inhalt, erhöhte Impulsivität, Wutanfälle, Trennungsängste, exzessives Weinen und Entwicklungsrückschritte)
àDSM-5 mit der expliziten Einführung
eines PTBS-Subtyps für Kinder unter dem Alter von 6 Jahren fortschrittlicher,
konzeptualisiert die bei Kindern auftretenden Besonderheiten besser
Posttraumatische Belastungsstörung
22
Prävalenzraten PTBS nach verschiedenen Traumatisierungen
Aus Landolt: Psychotraumatologie des Kindesalters (ISBN 9783840928796). © 2021 Hogrefe Verlag, Göttingen
à andere Störungen nach traumatischen Erfahrungen (z. B. Depression,
Angststörungen, Störung des
Sozialverhaltens, u. a.) werden in vielen Studien nicht untersucht
à
Psychotraumatologie
23
Risikofaktoren für die Entwicklung einer PTBS bei Kindern und Jugendlichen
Aus Landolt: Psychotraumatologie des Kindesalters, basierend auf einer Meta-Analyse von Trickey et al 2012
Auswirkungen von Extremwetterereignissen auf die psychische Gesundheit von Kindern
24 www.climatevisuals.org
Physische Gesundheitsauswirkungen von EWE
§ Geringes unmittelbares Mortalitäts- und Verletzungsrisiko in Ländern mit hohem Einkommen
§ Potentielle akute physische Gesundheitsauswirkungen
§ Ertrinken, erschlagen werden (Bsp. Baum)
§ Verletzungen durch schwimmende oder herumfliegende Trümmerteile, Feuer und Stromschläge
§ Vergiftungen und Infektionen durch Wasserknappheit und Kontaminationen
Fernandez A, lack J, Jones M et al. (2015). Flooding and mental health: a systematic mapping review. PLOS One, 10 (4), e:0119929 25
Psychische Symptome/Erkrankungen nach EWE
26
Allgemeine ätiologische Überlegungen
§ Auswirkung von Alter und Entwicklungsstand entscheidend für die Wahrnehmung und inneren Ressourcen von Kindern und Jugendlichen à
unterschiedliche Risiken für die Entwicklung psychischer Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen [Fernandez 2015; Bonnano 2010;
Lai 2018; Convery 2010]
§ Auch wenn sich zunächst noch ähnliche Beeinträchtigungen wie z.B. eine gestörte Emotionsregulation oder ein reduziertes
Selbstwirksamkeitserleben entwickeln, können davon ausgehend je nach Entwicklungsstand
variable und häufig typische alterskorrelierte psychopathologische Symptome und
Erkrankungsbilder entstehen [Schmid 2013]
§ Die Wahrscheinlichkeit, psychische Erkrankungen zu entwickeln, korreliert positiv mit dem Grad der Exposition während des EWE [Garcia 2016; Lai 2017]
§ Neben Verletzungen und Todesfällen kommt es zudem zu einer oft weitreichenden Zerstörung der Lebensgrundlagen, was die
Bewältigungsbemühungen von Überlebenden
zusätzlich massiv erschwert [La Greca & Prinstein, 2002].
§ Es wird bisher davon ausgegangen, dass Kinder ein erhöhtes Risiko für eine PTBS aufweisen, da ihnen weniger Bewältigungsstrategien zur
Verfügung stehen [Garcia 2016];
zudem erhöhte Belastung durch
§ Kommunikationsschwierigkeiten von Bedürfnissen / eingeschränkte Verständigung bezüglich des Traumas
§ limitiertes Verständnis der Umwelt / Umgebung
§ Limitierte Möglichkeiten der Partizipation in der Gemeinschaft
Psychische Symptome/Erkrankungen nach EWE
§ Studienplanung erschwert
§ Varianz der Prävalenzraten für PTBS und Depression zwischen den Studien sehr hoch (beispielsweise Wang et al.: PTBS-Raten zwischen 1 und 60 % und Depressionsraten zwischen 1 und 33 %)
§ Nahezu ausschließlich retrospektive Erfassung, ohne dass vergleichbare großflächige Basisdaten bezüglich des mentalen Gesundheitsstatus von Kindern und Jugendlichen vor dem EWE vorlägen [Milojjevic 2017]
§ Heterogenität in den Studienbedingungen und Studiendesigns, vor allem bezüglich
Zielpopulation, Evaluationsinstrumenten, Datenerhebung und Analysemethoden
§ Kaum Kontrollen auf potenzielle Confounder oder langjährige Nachkontrollen
27
Bemerkungen zur Studienlage
§ Großteil der Literatur befasst sich mit Naturkatastrophen in anderen Ländern, eingeschränkte Übertragbarkeit auf den hiesigen geografischen und kulturellen Raum ist
anzunehmen (insbesondere Unterschiede in den sozialen Strukturen, Versicherungssystemen und Architektur der Gebäude)
§ Erfassung von subklinischen Phänomenen, Symptomen und Erkrankungen
§ PTSS = Posttraumatische Stresssymptome = adaptive Reaktion auf ein traumatisches oder ein Stress hervorrufendes Ereignis
§ PTBS = Posttraumatische Belastungsstörung = klinisch diagnostizierte psychische Störung, die sich im Verlauf nach einem traumatischen
Ereignis manifestiert hat
Psychische Symptome / Erkrankungen nach EWE
§ Klinisch bedeutsame Symptome bei 30 bis 50 % der Kinder [La Greca & Prinstein, 2002]
§ Klarer Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der Symptome und dem Grad der Exposition
§ Untersuchung nach Wirbelsturm Ike nach 8 versus 15 Monaten [Lai et al 2013]
§ 13 % à 7 % PTBS
§ 11 % à 11% Depression
§ 10 % à 7% Komorbidität von PTBS und Depression
28
Wirbelstürme
§ Untersuchungen nach dem Wirbelsturm Katrina 2005:
§ Nach neun Monaten litten 35 % und nach 21 Monaten noch immer 29 % der Kinder
(Durchschnittsalter 9 Jahre) an klinisch
relevanten posttraumatischen Symptomen [La Greca et al. 2010]
§ PTBS-Prävalenz von 50% bei Vorschulkindern (3- 6 Jahre) [Scheeringa und Zeanah 2008]
§ Die Rate war bei Kindern höher, die in der Stadt blieben (62.5 %), als bei jenen, die evakuiert wurden (43.5 %).
§ Kindern mit PTBS wiesen zudem über 88 %
mindestens eine weitere komorbide Störung auf (besonders häufig Trennungsangst und
oppositionelles Verhalten)
https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=302898
Psychische Symptome / Erkrankungen nach EWE
§ PTBS-Prävalenz von 37% nach Überschwemmung im Buffalo Creek Tal in den USA nach Dammbruch Jahre 1972 (cave: retrospektive Schätzung der
Störungsprävalenz), 17 Jahre nach dem Ereignis
PTBS-Prävalenz von 7% [Green et al 1991 bzw. 1994]
§ In einer Untersuchung in Polen nach einer
Überschwemmung erfüllten nach 28 Monaten 18% der 11- bis 21-Jährigen alle Diagnosekriterien einer PTBS [Bokszczanin 2007]
§ PTBS-Prävalenz von 11-13% bei 7- bis 14-jährigen Kindern sowohl nach zwei als auch neun Monaten nach dem Tsunami in Südostasien 2004 [Thienkrua et al 2006)
§ Acht Jahre nach dem Tsunami litten von den damals am stärksten betroffenen Kindern und Jugendlichen noch immer fast die Hälfte unter klinisch relevanten
Symptomen [Adeback et al 2018]
§ Expositionsgrad scheint einen großen Teil der Unterschiede in den Prävalenzen zu erklären
https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5509730
29
Flutkatastrophen und Tsunami
Prävalenz psychischer Erkrankungen
§ Verläufe (ein Jahr nach einer Naturkatastrophe)
§ 4-23% Chronischer Verlauf (persistierende hohe PTSS)
§ 45-72% Resilienz (Persistierende niedrige PTSS)
§ 16-27% Genesung (initial erhöhte PTSS, die im Verlauf abnehmen)
§ 0-18% verzögerter Verlauf (initial niedrige PTSS, die im Verlauf ansteigen)
§ Der Stress hält noch lange nach einem
schwerwiegenden EWE an und kann auch später noch zur Entwicklung von posttraumatischen
Stresssymptomen führen [Stanke 2012; Lai 2017;
Hlodversdottir 2018]
Aus Landolt: Psychotraumatologie des Kindesalters (ISBN 9783840928796). © 2021 Hogrefe Verlag, Göttingen 30
Daten zum Verlauf PTSS und PTBS
§ Prototypische Verlaufstypen nach Unfall [Le Brocque 2010] konnten auch bei anderen
Traumagruppen gefunden werden [u.a. Lai et al 2017; Self-Brown et al 2013]
Prävalenz psychischer Erkrankungen
§ Depressionen
§ Panikattacken
§ Angststörungen
§ Schlafstörungen
§ Lernschwierigkeiten
à Keine Angabe von Prävalenzen [Garcia 2016]
Zusätzliche Beschreibungen aus anderen
Kulturräumen (z.B. Bangladesch) bei Kindern infolge von Überschwemmungen:
§ antisoziale und aggressive Verhaltensweisen
à Übertragbarkeit auf mitteleuropäische Verhältnisse unter Berücksichtigung transkultureller Aspekte nicht sicher beurteilbar
31
Weitere Symptome/Störungsbilder
Risikofaktoren und Stressoren
32
Primäre Stressoren Sekundäre Stressoren
= Faktoren, die in direkter Verbindung mit
der Erfahrung eines EWE stehen = Faktoren, die nach dem EWE auftreten und als langfristige Belastung mentale
Erkrankungen auslösen können
§ Wahrgenommene eigene Lebensgefahr
§ Wahrgenommene Gefahr für die Familienmitglieder
§ Erlebnis einer Evakuierung
§ Zerstörung oder Verlust des Wohnraums
à In Ländern mit hohem Einkommen kommt es hauptsächlich zu hohen ökonomischen Verlusten und seltener zu Todesfällen [Garcia 2016]
à In Deutschland beispielsweise stehen als
primäre Stressoren „Evakuierung“ und „Zerstörung des Wohnraums“ im Vordergrund
§ Ökonomische Folgen: Probleme der Kompensation / Wiederaufbau
§ Umsiedlung während / nach der Katastrophe / Schulwechsel
§ Veränderte Reaktion und anderes Verhalten der Eltern / Bezugspersonen
§ Konflikte mit Familienmitgliedern und dem sozialen Umfeld
§ Reduzierter Zugang zu Gesundheits- und Fördereinrichtungen
Risikofaktoren und Stressoren
§ Entwicklung von Verhaltensauffälligkeiten wie
„Klammern“, Reizbarkeit und Aggressivität stark vom Stresslevel der Eltern abhängig [Swenson 1996]
§ Innerfamiliäre Spannungen und eine geringe soziale Unterstützung von Eltern wirken sich immens auf die Bewältigung eines Traumas aus und können diese stark behindern [Garcia 2016; Mort 2018;
Bokszczanin 2008; Maclean 2016]
§ Beispiel: Assoziation zwischen hohem
Konfliktlevel mit den Eltern und dem Ausmaß von PTSS [Bokszczanin 2008]
§ Elterliche Überfürsorglichkeit, wenn sie sich in Form von Infantilisierung der Kinder und exzessiver
elterlicher Kontrolle äußert, könnte ebenso einen Risikofaktor darstellen [Bokszczanin 2008]
§ Armut und geringes Familieneinkommen [Garcia 2016; Lowe 2013]
33
Elterliches Verhalten und familiäre Risikofakotren
Risikofaktoren und Stressoren
§ Kinder und Kleinkinder reagieren durch ihr starkes Abhängigkeitsverhältnis und die Prägung durch ihre Umwelt empfindlich auf deren Veränderungen
§ Verlust des Zuhause als Ort der Sicherheit
§ Verlagerung und Veränderung der sozialen Umwelt
§ Längere Aufenthalte in temporären Unterkünften oder die Verzögerung des Wiederaufbaus führen häufig zu Schulwechseln und längerer Trennung von Familienmitgliedern und Freunden [Mort 2018;
Munro 2017]
34
Umsiedelung
Risikofaktoren und Stressoren
Kleinkinder:
§ Erlebnis einer Naturkatastrophe vor dem fünften Lebensjahr à ~ 15%iger Anstieg der
Wahrscheinlichkeit für lebenslange Angstzustände, Stimmungsschwankungen oder
Substanzmissbrauch [MacLean 2016; Bezug auf Naturkatastrophen]
Mädchen in der Adoleszenz:
§ Allgemein häufiger von Angstzuständen, Depressionen und PTBS betroffen, deren
Auftretenswahrscheinlichkeit sich nach einem EWE noch erhöht [Garcia 2016; Bokszczanin 2007; Lai 2017]
35
Geschlecht und Alter
Risikofaktoren und Stressoren
§ Triggerfakotren:
werden von Risikofaktoren getrennt als relevant eingeschätzt und wirken sich auf das Wiedererleben des Traumas und das Stresslevel der Kinder und Jugendlichen aus
Beispiel: Regen in den ersten Monaten nach einem EWE
§ Trigger nehmen normalerweise kontinuierlich in den Monaten nach dem EWE an Auslösungskraft ab
[Convery 2010}]
36
Triggereignisse
Protektive Faktoren
§ Familienbezogene Ressourcen und soziale Unterstützung [Lai 2018; Bokszczanin 2008]
§ Jugendliche scheinen ein geringeres Risiko für eine PTBS zu haben als Kinder, dabei ist jedoch nur bei der Gruppe der älteren Jungen kein Anstieg der PTBS-Symptome zu beobachten [Lai 20018;
Bokszczanin 2008]
§ Vermutung: Jugendliche besitzen bereits vermehrt Bewältigungsstrategien und können sich stärker in der Gesellschaft und bei Aufräumarbeiten
einbringen [Bokszczanin 2008]
37
§ Resilienz = Fähigkeit zur erfolgreichen Anpassung und Bewältigung von schweren Lebenssituationen oder Traumata mit Hilfe von persönlichen und sozialen Ressourcen
§ Allgemein hohe Resilienz bei Flutopfern
§ Kollektive Resilienz ist von besonderer Bedeutung und entsteht durch:
§ Reduktion von Risiko- und Ressourcenungleichheiten
§ Einbezug der lokalen Bevölkerung
§ Verknüpfung und Kommunikation der organisatorischen Einheiten
§ Planen keinen Plan zu haben; Flexibilität und Entscheidungsfähigkeit
Indirekte Klimawandelfolgestörungen Exkurs
38
Indirekte Klimawandelfolgestörungen
§ Klimaangst
§ Starke Gefühle, verbunden mit Beobachtungen der globalen Folgen des Klimawandels sowie Ängste und Unsicherheiten bezüglich des beispiellosen Ausmaßes der aktuellen und
zukünftigen Risiken [übersetzt nach Doherty &
Clayton 2011]
§ Alternativ handelt es sich nicht um eine
Krankheit, sondern um eine gesunde empathische Reaktion auf eine reale Gefahr („eco-empathy“)
§ Solastalgie
§ Neologismus, der den psychischen oder
existenziellen Stress beschreibt, welcher durch Umweltveränderung verursacht wird [nach Albrecht et al 2007]
§ Gefühl von Machtlosigkeit gegenüber der sich um einen herum verändernden Umwelt
Umweltbewusstseintsstudie, UBA 39
Klimaangst und Solastalgie
Konsequenzen für die Praxis
40
Diagnostik und Interventionsmethoden
41
Assessing Children‘s Disaster Reactions and Mental Health Needs
§ Screeningverfahren sind geeignet für Kinder, die direkt von der Katastrophe betroffen bzw. ihr ausgesetzt waren
§ Bei Vorliegen von Risikofaktoren sollte eine umfangreiche klinische Evaluation erfolgen
§ Bei Vorliegen von Symptomen sollte sofort eine klinische Evaluation erfolgen
§ Bei Vorliegen einer PTBS oder anderen psychiatrischen Erkrankung muss ein
Behandlungsplan erstellt und eine Therapie eingeleitet werden
§ Psychosoziale Unterstützung ist bei Stress- oder Belastungsanzeichen angezeigt
Pfefferbaum B 2013: An Assessment framework
Diagnostik und Interventionsmethoden
42
Deutschsprachige Instrumente zur Diagnostik von Traumafolgestörungen bei Kindern
Aus Landolt: Psychotraumatologie des Kindesalters (ISBN 9783840928796). © 2021 Hogrefe Verlag, Göttingen
Konsequenzen für die Forschung
§ Allgemeiner Forschungsmangel in Bezug auf Kinder und Jugendliche!
§ Pädiatrische Daten werden im EM-DAT nicht explizit erfasst, aber die berichteten Katastrophenmuster lassen vermuten, dass die Exposition gegenüber Hitze und Kälte, Stürmen, Traumata, Chemikalien, Wasser und Infektionserregern mögliche Verletzungsmechanismen sind.
§ Altersstratifizierte Katastrophendaten werden benötigt, um einen zeitnahen, transparenten, koordinierten und nachhaltigen datengestützten Ansatz zur pädiatrischen Katastrophenresistenz zu ermöglichen.
43 Ries, M. et al. Disasters in Germany and France: An Analysis of the Emergency Events Database From a Pediatric Perspective. Disaster Med Public Health Prep 2019,
13, (5-6), 958-965.
Wie können wir vulnerable Personen erreichen?
44
www.klimawandelundbildung.de
Bildungsmodule kostenlos herunterladbar
45
www.klimawandelundbildung.de
Fazit
§ Extremwetterereignisse nehmen in Folge des Klimawandels zu
§ Studien zur Auswirkung auf die mentale Gesundheit von Kindern und Jugendlichen existieren, weisen jedoch starke methodische Unterschiede bzw.
Mängel auf und sind schwer übertragbar
§ Angaben der Prävalenzen für PTSS (5-43%) und PTBS (0,5-18%) nach EWE sind einer großen Streubreite unterworfen
§ Weitere psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen können ebenfalls auftreten, hierzu liegen jedoch kaum verlässliche Prävalenzen vor
§ Als Risikofaktoren sind innerfamiliäre Konflikte, geringe soziale Unterstützung der Eltern, Trennung von Freunden und Familienmitgliedern aufgrund von Umsiedelung und Armut und geringes
Einkommen der Eltern hervorzuheben
§ Kinder und Jugendliche stellen im Zusammenhang mit Naturkatastrophen und EWE eine vulnerable Gruppe dar, die in Bezug auf die mentale
Gesundheit nach Traumata besonders berücksichtigt werden sollte
§ Bessere Daten ermöglichen eine gezielte
Versorgung nach EWE durch fachmedizinisches Personal, den Öffentlichen Gesundheitsdienst und weitere psychosoziale Strukturen wie z.B. Schulen
Vielen Dank
Dr. med. Inga Wermuth
inga.wermuth@med.uni-muenchen.de +49 89 4400-55931