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Das duale Studium als ein neuer Bildungsweg

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Academic year: 2022

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Sabrina Edelsbrunner, BSc

Das duale Studium

als ein neuer Bildungsweg

Masterarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades Master of Science

der Studienrichtung Wirtschaftspädagogik an der Karl-Franzens-Universität Graz

Betreuer: Assoz. Prof. Mag. Dr. Peter Slepcevic-Zach Institut: Wirtschaftspädagogik

Graz, November 2021

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung ... 1

2 Konzeptionelle Grundlagen ... 6

2.1 Österreichisches Bildungssystem ... 6

2.2 Verändertes Bildungsverhalten seit den 1960ern ... 11

2.3 Duale Ausbildung in Österreich ... 19

3 Duales Studium ... 23

3.1 Definition und Abgrenzung ... 24

3.2 Umsetzung des dualen Studiums ... 30

3.2.1 Ausbildungsintegrierendes duales Studium ... 31

3.2.2 Praxisintegrierendes und berufsintegrierendes duales Studium ... 37

3.3 Aktueller Stellenwert des dualen Studiums ... 40

3.4 Akzeptanz des dualen Studiums ... 43

3.4.1 Akzeptanz der Betriebe ... 43

3.4.2 Akzeptanz der Studierenden ... 45

4 Zuspruch für das ausbildungsintegrierende duale Studium in Österreich ... 49

4.1 Forschungsdesign ... 49

4.2 Auswahl und Beschreibung der Befragten ... 51

4.3 Durchführung der Befragung ... 55

4.4 Auswertungsverfahren der Interviewergebnisse ... 57

4.5 Präsentation der Interviewergebnisse ... 58

4.5.1 Ergebnisse aus den Interviews mit den Schülerinnen und Schülern ... 59

4.5.2 Ergebnisse aus den Interviews mit den Betrieben ... 67

4.6 Zusammenfassende Ergebnisse im Vergleich mit der Literatur ... 76

5 Fazit ... 83

5.1 Zusammenfassung ... 83

5.2 Ausblick ... 89

Literaturverzeichnis ... 91

Anhang ... 99

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Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Österreichisches Bildungssystem ... 7

Abbildung 2: Übergänge aus der Berufs- und Allgemeinbildung in das Hochschulwesen ... 16

Abbildung 3: Ablaufmodell des problemzentrierten Interviews ... 55

Abbildung 4: Pläne nach der Matura der befragten Schülerinnen und Schüler ... 60

Abbildung 5: Genannte Vorteile aus der Sicht der Schülerinnen und Schüler ... 63

Abbildung 6: Genannte Nachteile aus der Sicht der Schülerinnen und Schüler ... 65

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Aufteilung der Studienanfängerinnen und Studienanfänger im Studienjahr 2018/19 nach Hochschulsektoren und Geschlecht ... 10

Tabelle 2: Klassifizierung praxisnaher Studienmodelle ... 27

Tabelle 3: Konzepte des dualen Studiums ... 39

Tabelle 4: Befragte Schülerinnen und Schüler ... 52

Tabelle 5: Aufteilung der befragten BHS-Schülerinnen und Schüler ... 53

Tabelle 6: Befragte Betriebe ... 54

Tabelle 7: Studienrichtungen ... 61

Tabelle 8: Angebotene Lehrberufe in den befragten Betrieben ... 72

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Abkürzungsverzeichnis

APflG Ausbildungspflichtgesetz

AHS Allgemeinbildende höhere Schule

AQ Austria Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung Austria

BHS Berufsbildende höhere Schule

BBiG Berufsbildungsgesetz

BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung

BMBWF Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung BMS Berufsbildende mittlere Schule

BRP Berufsreifeprüfung

HIS Hochschul-Informations-System

HwO Handwerksordnung

ISCED International Standard Classification of Education

LAP Lehrabschlussprüfung

PTS Polytechnische Schule

SchOG Schulorganisationsgesetz

SchPflG Schulpflichtgesetz

OECD Organisation for Economic Co-operation and Development WIFI Wirtschaftsförderungsinstitut

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1 Einleitung

Das duale Studium stellt ein Bildungsangebot dar, das praxisorientiert ausgerichtet ist und mehrere Lernorte miteinander verknüpft. Neben der Hochschule, auf der das akademische Wissen gelehrt wird, fungiert ein mit der Hochschule kooperierender Ausbildungsbetrieb als zweiter Lernort, in dem das berufspraktische Wissen vermittelt wird.1 Mit dem dualen Studium wird somit die Besonderheit, zwei Lernorte miteinander zu verzahnen, aus der dualen Berufsausbildung in den akademischen Bildungssektor transferiert.2 Das Angebot der Hochschulen wird dadurch um ein praxisorientiertes Studienangebot erweitert.

Der Hochschulsektor hat über die letzten 50 Jahre einen großen Interessenzuwachs erfahren, zumal die Zahlen der jährlichen Studienanfängerinnen und Studienanfänger seit Jahrzehnten ansteigen. Im Jahr 2016 haben 50 % der 18- bis 21-Jährigen ein Hochschulstudium aufgenommen, während sich 1970 lediglich 10 % dieser Altersgruppe auf einer Hochschule eingeschrieben haben.3 Auch die Zahlen der Absolventinnen und Absolventen eines Hochschulstudiums verzeichnen einen Anstieg. Vor knapp 50 Jahren verfügten lediglich 2,8 % der österreichischen Bevölkerung zwischen 25 und 64 über einen akademischen Abschluss. Bis zum Jahr 2018 stieg diese Zahl auf 15,8 %.4 Die Prognosen für den Hochschulsektor zeigen, dass die Zahl der Studienanfängerinnen und Studienanfänger und die der Absolventinnen und Absolventen weiter ansteigen werden.5

Zugleich werden österreichische Betriebe mit der Herausforderung konfrontiert, dass offene Lehrstellen nicht besetzt werden können.6 Zudem haben die Betriebe Schwierigkeiten dabei Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu rekrutieren, die über einen Lehrabschluss verfügen. Der Fachkräftemangel stellt für die Betriebe daher bereits in einem bedeutenden Ausmaß eine Herausforderung dar.7 Die Betriebe befürchten, dass sich der Fachkräftemangel zukünftig noch weiter verschärfen wird.8 Zugleich wächst aufgrund von Entwicklungen wie Digitalisierung und Globalisierung der Bedarf an wissenschaftlich qualifizierten

1 Vgl. Wissenschaftsrat (2013), 22; Kupfer/Köhlmann-Eckel/Kolter (2014), 15; Bleich (2015), 79; Wolter (2016), 40 und Hesser/Langfeldt/Box (2017), 5.

2 Vgl. Wissenschaftsrat (2013), 5.

3 Vgl. Mayrhofer et al. (2019), 139.

4 Vgl. Statistik Austria (2018a).

5 Vgl. Statistik Austria (2018b), 131.

6 Vgl. Dornmayr/Lengauer/Rechberger (2019), 1.

7 Vgl. Dornmayr/Rechberger (2019a), 4.

8 Vgl. Dornmayr/Rechberger (2019a), 1.

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Fachkräften. Für die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit wird häufiger ein abgeschlossenes Hochschulstudium benötigt. Für den Arbeitsmarkt hat der Hochschulsektor daher an Bedeutung dazugewonnen, wenn es um die berufliche Ausbildung junger Menschen geht.9 Folglich rückt der Ausbau von praxisnahen Studienangeboten in den Fokus. In Deutschland erfährt das duale Studium, welches praxisnah ausgerichtet ist, seit Jahren einen enormen Interessenzuwachs von Studienanfängerinnen und Studienanfängern, sowie von Betrieben, die mit den anbietenden Bildungseinrichtungen eine Kooperation eingehen. Aus diesem Grund erfreute sich das duale Studium über die letzten 15 Jahre an starkem Wachstum.10 Zuletzt wurden vom Bundesinstitut für Berufsbildung insgesamt fast 1.800 duale Studien erfasst.11 Auch in Österreich kann ein steigendes Bewusstsein für das Potential des dualen Studiums in der Bildungspolitik erkannt werden, da die Ansicht vertreten wird, dass duale Studienangebote bevorzugt gefördert werden sollen.12 Zum aktuellen Zeitpunkt ist das duale Studium allerdings nur in einem geringen Ausmaß in Österreich präsent, zumal lediglich zwölf duale Studien angeboten werden. Aus dem Vergleich mit dem bereits bestehenden Angebot in Deutschland kann abgeleitet werden, dass das duale Studienangebot in Österreich bisher äußerst schwach ausgeprägt ist. Darüber hinaus bietet der österreichische Hochschulsektor für Studieninteressierte bisher nicht die Möglichkeit, ein duales Studium mit einer beruflichen Ausbildung zu kombinieren.13 Ein duales Studium, das ein Hochschulstudium mit einer Berufsausbildung verknüpft, wird ausbildungsintegrierendes duales Studium genannt. In Deutschland werden über ein Drittel der dualen Studien in dieser Form angeboten.14 Dies deutet auf ein großes Interesse für das ausbildungsintegrierende duale Studium hin. In Österreich bleibt hingegen für Studieninteressierte der Wunsch, ein duales Studium mit einer Berufsausbildung zu verbinden, unerfüllt. Das Wirtschaftsförderungsinstitut (WIFI) der Wirtschaftskammer Steiermark hat diese Situation erkannt und sieht darin für das österreichische Bildungssystem einen Aufholbedarf, weswegen in Betracht gezogen wird, eine solche duale Studienmöglichkeit für die dringend benötigten Nachwuchskräfte zu ermöglichen. Auf Grundlage dieser Ausgangssituation

9 Vgl. Rennert (2016), 53-54.

10 Vgl. Krone/Nieding/Ratermann-Busse (2019), 23-25.

11 Vgl. Hofmann et al. (2020), 11.

12 Vgl. BMBWF (2019), 25.

13 Vgl. Dual studieren (2021a), Stand August 2021.

14 Vgl. Hofmann et al. (2020), 10 und 14.

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ergeben sich nachfolgende Forschungsfragen, die im Rahmen dieser Masterarbeit beantwortet werden sollen:

Welchen Zuspruch findet die Einführung eines ausbildungsintegrierenden dualen Studiums bei Schülerinnen und Schülern und Betrieben in Österreich?

Welche Akzeptanz findet das duale Studium bei Studierenden und Betrieben?

Das Ziel dieser Masterarbeit ist es darzulegen, welchen Zuspruch die Einführung eines ausbildungsintegrierenden dualen Studiums in Österreich bei Schülerinnen und Schülern und Betrieben finden würde. Daher soll auch die Frage der Akzeptanz adressiert werden, da sich diese damit beschäftigt, wie das bestehende Studienangebot angenommen wird. Die Frage der Akzeptanz des dualen Studiums soll mit bereits vorhandenen Ergebnissen aus deutschen Studien und Fachpublikationen beantwortet werden. Die Schülerinnen und Schüler werden nicht miteinbezogen, da die Recherche nach Daten zur Akzeptanz von Schülerinnen und Schülern keine Ergebnisse geliefert hat. Zudem sollen auch Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den Ergebnissen der explorativen Erhebung und der umfassenden Literaturrecherche hervorgehoben werden. Für die Beantwortung der untergeordneten Forschungsfrage wird eine umfassende Literaturrecherche durchgeführt. Es werden sowohl deutsche als auch österreichische Fachpublikationen und Studienergebnisse sowie von bildungsrelevanten Institutionen und Ministerien herausgegebene Broschüren berücksichtigt. Für diese Masterarbeit sind unter anderem die Broschüren folgender Institutionen relevant:

▪ Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF)

▪ Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (BMDW)

▪ Wirtschaftskammer Österreich (WKO)

▪ Institut für Bildungsforschung (ibw)

▪ Institut für höhere Studien (IHS)

▪ Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB)

Die Beantwortung der Frage, welchen Zuspruch die Einführung eines ausbildungsintegrierenden dualen Studiums in Österreich finden würde, wird mit den Ergebnissen aus einer explorativen Erhebung, die vom WIFI Steiermark in Auftrag gegeben wurde, beantwortet. Die Erhebung wurde gemeinsam mit zwei Studienkolleginnen im Rahmen der Lehrveranstaltung Bildungsmanagement an der Karl-Franzens-Universität Graz

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abgewickelt, wobei die Verfasserin der Masterarbeit zusätzlich Schülerinnen und Schüler sowie Betriebe befragt hat. Außerdem sollen wesentliche Erkenntnisse aus der Literaturrecherche in einen Vergleich einfließen.

Im Anschluss an dieses Kapitel werden die konzeptionellen Grundlagen dieser Masterarbeitet erarbeitet. Nach einer Einführung in den Aufbau des österreichischen Bildungssystems, wird erörtert wie sich das Bildungsverhalten der österreichischen Bevölkerung seit Beginn der Bildungsexpansion verändert hat. Daraufhin wird die duale Berufsausbildung Österreichs samt ihren Besonderheiten und den Herausforderungen, mit welchen sie sich aktuell konfrontiert sieht, kurz vorgestellt. Die duale Berufsausbildung zählt zu den konzeptionellen Grundlagen, zumal im Fokus dieser Masterarbeit das ausbildungsintegrierende duale Studium steht, welches ein Studium mit einer Berufsausbildung verbindet. Nach dem Einblick in die duale Berufsausbildung wird im dritten Kapitel das duale Studium behandelt. Zuerst wird die Definition des dualen Studiums erörtert. Es wird hierfür sowohl auf österreichische als auch deutsche Literatur zurückgegriffen. Jedoch basiert die Erörterung in der vorliegenden Masterarbeit hauptsächlich auf deutscher Literatur, da die Forschung zum dualen Studium in Deutschland deutlich ausgeprägter ist als in Österreich. Nach der Definition und der Abgrenzung des dualen Studiums, wird dessen praktische Umsetzung beschrieben. Hierbei wird vor allem die Umsetzung des ausbildungsintegrierenden dualen Studiums behandelt, da dieses Studienformat im Mittelpunkt der Masterarbeit steht. Zur Vollständigkeit werden die drei Konzepte des dualen Studiums anhand deren Besonderheiten miteinander verglichen.

Anschließend daran wird der aktuelle Stellenwert des dualen Studiums in Österreich und Deutschland diskutiert. Hierfür wird das aktuelle Angebot an dualen Studien auf den österreichischen Fachhochschulen betrachtet sowie hervorgehoben, wie stark das duale Studium bisher in Deutschland verankert ist. Der Abschluss dieses Kapitels stellt die Motive, die Betriebe und Studierende zu einer Beteiligung am dualen Studium motivieren, in den Fokus.

Im vierten Kapitel wird die empirische Erhebung, die im Rahmen der Lehrveranstaltung Bildungsmanagement abgewickelt wurde, präsentiert. Es wird zunächst das methodische Vorgehen erläutert, da das zugrundeliegende Forschungsdesign, die gewählte Stichprobe, die Durchführung der Interviews und das Auswertungsverfahren beschrieben werden. Den größten Teil dieses Kapitels beansprucht die Präsentation der Ergebnisse. Die

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zusammengefassten Ergebnisse werden daraufhin mit den wesentlichen Erkenntnissen aus der Literaturanalyse verglichen. Dieses Kapitel stellt die Grundlage dar für die Beantwortung der Forschungsfrage, welchen Zuspruch die Einführung eines ausbildungsintegrierenden dualen Studiums in Österreich finden würde. Im letzten Kapitel werden im Rahmen eines Fazits, die zentralen Ergebnisse dieser Masterarbeit dargelegt, wobei vor allem die Beantwortung der Forschungsfragen fokussiert wird. Zudem werden mit einem Ausblick das Forschungsdesiderat und die Grenzen dieser Masterarbeit aufgezeigt.

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2 Konzeptionelle Grundlagen

Das duale Studium ist im tertiären Bereich des österreichischen Bildungssystems eingebettet. Die Basis dieser Masterarbeit stellt daher das österreichische Bildungssystem dar, weswegen es in diesem Kapitel aufgegriffen wird, um die Bildungsmöglichkeiten bis hin zum dualen Studium darzulegen. Es wird thematisiert, welche Möglichkeiten das österreichische Bildungssystem bietet, um eine Hochschulreife zu erlangen. Daraufhin wird der Hochschulsektor vorgestellt, in den das duale Studium einzuordnen ist. Darauffolgend wird die seit 1960 stattfindende Bildungsexpansion thematisiert, wobei präsentiert wird welche Veränderungen dies im Bildungsverhalten der österreichischen Bevölkerung ausgelöst hat. Zum Abschluss dieses Kapitels werden Einblicke in die duale Berufsausbildung Österreichs gewährt. Das System der dualen Berufsausbildung würde bei einer Umsetzung eines ausbildungsintegrierenden dualen Studiums relevant sein, zumal in diesem besonderen Bildungsangebot zusätzlich zum Hochschulstudium eine Berufsausbildung inkludiert wird.

2.1 Österreichisches Bildungssystem

Für die Darlegung der Bildungswege, die die österreichischen Bürgerinnen und Bürger einschlagen, gilt es zunächst das österreichische Bildungssystem näher zu betrachten. Dieses ist durch einige Besonderheiten geprägt und dessen Struktur ist letztendlich eine Abbildung des ständischen Charakters der österreichischen Gesellschaft.15 Es wird eine Vielzahl an Ausbildungsmöglichkeiten angeboten, die die verschiedenen Bedürfnisse und Interessen abdecken sollen.16 In Österreich besteht gemäß dem Schulpflichtgesetz (SchPflG) ab der Vollendung des sechsten Lebensjahres eine allgemeine Schulpflicht für neun Schuljahre.

Dies gilt für Kinder, die sich dauerhaft in Österreich aufhalten.17 Zudem gilt seit 2016 eine Ausbildungspflicht für Jugendliche, die die allgemeine Schulpflicht erfüllt haben. Die Ausbildungspflicht gilt bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres. Die Grundlage dafür bietet das Ausbildungspflichtgesetz (APflG), welches die Erziehungsberechtigten verpflichtet dafür zu sorgen, dass ihre Kinder nach der Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht einer weiteren Bildungs- oder Ausbildungsmaßnahme nachgehen. Dazu zählt unter anderem die Aufnahme eines Lehr- oder Ausbildungsverhältnisses oder der Besuch einer

15 Vgl. Haller (2008), 191.

16 Vgl. ibw (2019), 2.

17 Vgl. SchPflG (1985), § 1–3.

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weiterführenden Schule.18 In der Abbildung 1 ist der Aufbau des österreichischen Bildungssystems dargestellt.

Abbildung 1: Österreichisches Bildungssystem19

18 Vgl. APflG (2016), § 1–4.

19 ibw (2019), 1.

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Wie in Abbildung 1 ersichtlich ist, wird das österreichische Bildungssystem in die Primarstufe, die Sekundarstufe, welche wiederum die Sekundarstufe I und Sekundarstufe II beinhaltet, und die Postsekundär- und Tertiärstufe unterteilt.20 Das Schulorganisationsgesetz (SchOG), welches die Schulorganisation in Österreich regelt, unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen Primar- und Sekundarschulen. Zu den Primarschulen zählen beispielsweise die Volksschulen. Zu den Sekundarschulen zählen unter anderem die Mittelschulen, die Polytechnischen Schulen (PTS), die Berufsschulen und die mittleren und höheren Schulen. Zudem differenziert das SchOG die österreichischen Schulen nach den Bildungsinhalten in allgemeinbildende und berufsbildende Schulen.21 Zur Sekundarstufe I zählen die Neue Mittelschule und die Unterstufe der Allgemeinbildenden höheren Schule (AHS). Zur Sekundarstufe II zählen unter anderem die berufsbildenden mittleren Schulen (BMS), die berufsbildenden höheren Schulen (BHS), die AHS-Oberstufe, die PTS und die duale Ausbildung samt Lehre und Berufsschule.22 Das SchOG besagt, dass die österreichischen Schulen die jungen Menschen mit dem erforderlichen Wissen für das Leben und den zukünftigen Beruf vorbereiten sowie sie sie zum selbsttätigen Bildungserwerb erziehen sollen.23 Generell hat die berufliche Bildung eine große Bedeutung im österreichischen Bildungssystem, wie an dem breiten Angebot in der Sekundarstufe II erkennbar ist.24 Die Lernenden können dabei zwischen einer beruflichen Ausbildung in der Form der berufsbildenden Vollzeitschulen – BMS und BHS – und der dualen Ausbildung wählen. In der dualen Ausbildung besuchen die Auszubildenden eine Berufsschule.25 Da die Bildungssysteme verschiedener Länder unterschiedlich strukturiert sind und dadurch die Vergleichbarkeit erschwert wird, gibt es die internationalen Standardklassifikationen im Bildungswesen, auf Englisch International Standard Classification of Education (ISCED).

Diese kennzeichnen in Abbildung 1 die unterschiedlichen Bildungsniveaus der jeweiligen Bildungsstufen. Der Elementarbereich hat beispielsweise die Stufe 0 und der Primarbereich die Stufe 1. Dadurch kann schneller erhoben werden, zu welchem Ausbildungsniveau ein Bildungsgang führt. Die BHS wird nach ISCED auf zwei Stufen aufgeteilt. Der 4. und 5.

Jahrgang entspricht demnach einer höheren Stufe als der 1. bis 3. Jahrgang.26 Die BHS wird

20 Vgl. OeAD (o.J.a).

21 Vgl. SchOG (1962), § 3 Abs. 2.

22 Vgl. OeAD (o.J.a)

23 Vgl. SchOG (1962), § 2 Abs. 1.

24 Vgl. ibw (2019), 2.

25 Vgl. BMDW (2020), 3.

26 Vgl. OeAD (o.J.b)

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mit einer Reife- und Diplomprüfung abgeschlossen. Damit sind die Absolventinnen und Absolventen berechtigt ein Hochschulstudium27 aufzunehmen.28 Außerdem erwerben sie berufliche Qualifikationen in der Fachrichtung der gewählten BHS. Somit verfügen die Schülerinnen und Schüler einer BHS nach einem erfolgreichen Abschluss über eine Doppelqualifikation.29 Bei einer erfolgreichen Vollendung einer AHS erlangen die Schülerinnen und Schüler die Reifeprüfung, die sie mit einer Zugangsberechtigung zu den Hochschulen ausstattet. Wie in Abbildung 1 ersichtlich ist, ist es außerdem mittels einer Berufsreifeprüfung (BRP) oder einem Aufbaulehrgang möglich, die Hochschulreife zu erlangen. Die Möglichkeit eine BRP abzulegen, ist für Absolventinnen und Absolventen einer BMS und für Lehrlinge möglich.30 Die Lehrlinge können die BRP31 bereits während ihrer Lehrausbildung beginnen. Darüber hinaus ist es möglich, mit einer Studienberechtigungsprüfung32 zu einem Studium zugelassen zu werden.33

Der tertiäre Bereich umfasst Bachelor-, Master-, Diplom- und Doktoratsstudien.34 Wie in Abbildung 1 dargestellt ist, stellen die Bachelorstudiengänge die erste Stufe innerhalb des tertiären Bereichs dar und sind laut ISCED mit der Stufe 6 klassifiziert.35 Die Diplomstudiengänge werden in der Abbildung 1 nicht aufgezeigt, diesen ist jedoch gleich wie den Masterstudien, die Stufe 7 nach ISCED zuzuordnen.36 Das österreichische Hochschulsystem besteht aus den öffentlichen Universitäten, den Fachhochschulen (FH), den pädagogischen Hochschulen und den Privatuniversitäten. Diese vier Hochschulsektoren lassen sich anhand deren gesetzlichen Grundlagen, der Finanzierungsart ihrer Institution und durch ihren inhaltlichen Fokus unterscheiden.37 Die FH unterscheidet sich von den öffentlichen und privaten Universitäten insofern,38 als laut dem Fachhochschulgesetzes den Studierenden eine wissenschaftlich fundierte Berufsausbildung auf Hochschulniveau angeboten werden muss.39 Wegen der berufsorientierten Ausrichtung ihrer Studiengänge, ist

27 In der vorliegenden Masterarbeit werden die Begriffe Studium und Studiengang als Synonyme verwendet.

28 Vgl. SchOG (1962), § 69 Abs. 12.

29 Vgl ibw (2019), 3.

30 Vgl. Abbildung 1 und ibw (2019), 3.

31 Für Lehrlinge wird die BRP offiziell als Berufsmatura bezeichnet (vgl. ibw 2019, 3).

32 Mit der Studienberechtigungsprüfung erlangt man jedoch nur den Zugang zu Studiengängen einer oder mehrerer miteinander verwandten Fachrichtungen (vgl. ibw 2019, 3).

33 Vgl. ibw (2019), 3.

34 Vgl. BMBWF (2020), 4.

35 Vgl. Abbildung 1.

36 Vgl. BMBWF (2020), 4.

37 Vgl. BMBWF (o.J.a).

38 Vgl. BWBWF (o.J.b).

39 Vgl. FHG (1993), § 3 Abs. 1.

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die FH ein wesentlicher Bereich für das österreichische Hochschulsystem. Obwohl die Fachhochschulen im Vergleich zu den öffentlichen Universitäten erst recht spät in die österreichische Hochschullandschaft eingeführt wurden, sind sie bei Studienanfängerinnen und Studienanfängern bereits äußerst beliebt.40 Tabelle 1 zeigt auf, wie sich die Studienanfängerinnen und Studienanfänger im Studienjahr 2018/19 nach Geschlecht auf die vier Hochschulsektoren aufteilen lassen.

Universitäten, öffentlich

Fachhoch- schulen

Pädagogische Hochschulen

Universitäten, privat Anzahl Erst-

semestrige 32.352 14.587 2.459 2.067

Anteil in

Prozent 63 % 28 % 5 % 4 %

Geschlecht

Weiblich 56 % 52 % 83 % 58 %

Männlich 44 % 48 % 17 % 42 %

Tabelle 1: Aufteilung der Studienanfängerinnen und Studienanfänger im Studienjahr 2018/19 nach Hochschulsektoren und Geschlecht41

Wie in Tabelle 1 ersichtlich, verzeichneten die österreichischen Fachhochschulen im Studienjahr 2018/2019 über 14.000 Studienanfängerinnen und Studienanfänger, während in Summe für alle vier Hochschulsektoren 50.60042 registriert wurden. Für ein Studium auf einer öffentlichen Hochschule haben sich insgesamt 63 % entschlossen. Die pädagogischen Hochschulen erfassten 5 % und die privaten Hochschulen 4 % der Studienanfängerinnen und Studienanfänger. Auf den pädagogischen Hochschulen gab es deutlich mehr weibliche Erstsemestrige als männliche. In den drei anderen Hochschulsektoren ist die Verteilung nach Geschlecht einigermaßen gleichmäßig verteilt, wobei in allen Fällen mehr weibliche Erstsemestrige verzeichnet werden konnten. Aus der Aufschlüsselung nach Hochschulsektoren geht hervor, dass sich jeder vierte Erstsemestrige bzw. jeder vierte Erstsemestrige an einer FH eingeschrieben hat. Das FH-Studienangebot soll laut dem Fachhochschulentwicklungs- und Finanzierungsplan zudem noch weiter ausgebaut

40 Vgl. BMBWF (o.J.b).

41 Vgl. Unger et al. (2020), 14 und 43.

42 Diese Zahl ergibt sich, wenn die Gesamtzahl um jene Erstsemestrige bereinigt, die erst an einer PH und danach an einer öffentlichen Universität ein Studium begonnen haben (vgl. Unger et al. 2020, 43).

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werden.43 Das duale Studium ist ebenso diesem Hochschulsektor zuzuordnen, da es in Österreich bisher nur an den Fachhochschulen angeboten wird.44 Im Strategieprozess Zukunft Hochschule, der zum Ziel hat das österreichische Hochschulsystem weiterzuentwickeln, wurde das duale Studienangebot als ein potentielles Erfolgsmodell für die österreichische Bildungslandschaft anerkannt, weswegen es zukünftig forciert und erweitert werden soll.45 Das nachfolgende Kapitel zeigt auf welche Veränderungen es im österreichischen Bildungssystem seit Beginn der Bildungsexpansion in den 1960ern gegeben hat und welche Auswirkungen dies auf das Bildungsverhalten hat.

2.2 Verändertes Bildungsverhalten seit den 1960ern

Rund um den Sputnik Schock wurde die Befürchtung laut, dass die österreichische Gesellschaft, wie andere westliche Gesellschaften, in einem Bildungsnotstand enden könnte und den kommunistischen Ländern wirtschaftlich als auch technologisch unterlegen sein würde.46 Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, auf Englisch Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD), hatte im Jahr 1965 ebenso kritisiert, dass Österreich im Bereich der Entwicklung des Schulsystems und der Universitäten aufholen müsse, um die österreichische Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.47 Das Bildungssystem wurde fortan aus einer ökonomischen Sicht heraus beurteilt.48 Der Ausbau des Bildungssystems wurde als unumgänglich für einen erfolgreichen Anschluss an die technologischen Entwicklungen gesehen. Ansonsten würde das Wirtschaftswachstum darunter leiden.49

Durch die Investitionen in das Bildungssystem sollten jedoch ebenso die Demokratisierung und die Modernisierung der österreichischen Gesellschaft vorangetrieben werden. In diesem Zusammenhang wurde die Forderung laut, dass Bildung ein BürgerInnenrecht sein sollte.

Der ab den 1960ern angestoßene Ausbau des österreichischen Bildungssystems kann somit sowohl auf wirtschaftspolitische als auch auf demokratiepolitische Gründe zurückgeführt werden.50 Durch die Expansion des österreichischen Bildungssystems kam es zur Eröffnung

43 Vgl. BMBWF (o.J.b).

44 Vgl. Dual studieren 2021a).

45 Vgl. Hajdar/Becker (2006), 11 und Haas/Humpl (2019), 123.

46 Vgl. Bacher/Moosbrugger (2019), 132.

47 Vgl. Seel (2010), 81.

48 Vgl. Scheipl/Seel (1988), 71.

49 Vgl. Haller (1986) zitiert nach Haller (2008), 195 und Hajdar/Becker (2006), 11.

50 Vgl. Bacher/Moosbrugger (2019), 131.

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neuer Schulen, wobei auf eine regionale Verteilung geachtet wurde, um den jungen Menschen aus ländlichen Gebieten und sozial schlechter gestellten Familien ebenfalls eine höhere Bildung zu ermöglichen.51 Darüber hinaus wurden von der Politik weitere Maßnahmen beschlossen, die die Inanspruchnahme von Bildung erleichtern und die Bildungsungleichheiten reduzieren sollten. Ab 1972 gab es beispielsweise für Schülerinnen und Schüler kostenfreie52 Schulbücher.53 Außerdem wurde ab den 1970ern der Ausbau von berufsbildenden höheren Schulen forciert, weswegen sich innerhalb von zehn Jahren die Anzahl der berufsbildenden höheren Schulen mehr als verdoppelte. Bevor es in der österreichischen Regierung 1970 zu einem politischen Machtwechsel kam, stand in den 1960ern vor allem die Erweiterung der Allgemeinbildenden höheren Schulen im Mittelpunkt.54

Generell bewirkte der Ausbau beider Schultypen eine Erhöhung der Schülerinnen- und Schüleranzahl. Vor allem an den berufsbildenden höheren Schulen zeichnete sich dadurch ein starker Anstieg an Schülerinnen und Schülern ab. Im Schuljahr 1980/81 besuchten immerhin dreimal so viel Schülerinnen und Schüler eine BHS als es 1960/61 zu Beginn der Bildungsexpansion der Fall war.55 Von Seiten der Politik wurde für die 1980er angestrebt, dass ein Drittel eines Jahrganges eine Ausbildung in der Sekundarstufe II in Form einer Vollzeitschule wählen sollte, während die restlichen zwei Drittel eine Lehrausbildung absolvieren sollten. Zudem wurde eine gleichmäßige Verteilung des zuerst genannten Drittels auf die Schultypen BHS, AHS und BMS angestrebt. Letztendlich konnte dieses Ziel nicht erreicht werden. Im Jahr1983 war sogar fast gegenteiliges der Fall, da 60 % eines Jahrganges in einer Vollzeitschule eingetragen waren und sich nur 40 % in einer Lehrausbildung befanden.56 Im Jahre 1980 war die Anzahl der Lehrlinge noch auf einem Höchststand.57 Als Indikator für die Messung des Interesses an einer Lehrausbildung wird die Anzahl der Lehrlinge im ersten Ausbildungsjahr an den 15-Jährigen gemessen.58 Dieser Anteil59 sank nach 1980, pendelte sich aber über die Jahre hinweg bei circa 40 % ein.60 Im

51 Vgl. Bacher (2003) zitiert nach Bacher/Moosbrugger (2019), 132.

52 Die kostenfreien Schulbücher wurden 1996 abgeschafft und ein Selbstbehalt eingeführt (vgl.

Bacher/Moosbrugger 2019, 134).

53 Vgl. Bacher/Moosbrugger (2019), 132.

54 Vgl. Haller (2008), 194.

55 Vgl. Bacher/Moosbrugger (2019), 132.

56 Vgl Lassnig (2011), 423.

57 Vgl. WKO (2021).

58 Vgl. Dornmayr/Nowak (2020), 29.

59 Dieser Anteil wird auch LehranfängerInnenquote genannt (vgl. Dornmayr/Nowak 2020, 30).

60 Vgl. WKO (2021).

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Jahr 2019 betrug der Indikator 39,6 %. Somit hat sich der Anteil der Lehrlinge, die eine Lehre beginnen, gemessen an allen 15-jährigen Österreicherinnen und Österreichern über die letzten 40 Jahre kaum verringert, sondern ist relativ stabil geblieben.61 Im Jahr 2020 ist dieser Indikator allerdings wieder gesunken und betrug 37 %, da 86.344 der 15-Jährigen eine Lehre begonnen haben.62

Die bildungspolitischen Ziele aus den 1960ern umfassten ebenso die Erhöhung der jährlich abgelegten Reifeprüfungen.63 Durch den Ausbau des Schulangebotes und die Erhöhung der SchülerInnenanzahl konnte dieses Ziel erreicht werden. Es kam zu einer deutlichen Steigerung der Zahlen der jährlichen Maturantinnen und Maturanten. Im Jahr 1960 haben insgesamt 10.832 Schülerinnen und Schüler eine Reife- und Diplomprüfung64 absolviert.

Bis ins Jahr 2014 ist diese Zahl kontinuierlich angestiegen und erreichte ihren Höhepunkt bei 44.462 abgelegten Reife- und Diplomprüfungen. Zuletzt kam es jährlich zu einer Abnahme der Reife- und Diplomprüfungen.65 Dennoch wurden 2019 insgesamt 42.032 Absolventinnen und Absolventen an einer AHS oder einer BHS registriert. Dies ergibt eine Vervierfachung der im Jahre 1960 abgelegten Reife- und Diplomprüfungen. Bei der Betrachtung der über die letzten 30 Jahre abgelegten Prüfungen nach Schultypen, ist eindeutig erkennbar, dass sich die Expansion des BHS-Sektors in den Zahlen der jährlichen Maturantinnen und Maturanten niederschlug. So kam es bei den berufsbildenden höheren Schulen zwischen 1980 und 1990 zu einer Verdoppelung der abgeschlossenen Reife- und Diplomprüfungen. Währenddessen mussten die Allgemeinbildenden höheren Schulen sogar eine leichte Abnahme der Reifeprüfungen hinnehmen. Durch den Ausbau der berufsbildenden höheren Schulen wandte sich schließlich das Verhältnis der an AHS und BHS abgelegten Diplom- und Reifeprüfungen langfristig. Wurde 1960 lediglich ein Drittel der gesamten Maturantinnen und Maturanten an den berufsbildenden höheren Schulen registriert, waren es im Jahr 1990 schließlich schon über 50 % eines Jahrganges, die an einer BHS maturierten. Bis 2019 erhöhte sich der Anteil der BHS noch weiter, wenngleich es während der letzten 30 Jahren zu keiner derart beträchtlichen Steigerung gekommen ist. So

61 Vgl. Dornmayr/Nowak (2020), 29.

62 Vgl. WKO (2021).

63 Vgl. Haller (2008), 195.

64 Die Statistik Austria fasst in ihren Statistiken zu den jährlich abgelegten Reife- und Diplomprüfungen die Absolventinnen und Absolventen aus AHS und BHS zusammen. Wie bereits zuvor dargelegt, schließen jedoch die Schülerinnen und Schüler die AHS mit einer Reifeprüfung ab (vgl. SchOG 1962, § 41 Abs. 1) und die BHS mit einer Reife- und Diplomprüfung ab (vgl. SchOG 1962, § 69 Abs. 1).

65 Dies kann unter anderem auf die Einführung der standardisierten Reife- und Diplomprüfung zurückgeführt werden. (vgl. Statistik Austria 2021a).

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teilten sich im Jahr 2019 die bestandenen Reife- und Diplomprüfungen mit 43,1 % auf die AHS und 56,9 % auf die BHS auf. Insgesamt wurden 57,4 % dieser Reifeprüfungen von Schülerinnen absolviert.66

Darüber hinaus konnte die Berufsmatura, welche umgangssprachlich als Lehre mit Matura bezeichnet wird, in den letzten Jahren ebenfalls an Zuspruch gewinnen. Bis 2008 konnten Lehrlinge die Matura erst nach Abschluss ihrer Lehrausbildung absolvieren, zudem war dies mit erheblichen Kosten verbunden. Seit 2008 ist es für Lehrlinge möglich die Reifeprüfung begleitend zur Lehrausbildung und ohne zusätzliche Kosten abzulegen. Durch diese Erleichterung gewann der ausbildungsbegleitende Erwerb der Matura bei den Lehrlingen mehr Bedeutung und die Zahlen der Lehrlinge, die eine Berufsmatura absolvieren, stiegen an.67 Trotz dem zahlenmäßigen Anstieg der Lehrlinge, die auf diesem Wege eine Matura absolvieren, wird, im Vergleich zu den Zahlen von AHS und BHS, der Anteil als noch äußerst gering angesehen.68

Im Bereich der österreichischen Hochschullandschaft gab es seit Beginn der Bildungsexpansion ebenso einige Umbrüche.69 Im Zuge des Bologna-Prozesses ab den 1999ern wurden die österreichischen Hochschulstudien durch die Einführung von Bachelor- und Masterstudien maßgeblich verändert. Es erfolgte eine Angleichung der Studienstrukturen an europäische Verhältnisse, wodurch der Weg zu einem internationalen Bildungssystem geebnet wurde.70 Eine weitere Veränderung mit großen Auswirkungen war unbestritten die Erweiterung des Hochschulangebotes um die mittlerweile sehr gut etablierten FH-Studiengänge.71 Bis es zur Einführung des neuen Hochschulsektors kam, verging im Vergleich zum europäischen Kontext jedoch einiges an Zeit. Erst im Jahr 1994 taten sich neue Studiengänge auf, die den Studierenden eine berufsbezogene Hochschulausbildung mit einem starken Betriebsbezug bieten sollten.72 Vorreiter für die Eröffnung des FH-Sektors war die damalige Neuorientierung der österreichischen Hochschulpolitik. Angestoßen wurde diese politische Neuausrichtung durch die langen Studienzeiten auf Universitäten, die mangelnde Übereinstimmung des universitären

66 Vgl. Statistik Austria (2021a).

67 Vgl. Dornmayr/Nowak (2020), 108.

68 Vgl. Lassnig (2013), 126–127.

69 Vgl. Schneeberger/Petanovitsch (2010), 7.

70 Vgl. Statistik Austria (2021b), 44.

71 Vgl. Schneeberger/Petanovitsch (2010), 7.

72 Vgl. Lassnig (2013), 123.

(19)

Studienangebotes mit den Erwartungen des Arbeitsmarktes und die zunehmenden Studierendenzahlen, denen allerdings nicht mit einer dementsprechenden Erweiterung des universitären Studienangebotes entgegengekommen wurde. Es kam zu Überfüllungen der österreichischen Universitäten. In den Fachhochschulstudiengängen wurde diesen universitären Herausforderungen insofern entgegengewirkt, als unter anderem eine intensivere Auseinandersetzung mit den arbeitsmarktrelevanten Erfordernissen eingeführt wurde und Zugangsregelungen beziehungsweise Zugangsbeschränkungen festgesetzt wurden.73

Außerdem wurde zu Beginn der Bildungsexpansion das politische Ziel gefasst eine Erhöhung der Übertrittsraten auf die österreichischen Hochschulen zu erreichen.74 Dieses Ziel konnte zweifellos erreicht werden. Seit 1970 dürfen sich die österreichischen Hochschulen fast durchgehend über einen Anstieg der jährlichen Studienanfängerinnen und Studienanfänger freuen. Haben vor knapp 50 Jahren lediglich 10 % der 18- bis 21-jährigen Österreicherinnen und Österreicher ein Hochschulstudium aufgenommen, waren es 2016 von derselben Altersgruppe bereits über 50 %, die sich für einen Gang auf die Hochschule entschieden haben.75 Dies entspricht einer Verfünffachung der jährlichen Studienanfängerinnen und Studienanfänger seit den 1970ern.76 Die zunehmenden Studierendenzahlen lassen sich mitunter von den steigenden Schülerinnen und Schülerzahlen ableiten. Wie in Kapitel 2.1 ausgeführt, gibt es neben der Reifeprüfung noch die Möglichkeit mittels einer Berufsreifeprüfung, einem Aufbaulehrgang oder einer Studienberechtigungsprüfung zu einem Studium zugelassen zu werden.77 Jedoch haben nahezu 90 % der Studienanfängerinnen und Studienanfänger des Studienjahres 2018/19 zuvor eine AHS oder BHS besucht.78

Der Maturajahrgang 2018 bestand aus 17.837 AHS- und 21.940 BHS-Maturantinnen und Maturanten. Das ergibt in Summe 39.777 Maturantinnen und Maturanten. Davon sind rund

73 Vgl. Leitner (2004), 9596.

74 Vgl. Haller (2008), 195.

75 Vgl. Mayrhofer et al. (2019), 139.

76 Vgl. Bacher/Moosbrugger (2019), 135.

77 Vgl. Darlegungen im Kapitel 2.1.

78 Vgl. Unger et al (2020), 103–104.

(20)

27.00079 innerhalb von drei Jahren in den Hochschulsektor eingetreten. Abbildung 2 veranschaulicht die Übergänge aus den Berufs- und Allgemeinbildenden höheren Schulen in das Hochschulwesen.

Abbildung 2: Übergänge aus der Berufs- und Allgemeinbildung in das Hochschulwesen80 Abbildung 2 zeigt auf, wie viel Prozent der AHS und BHS Absolventinnen und Absolventen innerhalb von 36 Monaten ein Studium aufnehmen. Von den AHS Absolventinnen und Absolventen treten insgesamt 87 % in den Hochschulsektor über, wobei wiederum fast dreiviertel aller nach bestandener Reifeprüfung eine öffentliche Universität besuchen.

Lediglich 8 % der AHS Absolventinnen und Absolventen entscheiden sich für ein Studium auf einer FH. Zudem entschließen sich 60 % nach erfolgreicher Absolvierung der

79 Diese Berechnung erfolgte mit den kumulierten Übertrittsraten der Maturajahrgänge 2011/2012 bis 2016/2017, da zur Veröffentlichung der zitierten Studie noch keine Daten zu den Übertrittsraten für das Schuljahr 2017/2018 bzw. für das Studienjahr 2018/2019 zur Verfügung gestanden sind (vgl. Unger et al. 2020. 101–

102).

80 Vgl. Unger et al. (2020), 102, eigene Darstellung in Anlehnung an Lassnig (2013), 119.

(21)

Diplom- und Reifeprüfung an einer BHS dazu, in den Hochschulsektor überzutreten. Auch bei dieser Gruppe fällt die Studienentscheidung vor allem zu Gunsten der öffentlichen Universitäten. Immerhin entscheiden sich 36 % für die Aufnahme eines Studiums auf den öffentlichen Universitäten und 12 % für ein FH-Studium. Die beiden anderen Hochschultypen – private Universitäten und pädagogische Hochschulen – nehmen für beide Gruppen prozentmäßig eine geringere Rolle ein als die öffentlichen Universitäten und die Fachhochschulen. Bei der Betrachtung der Übertritte aus einer BHS in den Hochschulsektor ergibt sich, dass lediglich 40 % der beruflich qualifizierten BHS Absolventinnen und Absolventen direkt in den Arbeitsmarkt eintreten, während 60 % innerhalb von drei Jahren ein Hochschulstudium aufnehmen.

Die Zahlen der Absolventinnen und Absolventen eines Hochschulstudiums sind ebenfalls angestiegen. 81 Dies zeigt sich in der AkademikerInnenquote, die den Anteil der 25- bis 64- jährigen Wohnbevölkerung mit Hochschulabschluss abbildet.82 Diese betrug im Jahr 1970 lediglich 2,8 %.83 Im Jahr 2019 hingegen, lag diese bei 18,2 %. Trotz dieses Anstieges über die letzten 50 Jahre, bleibt die AkademikerInnenquote Österreichs deutlich unter dem OECD-Schnitt. Die AkademikerInnenquote bezieht sich auf Abschlüsse auf den ISCED- Stufen84 sechs bis acht. Zudem gibt es auch die Tertiärquote, die die Bildungsabschlüsse der 25- bis 64- jährigen Bevölkerung auf den ISCED-Stufen fünf bis acht beinhaltet. Wie in Kapitel 2.1 erwähnt, zählen die vierten und fünften Klassen einer BHS sowie Meisterschulen zu der fünften ISCED-Stufe. Die Tertiärquote verzeichnete ebenso einen Anstieg und betrug im Jahr 2019 insgesamt 33,8 %, was im Gegensatz zu der AkademikerInnenquote, ca. dem OECD-Durschnitt entspricht.85

Seit Beginn der Bildungsexpansion kann somit eine Verschiebung der Ausbildungsstruktur hin zu höherqualifizierten Abschlüssen festgestellt werden. Diese Entwicklungen wurden maßgeblich vom Ausbau des Bildungssystems vorangetrieben,86 gleichzeitig jedoch auch von einem wirtschaftlichen Strukturwandel. Seit den 1950ern konnte beobachtet werden, dass es einen strukturellen Wandel der unselbständigen Beschäftigung gab. Zum einen

81 Vgl. Statistik Austria (2018a).

82 Vgl. Unger et al. (2020), 51.

83 Vgl. Statistik Austria (2018a).

84 Verweis auf Abbildung 1 und Darlegungen im Kapitel 2.1.

85 Vgl. BMBWF (2021), 51.

86 Vgl. Dorninger/Gramlinger (2019), 26.

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stiegen die Beschäftigungszahlen an, zum anderen kam es zu einer sukzessiven Verlagerung der Beschäftigung vom Sektor der Sachgütererzeugung hinzu zum Dienstleistungssektor.87 Die Produktion wurde zunehmend in Niedriglohnländer verlagert, weswegen es im Inland zu einer Verschiebung der Nachfrage nach Dienstleistungen kam.88 Dies bewirkte eine Erhöhung der Nachfrage nach hoch qualifizierten Arbeitskräften und eine Abnahme der Nachfrage nach gering qualifizierten Arbeitskräften.89 Das zeigt sich neben der erhöhten AkademikerInnenquote insbesondere darin, dass der Anteil der jüngeren Bevölkerungsgruppe, die lediglich über einen Pflichtschulabschluss verfügen stark zurückgegangen ist.90 Während im Jahr 1981 noch insgesamt 46 % der 25- bis 64-Jährigen höchstens über einen Pflichtschulabschluss verfügten, waren es im Jahr 2018 nur mehr 17,9 %. Vor allem Frauen konnten ihr Bildungsniveau erhöhen, zumal im Jahr 1981 für 56,8 % Frauen in der zuvor genannten Alterskohorte der Pflichtschulabschluss der höchste Bildungsabschluss war. Im Jahr 2018 hingegen waren es nur mehr 20,5 % der Frauen im Alter von 25 bis 64 Jahren, deren höchster Bildungsabschluss ein Pflichtschulabschluss war.91 Die vorangehende Digitalisierung bekräftigt die steigenden Qualitätsanforderungen nochmals, weswegen die Tätigkeitsprofile der Arbeitskräfte zukünftig noch anspruchsvoller und komplexer gestaltet sein werden. Wobei zur Ausführung dieser nicht nur höhere Ausbildungsabschlüsse notwendig sein werden, sondern auch Erfahrungen in verschiedenen Bereichen.92

Die Nachfrage nach mittleren Qualifikationen, wie einer abgeschlossenen Lehre oder einer abgeschlossenen BMS, bleibt, dem internationalen Trend zuwider, stabil. Dieses Bild zeigt sich auch in anderen Ländern, die gleich wie Österreich, über eine stark verankerte duale Berufsausbildung verfügen.93 Die duale Berufsausbildung Österreichs wird nachfolgend aufgegriffen und mit ihren Besonderheiten vorgestellt.

87 Vgl. Schubert/Engelage (2006), 95–96; Bock-Schappelwein/Famira-Mühlberger/Leoni (2017), 16–17 und Fritsch/Verwiebe/Liebhart (2019), 333.

88 Vgl. Seel/Scheipl (2004), 36–37 und Fritsch/Verwiebe/Liebhart (2019), 333.

89 Vgl. Bock-Schappelwein/Famira-Mühlberger/Leoni (2017), 17 und Fritsch/Verwiebe/Liebhart (2019), 333.

90 Vgl. Haberfellner/Sturm (2016), 26 und Statistik Austria (2021c).

91 Vgl. Statistik Austria (2021c).

92 Vgl. Haberfellner/Sturm (2016), 32–33.

93 Vgl. Bock-Schappelwein/Famira-Mühlberger/Leoni (2017), 16–17.

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2.3 Duale Ausbildung in Österreich

Die duale Ausbildung ist im österreichischen Bildungssystem in der Sekundarstufe verankert94 und stellt eine berufliche Ausbildung dar, die auch Lehre oder Lehrausbildung genannt wird.95 Es wird kein spezifischer Schulabschluss vorausgesetzt, um eine Lehre zu beginnen, allerdings muss die neunjährige Schulpflicht abgeschlossen sein.96 Laut der Lehrberufsliste, welche alle gesetzlich anerkannten gewerblichen Lehrberufe erfasst,97 gibt es in Österreich 211 gewerbliche Lehrberufe (Stand August 2021).98 Darüber hinaus werden bundesweit 15 land- und forstwirtschaftliche Lehrberufe (Stand August 2021) angeboten.99 Für jeden gewerblichen Lehrberuf wird eine Ausbildungsordnung vom BMDW erlassen. In der Ausbildungsordnung wird schließlich das Lehrberuf bezogene Berufsbild festgelegt, das den Lehrplan für den Ausbildungsbetrieb darstellt.100 Die gesetzliche Grundlage für die Lehre bildet das Berufsausbildungsgesetz (BAG), in dem vor allem der betriebliche Teil der dualen Ausbildung gesetzlich geregelt wird. Für den berufsschulischen Teil der Ausbildung ist das SchOG maßgebend.101

Wie in Kapitel 2.1 dargelegt, gibt es in Österreich neben der Lehrausbildung die Möglichkeit über den Besuch einer BMS oder BHS eine berufliche Bildung zu absolvieren. Allerdings erfolgt in der dualen Ausbildung, im Gegensatz zu der Variante der Vollzeitschulen, die Ausbildung an zwei Lernorten. Zum einen sind die Lehrlinge in einem Ausbildungsbetrieb angestellt. Dort erfahren sie die praktische Ausbildung, die ca. 80 % der Ausbildungszeit in Anspruch nimmt. Zum anderen besuchen sie die Berufsschule, in der die Allgemeinbildung vertieft und die im Betrieb vermittelten Kompetenzen erweitert werden. Folglich beansprucht die Ausbildungszeit im Lernort Berufsschule 20 % der gesamten Ausbildungszeit.102 Die Lehrlinge sind dazu verpflichtet, die Berufsschule zu besuchen. Der Unterricht erfolgt mit einem auf die Ausbildungsordnung des jeweiligen Lehrberufes abgestimmten Lehrplan.103

94 Siehe Abbildung 1: Österreichisches Bildungssystem.

95 Vgl. Dorninger/Gramlinger (2019), 74 und BMDW, (2021a), 5–6.

96 Vgl. BMDW (2021a), 5–6.

97 Vgl. BMDW (2021a), 13.

98 Vgl. BMDW (2021b).

99 Vgl. Land- und forstwirtschaftliche Bundes-, Lehrlings- und Fachausbildungsstellen (o.J.).

100 Vgl. BMDW (2021a), 13.

101 Vgl. BMDW (2021a), 5.

102 Vgl. ibw (2019), 2–3.

103 Vgl. BMDW (2021a), 11.

(24)

Die Dauer der Ausbildung hängt vom jeweiligen Lehrberuf ab und kann zwischen zwei und vier Jahre beanspruchen. Im Falle einer fachlich verwandten Schulausbildung oder zuvor absolvierten berufsspezifischen Ausbildungen, kann die Lehrzeit verkürzt werden.104 Das gilt unter anderem für Lehrlinge, die eine Reifeprüfung an einer AHS bzw. BHS oder eine Abschlussprüfung einer mindestens dreijährigen BMS vorweisen können, sodass die Lehrzeit um ein Jahr verkürzt werden kann.105 Der Vorweis einer erfolgreichen Teilnahme an einem Unterricht, der gemäß des Lehrplanes der Berufsschule gleichwertig ist, kann die Lehrlinge zudem von der Berufsschulpflicht befreien.106 Die durchschnittliche Lehrzeit beträgt drei Jahre.107 Am Ende der Ausbildung absolvieren die Lehrlinge die Lehrabschlussprüfung (LAP), mit welcher überprüft wird, ob sie die für den Beruf notwendigen Tätigkeiten selbst fachgerecht ausführen können.108 Für die Abwicklung der LAP sind die Lehrlingsstellen der Wirtschaftskammern zuständig. Die Sozialpartnerinnen und Sozialpartner nehmen in der Lehrausbildung grundsätzlich eine aktive Rolle ein, da sowohl die Wirtschaftskammer Österreich als auch die Bundesarbeiterkammer im Bundes-Berufsausbildungsbeirat vertreten sind. In diesem Beirat werden Vorschläge für die Einführung neuer Lehrberufe oder für die Modernisierung bestehender Lehrberufe entwickelt.109 Die Wirtschaftskammer und die Arbeiterkammer weisen eine starke Verbundenheit mit der Lehrausbildung auf, weswegen sie durchaus großen Einfluss auf die Gestaltung haben. Zudem bietet die Wirtschaftskammer mit dem WIFI eine Bildungseinrichtung, die direkt die Aus- und Weiterbildung von Lehrlingen unterstützt.110 In Zusammenarbeit mit den Sozialpartnerinnen und Sozialpartnern wurde auch die überbetriebliche Lehrausbildung (ÜBA) geschaffen. Die ÜBA bietet Jugendlichen, die in keinem Ausbildungsbetrieb aufgenommen wurden, die Möglichkeit trotzdem eine Lehrausbildung zu absolvieren.111

Wie in Kapitel 2.2 dargelegt, betrug die LehrlingsanfängerInnenquote im Jahr 2020 37 %, da 86.444 Lehrlinge im Alter von 15 Jahren beschäftigt waren. Das bedeutet, dass 37 % der

104 Vgl. BMDW (2020), 14.

105 Vgl. WKO (2019).

106 Vgl. SchPflg (1985) § 23 Abs. 1.

107 Vgl. BMDW (2021b).

108 Vgl. BMDW (2021a), 27.

109 Vgl. Qualität in der Lehre (2016). Für weitere Informationen bezüglich der Zuständigkeit für die Lehrausbildung auf Landesebene wird auf Qualität in der Lehre (2016) verwiesen.

110 Vgl. Musset et al. (2013), 24–25.

111 Vgl. BMDW (2021a), 24.

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15-Jährigen nach der Beendigung der Pflichtschule eine Lehre begonnen haben.112 Der Anteil der weiblichen Lehrlinge ist jedoch seit jeher geringer als der, der männlichen Kollegen. Der Anteil der weiblichen Lehrlinge ist seit 1970 relativ konstant und betrug zuletzt 32,6 %, was ca. einem Drittel aller Lehrlinge entspricht. Zurückgeführt werden kann dies darauf, dass weibliche junge Menschen eher den Weg in weiterführende mittlere und höhere Schulen wählen, als eine Lehre zu beginnen. Dies liegt auch an der Verwurzelung der Lehrausbildung im technisch-produzierendem Bereich. Dieser wird von den männlichen Jugendlichen weiterhin als ansprechender empfunden als von weiblichen Jugendlichen. Dies spricht allerdings nicht für eine Chancengleichheit und auch nicht für eine optimale Förderung von Talenten und Begabungen.113 Es konnte jedoch eine Steigerung des Anteils der weiblichen Lehrlinge in traditionell männerdominierten Lehrberufsgruppen wie etwa Elektrotechnik/Elektronik oder Maschinen/Fahrzeuge/Metall und zugleich eine Reduktion in der weiblich dominierten Lehrberufsgruppe Körperpflege/Schönheit festgestellt werden.

Dies deutet zumindest auf eine leichte Aufweichung der geschlechtsspezifischen Lehrberufswahl hin. Zu den drei häufigsten Lehrberufen unter weiblichen Lehrlingen zählen Einzelhandel, Bürokauffrau und Friseurin. Die männlichen Lehrlinge entscheiden sich am häufigsten für die Lehrberufe Metalltechnik, Elektrotechnik und Kraftfahrzeugtechnik.114 Die Betriebe sehen die Ausbildung von Lehrlingen als eine Investition in die Zukunft, mit der sie auf den Bedarf an qualifizierten Fachkräften reagieren können. Mit Ende 2020 gab es 28.711 Betriebe, die Lehrlinge ausbilden.115 Auch international wird die duale Ausbildung Österreichs als Vorbild betrachtet.116 Jedoch fehle es den Betrieben an Bewerberinnen und Bewerbern, weswegen offene Lehrstellen nicht besetzt werden können.

Eine Befragung von Lehrlingsausbilderinnen und Lehrlingsausbilder ergab, dass 70 % der befragten Betriebe zu wenige Interessenten für ihre offenen Lehrstellen hätten.117 Da die LehrlingsanfängerInnenquote seit 40 Jahren nahezu konstant ist, kann die geringere Nachfrage nach Lehrstellen vor allem auf die demographischen Entwicklungen zurückgeführt werden.118 Die Entwicklung der Lehrlingszahlen wird maßgeblich von der demographischen Entwicklung beeinflusst, wobei vor allem die Zahl der 15-Jährigen

112 Vgl. BMDW (2021a), 4.

113 Vgl. Dornmayr/Nowak (2020), 35.

114 Vgl. Dornmayr/Nowak (2020), 37–38.

115 Vgl. BMDW (2021a), 6.

116 Vgl. Parlament Republik Österreich (2014) und Landertshammer/Schneider (2019), 35.

117 Vgl. Dornmayr/Lengauer/Rechberger (2019), 1.

118 Vgl. Dornmayr/Rechberger (2019b), 35.

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ausschlaggebend ist. Seit 1975 ist diese Zahl stark gesunken, betrug sie im Jahr 1980 noch 132.640, wurden 2019 nur mehr 85.577 15-Jährige in Österreich gezählt. Zudem wirkt sich das Bildungswahlverhalten der österreichischen Jugendlichen auf die Lehrlingszahlen aus.119 Bevor eine Lehre begonnen werden kann, muss, wie eingangs erwähnt, die neunte Schulstufe absolviert werden, wobei kein positiver Abschluss vorausgesetzt wird. Die Lernenden treffen jedoch vor dem Wechsel in die neunte Schulstufe eine entscheidende Bildungswahl, zumal sie sich zu ihrem weiteren Verbleib im Bildungssystem vorerst festlegen müssen. An diesem Übergang aus der Pflichtschule in weiterführende Bildungslaufbahnen können die Schülerinnen und Schüler bei ihrer Bildungswahl somit insofern beeinflusst werden als ihnen nahegelegt wird, die neunte Schulstufe in einer AHS, BHS oder BMS zu absolvieren, da sie bei negativen Ergebnissen ohnehin in eine Lehre wechseln können.120 Die COVID-19-Pandemie wirkt sich zusätzlich noch erschwerend auf den Lehrstellenmarkt aus. In den meisten Sparten wurde ein Rückgang der Lehrlingszahlen beobachtet, wobei vor allem die Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft stark betroffen ist.121

Es mangelt jedoch nicht nur an der Quantität der Interessenten für die offenen Lehrstellen, sondern zugleich an den Qualifikationen der Bewerberinnen und Bewerber. Eine Befragung von Lehrlingsausbilderinnen und Lehrlingsausbilder ergab, dass 80 % der Befragten die geringe Anzahl an qualifizierten Bewerberinnen und Bewerbern als herausfordernd bei der Rekrutierung sehen. Vor allem die geringe allgemeine Ausbildungsreife der Jugendlichen stellt die Ausbilderinnen und Ausbilder oftmals vor große Herausforderungen.122 Das System der dualen Ausbildung sieht sich, obwohl es international hohe Anerkennung findet, in Österreich immer wieder mit einem Imageproblem konfrontiert.123 Die Wirtschaftskammer und die Arbeiterkammer kritisieren, dass die Lehrausbildung in ihrer Wichtigkeit und Qualität unterschätzt wird. Sie machen darauf aufmerksam, dass die Lehrausbildung herabgestuft wird, obwohl sie das Fundament für die Fachkräfteausbildung ist. Außerdem sei die duale Ausbildung bei ihren Adressatinnen und Adressaten oftmals nur die dritte Wahl, da ihre Erfolge von der Gesellschaft nicht wahrgenommen werden.124

119 Vgl. Dornmayr/Nowak (2020), 14–15.

120 Vgl. Lassnig (2013), 122–123.

121 Vgl. Dornmayr/Nowak (2020), 25.

122 Vgl. Dornmayr/Lengauer/Rechberger (2019), 1.

123 Vgl. Parlament Republik Österreich (2014) und Landertshammer/Schneider (2019), 35.

124 Vgl. Parlament Republik Österreich (2014).

(27)

Im zweiten Kapitel wurden die konzeptionellen Grundlagen für diese Masterarbeit erarbeitet. Nachdem der stufenweise Aufbau des Bildungssystems beschrieben wurde, stand das veränderte Bildungsverhalten seit Beginn der Bildungsexpansion im Fokus. Dies ergab, dass durch den Ausbau der AHS und BHS die SchülerInnenanzahl stark angestiegen ist. Dies wirkte sich schließlich auf die Hochschulen aus, da die Zahlen der Studienanfängerinnen und Studienanfänger und die der Akademikerinnen und Akademiker ebenso angestiegen sind. Die Hochschulen erfreuten sich folglich über die vergangenen Jahrzehnte über einen großen Interessenzuwachs. Gleichzeitig steht die duale Berufsausbildung Österreichs vor der Herausforderung, offene Lehrstellen nicht besetzen zu können. Die geringe Wertschätzung gegenüber der Lehrausbildung werde dadurch ausgelöst, dass diese nicht das akademische Bildungsideal erfülle.125 Eine Möglichkeit, wie die duale Berufsausbildung mit einer akademischen Bildung kombiniert werden kann, stellt das duale Studium dar, welches im Anschluss erörtert wird.

3 Duales Studium

Dieses Kapitel stellt das duale Studium vor, wobei hierfür vor allem auf Literatur aus Deutschland zurückgegriffen wird, da sich die literarische Auseinandersetzung mit dem dualen Studium in Österreich nicht als besonders ausgeprägt erwiesen hat. Dahingegen wurde in der Forschungsarbeit Deutschlands das duale Studium über die letzten Jahrzehnte vermehrt zum Forschungsgegenstand. Zunächst wird in diesem Kapitel erörtert, wie ein duales Studium definiert wird. Dies stellt zugleich eine Empfehlung zur Abgrenzung von anderen Studienangeboten dar, die gleich wie das duale Studium praxisorientiert ausgerichtet sind. Dadurch soll ein besseres Verständnis für die Thematik des dualen Studiums erreicht werden. Im Anschluss daran wird die Umsetzung des dualen Studiums vorgestellt, wenngleich hierbei vor allem das ausbildungsintegrierende duale Studium im Mittelpunkt der Vorstellung steht. Abgerundet wird dies mit einem Vergleich mit den beiden anderen Erscheinungsformen des dualen Studiums. Daraufhin wird der aktuelle Stellenwert des dualen Studiums thematisiert. Hier werden sowohl österreichische als auch deutsche Verhältnisse betrachtet. Abgeschlossen wird dieses Kapitel mit der Betrachtung der Motive, die die Betriebe zu einer Kooperation und die Studierenden zur Auswahl dieses Studiums bewegen.

125 Vgl. Parlament Republik Österreich (2014).

(28)

3.1 Definition und Abgrenzung

Mit dem dualen Studium werden die traditionell voneinander getrennten Bereiche der Berufs- und Hochschulbildung in einem Bildungsangebot kombiniert, wodurch die Lernenden sowohl eine akademische als auch berufspraktische Bildung erfahren.126 Die Verknüpfung dieser beiden Bildungsbereiche führt die Lernenden im Rahmen des Studiums an mindestens zwei Lernorte – Hochschule127 und Betrieb – welche miteinander verbunden sind. Im Ausbildungsbetrieb absolvieren die Lernenden eine Berufsausbildung oder Praxisphasen, weshalb sie schließlich über eine berufspraktische Bildung verfügen. Auf der Hochschule erlangen die Studierenden die akademische Bildung. Darüber hinaus sind je nach Konzeption des dualen Studiums weitere Lernorte möglich, wie etwa berufsbildende Schulen oder Lehrwerkstätten.128

Die Literatur ist sich in der Diskussion zu der Definition des dualen Studiums einig, dass die Auslegung des Studiums auf mehrere Lernorte ein Wesensmerkmal des dualen Studiums darstellt.129 Unter dem Begriff duales Studium werden jedoch unterschiedlichste Studienformate geführt, die sich teilweise gänzlich voneinander unterscheiden.130 Die Unterschiede lassen sich hierbei beispielsweise an der Art der Verbindung und Abstimmung zwischen Hochschule und Ausbildungsbetrieb oder am unterschiedlich ausgeprägten Theorie-Praxis-Transfer ausmachen.131 Es kann nicht garantiert werden, dass alle den Anspruch an Wissenschaftlichkeit und Qualität eines Studiums erfüllen.132 Da die Ausgestaltungen der verschiedenen dualen Studienangebote zum Teil sehr divergent sind, stellt sich die Formulierung einer eindeutigen Definition und Abgrenzung als durchaus herausfordernd dar.133 Im Laufe der Zeit gab es bereits von verschiedenen deutschen

126 Vgl. Wissenschaftsrat (2013), 5; Wolter (2016), 43; Hesser/Langfeldt/Box (2017), 5 und Arens- Fischer/Dinkelborg/Grunwald (2019), 178.

127 Neben der Hochschule bieten vergleichbare Bildungseinrichtungen wie Berufsakademien duale Studien an (vgl. Bleich 2015, 76). In dieser Masterarbeit wird jedoch für die Beschreibung des dualen Studiums fortan lediglich die Hochschule herangezogen.

128 Vgl. Krone (2015a), 16.

129 Vgl. Wissenschaftsrat (2013), 22; Kupfer/Köhlmann-Eckel/Kolter (2014), 15; Bleich (2015), 79; Wolter (2016), 40 und Hesser/Langfeldt/Box (2017), 5.

130 Vgl. Wissenschaftsrat (2013), 7; Krone (2015a), 15; Weiß (2016), 24 und Wolter (2016), 41.

131 Vgl. Wissenschaftsrat (2013), 7 und Wolter (2016), 41–42.

132 Vgl. Weiß (2016), 24.

133 Vgl. Krone (2015a), 16.

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