• Keine Ergebnisse gefunden

Prävalenz schlafbezogener Atemstörungen bei Patienten in einer ländlichen Allgemeinarztpraxis

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2021

Aktie "Prävalenz schlafbezogener Atemstörungen bei Patienten in einer ländlichen Allgemeinarztpraxis"

Copied!
75
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Aus dem Fachbereich Medizin

der Philipps-Universität Marburg

in Zusammenarbeit mit der Medizinischen Klinik

des Marienkrankenhauses in Kassel

Direktor: Prof. Dr. med. Martin Konermann

Prävalenz schlafbezogener Atemstörungen bei Patienten

in einer ländlichen Allgemeinarztpraxis

Inaugural-Dissertation

zur

Erlangung des Doktorgrades der gesamten Humanmedizin

dem Fachbereich Medizin der Philipps-Universität Marburg

vorgelegt von

Tobias Flotho aus Breuna

Marburg, 2008

(2)

Angenommen vom Fachbereich Medizin der Philipps-Universität Marburg am: 17.09.2008

Gedruckt mit Genehmigung des Fachbereichs Dekan: Prof. Dr.med. Matthias Rothmund Referent: Prof. Dr.med. Martin Konermann Koreferent: Prof. Dr.med. Ulrich Koehler

(3)
(4)

„Gebt den Leuten mehr Schlaf - und sie werden wacher sein, wenn sie wach sind.“

(5)

Inhaltsverzeichnis

1. EINLEITUNG... 7

1.1. Der Schlaf...7

1.1.1 Allgemeine Herleitung des Begriffes "Schlaf" ...7

1.1.2 Definition des Schlafes...8

1.2 Physiologischer Hintergrund ...9

1.2.1 Schlafeinleitung...9

1.2.1.1 Schaubild Schlafregulation ...10

1.2.2 Schlafaufrechterhaltung und Schlafphasen ...11

1.3 Schaubild der Schlafstadien beim gesunden Schlaf...12

1.4 Schlaflosigkeit...13

1.5 Schlafdauer und Verteilung ...15

1.6 Hypothesen zum Zweck des Schlafs ...16

1.7 Verbreitung schlafbezogener Beschwerden...17

1.7.1 Risikofaktoren ...18

1.7.2 Prävention...20

1.7.3 Mangelnde Schlafhygiene ...20

1.7.4 Untersuchung und Behandlung ...22

1.7.5 Folgen des Schlafmangels...24

1.7.6 Pathologie des Schlafes...25

1.7.7 Schlafentzug ...27

1.7.7.1 Therapeutischer Schlafentzug ...27

1.7.7.2 Schlafentzug als Folter oder Strafe ... 27

1.7.8 Risikofaktoren für Bluthochdruck als Beispiel ... 28

1.7.9 Gesundheitliche Ziele...28

1.8 Einteilung der Schlafstörungen nach ICSD 2 ...31

1.9 Schlafbezogene Atemstörungen ...34

1.9.1 Klinischer Algorithmus: Nichterholsamer Schlaf...37

2. FRAGESTELLUNG... 37

3. METHODIK ... 38

3.1 Epworth Sleepiness Scale ...40

3.2 Schlaffragebogen ...41

4. ERGEBNISSE... 43

4.1 Fallzahlen und Altersverteilung ...43

Tabelle Nr. 1:Anzahl der Fälle...43

Tabelle Nr. 2:Altersverteilung...43

Tabelle Nr. 3: Altersgruppen...44

4.2 Auswertung Fragebögen/ Somnocheck...45

(6)

Tabelle Nr. 7...48

Tabelle Nr. 8...49

4.3 Schlaflabor ...49

Tabelle Nr. 9: Patienten im Schlaflabor ...50

4.4 Datenanalyse...50

Tabelle Nr. 10: Geschlechterverteilung ...50

Tabelle Nr. 11: Patienten mit path. Befund im Verhältnis zu Patienten ohne path.Befund ...51

Tabelle Nr. 12: Altersgruppen mit pathologischem Befund ...51

Tabelle Nr. 13: weitere Altersgruppe...52

Tabelle Nr. 14: Body Mass Index ...53

Tabelle Nr. 15: Geschlecht/ Alter/ BMI...53

Tabelle Nr. 16: Einfluss von Geschlecht/ Alter/ BMI auf die Erkrankungswahrscheinlichkeit...54

5. DISKUSSION... 56

6.1 ZUSAMMENFASSUNG... 61

6.2 ENGLISCHE ZUSAMMENFASSUNG ... 62

(7)

1. Einleitung

1.1. Der Schlaf

1.1.1 Allgemeine Herleitung des Begriffes „Schlaf“

Das Wort "Schlaf" ist altgermanischen Ursprungs und eine Nominalbildung zu "schla-fen" (gotisch "sleps" und alt- und mittelhochdeutsch "slaf"). Auch das niederländische "slaap" und englische "sleep" gehen auf diesen Ursprung zurück. "Schlafen" bedeutet ursprünglich "schlapp werden" und ist mit dem Eigenschaftswort "schlaff" verwandt. Vom Begriff "Schlaf" leiten sich verschiedene Begriffe ab, die mit ihm nicht immer in direktem Zusammenhang stehen.

• So wird beispielsweise "entschlafen" als eine Hülle für "sterben" verwendet.

• Etwas "beschlafen" oder "überschlafen" heißt, es bis zum nächsten Tag beden-ken, um so Distanz zu einem bestimmten Problem zu gewinnen.

• Zum "Beischlaf" (das Wort stammt aus dem 15. Jahrhundert) kommt es, wenn Mann und Frau "zusammen schlafen". Wie beim Ausdruck "entschlafen" ist auch hier ein Vorgang gemeint, der mit "schlafen" nicht direkt zusammenhängt und den man lieber nur umschreibt.

• Auch die "Schläfe" leitet sich von "Schlaf" ab, denn sie ist der Teil des Kop-fes, auf welchem der Schlafende liegt.

• Einer, der zu viel oder zu lange schläft, wird als "Schlafmütze" bezeichnet. Dieser aus dem 17. Jahrhundert stammende Ausdruck bezog sich ursprünglich auf die Nachtmütze, die man beim Schlafen trug und wird seit dem 18. Jahr-hundert im übertragenen Sinne gebraucht. Angeblich soll ihn Lessing erstmals so verwendet haben.

Die Wurzel "son" oder "somn" liegt dem Begriff "Schlaf" in verschiedenen indoger-manischen Sprachen zugrunde: französisch "sommeil"; italienisch "sonno"; spanisch "sueño"; portugiesisch "somno"; rumänisch "somnul", schwedisch "somn"; dänisch "sovn"; russisch "son"; polnisch "sen"; bulgarisch "sun"; serbo-kroatisch "san"; tsche-chisch "spanek"; hindi "sona"; grietsche-chisch "hypnos". In anderen Sprachen heißt

"Schlaf": ungarisch "alvas"; finnisch "uni"; türkisch "uyku"; hebräisch "shenah"; japa-nisch "nemuri"; chinesisch "shui jiao"; telugu (südindische Sprache) "nidura"; zulu

(8)

1.1.2 Definition des Schlafes

Obwohl man ein Drittel seines Lebens im Zustand des Schlafs verbringt und obwohl jeder 5. Patient in der Praxis eines Allgemeinarztes unter ausgeprägten Schlafstörun-gen leidet, werden Kenntnisse über den normalen und gestörten Schlaf im Medizin-studium so gut wie nicht vermittelt. Das gleiche gilt für das PsychologieMedizin-studium. Die-ses Defizit verdeutlicht sich in einer verbreiteten Unsicherheit sowohl in der Diagnos-tik als auch in der Therapie von Erkrankungen, die an den Schlaf gekoppelt sind. Daraus geht hervor, dass eine allgemein verbindliche Definition des Schlafes bzw. des Begriffes „Schlaf“ momentan nicht existiert. Generell kann man sagen, dass sich beim Schlafen lediglich die Bewusstseinslage des Menschen verändert.

Rund ein Drittel unseres Daseins verbringen wir im Schlaf. Ohne unsere nächtliche Erholungspause ist ein gesundes und aktives Leben nicht möglich – dies hat mittler-weile auch die Medizin erkannt. Ein normaler Schlaf beeinflusst nicht nur unsere Ge-sundheit. Auch emotionale und soziale Komponenten werden davon tangiert.

In den letzten 40 Jahren wurden erstaunliche Erkenntnisse über die Grundlagen des Schlafes und seinen Einfluss auf unsere Gesundheit gewonnen – und das Verständnis über den Zusammenhang zwischen Schlafstörungen und Erkrankungen wächst. Der Schlaf ist kein einfaches und gleichförmiges „Nicht-Wach-Sein“. Vielmehr ereig-nen sich im Schlaf eine ganze Reihe von Abläufen, die für unser Wohlergehen sehr wichtig sind.

Über 30 Prozent der Bevölkerung in den westlichen Industrieländern leiden mittler-weile an Schlafstörungen. Dass ein chronisches Schlafdefizit das Risiko für körperli-che und seeliskörperli-che Erkrankungen erhöht, ist wissenschaftlich belegt. Schlafstörungen können umgekehrt aber auch Folge einer ernsthaften Erkrankung sein. Deshalb sollte man Schlafschwierigkeiten nicht als Nebensächlichkeit abtun.

Der Schlaf ist ein Zustand der äußeren Ruhe von Tieren wie Menschen. Dabei unter-scheiden sich viele Lebenszeichen von denen des Wachzustands. Puls, Atemfrequenz und Blutdruck sinken ab und die Gehirnaktivität verändert sich. Im Schlaf werden viele motorische und sensorische Nervenzellen zumindest für die höheren Hirnfunkti-onen blockiert, so dass der Schlafende sich im Schlaf kaum bewegen und kaum etwas wahrnehmen kann. Dieser Zustand wird als Schlafparalyse bezeichnet.

Das Schließen der Augen während des Schlafes unterstützt diese Funktion. Bei genü-gend starken äußeren Reizen (Berührung, helles Licht, lautes Geräusch) wacht der Schlafende jedoch auf. Man unterscheidet zwei Schlaf-Wach-Übergangsphasen:

(9)

• Die Übergangsphase vom Wachen zum Schlafen ist das Prädormitium

• Die Phase vom Schlafen zum Wachen nennt man Postdormitium.

Mit der Physiologie sowie den Störungen des Schlafes beschäftigt sich ein eigenes Teilgebiet der Medizin, die Somnologie (Schlafmedizin).

[8,14,66]

1.2 Physiologischer Hintergrund

1.2.1 Schlafeinleitung

An der Schlafeinleitung sind im Wesentlichen drei funktionelle Systeme im Gehirn beteiligt. Unter funktionellen Systemen versteht man Gruppen von Nervenzellen, die deshalb als zusammengehörig angesehen werden, weil sie sich gemeinsame Aufgaben teilen. Zu diesen Nervenzellgruppen, die die Schlafeinleitung kontrollieren, gehören ein Gebiet im Hirnstamm, die Formatio reticularis, und zwei Zwischenhirngebiete: der Thalamus und der Hypothalamus. Die Formatio reticularis ist bekannt für ihre Funkti-on als Signalgeber für Wachheit (engl. Arousal), und gehört deshalb auch zum Auf-steigenden Reticulären Aktivierenden System (ARAS). Diese Aufmerksamkeits- oder Weck-Funktion übt die Formatio reticularis über Neurotransmitter aus, mit denen sie den Thalamus erregt. Diese Botenstoffe sind Noradrenalin (NA) und Acetylcholin (ACh). Innerhalb der Formatio reticularis gibt es weitere komplexe Verschaltungen u. a. mit den Raphekernen. Diese üben mit ihrem Transmitter Serotonin (5-HT) vor al-lem beim Einschlafen einen hemmenden Einfluss auf die noradrenergen Systeme aus. Bei dieser Gelegenheit, nämlich dem Einschlafen, können diese Nervenzellgruppen (man sagt auch Kerngebiete) im Hirnstamm bremsend über verschiedene Wege auf die Aktivität des Thalamus einwirken. Hier wird wiederum ein anderer Transmit-terstoff benutzt, nämlich Gamma-Amino-Buttersäure (GABA). Demnach gibt es zwei Wege, über die das Aufsteigende Retikuläre Aktivierende System den unspezifischen Thalamus erreicht: direkt zur Aktivierung und Erhöhung der Aufmerksamkeit oder indirekt über zwischengeschaltete hemmende Nervenzellen (Interneurone) zur Ab-nahme der Aufmerksamkeit und schließlich zur Schlafeinleitung.

(10)

1.2.1.1 Schaubild Schlafregulation

Schlafregulation (a) Die Rolle des Hirnstamms, Thalamus, Hypothalamus und des Kortex in der Schlaf-Wach-Regulation. B) Die Neuentdeckung der schlaffördernden GABAergen/galanininergen (GABA/Gal) Neurone in der ventrolateralen präoptischen Gegend (VLPO) und der wachheitssteigernden Hypocretin-/Orexinneurone im lateralen Hypothalamus richten die Aufmerksamkeit auf den Hypothalamus als wichtigstes Hirngebiet der Schlaf-Wach-Regulation. Die Zerstörung dieser Systeme verursacht Schlaflosigkeit und Narkolepsie bzw. widerspiegeln die klinischen Beobachtungen während der Encephalitis-lethargica-Epidemie. Obwohl keine direkte Wechselwirkung zwischen den zwei Systemen existiert, innervenieren sowohl die VLPO als auch das hypocretine System die Hauptkomponenten des aszendierenden retikulär aktivierenden Systems, wie den Locus coeruleus (LC), die serotonerge dorsale Raphe (DR) und den histaminergen tuberomammillären Nukleus (TMN). Die VLPO inhibiert und das hypocretine System aktiviert diese Systeme. Folglich kann der Hypothalamus als ein Zentrum für den „Schlaf-Schalter“ unter dem Einfluss der zirkadianen Uhr dienen. Zusätzlich zum aszendierenden retikulär aktivierenden System (ARAS) gibt es pharmakologische Evidenz, dass die Beteiligung von Dopamin (DA), besonders im ventralen Tegmentum (A10), für die Kontrolle der Wachheit eine wichtige Rolle spielt, wie auch das Histamin (His), das aber noch eine Vielfalt von peripheren Wirkungen aufweist.

BV, cholinerge Nuklei des basalen Vorderhirns; LDT/PPT, laterodorsal tegmentale Nuklei/pedunkulopontine tegmentale Nuklei; KR, kaudale Raphe; PRF, pontine retikuläre Formatio; Ach, Acetylcholin; A, Adrenalin; GLY, Glyzin; GLU, Glutamat (nach einer Abbildung von Mignot et al 2002).

( vgl. Enzyklopädie der Schlafmedizin (2007), Springer- Verlag, S. 1106)

Somit ist das Aufsteigende Retikuläre Aktivierende System einerseits für die Wach-heit zuständig und andererseits für die Schlafeinleitung. Das Gehirn geht mit seinen Ressourcen sparsam um. Nebenbei wirkt das gleiche Kerngebiet im Hirnstamm brem-send auf die Aktivität von Nervenzellgruppen im Rückenmark, was eine allgemeine Schlaffheit der Muskulatur (Atonie) zur Folge hat: Der Mensch ist nicht nur müde, sondern bewegt sich auch weniger, beim Einschlafen im Sitzen fällt der Kopf nach vorn.

Über den Hypothalamus erfährt das Gehirn auf Umwegen, dass es Zeit zum Schlafen ist, weil es dunkel wurde. Dies geschieht über Verbindungen mit dem Auge bzw. der

(11)

Sehbahn. Der Hypothalamus produziert nun weniger von dem Transmitter Histamin und einem Peptid namens Orexin. Orexin führt zu gesteigerter Aufmerksamkeit. [90, 14, 80, 66, 20]

1.2.2 Schlafaufrechterhaltung und Schlafphasen

Neben der Schlafeinleitung werden auch die Aufrechterhaltung und die Beendigung des Schlafes durch Nervenzellverbände und funktionelle Systeme bewirkt. Der Schlaf ist auch in seinem weiteren Verlauf neurophysiologisch gesteuert. Damit der Schlaf-zustand aufrechterhalten werden kann, variiert das Gehirn die Schlaftiefe in zeitlichen Abständen. Dabei wechseln sich Tiefschlafphasen mit einem weniger tiefen Schlaf ab. Die Tiefschlafphasen sind dadurch gekennzeichnet, dass der Mensch in diesen Zeitab-schnitten nur schwer zu wecken ist. Wenn sich gegen Ende des Schlafes diese Schlaf-phasen in immer kürzeren Abständen abwechseln, wird der Schlafende wach.

Schlafphasen werden definiert als „rhythmisch im 24-stündigen geophysikalischen Tag-Nacht-Rhythmus wiederkehrender Zeitraum bzw. Zeiträume, in denen geschlafen wird“ (aus: Enzyklopädie der Schlafmedizin, S. 1102).

Zeitliches Auftreten, Länge, Struktur sowie Intensität des Schlafes werden prozesshaft reguliert. Dabei werden homöostatischer und zirkardianer Verlauf voneinander unter-schieden. Die Interaktion zwischen beiden Prozessen wird im Zwei-Prozess-Modell der Schlafregulation konzeptualisiert. Der vom Schlaf-Wach-Verhalten abhängige Prozess S nimmt während des Wachseins zu und sinkt im Schlaf ab. Er entspricht da-mit einem Relaxationsoszillator.

Während des gesunden Schlafes beginnen sich Nervenzellverbände zu synchronisie-ren. Das bedeutet, dass sie ihre Aktionspotenziale in einem gemeinsamen Takt feuern. Durch das Ableiten elektrischer Ströme mittels eines EEG können diese verschiede-nen Rhythmen gemessen und sichtbar gemacht werden. Je nach Schlaftiefe und dem damit verbundenen charakteristischen Muster lässt sich der Schlaf in verschiedene Stadien einteilen. Nach der Frequenz und Amplitude dieser „inneren Rhythmen“ wer-den folgende Stadien und die dazugehörigen Wellen unterschiewer-den, wobei die konkre-te Einkonkre-teilung der Schlafstadien I–IV allerdings willkürlich ist:

• Aufmerksamkeit: Betawellen (14–60 Hz)

(12)

• Stadium II: Thetawellen (4–7 Hz) und Beta-Spindeln. Letztere sind Ausdruck einer Kommunikation zwischen Thalamus und Großhirnrinde

• Stadium III: Deltawellen (kleiner als 4 Hz) und K-Komplexe

• Stadium IV (Tiefschlaf): Deltawellen (kleiner als 4 Hz)

• REM-Schlaf: desynchronisiertes EEG, Betawellen

1.3 Schaubild der Schlafstadien beim gesunden Schlaf

Die oben stehende Abbildung stellt die charakteristischen Befunde der unterschiedli-chen Schafstadien schematisch gegenüber (modifiziert nach Sturm und Clarenbach). Für jedes Schlafstadium werden drei EEG-Kanäle gezeigt (frontale / stirnseitige, tem-poroparietale / schläfen- scheitelseitige und occipitale / hinterhauptsseitige Ableitun-gen), darunter das Elektrookulogramm (EOG, Aufzeichnung der Augenmuskelbewe-gungen) und das Elektromyogramm (EMG, Aufzeichnung des Muskeltonus bzw. der Muskelaktivität).

[Copyright: Prof. Dr. Piper, Meduna-Klinik, D-56864 Bad Bertrich, Tel.: 0267 /1820, Fax: 02674 / 182 3182]

Während des REM-Schlafes sind die Skelett-Muskeln maximal relaxiert, mit Aus-nahme der Augenmuskulatur. Ebenfalls kommt es in dieser auch als Traumschlaf be-zeichneten Phase zur Erhöhung des Blutdrucks, der Atmung und zu Erektionen. In den Stadien I bis IV sinkt der Muskeltonus ab, parallel dazu nimmt die Aktivität des Ge-hirns ab. Die Stadien I bis IV mit anschließendem REM-Schlaf werden mehrere Male

(13)

pro Nacht wiederholt. Dabei ist zu sehen, dass die Tiefschlafphasen zeitlich abnehmen und die REM-Phasen zunehmen. Das Stadium IV wird im späteren Verlauf der Nacht nicht mehr erreicht. Ältere Menschen erreichen sehr oft das Stadium IV überhaupt nicht mehr. Sodann ändert sich auch das Schlafmuster. Alte Menschen schlafen nachts nur noch wenige Stunden und schlafen häufig am Tag noch einmal ein bis zwei Stun-den. Säuglinge schlafen den ganzen Tag, aber jeweils in kurzen Phasen. Bei Erwach-senen konzentriert sich der Schlaf auf eine Kernzeit, meist in der Nacht. Ein Schlaf-zyklus dauert ca. 90 Minuten. Dieser 90-Minuten-Zyklus setzt sich auch in der Wach-zeit fort und führt zu Phasen wechselnder Leistungsbereitschaft (Ultradiane Rhyth-mik).

[8, 90, 14, 80, 66, 22, 20, 72, 99, 3]

1.4 Schlaflosigkeit

Orexin (griech. orexis, „Appetit“) wirkt appetitsteigernd. Auch der Ncl. preopticus venterolateralis (VLPO, das Esszentrum des Gehirns) des Hypothalamus ist beteiligt an der Schlafeinleitung. Läsionen, d. h. Schädigungen, in diesem Teil des Hypothala-mus führen zur Insomnie, der Schlaflosigkeit. Der Ncl. suprachiasmaticus (SCN) ent-hält direkte Afferenzen aus der Retina. Hier wird der Sitz der inneren Uhr vermutet, Neurone, die für die Zirkadiane Rhythmik verantwortlich sind. Der SCN kontrolliert sehr stark die Aktivität des Sympathikus. Über dieses vegetative System stimuliert der SCN die Freisetzung von Melatonin aus der Zirbeldrüse. Melatonin wird in den A-bendstunden vermehrt ausgeschüttet und trägt zur Schlafeinleitung bei. Die höchste Konzentration findet sich im Blut um 3 Uhr morgens. Orexin wirkt an seinen Zielzel-len im Hypothalamus über einen bestimmten Rezeptor, mit dem ein Krankheitsbild verbunden ist. Mutationen dieses Rezeptors werden für die Narkolepsie verantwortlich gemacht. Außerdem wird Orexin als Wake-Up-Drug z. B. für Kampfjet-Piloten ver-wendet. Delphine (und einige andere Lebewesen) haben die Möglichkeit, mit ihren Hemisphären (Hirnhälften) abwechselnd zu schlafen. Das bedeutet, dass eine Hälfte sich ausruht, während die andere Hälfte alle nötigen Funktionen übernimmt.

Es gibt Empfehlungen, das Einschlafen mit Schlafritualen beginnen zu lassen: Abend-gebet, „Schäfchen zählen“ usw. helfen der Psyche, über vertraute Gedanken zur Ruhe zu kommen. Unter verschiedenen Umständen jedoch leiden Menschen unter

(14)

Schlaflo-Unter diesen Umständen können Schlafmittel (Hypnotika) zu Hilfe genommen wer-den. Neben pflanzlichen Arzneimitteln (z. B. Baldrian) werden insbesondere Anti-histaminika, kurzwirksame Benzodiazepine (z. B. Brotizolam) als Einschlafmittel, mittellang wirksame Benzodiazepine (z. B. Nitrazepam und Diazepam) als Durch-schlafmittel sowie modernere Schlafmittel, wie Zopiclon und Zolpidem, zur Behand-lung von Schlafstörungen eingesetzt. Antihistaminika vermitteln ihre Effekte über eine Hemmung der Wirkung des „Weckhormons“ Histamin an seinen Histamin-Rezeptoren. Benzodiazepine, Zolpidem und Zopiclon wirken an den

GABA-Rezeptoren im Thalamus. Dort fördern sie die hemmende Wirkung dieses Transmit-ters. Die früher sehr verbreiteten Barbiturate werden heute auf Grund eines ungünsti-gen Nutzen-Risiko-Verhältnisses (Suizid-Potential und Unterdrückung des REM-Schlafes) praktisch nicht mehr als Schlafmittel verwendet.

In den USA wird das Hormon Melatonin, das physiologisch aus der Zirbeldrüse aus-geschüttet wird, mehr und mehr als Wunderdroge und Anti-Aging-Mittel verkauft. Bekannt ist, dass Melatonin sedierende Eigenschaften besitzt und die Produktion in den Abendstunden immer mehr zunimmt und es damit eine Art körpereigenes

Schlafmittel darstellt. Auch in Deutschland ist mittlerweile Melatonin als Schlafmittel zugelassen.

Der Körper besitzt weitere Mediatoren, die zu erhöhtem Schlafbedürfnis führen. So entsteht bei großen Stoffwechselleistungen (körperliche Arbeit) vermehrt Adenosin, das Müdigkeit hervorruft. Ebenso wirken Entzündungsmediatoren wie Interleukin-1, die zu vermehrtem Schlaf während einer fieberhaften Krankheit führen.

Häufig ist es notwendig, den Schlaf oder das Schlafbedürfnis zu überwinden. Bekannt für seine Wachheit fördernde und anregende Wirkung ist Koffein, das u. a. im Kaffee und in meist geringerer Konzentration im echten Tee enthalten ist. Koffein verhindert die Wirkung von Adenosin. Paradoxerweise wird in der Pflege Kaffee manchmal ge-braucht, um das Ein- und Durchschlafen zu fördern. Besonders bei älteren Menschen hilft das Koffein, den Abfall der Atemfrequenz zu bekämpfen.

Drogen vom Typ der Weckamine, wie Amphetamin, Phenylethylamin, Ephedrin oder Cathinon (aus den Kath-Blättern) wirken stimulierend – mit erheblichen Nebenwir-kungen. Gegen zwanghafte Schläfrigkeit, wie sie bei Narkolepsie auftritt, verwendet man das Neurostimulans Modafinil.

(15)

1.5 Schlafdauer und Verteilung

Die „optimale“ tägliche Menge an Schlaf für den Menschen sowie seine Verteilung über den Tag ist umstritten. Nachdem lange die negativen Folgen von Schlafmangel im Mittelpunkt der Forschung standen, geraten in letzter Zeit zunehmend die offenbar ebenfalls unliebsamen Folgen von zu viel Schlaf ins Blickfeld. Dabei scheint sich – nach großen Studien in den USA und in Japan – herauszukristallisieren, dass die oft genannten „acht Stunden am Tag“ schon zu lang sind und das Optimum eher zwi-schen sechs und sieben Stunden liegt, was auch der Durchschnitts-Schlafzeit in Deutschland entspricht (6 Stunden 59 Minuten laut einer an der Universität Regens-burg durchgeführten Studie).

Das individuelle Schlafbedürfnis des Erwachsenen schwankt etwa zwischen 6 bis 10 Stunden und folgt ungefähr einer Normalverteilung. Extreme treten bei Säuglingen auf, die bis zu 16 Stunden schlafen (über den Tag verteilt), und bei alten Menschen, deren Schlafbedürfnis geringer ist („senile Bettflucht“). Die individuelle Schlafdauer für erholsamen Schlaf kann zwischen 4 und 12 Stunden variieren.

Es ist von entscheidender Bedeutung, dass das individuell unterschiedlich ausgeprägte Schlafbedürfnis konstitutionell vorgegeben ist und folglich nicht durch falsch verstan-denes „Training“ ausgeschaltet oder längerfristig ignoriert werden kann, ohne dass der Organismus Schaden erleidet. Wer zu den Menschen mit vermehrtem Schlafbedarf gehört, sollte daher seinen alltäglichen Lebensrhythmus nach Möglichkeit darauf ein-stellen und sein Verhalten entsprechend anpassen.

Weiterhin sind innerhalb eines 24-Stunden-Tages die Phasen maximaler und minima-ler Leistungsfähigkeit je nach Typus unterschiedlich verteilt. Vereinfachend kann zwi-schen einem Morgentyp und einem Abendtyp unterschieden werden. Der Morgentyp ist bereits früh am Morgen fit und leistungsfähig, der Abendtyp entwickelt unter ande-rem als 'Nachtschwärmer' (auch 'Eule' oder 'Lerche') zu fortgeschrittener Abendzeit nochmals ein Aktivitätsmaximum. Im Jahre 2005 wurden die seit langem bekannten genetischen Einflüsse präzisiert, die hierbei eine Rolle spielen (Period3-Gen). Superschlaf ist möglich, weil die Hormonausschüttung erst nach dem Einleiten des Schlafs beginnt. Wird man kurz nach dem Beginn des Schlafes aufgeweckt, so hat man möglicherweise eine REM-Phase absolviert, besitzt aber noch nicht so eine hohe Hormonkonzentration, dass man gleich wieder einschläft.

(16)

1.6 Hypothesen zum Zweck des Schlafs

Bis heute gibt es keine plausible Erklärung zum Zweck des Schlafs, lediglich einige Hypothesen, die jedoch alle unbefriedigend sind. Im Folgenden einige Hypothesen:

• Die Regenerative Hypothese besagt, dass Schlaf schlichtweg der Erholung der Organe dient. Dafür spricht, dass nach dem Schlaf viele Körperfunktionen bes-ser funktionieren als nach einer langen Wachphase. Jedoch sind auch im Schlaf nicht alle Körperfunktionen ausgeschaltet: Schaltet jemand das Licht an, so melden die Augen Helligkeit; gibt es ein Geräusch, so melden die Ohren dieses.

• Die Adaptive Hypothese besagt, dass Schlaf grundsätzlich nicht der Erholung dient, sondern genetisch bezüglich seiner Länge programmiert ist, um ein öko-logisches Gleichgewicht zu erhalten. Demnach schlafen und dösen große Raubkatzen ca. 18 Stunden am Tag, nicht um sich von den sechs Wachstunden zu erholen, sondern um eine „Überweidung“ ihres Jagdgebietes zu vermeiden. Den Beutetieren wird somit eine Chance gegeben, sich zu vervielfältigen und zu erhalten.

• Die Kalibrations-Hypothese besagt, dass Schlaf dazu dient, die einzelnen Kör-persysteme wieder in einen Ablaufrhythmus zu bringen. Es kann davon ausge-gangen werden, dass nach ausreichendem Schlaf alle Organe und sonstigen Körperfunktionen entsprechend dem ihnen auferlegten inneren Programm zu laufen beginnen, aber dabei über den Tag hin unterschiedliche Geschwindig-keiten und UnregelmäßigGeschwindig-keiten erfahren. Schlaf rekalibriert dann quasi alle Systeme wieder und stellt sie faktisch auf Null.

• Die Psychische Hypothese bezieht sich auf die Tatsache, dass wir im Schlaf Erlebnisse der Wachphasen verarbeiten. Das Gehirn wird bei dieser Verarbei-tung von überflüssigen Informationen „gereinigt“. Auch hilft der Schlaf, neue Erfahrungen einzuordnen und positive wie negative Erfahrungen in Form von Träumen zu verarbeiten. Psychologen schätzen, dass ein Mensch nach zu lan-ger Zeit ohne ausreichenden Schlaf gefährdet ist, psychische Auffälligkeiten zu erleiden.

(17)

1.7 Verbreitung schlafbezogener Beschwerden

Es zeigen sich deutliche Unterschiede in der Gewichtung und in der individuellen Wertigkeit von Schlafstörungen, welches in Untersuchungen berücksichtigt werden sollte. Die fachliche Beurteilung sollte sich an der Klassifikation des ICSD 2 (Interna-tional Classification of Sleep Disorders) orientieren (s.S.31). [1, 97 ]

Eine repräsentative Telefonbefragung in Deutschland von 4.115 Personen ab einem Alter von 15 Jahren erfasste auch „Zufriedenheit mit dem Schlaf“. Die Antwortmög-lichkeiten erlaubten die fünf Stufen „zufrieden“, „im Allgemeinen zufrieden“, „im Allgemeinen unzufrieden“, „ziemlich unzufrieden“, „vollständig unzufrieden“. Als unzufrieden wurde gewertet, wenn „im Allgemeinen unzufrieden“, „ziemlich unzu-frieden“ oder „vollständig unzuunzu-frieden“ angegeben worden war. Im Durchschnitt wa-ren 7% der Befragten unzufrieden, das wawa-ren 8,2% der Frauen und 5,2% der Männer. Die Unzufriedenheit mit dem Schlaf nahm mit dem Alter zu und war bei den 65- bis 74-Jährigen mit 9,7% am höchsten. Die Beantwortung dieser unspezifischen Frage-stellung dürfte am ehesten das Betroffensein von Schlaflosigkeit widerspiegeln, und nicht die Beschwerden von Patienten mit vermehrter Tagesschläfrigkeit repräsentie-ren. Deren Nachtschlaf ist zwar nicht erholsam, aber sie erleben diese Störung nicht bewusst. [26]

Auch Mattigkeit und Müdigkeit wurden als Beschwerde erfragt. Für schlafmedizini-sche Erkrankungen ist die Beschwerde Mattigkeit jedoch nicht spezifisch, daher wird hier auf eine Angabe von Prävalenzen verzichtet. Müdigkeit kann eine Beschwerde bei schlafmedizinischen Erkrankungen sein. Die Deutsche Gesellschaft für Allge-meinmedizin (DEGAM) hat eine Leitlinie zur Müdigkeit erarbeitet.

Nach dem Allensbacher Jahrbuch der Demoskopie geben 31% der über 16 Jahre alten befragten Deutschen an, „manchmal“ oder „häufig“ unter „Ermüdungserscheinungen“ zu leiden. Frauen sind häufiger betroffen als Männer, Angehörige höherer sozialer Schichten und Menschen in Partnerschaften seltener. [15]

Die Chronifizierung der Beschwerde Schlaflosigkeit war 1991 Gegenstand einer wei-teren repräsentativen Befragung von 2.646 Westdeutschen über 14 Jahre.

So lauteten einzelne Fragen „Leiden Sie unter Schwierigkeiten beim Einschlafen oder Durchschlafen, die nicht durch äußere Einflüsse (beispielsweise Kinder, Schichtarbeit oder Lärm) bedingt sind?“, „Ist Ihr Schlaf erholsam?“ und „Fühlen Sie sich tagsüber müde?“. Als Kategorien der Antworten waren vorgesehen „nein“, „gelegentlich“,

(18)

und/oder Durchschlafstörungen, 7% sogar häufig oder ständig. Bei nur 40% der Be-fragten mit Insomnie waren die Beschwerden den behandelnden Ärzten bekannt. 11% empfanden ihren Schlaf häufig oder ständig als nicht erholsam, 15% litten häufig oder ständig an Tagesmüdigkeit. Die Auswertung dieser Befragung erfolgte leider nicht getrennt nach Geschlechtern. Aus anderen Studien zeichnet sich jedoch konsistent ab, dass mehr Frauen als Männer über Schlaflosigkeit klagen, in einer aktuellen repräsen-tativen Befragung zu Ein- und Durchschlafstörungen sind es 24% der Frauen und 13% der Männer (insgesamt 19% der Befragten). [84]

1.7.1 Risikofaktoren

Es bedarf eines geregelten Schlaf-Wach-Rhythmus und angepasster Schlafhygiene, um erholsamen Schlaf zu gewährleisten. Ein nicht angepasstes Verhalten prädispo-niert zum Auftreten von Schlafstörungen mit der möglichen Folge des ungewollten Einschlafens am Tage. Das Einschlafen am Steuer wird zusätzlich begünstigt durch die Fehleinschätzung der eigenen Schläfrigkeit. Insbesondere junge Menschen unter-schätzen ihre Schläfrigkeit und verursachen in der Folge mehr Unfälle durch Einschla-fen als ältere Personen. Junge Leute, die lange Nachtfahrten, beispielsweise Urlaubs-reisen, unausgeschlafen antreten, sind besonders gefährdet, am Steuer einzuschlafen. Der Gebrauch von Medikamenten, Drogen oder Alkohol kann sowohl die Schläfrig-keit selbst als auch die Fehleinschätzung der SchläfrigSchläfrig-keit verstärken. Auch Gewöh-nung an schlafbeeinflussende Substanzen, Suchterkrankungen, mangelnde Schlafhy-giene und Schichtarbeit stellen Risiken für das Auftreten von schwerwiegenden Schlafstörungen und schlafmedizinischen Erkrankungen dar. [26]

Schichtarbeit birgt ein erhöhtes Risiko für nicht erholsamen Schlaf. Es kann durch variierende Schlafzeiten und veränderte Tiefschlafzeiten zur Fragmentierung des Schlafes kommen. Sofern Schichtarbeit unumgänglich ist, sollten Schichtpläne „ante-grad“ rotieren, d.h. in der Reihenfolge Frühschicht - Mittelschicht - Spätschicht, mit konsekutiven Freischichten. Dauernachtarbeit ist zu vermeiden. Zur Vermeidung einer Chronifizierung von Schlafstörungen durch Schichtarbeit dienen Maßnahmen der Re-synchronisation auf den Tag-Nacht-Rhythmus in Gestalt von ausreichenden Erho-lungszeiten. Laut der Mikrozensus-Befragung 2003 arbeiteten in Deutschland 12,4% der Erwerbstätigen ständig oder regelmäßig und weitere 1,5% gelegentlich im

(19)

Erkrankungen und Schichtarbeiter neigen stärker als die Normalbevölkerung zu Alko-hol und Schlafmittelgebrauch.

Depressive Störungen können mit Ein- und Durchschlafstörungen, speziell vorzeiti-gem morgendlichen Erwachen vergesellschaftet sein. Eine chronische Insomnie kann ihrerseits eine Depression auslösen. Sekundäre Schlafstörungen sowohl in Gestalt von Insomnie als auch von Hypersomnie treten bei zahlreichen organischen Erkrankungen auf. Beispiele hierfür sind Schmerzerkrankungen, chronische Lungenerkrankungen wie die Chronisch Obstruktive Lungenerkrankung und das Asthma Bronchiale, die Refluxkrankheit, die koronare Herzerkrankung und die Parkinsonerkrankung. Für ein-zelne schlafmedizinische Erkrankungen sind prädisponierende Faktoren bekannt. So wird das Auftreten von Obstruktiver Schlafapnoe begünstigt durch männliches Ge-schlecht, durch Übergewicht, durch Fehlbildungen im Kiefer-Rachen- Bereich, durch einen vermehrten Halsumfang, durch Alkoholgebrauch, durch das Lebensalter von 40 bis 65 Jahren und beim weiblichen Geschlecht durch das Klimakterium. Das Obstruk-tive Schlafapnoe Syndrom ist seinerseits ein unabhängiger Risikofaktor für das Auf-treten von arterieller Hypertonie, woraus sich wiederum eine vermehrte Prädisposition für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wie Arteriosklerose, Schlaganfall, Herzrhythmus-störungen und Herzinfarkt, ergibt. [55]

Es bestehen Prädispositionen zu Schlafstörungen in einzelnen Lebensabschnitten. Junge Säuglinge sind gefährdet durch Unreife oder Dysfunktion der autonomen Regu-lation. Regulationsstörungen können während des Schlafes zu lebensbedrohlichen Zuständen, genannt Anscheinend Lebensbedrohliche Ereignisse (ALE) bzw. apparent-ly life-threatening events (ALTE), oder gar zum plötzlichen Kindstod, dem sudden infant death (SID) führen. Im Kleinkindesalter muss sich ein stabiler Tag-Nacht-Rhythmus etablieren. Hier können vielfältige Störungen und fehlerhafte Lernprozesse auftreten, die für die hohe Prävalenz von Schlafstörungen in der Altersgruppe verant-wortlich gemacht werden. Bei Vorschul- und Schulkindern können Atemstörungen im Schlaf eine häufige Ursache für Tagesmüdigkeit, Konzentrationsstörungen, Hyperak-tivität und Aufmerksamkeitsdefizite sein.

Dies sind Faktoren, die mit dem Auftreten von Schlafstörungen und schlafmedizini-schen Erkrankungen in verschiedenen Lebensabschnitten assoziiert sind.

Das Lebensalter kann prädisponierend für das Entstehen von Schlafstörungen bei Frauen und Männern sein. In einer epidemiologischen Untersuchung in Arztpraxen

(20)

wurde nach „Schlafproblemen“ als Grund für den Arztbesuch bei Frauen und Män-nern gefragt.

Danach hatten im Alter unter 40 Jahren mehr Männer als Frauen, im Alter über 40 Jahren mehr Frauen als Männer den Hausarzt aufgrund von Schlafproblemen aufge-sucht. [94, 101]

1.7.2 Prävention

Der Prävention von Schlafstörungen sollte Rechnung getragen werden und sich auf die unterschiedlichen Lebensdekaden ausdehnen. Es umfasst sowohl das eigene Schlaf-Wach-Verhalten, als auch den Umgang mit schlafstörenden Umwelteinflüssen. Während der ersten beiden Lebensjahre muss ein Kind ein stabiles, an den Tag-Nacht-Rhythmus angepasstes Schlaf-Wach-Muster erwerben. Die als individuell erholsame Schlafdauer empfundene Zeit ist sehr variabel. Die durchschnittliche Schlafdauer liegt in den Industrieländern bei mehr als sieben Stunden. Jugendliche haben die Tendenz, zu wenig zu schlafen. Neben der Nachtphase gibt es einen physiologischen Leistungs-abfall am Tage zwischen 14 und 16 Uhr. Ein kurzer Mittagsschlaf (Nap) mit bis zu 15 Minuten Dauer wirkt fördernd auf Konzentration und Leistungsfähigkeit in der zwei-ten Tageshälfte.

Es gibt Verhaltensweisen, die im Allgemeinen den erholsamen Nachtschlaf fördern und die durch den Begriff Schlafhygiene charakterisiert werden. Nichtbeachtung schlafhygienischer Grundregeln kann unter Umständen zur Entstehung und Aufrecht-erhaltung von schwerwiegenden chronischen Schlafstörungen beitragen. [73]

1.7.3 Mangelnde Schlafhygiene

Es gibt beeinflussende Faktoren für Erholsamkeit des Schlafs, positive als auch nega-tive Kontextfaktoren. Über das notwendige Maß hinausgehende und bis in die Mor-gen- und Mittagsstunden hinein verlängerte Schlafperioden gehen häufig mit Alb-träumen einher. Besonders Patienten mit einer depressiven Störung werden hierdurch beeinträchtigt und gefährdet. Alte Menschen haben oft zu wenig körperliche Bewe-gung und suchen mehr Schlaf als sie benötigen. Durch ausgedehnten Tagschlaf und durch frühes Zubettgehen können sich nächtliche Durchschlafstörungen einstellen, was wiederum zur Verabreichung von lang wirkenden Schlafmitteln führen kann, die

(21)

ihrerseits bremsend auf die Aktivität am Tage wirken („hang over“). Die Abläufe in Alten- und Pflegeeinrichtungen verstärken häufig diesen Teufelskreis. Schichtarbeit kann zu Schlafstörungen führen und zu organischen Erkrankungen prädisponieren, vorzugsweise zu Herz-Kreislauf- und Verdauungserkrankungen. Auch bei Gesunden können Leistungsdefizite und gesundheitliche Störungen auftreten, wenn der Schicht-plan nicht „chronohygienisch“ angelegt ist, und somit nicht auf Gesetzmäßigkeiten der biologischen Uhr abgestimmt ist. Die meisten Patienten mit schlafmedizinischen Erkrankungen und mit manchen schlafbeeinflussenden psychischen oder organischen Erkrankungen sind nicht beziehungsweise weniger gut für Schichtarbeit geeignet. Umweltbedingte Schlafstörungen können sich in Form von Insomnie oder von exzes-siver Schläfrigkeit äußern. Störende Umweltfaktoren werden unter anderem in Form von physikalischen Reizen wie Lärm, zu niedriger oder zu hoher Umgebungstempera-tur, Sturm, Vibrationen oder niedrigem atmosphärischen Sauerstoffgehalt beim Schla-fen im Hochgebirge wirksam.

Neben dem Lärm durch Verkehrsmittel ist auch das Schnarchen des Bettpartners oder dessen körperliche Unruhe, wie zum Beispiel durch Periodische Beinbewegungen im Schlaf, eine häufige Quelle für Schlafstörungen. Epidemiologische Studien geben ausreichende Evidenz für eine Auswirkung nächtlicher Geräusche auf die Verände-rungen von Schlafmuster, Schlafstadien, Herzfrequenz und Stimmung am nächsten Tag. Evidenzen für Veränderungen von Hormonspiegeln und der physischen und psy-chischen Leistung am nächsten Tag sind begrenzt oder nicht vorhanden.

Eine Geräuschbelastung ist abhängig von der Expositionszeit, gemessen als 24-Stunden-Spanne oder 8-Stunden-Arbeitstag. Sie kann als Tag-, Abend- und Nachtbe-lastung berechnet werden oder auch als EinzellärmbeNachtbe-lastung, wie sie bei einem Flug-zeugstart auftritt. Die subjektive Schlafqualität kann schon bei einer nächtlichen Be-lastung von 40 dB im Außenbereich leiden, die Schlafstruktur wird bei einer nächtli-chen Belastung von 55 dB im Außenbereich messbar beeinträchtigt. Die Schlafstadien werden bereits bei einer Einzelbelastung von 35 dB im Innenbereich verändert, und signifikant mehr Weckreaktionen treten bei Einzelbelastungen von 55 dB im Innenbe-reich auf. Inwieweit Geräusche im Einzelfall tatsächlich eine Schlafstörung verursa-chen, ist neben der Stärke des physikalischen Reizes auch von der individuellen Reiz-schwelle des Betroffenen abhängig, sei sie genetisch determiniert oder von seiner sub-jektiven Bewertung bestimmt.

(22)

Die unterschiedlichsten auslösenden Ursachen von Schlafstörungen, gleich ob sie physikalischer Natur, verhaltensbedingt oder intrinsisch sind, stören die Erholungs-funktion des Schlafes und reduzieren die Konzentrations- und die Leistungsfähigkeit am Tage. Einschlafen am Steuer, Schläfrigkeit und Müdigkeit stellen insgesamt die häufigsten feststellbaren Unfallursachen im Verkehrswesen dar. Verkehrsunfälle mit Personenschäden sind häufiger auf eine schlafmedizinisch bedingte als auf eine phar-makologisch bedingte Ursache wie Alkohol und Drogen zurückzuführen. Angesichts der diagnostischen, präventiven und therapeutischen Möglichkeiten, welche die mo-derne Schlafmedizin geschaffen hat, wären sie zum Großteil vermeidbar.

[8, 14, 80, 77, 74, 21]

1.7.4 Untersuchung und Behandlung

Diagnostik und Therapie von Schlafstörungen sollten multimodal erfolgen. Vor dem Hintergrund der internationalen Entwicklung wurde ein konsensusbasierter Algorith-mus entwickelt und in der Leitlinie „Nicht erholsamer Schlaf“ veröffentlicht.

Hausärztliche Screening-Untersuchungen und fachärztliche Weiterbehandlung sollten Hand in Hand gehen. Eingangskriterium zur Anwendung des Algorithmus ist die Be-schwerde des nicht erholsamen Schlafes bei bestehenden Ein- und/oder Durchschlaf-störungen und/oder bei Tagesschläfrigkeit, verknüpft mit einer erheblichen Leistungs-einschränkung der Patienten. Die schlafmedizinische Anamnese wird erleichtert und optimiert durch den Gebrauch von Fragebögen.

Mit Hilfe des Algorithmus „Nicht erholsamer Schlaf“(vgl. S. 33) lassen sich die Sym-ptome differenzieren, die schlafhygienebedingt, verhaltensabhängig, substanzbedingt oder die ein Symptom anderer, vorbestehender Erkrankungen sind. Der Weg über die Anamnese führt in der Regel auch für die Psychophysiologische Insomnie und das Restless Leg Syndrom (RLS) zum Erfolg. Zur Diagnosestellung bzw. zur erfolgrei-chen Behandlung der verbleibenden schlafmediziniserfolgrei-chen Erkrankungen aus intrinsi-scher Ursache, wie schlafbezogene Atmungsstörungen, schlafbezogene Bewegungs-störungen (PLMD) und Narkolepsie, ist in der Regel die Untersuchung im Schlaflabor mittels kardiorespiratorischer Polysomnographie erforderlich.

Die kardiorespiratorische Polysomnographie ist das standardisierte Messverfahren zur Registrierung von Schlaf, Atmung, Herztätigkeit und Bewegungen im Schlaf. Die elektrophysiologischen Zeichen für Störungen der Schlafarchitektur können exakt

(23)

erfasst werden und im Hinblick auf die auslösenden Ursachen wie Atemstillstände oder Körperbewegungen analysiert werden. Daraus kann beurteilt werden, ob die Struktur des Schlafes normal und ungestört ist, oder ob die Grundlagen für einen er-holsamen Schlaf nicht mehr gegeben sind.

Der Schweregrad der Tagesschläfrigkeit lässt sich durch die gezielte Befragung des Patienten abschätzen, kann aber wenn nötig mit dem Multiplen Schlaflatenztest (MSLT) quantifiziert werden. Dabei wird tagsüber im Schlaflabor mehrfach gemes-sen, wie viel Zeit vom Hinlegen bis zum Eintreten des Schlafs vergeht (Schlaflatenz). Voraussetzungen sind die genaue Instruktion des Untersuchten und das strenge Ein-halten der gut standardisierten Untersuchungsbedingung der vollkommenen äußeren Ruhe. Die Normalwerte der mittleren Schlaflatenz tagsüber betragen mehr als 15 Mi-nuten. Bei mittelgradiger Hypersomnie ist sie auf 5 bis 10 Minuten reduziert, bei schwerer Hypersomnie tritt der Schlaf in weniger als 5 Minuten ein. Außerdem ist in Schlaflaboren die Verwendung zahlreicher Vigilanztests verbreitet, denen aber ge-meinsam ist, dass die Motivation des Untersuchten zur Lösung der Testaufgaben bei-zutragen, das Ergebnis in unterschiedlichem Ausmaß beeinflussen kann.

Die Bewertung der Ergebnisse von Vigilanztests ist daher eingeschränkt und es gibt dazu keine international als repräsentativ anerkannten Untersuchungsergebnisse oder Normwerte.

Neben der stationären Diagnostik im Schlaflabor gibt es für einzelne Fragestellungen auch vereinfachte Registrierverfahren, die ambulant einsetzbar sind. So können trag-bare Rekorder mit mindestens vier Kanälen die peripheren Parameter Atmung bzw. Schnarchgeräusche, Puls, Sauerstoffsättigung im Blut und Körperlage bzw. Bewegung registrieren. Ein standardisiertes Patientenprotokoll ermöglicht die Abschätzung der Schlafzeit und damit die Schätzung der Atemstillstände pro Stunde Schlaf (Apnoein-dex, AI).

Naturgemäß ist das Schätzverfahren jedoch fehlerbehaftet und in seiner Aussagekraft eingeschränkt gegenüber den Messverfahren im Schlaflabor. Als vereinfachtes Früh-erkennungsverfahren kommt es bevorzugt zum Einsatz bei Patienten, deren klinische Symptomatik stark auf das Vorhandensein eines Obstruktiven Schlafapnoe Syndroms hinweist, die aber subjektiv keine vermehrte Tagesschläfrigkeit beklagen. Bei ihnen bestünde gemäß dem Algorithmus »Nicht erholsamer Schlaf« somit keine primäre Indikation zur Untersuchung im Schlaflabor. Die ambulant einsetzbaren Geräte sind

(24)

besonders, wenn sie über die zusätzliche Option einer Aufzeichnung des therapeuti-schen Drucks in der Beatmungsmaske verfügen.

In der Behandlung von Schlafstörungen und schlafmedizinischen Erkrankungen gibt es medikamentöse, verhaltenstherapeutische und apparative Therapieprinzipien, deren Einsatz sich nach Art und Schwere der Erkrankung richten sollte.

[80, 66, 76, 17, 12, 73, 21, 89, 43]

1.7.5 Folgen des Schlafmangels

Aufgrund mangelnder Erholung im Schlaf kann es zu vielfältigen Beschwerden kom-men, die sich in Befindlichkeitsstörungen bis hin zu manifesten Erkrankungen äußern können. Die Betroffenen fühlen sich unwohl, sie sind leicht reizbar und tagsüber schläfrig. Ihre Leistungsfähigkeit wird messbar reduziert, die Konzentrationsleistung lässt nach, Reaktionszeiten werden länger und Fehlreaktionen häufen sich. In einer hoch entwickelten Industrie- und Informationsgesellschaft können daraus für alle schwerwiegende Risiken erwachsen. Denn mit der Verbreitung der neuen Technolo-gien nehmen zumeist die Anforderungen an physische Leistungen ab, während die Anforderungen an lang andauernde Konzentrationsleistungen am Arbeitsplatz steigen. Steuer- und Überwachungstätigkeiten verlangen, dass auch unter reizarmen, monoto-nen Bedingungen dauerhaft auf seltene und unerwartete äußere Reize angemessen reagiert wird.

Die schwerwiegenden Auswirkungen auf Leistungsfähigkeit und Wachheit, die schon von einer relativ geringen, sich aber wiederholenden und aufsummierenden Ausdeh-nung der Wachphase ausgehen, wurden im Rahmen eines Experimentes eindrucksvoll belegt.

Dabei wurden bei jungen gesunden Erwachsenen die Folgen eines totalen Schlafent-zuges über 2 Tage und 2 Nächte mit den Auswirkungen eines längerfristigen kumula-tiven Schlafentzuges verglichen (die Schlafzeit war auf 6 Stunden oder weniger über einen Zeitraum von 14 Tagen begrenzt).

Schon ab einem kumulativen Schlafentzug von knapp 16 Stunden innerhalb von zwei Wochen zeigten sich ähnlich dramatische Veränderungen der physiologischen Para-meter und der kognitiven und psychomotorischen Leistungen wie nach zwei Nächten vollständigen Schlafentzugs. Die Leistungseinbußen, die durch kumulativen Schlaf-entzug über einen längeren Zeitraum entstanden waren, wurden jedoch von den

(25)

Be-troffenen subjektiv weniger deutlich wahrgenommen als nach einem kurzzeitigen vollständigen Schlafentzug.

Unfälle im Straßenverkehr und Arbeitsunfälle bei monotonen Tätigkeiten gehören zu den gravierenden Folgen von Schlafmangel und vom nicht erholsamen Schlaf. Die Assoziation zwischen der Anzahl der Schlafapnoen und dem Risiko eines Autofah-rers, in einen Verkehrsunfall verwickelt zu sein, ist belegt. Eine systematische Unter-suchung der nächtlichen Atmung bei Autofahrern, die einen Verkehrsunfall erlitten hatten, und Kontrollpersonen ohne Unfallvorgeschichte zeigte, dass 10 und mehr Ap-noen je Stunde Schlafzeit mit einem mehr als sechsfach erhöhten Risiko für einen Autounfall einhergehen .

Die Analyse nationaler Unfalldaten aus dem Jahr 1994 basiert auf Daten der USA von 1988 und zog die Uhrzeit der Unfälle zur Bewertung der Schläfrigkeit mit heran. Bei der Hochrechnung wurde angenommen, dass ein großer Teil der nächtlichen Unfälle trotz gegenteiliger Angaben der Autofahrer auf Schläfrigkeit zurückgeführt werden können. In der Re-Analyse wurden die prozentualen Angaben zum Einschlafen am Steuer aus anderen Studien benutzt, um den wegen der geringeren Verkehrsdichte kleineren Bruchteil der nächtlichen Unfälle zwischen 2 und 6 Uhr zu bestimmen, die auf Einschlafen am Steuer zurück geführt werden können. Die weit auseinander ge-henden Schätzungen für den Anteil von Verkehrsunfällen, die auf Schläfrigkeit zu-rückzuführen sind, illustrieren die methodischen Schwierigkeiten von Berechnungen, die sich teilweise auf Annahmen stützen. Von Bedeutung ist insbesondere, dass zu den Verkehrsunfällen, die ausschließlich auf Einschlafen am Steuer zurückzuführen sind, noch ein hoher Anteil von Verkehrsunfällen hinzukommt, bei denen Schläfrigkeit eine von mehreren unfallauslösenden Ursachen war. Das Präventionspotential ist für beide Fälle sehr hoch.

[16, 6, 21, 25, 44, 46, 21]

1.7.6 Pathologie des Schlafes

Einige spezielle Pathologika zum Thema Schlaf sollen nochmals die Wichtigkeit her-vorheben, wie bedeutsam erholsamer Schlaf ist, aber auch die Tragweite von Schlaf-mangel veranschaulichen.

(26)

äußerst seltene familiär vererbte Erkrankung. Verantwortlich für die Erkran-kung ist ein mutiertes Prionenprotein-Gen. Die meisten Patienten erkranken zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr. Im Vordergrund steht eine schwere Stö-rung des Schlaf-Wach-Rhythmus der Patienten, d. h., sie leiden unter schweren Schlafstörungen. Es wird daher angenommen, dass sich die krankhaften Ver-änderungen speziell im Stammhirn abspielen, das als entwicklungsgeschicht-lich alter Teil des Gehirns den Aktivitätsrhythmus steuert. Die Erkrankung verläuft über sieben bis achtzehn Monate und endet immer tödlich. Sie wurde erstmals im Jahre 1986 beschrieben und ihre Übertragbarkeit im Jahre 1995 nachgewiesen.

• Beim Restless Leg Syndrom („Wittmaack-Ekbom-Syndrom“) leiden die Pati-enten unter unangenehmen Missempfindungen oder Bewegungsdrang in den Beinen (oder Armen), sobald sie zur Ruhe kommen, so dass sie nachts nicht einschlafen können. Das RLS ist eine neurologische Erkrankung, die sehr weit verbreitet ist (5-10% der Bevölkerung) und wird - auch von den Betroffenen selbst - oftmals lange Zeit nicht als Ursache ihrer Schlafstörungen erkannt. Der entstehende Schlafentzug durch die gestörten Schlafphasen führt zu Tagesmü-digkeit, kognitiven Leistungseinbußen und depressiven Verstimmungen. Eine Behandlung mit Medikamenten ist fast immer möglich.

• Narkolepsie ist ein Syndrom von vier Merkmalsbereichen, deren vorherr-schendes Symptom eine krankhaft gesteigerte Tagschläfrigkeit sowie ein durch Auslöserereignisse veranlasster Schlaf („Trigger-Schlaf“) oder Verlust der Muskelkontrolle (Kataplexie) sind. Ferner sind oft die Schlafphasen in ihrer Reihenfolge verändert, so dass es zu „hypnagogen Halluzinationen“ und zu „Schlaflähmung“ kommen kann. Neurobiologisch liegt der Narkolepsie ein genetischer Defekt im Rezeptor für Orexin zugrunde. Schlaflähmung tritt auch bei gesunden Menschen manchmal beim Aufwachen ein. Die Lockerung der Nervenblockade läuft dann in falscher Reihenfolge ab, so dass zunächst die sensorischen Nerven und dann erst die motorischen Nerven „freigeschaltet“ werden. In diesem Zustand hört und fühlt der Mensch alles, kann jedoch nichts sagen, sich nicht bewegen, auch nicht die Atmung beschleunigen. Es wird von einem beengenden Gefühl völliger Machtlosigkeit berichtet. Eine solche Situa-tion tritt auch manchmal bei unzureichend narkotisierten Patienten während einer Operation auf. Manche Formen des Komas sollen ebenfalls von

(27)

Betrof-fenen so empfunden werden, auch gibt es Berichte von Drogenkonsumenten über derartige Erfahrungen.

[8, 14, 80, 58, 66, 82, 22, 76, 91, 20, 104, 16, 6, 21]

1.7.7 Schlafentzug

Schlafentzug ist das gewollte bzw. ungewollte Verhindern des Schlafens, d. h. die Unterdrückung des Schlafbedürfnisses. [100]

1.7.7.1 Therapeutischer Schlafentzug

Schlafentzug kann therapeutisch genutzt werden, zum Beispiel als Versuch der Be-handlung bei Depressionen.

Folgen des lang anhaltenden Schlafentzugs oder der Schlaflosigkeit zeigten sich bei Ratten, die zu Forschungszwecken gewaltsam am Schlaf gehindert wurden. Sie star-ben schließlich. Vor ihrem Tod zeigte sich eine Störung der Aufrechterhaltung der Körpertemperatur (Thermoregulation).

Im Jahre 1965 stellte der 17-jährige amerikanische Schüler Randy Gardner einen Weltrekord auf, indem er 264 Stunden (also 11 Tage) nicht schlief. Unabhängige Be-obachter verfolgten seinen Versuch.

Aus einer experimentellen Schlafentzugsstudie wurde bekannt, dass nach 24 Stunden die Versuchspersonen sehr leicht zu reizen waren. Nach 65 Stunden begann eine Frau beim Waschen auf Armen und im Gesicht Spinnweben zu sehen und versuchte ver-zweifelt, sie zu entfernen. Eine andere Frau beschwerte sich, dass ihr Hut zu eng sei und drücke, obwohl sie keinen trug. [87]

1.7.7.2 Schlafentzug als Folter oder Strafe

Schlafentzug wurde und wird als Foltermittel eingesetzt, häufig in Diktaturen (z. B. war es in der Sowjetunion unter Stalin eine gängige Verhörmethode, aber auch in der ehemaligen DDR).

Im antiken Rom soll König Perseus von Mazedonien als Gefangener durch Schlafent-zug getötet worden sein.

(28)

Aus dem alten China wird berichtet, dass Verbrecher mit dem Tod durch Schlafentzug bestraft wurden.

Auch in Stasigefängnissen wurde der Schlafentzug bis zum Jahre 1989 als Folter ein-gesetzt.

Darüber hinaus ist bekannt, dass die US-Armee und die CIA im so genannten Antiter-rorkrieg Gefangene mit Schlafentzug, etwa in Form von dauerhafter Beschallung mit lauter Musik, gefoltert haben sollen. [2]

1.7.8 Risikofaktoren für Bluthochdruck als Beispiel

Das Obstruktive Schlafapnoe Syndrom ist ein unabhängiger Risikofaktor für Blut-hochdruck, neben den bekannten Risikofaktoren wie Übergewicht und Erhöhung der Blutfette. Damit stellt das Obstruktive Schlafapnoe Syndrom auch ein Risiko für das Auftreten von Arteriosklerose, Herzinfarkt und Schlaganfall dar.

In einer nichtrandomisierten Studie bei über 400 Patienten mit polysomnographisch gesicherter Schlafapnoe wurde die Mortalität untersucht. Bei Patienten mit schwerer unbehandelter Schlafapnoe war nach 10 Jahren die Mortalität gegenüber erfolgreich behandelten Patienten um 40% erhöht. Damit ist ihre Sterblichkeit erheblich höher als die der normalen Bevölkerung, wenn auch niedriger als bei anderen Volkskrankheiten, wie zum Beispiel bei der Chronisch Obstruktiven Lungenerkrankung (COPD). Bei erfolgreicher Behandlung des Obstruktiven Schlafapnoe Syndroms mit kontinuierli-cher nasaler Überdruckbeatmung (nCPAP) normalisiert sich die Mortalität der Patien-ten über einen Zeitraum von 10 Jahren auf die Werte der Allgemeinbevölkerung. Wei-tere Studien an Patienten mit Obstruktivem Schlafapnoe Syndrom und Bluthochdruck konnten zeigen, dass unter adäquater Behandlung der Schlafapnoe der Blutdruck am Tage sinkt und dass sich auch die Einschlafneigung am Tage normalisiert. In popula-tionsbasierten Studien ist die erhöhte Mortalität von Patienten mit Obstruktivem Schlafapnoe Syndrom noch nicht nachgewiesen.

[5, 54, 64, 66]

1.7.9 Gesundheitliche Ziele

Ziel muss sein, die wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse der Schlafmedizin zu nutzen, um allen vom nicht erholsamen Schlaf und seinen Folgen schwerwiegend

(29)

Be-troffenen, sowie allen, die erhebliche schlafbedingte gesundheitliche Risiken mit sich tragen, die angemessene und notwendige Versorgung zukommen zu lassen und damit präventiv tätig zu werden.

Die Bevölkerung, insbesondere die besonders gefährdeten Personengruppen wie Kraftfahrzeugführer, Nacht- und Schichtarbeiter und Personal mit Steuer- und Über-wachungstätigkeiten, sollten ausreichend über Ursachen, Erscheinungsformen und Folgen des nicht erholsamen Schlafs informiert sein.

Neben den Gesundheitsrisiken, die insbesondere von der Tagesschläfrigkeit ausgehen, müssen die präventiven Möglichkeiten besser bekannt gemacht werden, insbesondere die Regeln der Schlafhygiene. Jedem sollte klar sein, dass das Arbeiten oder Autofah-ren im unausgeschlafenen Zustand ähnlich risikobeladen ist wie unter Alkoholein-fluss. Die Kenntnis der grundlegenden Zusammenhänge zwischen Schlafen und Wa-chen sowie den Beschwerden und Symptomen von Schlafstörungen und schlafmedi-zinischen Erkrankungen sind eine entscheidende Voraussetzung, um präventive, dia-gnostische, therapeutische und rehabilitative Angebote effektiv und mit Aussicht auf Erfolg zu nutzen. Das notwendige Versorgungsangebot muss erreichbar und die Ver-sorger müssen in der Lage sein, die gesicherten Erkenntnisse in einem angemessenen Umfang über das gesamte Spektrum der schlafmedizinischen Erkrankungen anzubie-ten.

Die Nutzung der Ressourcen der Schlafmedizin verbessert nicht nur Gesundheit und Lebensqualität der Betroffenen, sondern ist eine Voraussetzung, damit die Menschen in den entwickelten Industriegesellschaften den täglichen Anforderungen an ihre Leis-tungsfähigkeit standhalten können.

Algorithmen zur Diagnostik und Therapie dienen zur Vereinfachung. Stärke der Be-schwerden, Art und Ausmaß der mit den Schlafstörungen und schlafmedizinischen Erkrankungen jeweils verbundenen Einschränkungen und Gesundheitsrisiken können so erkannt werden. Alle differentialdiagnostisch als Ursache in Frage kommenden Erkrankungen müssen gleichermaßen mit einbezogen werden. Die Fokussierung auf nur einen Teil des Morbiditätsspektrums bei gleichzeitiger Außerachtlassung der Ver-sorgungsnotwendigkeit der übrigen epidemiologisch als relevant erkannten schlafme-dizinischen Erkrankungen ist Ausdruck einer Fehlentwicklung.

Neue Konzepte der medizinischen Versorgung, wie geplante Projekte zur integrierten Versorgung mit arbeitsteilig strukturierter Kooperation von niedergelassenen Primär-

(30)

setzungen zur qualitätsgesicherten Versorgung von Patienten mit einem Obstruktiven Schlafapnoe Syndrom, einschließlich der differentialdiagnostisch wichtigen Erkran-kungen wie Periodische Beinbewegungen im Schlaf (PLMD), Restless Leg Syndrom (RLS), Narkolepsie und andere. Darüber hinaus müssen Leistungsschwerpunkte aus-gebaut werden, insbesondere im Hinblick auf Patienten mit schwerer primärer Insom-nie, mit gefährdenden Parasomnien, mit Narkolepsie und mit Bewegungsstörungen im Schlaf.

Fortschritte in der Informationstechnologie haben die Arbeit in den schlafmedizini-schen Zentren durch Standardisierung der Ableittechnik, Optimierung der Schritte zur Dokumentation und Auswertung der Daten sehr effizient und transparent werden las-sen. Sie ermöglichen auch ein übersichtliches Qualitätsmanagement und können ge-nutzt werden, um die Datenübertragung an zuweisende oder weiterbehandelnde Ärzte zu vereinfachen.

Die Ausweitung komplexer diagnostischer und therapeutischer Verfahren auf Leis-tungsanbieter ohne die notwendige Kompetenz bringt hingegen für die Betroffenen keinen Nutzen, möglicherweise eher Schaden durch falschnegative Entscheidungen, und verursacht vermeidbare Kosten infolge falschpositiver Entscheidungen und unzu-länglicher Behandlungen.

Suchtprävention ist ebenfalls notwendig. Täglich nehmen in Deutschland über eine halbe Million Menschen Schlafmittel. Die Angst vor schlechtem Schlaf nach Abset-zen des Medikaments (die sog. Rebound Insomnie) führt bei vielen zur Weiterein-nahme. Besteht bereits Abhängigkeit, ist es die Angst vor den Entzugserscheinungen, welche die Einnahme aufrechterhält.

Auf dem Gebiet der Insomniebehandlung sind Initiativen zu fördern, die sich der E-tablierung kognitiv-verhaltenstherapeutischer Methoden in der Versorgung widmen, da es sich hierbei um hocheffektive Therapien handelt, die dem Gros der Patienten bisher nicht zur Verfügung stehen. Der Fortschritt in der Versorgung der oben ge-nannten Patientengruppen wird unter anderem ein wichtiges Kriterium sein für den Stand der Entwicklung der Schlafmedizin in Deutschland.

Vernetzung und notwendige Kompetenz zwischen niedergelassenen Ärzten und Schlafmedizinischen Zentren kann es ermöglichen, die Patienten mit Schlafstörungen zum ganz überwiegenden Teil ohne spezifischen apparativen Aufwand zu versorgen. Dann können sich schlafmedizinisch geschulte Fachärzte und Psychologen und die schlafmedizinischen Zentren auf die Versorgung derjenigen Patienten konzentrieren,

(31)

deren komplexe, meist intrinsisch verursachte schlafmedizinische Erkrankungen in der Regel nur mittels spezifischer apparativer Untersuchungen zuverlässig diagnosti-ziert werden können.

Auf der Grundlage der so gesicherten Diagnose können die Betroffenen dann nach-vollziehbar und erfolgreich behandelt werden.

[77, 88, 26, 15]

Die nachfolgende Klassifikation der Schlafstörungen orientiert sich am 2005 revidier-ten ICSD 2.

1.8 Einteilung der Schlafstörungen nach ICSD 2

Insomnien Anpassungsbedingte oder akute Insomnie

Psychophysiologische Insomnie Paradoxe Insomnie

Idiopathische Insomnie

Insomnie im Rahmen einer psychischen Störung

Insomnie im Rahmen inadäquater Schlaf-hygiene

Verhaltensabhängige Schlafstörungen in der Kindheit

Insomnie im Rahmen von Medikamenten- oder Substanzmittelmissbrauch

Insomnie im Rahmen einer organischen Erkrankung

Insomnie unabhängig von Substanzmit-telgebrauch oder anderen physiologischen Bedingungen; nicht spezifiziert

Physiologische Insomnie

Schlafbezogene Atmungsstörungen Zentrale Schlafapnoe Syndrome

• Primär-zentrales SAS

(32)

Cheyne-Stokes-Atmung

• Zentrales SAS im Rahmen perio-discher Atmung in großer Höhe

• Primäre Schlafapnoe in der Kind-heit

• Zentrale Schlafapnoe in Folge Medikamenten- oder Substanzmit-telgebrauchs

Obstruktive Schlafapnoe Syndrome

• OSAS

• OSAS in der Kindheit

Schlafbezogene Hypoventilations-/ Hypo-xämie-Syndrome

• Schlafbezogene nichtobstruktive alveoläre Hypoventilation

• Kongenitales zentrales alveoläres Hypoventilationssyndrom

Hypersomnien zentralnervösen Ur-sprungs

Narkolepsie mit und ohne Kataplexie Narkolepsie im Rahmen einer organischen Erkrankung

Periodische Hypersomnien

Idiopathische Hypersomnie mit und ohne verlängerte Schlafzeit

Verhaltensabhängiges Schlafmangel-Syndrom

Hypersomnie im Rahmen einer organi-schen Erkrankung

Hypersomnie im Rahmen eines Medika-menten- oder Substanzmittelmissbrauchs Nicht organische Hypersomnie

Zirkardiane Rhythmus-Schlafstörungen

Verzögertes und vorverlagertes Schlaf-phasensyndrom

Unregelmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus Typ Jetlag

(33)

Typ Schichtarbeit

Zirkardiane Rhythmus-Schlafstörungen im Rahmen einer organischen Erkrankung Zirkardiane Rhythmus-Schlafstörung im Rahmen eines Medikamenten- oder Sub-stanzmittelgebrauchs

Zirkardiane Rhythmusstörung

Parasomnien Arousal-Störung (Non-REM-Schlaf)

• Schlaftrunkenheit, Schlafwandel,

• Pavor nocturnus

REM-Schlaf-gebundene Parasomnien

• REM-Schlaf-Verhaltensstörung

• Wiederkehrende isolierte Schlaf-lähmung

• Nächtliche Alpträume Andere Parasomnien

• Schlafbezogene dissoziative Stö-rung, Enuresis, Halluzination, Ess-störungen

• Nächtliches Stöhnen

Schlafbezogene Bewegungsstörungen Restless Leg Syndrom

Periodische Bewegungsstörungen der Gliedmaßen

Schlafbezogener Bruxismus

Schlafbezogene rhythmische Bewegungs-störungen

Isolierte Symptome, Normvarianten Langschläfer Kurzschläfer Schnarchen

Sprechen im Schlaf Einschlafzuckungen

Andere Schlafstörungen Andere physiologische (organische) Schlafstörungen

(34)

men eines Substanzmittelmissbrauchs oder einer bekannten physiologischen Erkrankung

Umweltbedingte Schlafstörung

Anhang A: Mit anders klassifizierten Störungen assoziierte Schlafstörungen

Fatale familiäre Insomnie Fibromyalgie

Schlafbezogene Epilepsie Schlafbezogener Kopfschmerz Schlafbezogene koronare Ischämie Schlafbezogener gastroösophagealer Reflux

Schlafbezogenes abnormes Schlucken, Würgen und Laryngospasmus

Anhang B: Andere psychiatrische oder verhaltensbezogene Störungen, die häufig mit der Differentialdiagnose von Schlafstörungen zusammenhängen

Affektive Störungen Angststörungen

Somatoforme Störungen

Schizophrenie und andere psychotische Störungen

Persönlichkeitsstörungen

Störungen, deren Erstdiagnose üblicher-weise in der frühen Kindheit, beim Ju-gendlichen oder

Heranwachsenden gestellt werden. (vgl. Weeß, Hans-Günter: Diagnostik von Schlafstörungen. In: Verhaltenstherapie 2005, S. 4)

[1, 66, 97]

1.9 Schlafbezogene Atemstörungen

Schlafbezogene Atemstörungen werden unterschieden aufgrund der Ätiologie und der Physiologie. Es kommt zu pharyngealen Obstruktionen, Gasaustauschstörungen, zent-ralen und peripheren Störungen der Atmungspumpe. Im Unterschied zu zentzent-ralen noen mit Atemstillstand bei ausbleibender Atmung, kommt es bei obstruktiven

(35)

Ap-noen zu bleibender Atemanstrengung bei sistierender Ventilation. Zur Diagnosefin-dung dienen Anamnese und vor allem die kardiorespiratorische Polysomnographie. Bei zentralen Apnoen wiederholen sich Atemaussetzer mit Dauer >10 sek. Die Ätio-logie ist nicht eindeutig geklärt. Bei anhaltender Apnoe kommt es durch zentral ge-steuerte Gegenregulation aufgrund veränderter CO2 und O2 Partialdrücke zu Weckre-aktionen (Arousal). Dies führt zur Schlaffragmentierung mit erhöhter Tagesmüdigkeit. Es liegen Assoziationen zu internistischen Begleiterkrankungen vor, wie Herzinsuffi-zienz und NiereninsuffiHerzinsuffi-zienz.

Auch in der Kindheit kann dieses Krankheitsbild vorkommen. Hier liegen Zusam-menhänge zum plötzlichen Kindstod (SIDS).

Beim Obstruktiven Schlafapnoe Syndrom(OSAS) kommt es zu kompletten (Apnoe) oder inkompletten (Hypopnoe) Obstruktionen der extrathorakalen Atemwege mit ei-ner Dauer >10 sek. Es kommt zum Sättigungsabfall, was wiederum zu Arousals füh-ren kann. Weiterhin kann es zu starkem Schnarchen, Atemaussetzern und ausgepräg-ter Tagesmüdigkeit kommen, mit Abnahme der Lebensqualität.

Durch Erhöhung des Sympathikotonus und erhöhte Katecholaminspiegel gibt es Kor-relationen zu Herzkreislauferkrankungen wie Hypertonie und Herzrhythmusstörun-gen. Der erhöhte intrathorakale negative Druck, Kombination aus Hypoxämie und Hyperkapnie kann die linksventrikuläre Nachlast erhöhen bei gleichzeitig verminder-ter Vorlast mit erniedrigtem kardialen Schlagvolumen. Auch proatherogene Effekte werden diskutiert, durch Erhöhung der Endothelinsekretion. Es zeigt sich eine vasku-läre, NO (Stickstoff) - vermittelte endotheliale Dysfunktion und geht vermehrt mit arterieller Hypertonie einher. Ebenso gibt es Hinweise für eine Hyperkoaguabilität durch erhöhte Plasmafibrinogen-Spiegel, gesteigerte Thrombozytenaggregation und reduzierte fibrinolytische Aktivität.

Der Häufigkeitsgipfel liegt zwischen dem 30. und 60. Lebensjahr und betrifft ca. 4% der männlichen und ca. 2% der weiblichen Bevölkerung. Die Genese ist multifakto-riell. Anatomische Besonderheiten des weichen Gaumens sowie der oberen Atemwege sind ebenso ursächlich, wie bestimmte Grunderkrankungen, bei denen es gehäuft zu OSAS kommt (Hypothyreose, Trisomie 21, Akromegalie). Auch Lebensgewohnheiten haben Einfluss auf das Entstehen von OSAS, z.B. Nikotinabusus, übermäßiger Alko-holgenuss sowie ein erhöhtes Körpergewicht.

(36)

Risi-zum Goldstandard geworden, BiPAP/cPAP- Beatmung. Bei der BiPAP- Beatmung kommt es durch Absenkung des Ausatemdruckes und der druckgesteuerten Beatmung zur Steigerung der Respiration, diese Steuerung ist variabel. Bei der cPAP- Beatmung ist der Druck kontinuierlich, und es kommt zur pneumatischen Schienung.

Bei schlafbezogenen Hypoxämien und Hypoventilationen ist die Ursache der Störung eine fehlerhafte Kontrolle der Ventilation mit reduzierter Steigerung der Atemantwort bei vorliegender Hyperkapnie oder Hypoxie. Mitverantwortlich scheinen Störungen der Chemorezeptoren der medulla oblongata und Affektionen im Hirnstamm zu sein. Die nächsten Schritte greifen kaskadenartig ineinander. Zu Beginn der Diagnosefin-dung sollte die ausführliche Anamnese liegen mit Berücksichtigung von familiärer Situation, Beruf, Einnahme von Medikamenten und Genussmitteln sowie Vorerkran-kungen und auch Schlafhygiene. Es liegen zahlreiche Fragebögen zur weiteren Diag-nosefindung vor, wie die Epworth Sleepiness Scale. Im nächsten Schritt kann ambu-lant ein Screening mittels einfacher Somnographie durchgeführt werden. Wenn es hier zu Auffälligkeiten wie wiederholten Desaturationen, Atempausen oder Apnoe/ Hy-popnoe-Indices >5 kommt, sollte eine weiterführende Untersuchung in einem Schlaf-labor stationär mittels kardiorespiratorischer Polysomnographie erfolgen.

Beim OSAS besteht die Therapie in Basismaßnahmen wie Gewichtsreduktion, evtl. BiPAP/cPAP und in Ausnahmefällen in chirurgischen Interventionen.

Bei zentralen Atemstörungen sollte die Therapie der Grunderkrankung erfolgen; des Weiteren bestehen die Möglichkeiten der Sauerstofflangzeittherapie und ebenfalls die der kontrollierten nichtinvasiven Beatmung.

(37)

1.9.1 Klinischer Algorithmus: Nichterholsamer Schlaf

(vgl.: AWMF (2004): Leitlinien Nicht-erholsamer Schlaf.)

2. Fragestellung

In dieser Arbeit soll die Prävalenz schlafbezogener Atemstörungen in einer ländlichen Allgemeinmedizin-Praxis untersucht werden. Die schlafbezogenen Atemstörungen gewinnen immer größere Bedeutung in der Inneren Medizin und damit auch in der Allgemeinmedizin, aufgrund der zahlreichen vergesellschafteten Erkrankungen. Der Großteil der Patienten geht gerade noch im ländlichen Bereich primär zum Hausarzt, der hier noch mehr als in der Stadt die Funktion eines Lotsen ausübt. Daraus folgt, dass bei Verdacht auf das Vorliegen einer schlafbezogenen Atemstörung der Allge-meinmediziner die Rolle des Koordinators für das weitere Vorgehen übernehmen soll-te. Somit kommt eine Vielzahl von Patienten mit Schlafstörungen primär zum Haus-arzt.

(38)

han-Daten aus anderen Ländern und um han-Daten aus dem städtischen Bereich. Es existieren jedoch keine Daten von Untersuchungen aus dem ländlichen Bereich. Aus dem oben Gesagten wird daher klar, dass der speziellen Situation auf dem Land geschuldet, der Hausarzt im Umgang mit schlafbezogenen Atemstörungen vertraut sein muss und entsprechende Diagnostik einleiten können muss. Es existieren Zahlen, die schätzen, dass ca. 20% der Patienten einer Praxis Schlafstörungen haben. Keine Untersuchung hat sich speziell mit der Patientenversorgung bei schlafbezogenen Atemstörungen auf dem Land mit der besonderen Hausarzt-Patient-Beziehung beschäftigt. Daher soll diese Arbeit zeigen, ob die bisherigen Untersuchungen vergleichbar für das hier unter-suchte Patientenkollektiv sind.

3. Methodik

Die Untersuchung wurde in einer ländlichen Allgemeinmedizinpraxis durchgeführt. Es handelt sich um eine Gemeinschaftspraxis mittlerer Größe in Breuna, Landkreis Kassel, Nordhessen.

Das Spektrum umfasst die ganze Bandbreite allgemeinmedizinischer Tätigkeit mit Familienmedizin, Früherkennungsuntersuchungen bei Kindern und Jugendlichen, Ju-gendschutzuntersuchungen, Vorsorgeuntersuchungen, Labordiagnostik, Ultraschall, EKG, Belastungs-EKG, Langzeitblutdruckmessung, hausarztzentrierter Versorgung, Betreuung von DMP-Patienten, Untersuchung auf das Vorliegen schlafbezogener A-temstörungen, kleiner Chirurgie sowie notfallmedizinische Versorgung.

Dem nicht selektierten Patientengut, geschlechtsunabhängig, Mindestalter jedoch 18 Jahre, wurden am Empfang der Praxis 2 Fragebögen ausgehändigt, welche freiwillig ausgefüllt werden konnten. Dabei handelt es sich zum einen um die Epworth Sleepi-ness Scale [34, 35, 36, 37]. Dieser ist ein Kurzfragebogen zur Erfassung der Tages-schläfrigkeit. Er ist schnell durchführbar und hat sich mittlerweile in vielen Schlafin-stituten als Fragebogen bewährt. Hier wird ein Summenscore aus 8 erfassten Situatio-nen gebildet. Die Punktzahl kann zwischen 0 und 24 Punkten liegen, als auffällig wird eine Punktzahl >9 angesehen (siehe Seite 38). Zum anderen ein Schlaffragebogen, der Aufschluss über ein eventuell bestehendes Apnoe-Syndrom geben soll [65]. Auch dieser hat sich im klinischen Alltag sowie in Publikationen bewährt. Hier werden 8 Fragen gestellt, die Antwort besteht aus Ja und Nein. Der entsprechenden Frage wird der Ja oder Nein Antwort ein Punktwert von -1, +1 oder 0 zugeordnet, bei einem Body

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Nach eingehenden Besprechungen zwischen der Agrarmeteorologischen Bera- tungs- und Forschungsstelle des Deutschen Wetterdienstes in Bonn-Bad Godesberg, der Bundespost und der

hat, so wirkt das Instrument als eineArt Passage-Instrument im verticalen Sinn und man hat dann in einem solchen Theodolit, welcher nicht dauernd fest aufgestellt zu sein braucht,

hat, so wirkt das Instrument als eineArt Passage-Instrument im verticalen Sinn und man hat dann in einem solchen Theodolit, welcher nicht dauernd fest aufgestellt zu sein braucht,

Ursprünglich sollten bei jedem Patienten die Ergebnisse des SBB und der klinischen Un- tersuchung in Zusammenhang mit den Resultaten der ambulanten Messung gebracht werden, um

Hierzu erfolgt ein Vergleich der Prävalenz des OSAS bei Patienten mit Beinvenenthrombose und Lungenembolie und Patienten ohne Beinvenenthrombose oder Lungenembolie