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Predigt am 17. Mai 2009 Thema: Segen und Fluch der Herkunftsfamilie

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Predigt am 17. Mai 2009

Thema: Segen und Fluch der Herkunftsfamilie

Leitwort: „Ich lasse dich nicht, es sei denn, Du segnest mich.“

Predigttext: 1. Mose 32, 23-33

Es gibt immer mal wieder Zeiten im Leben eines Menschen, da interessiert er sich ganz besonders für seine Familiengeschichte. Im Moment geht das vielen Leuten so, es gibt einen richtigen Boom in der Ahnenforschung. Interessant ist, dass gerade in unserer Zeit, wo die Leute vereinzelter leben als je zuvor, das Interesse an der Familie wächst.

Weil in unserer Zeit alles so beliebig und austauschbar wirkt, wächst das Interesse an dem

Gewachsenen, Echten in mir, nach dem, was nicht durch einen Besuch beim Friseur und bei H&M bis zur Unkenntlichkeit verändert werden kann.

Vielfach spielt natürlich Eitelkeit eine Rolle, wenn Leute Ahnenforschung betreiben.

Vielleicht hat man ja eine Ahnenreihe aufzuweisen, die einen ein bisschen aufwertet. So ein interessanter Stammbaum, das ist schon etwas. Dadurch fühlt man sich gleich bedeutender. Es gibt einen Haufen Christen, die forschen, ob sie nicht doch vielleicht zum auserwählten Volk gehören.

Manche sind auch damit zufrieden, wenn sie von Karl dem Großen abstammen. Aber meistens zieht man Nieten, und überhaupt kommt man oft nicht viel weiter als bis zum Anfang des 19 Jahrhunderts, es sei denn man hat blaues Blut in den Adern.

Es gibt aber auch noch einen wichtigeren, ernsthafteren Grund, weshalb sich Leute mit ihrer Familiengeschichte auseinandersetzen. Denn es ist heute weitläufig bekannt, dass nicht nur das Aussehen und bestimmte Begabungsstrukturen von den Vorfahren durch die Generationen zu uns weitergegeben werden, sondern auch bestimmte tradierte Lebenseinstellungen und Überzeugungen, die das Selbstbild prägen – manchmal in sehr störender Art und Weise. Und das Tückische ist, dass man das oft überhaupt nicht merkt. Diese oder jene Wahrheit scheint so sehr zu uns zu gehören wie unsere rechte Hand, die hinterfragen wir ja auch nicht, die ist einfach da. Wir kommen überhaupt nicht darauf, dass wir unfrei sind. Dass wir gehemmt sind, uns zu dem zu entwickeln, was Gott sich für uns gedacht hat.

Ich will mal ein Beispiel erzählen.

Bei meiner Familie, da war es so. Ich hatte als Kind immer mitbekommen, dass da früher, also in der Urgroßelterngeneration, mal ein großer Bauernhof gewesen ist in der Familie, und zwar in

Ostfriesland. Aber unglücklicherweise war der durch die finsteren Machenschaften eines

nichtswürdigen Zweiges der Familie abhanden gekommen. Da konnte man nichts machen. Aber im Grunde waren wir Großbauern. Wir waren schon was.

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Als ich mich dann als Erwachsener mit dieser Geschichte befasste, fiel es mir wie Schuppen von den Augen – ich begriff plötzlich, warum verschiedene Verwandte von mir in unterschiedlicher Art und Weise den unseligen Hang hatten, über ihre Verhältnisse zu leben. Das war´s! Die armen Menschen hatten ihr Wollen und Trachten darauf ausgerichtet, den Anzug auszufüllen, den die

Familientradition ihnen hingehängt hatte, der war nur leider zu groß für sie…Und waren überhaupt nicht auf die Idee gekommen, zu sagen: Der Anzug da? Nein, der passt mir doch nicht, guckt mich doch bloß mal an. Ich hole mir einen anderen, kleineren! Versteht ihr? Tradierte Grundeinstellungen können uns binden. Sie können uns in Trab halten. Sie können uns behindern wie unnötiges Gepäck, das man mit sich rumschleppt.

Es gibt Christen, die mit ganzem Herzen nach Gottes Willen leben wollen, und Jesus wirklich lieben.

Sie wollen sein wie Petrus. Ihr kennt ja wohl die Geschichte von Petrus, wie Jesus auf dem Wasser geht, und es stürmt und alle haben Angst, aber Petrus schwingt sich über den Bootsrand auf das Wasser und geht auf seinen Herrn zu. Dazu brauchte er vor allem freie Hände.

Folie Familienkoffer

Aber diese Leute haben ja ihren großen Familienkoffer in der Hand, da sind die ganzen tradierten

„Abers“, „Unds“ und „Außerdems“ drin, deswegen müssen sie immer im Boot bleiben und können nur mit sehnsüchtigem Blick den Petrussen hinterher gucken, die es scheinbar so leicht haben, einfach loszumarschieren.

Vielleicht schenkt Gott ihnen Gnade, dass sie den Koffer sehen, den sie da in den Händen halten.

Vielleicht durch eine Krise.

Dafür gibt es ein tolles Beispiel in der Bibel. Das ist die Geschichte von Jakob.

Kennt ihr Jakob? Die Geschichten über ihn stehen ganz vorne in der Bibel, er ist also einer der ganz Alten im alten Testament der Bibel. Erst kommt die Schöpfungsgeschichte, dann kommt die Arche Noah, und dann geht es auch schon los mit Jakobs Großvater Abraham.

Über diese Familie erfahren wir in der Bibel eine Menge. Es gab zwei widerstreitende Lebensmottos in dieser Sippe, das eine Motto war sehr gut, und ich glaube, deshalb steht die Familie auch in der Bibel. Und das andere Motto war aber nicht so gut.

Das gute Lebensmotto, das in dieser Familie weiter gereicht wurde, könnte man in folgendem Slogan zusammenfassen:

Wir gehören Gott.

Jakob war, wie schon gesagt, der Enkel des Stammvaters Abraham, des Glaubenshelden, der Gott gehorsam war und auszog in das Land, das Gott ihm zeigen würde. Mit dem Gott große Pläne hatte und dessen Nachkommen zahlreich sein sollten wie die Sterne am Nachthimmel. Der zu dem

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Zeitpunkt, wo er diese Zusage von Gott bekam, überhaupt noch keine Kinder hatte – und biologisch viel zu alt war, um noch welche zu bekommen – und der dann doch noch Vater wurde. Der

persönlich von Engeln besucht wurde und mit ihnen über die Zukunft von Sodom und Gomorra diskutiert hat und viele andere erstaunliche Wunder erlebt hat. So. Dessen Enkel war also Jakob. Er war der Träger von Abrahams Verheißungen. Er war direkter Erbe dieser Segenslinie. Auch er wollte ganz zu Gott gehören und hat schon früh sein Leben Gott geweiht.

Aber dann war da noch ein weiteres Familienmotto, was sein Leben bestimmt hat. Und das nimmt sich im Vergleich richtig albern aus: Es heißt nämlich:

Wer listig ist, der kommt weiter.

Sowohl sein Vater Isaak als auch sein Großvater Abraham vor ihm griffen gern mal zu einer List, wenn es galt, die eigene Haut zu retten. Abraham hat zum Beispiel zweimal seine schöne Frau als seine Schwester ausgegeben, weil ihm das schlauer vorkam. Und sein Sohn Isaak machte es genauso.

Dem Isaak hat dann übrigens ausgerechnet der König der Philister seine Haut gerettet. Hinterher kam dieser König ihn auch noch besuchen, nur, um ihm zu sagen, dass er jetzt auch an den Gott glaubte, der seinen Segen so über Isaak ausschüttete.

Da möchte man doch meinen, dass von jetzt an die Sippe auf Listen verzichtete und sich lieber gleich auf Gott verließ. Aber nein, dieses Lebensmotto saß tief, es war verwachsen und verwurzelt mit dieser Familie, und der Sohn Jakob wird – obschon Träger der Verheißungen – wurde geradezu ein Meister der Listen und Verstellungen. Und er hieß auch noch so! Seine Eltern gaben ihm einen Namen mit mehreren Bedeutungen, und eine Bedeutung ist schlicht und einfach: Betrüger. Das Kind hieß also Betrüger.

Lest einmal in 1. Mose 26 und den folgenden Kapiteln nach – die Geschichten kommen einem geradezu unwürdig vor. Das sollen die Glaubensväter sein, das kann doch gar nicht sein, werdet ihr sicher denken. Es geht los damit, dass er seinem Bruder Esau das Erstgeburtsrecht – also die Position als Sippenchef – für einen Teller Suppe abluchst. Woraufhin sein Bruder sein Todfeind wird und Jakob vor ihm zu seinem Onkel ins Exil flieht. Es passiert noch mehr – Jakob rührt sich ein

ziemliches Schlamassel ein, wobei sein Onkel auch ein ganz Listiger ist und die Sachen nicht gerade vereinfacht.

Aber alles geht irgendwie auch immer gut aus für Jakob, bis er eines Tages beschließt, wieder nach Hause zurückzukehren. Er hat mittlerweile eine Familie, und weil es mit dem Onkel immer

schwieriger wird, will er einfach wieder zurück in die Heimat.

Nach einigem Hin- und Her (Wem gehört was) lässt sein Onkel ihn ziehen.

Und dann kommt es. Jakob ist mit seinem Tross losgezogen, da hört er, dass sein Bruder ihm entgegengeht, mit bewaffneten 400 Mann Begleitung.

Was jetzt?

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Und dann kommt es zum Wendepunkt in der Geschichte Jakobs. Bevor die gefürchtete Begegnung mit dem Bruder stattfindet, begegnet Jakob Gott. Und das verändert sein Leben radikal. Und taucht die Beziehung mit Esau in ein ganz anderes Licht.

Übrigens geht Jakob aus der Begegnung mit Gott als gezeichneter Mann hervor – er wird bis ans Ende seines Lebens humpeln. Aber er wird endlich befreit von dem verfluchten Erbe der Listigkeit.

Und hinterher gewinnt Jakob immer mehr an Format und Würde.

Wir lesen in der Bibel, dass er am Ende seines Lebens dem Pharao vorgestellt wird, und dass der Pharao sich von Jakob, dem Bauern, segnen lässt. Was muss dieser Mann für eine Ausstrahlung gehabt haben. Das war nicht mehr der listige Jakob mit dem dicken Ego, das war reifer, authentischer Mann, der Autorität ausstrahlte, weil er fest in Gott verwurzelt war.

Aber lasst uns zurückkehren zu der Nacht, in der Jakob Gott begegnete.

Wir lesen in 1. Mose 32:

23 Er stand aber noch in derselben Nacht auf und nahm seine beiden Frauen und seine beiden Mägde samt seinen elf Kindern und überschritt mit ihnen die Furt Jabbok; 24 und er nahm sie und führte sie über den Fluß und ließ alles, was er hatte, hinübergehen. 25 Jakob aber blieb allein zurück. Da rang ein Mann mit ihm, bis die Morgenröte anbrach. 26 Und als dieser sah, daß er ihn nicht bezwingen konnte, da rührte er sein Hüftgelenk an, so daß Jakobs Hüftgelenk verrenkt wurde beim Ringen mit ihm. 27 Und der Mann sprach: Laß mich gehen; denn die Morgenröte bricht an! Jakob aber sprach:

Ich lasse dich nicht, es sei denn, du segnest mich! 28 Da fragte er ihn: Was ist dein Name? Er antwortete: Jakob! 29 Da sprach er: Dein Name soll nicht mehr Jakob sein, sondern Israel2; denn du hast mit Gott und Menschen gekämpft und hast gewonnen! 30 Jakob aber bat und sprach: Laß mich doch deinen Namen wissen! Er aber antwortete: Warum fragst du nach meinem Namen? Und er segnete ihn dort. 31 Jakob aber nannte den Ort Pniel3; denn er sprach: Ich habe Gott von Angesicht zu Angesicht gesehen, und meine Seele ist gerettet worden!4 32 Und die Sonne ging ihm auf, als er an Pniel vorüberzog; und er hinkte wegen seiner Hüfte.

Jakob hat Angst. Was wird Esau tun? Ihn töten, seine Kinder, seine Frauen, und seinen Besitz beschlagnahmen? In der Nacht vor der Begegnung schafft Jakob seine Familie über den Fluss Jabbok. Der Jabbok ist nicht tief, man kann durchwaten, er bietet also kaum Schutz vor Esaus Truppen, sollten sie in der Nacht über Jakob herfallen wollen.

Er selber bleibt alleine zurück.

Was passiert dann?

Vermutlich weiß Jakob es selber nicht. Plötzlich ist da „ein Mann“, und er kämpft um sein Leben.

Jakob war alleine auf dieser Seite des Flusses, und wenn da plötzlich wer war, dann konnte es ja nur ein Feind sein, oder? Seine Familie war ja auf der anderen Seite des Flusses – von denen konnte es

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also keiner sein. Wir erfahren überhaupt nichts über die Art, wie es zu diesem Kampf kommt, aber für Jakob gibt es nur eins, als da plötzlich jemand ist: und er wehrt sich mit aller Macht. Es ist dunkel. Stunde um Stunde verbringen die Kämpfer in tödlicher Umklammerung.

Merkwürdig ist, dass Jakob nicht darauf kommt, dass es vielleicht überhaupt kein Feind ist, der ihm da begegnet. Denn gerade vorher hat er eine Begegnung mit Engeln gehabt, ein ganzes Heerlager war da. Aber Jakob ist so beschäftigt damit, sich zu überlegen, wie der Esaus Wut vielleicht minimieren kann, dass er über die Engel nicht weiter nachgedacht hat. Jakob der Listige war beschäftigt. Das mit Esau kriegen wir schon hin. Bisher haben wir ja auch alles hingekriegt, oder?

Jakob verlässt sich ganz auf sein diplomatisches Geschick, etwas anderes kommt ihm gar nicht in den Sinn.

Und so ist dieser Kampf auch ein Sinnbild für Jakobs Leben. Ein einziger Kampf. Wogegen? Das weiß er nicht so genau. Ein Kampf im Dunkeln. Aber Jakob ist stark, er ist kompetent. Er muss siegen, denn wer die Sachen in die eigene Hand nimmt und sich so richtig Mühe gibt, dem muss es doch gelingen, oder?

Ein Kampf im Dunkeln. Die Kämpfer sind ganz allein. Vielleicht hört man mal ein Stöhnen, mal rollende Steine oder das Rascheln der Gewänder – sonst nichts. Aber es ist sowieso kein Zeuge da, der lauschen könnte auf die wenigen Geräusche, die die beiden Kämpfer verursachen. Im Lager schlafen sie friedlich. Endlich, endlich sieht man im Osten den ersten Lichtschimmer der kommenden Morgenröte. Da beendet der Fremde aussichtslosen Kampf, indem er Jakobs Hüfte lähmt. Plötzlich verliert Jakob den festen Stand verliert und sackt in sich zusammen wie eine Gliederpuppe.

Und der Mann spricht: Lass mich gehen; denn die Morgenröte bricht an!

Jakob! Der Mann will dich nicht töten! Er lässt dich leben! Lass dich zu Boden sinken, bald wird es hell, dann wird einer deiner Schäfer seine erste Runde machen und dich finden!

Wir wissen nicht, was Jakob veranlasst, etwas ganz Erstaunliches zu tun, aber er tut es. Vielleicht ist es das erste graue Tageslicht, dass ihm erlaubt, aufzublicken in das Gesicht seines vermutlichen Feindes, vielleicht erfasst ihn ein heiliger Schauer, weil er merkt, dass es kein gewöhnlicher Körper ist, an dem er sich da festklammert – jedenfalls greift er noch fester zu, mit beiden Händen, um Halt zu suchen an dem gleichen Mann, den er Sekunden vorher in die Knie zwingen wollte. Und er stößt zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor: Ich lasse dich nicht los, es sei denn, du segnest mich!

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Und das ist der Wendepunkt in Jakobs Leben.

Jakob kann nicht mehr. Er ist gelähmt. Vermutlich hat er höllische Schmerzen. Aber er hat noch zwei gesunde Hände, und mit denen klammert er sich an den Fremden, der ihm plötzlich kein Fremder mehr ist. Ich lasse dich nicht los! Als ob Jakob nicht wüsste, dass es diesem Fremden ein Leichtes wäre, ihn abzuschütteln. Schlau ist dieses Verhalten nicht, und ganz und gar untypisch für Jakob.

Aber er hat gemerkt, dass es nur eins zu tun gibt, und wirklich nur eins, und das ist. Festklammern, nicht loslassen an dem einzigen Halt, der es wert ist, festgehalten zu werden, und alle Hoffnung nicht mehr auf die eigene Stärke, sondern auf Gottes Segen zu setzen.

Was ist dein Name? fragt der Mann. Und Jakob muss damit herausrücken: Sein Name ist Jakob der Betrüger. Nein, sagt der Mann. Dein Name soll nicht mehr Jakob der Betrüger sein, sondern Israel, der Gottesstreiter, Denn du hast mit Gott und Menschen gekämpft und du hast gewonnen.

Wieso hat Jakob gewonnen? Er war doch gelähmt, und wenn er sich nicht schön festgehalten hätte, wäre er auf den Boden gefallen. Seine Ringkampfkünste waren es offensichtlich nicht, die hier als siegreich bezeichnet werden. Es war sein Festklammern in der Not. Sein Nicht-Loslassen. Sein verzweifelter Schrei: Ich lasse dich nicht los! Das war der Sieg.

Eine Nacht lang hat er gekämpft, ohne irgendetwas zu bewirken und ohne irgendeine Einsicht zu gewinnen. Es war einfach nur schwierig. Eine schwierige Situation. Erst als er aufgibt, selber zu kämpfen und sich an einen anderen klammert, der segnen kann, da siegt er.

So ist das mit Gott. So ist es auch mit Jesus Christus, der am Kreuz gestorben ist. In der Geste der absoluten Hilflosigkeit am Kreuz hat Jesus den Tod besiegt. Und genauso können alle, die endlich aufhören, sich auf ihre eigene Stärke zu verlassen, Teilhaber sein an seinem Sieg und an seiner Herrlichkeit.

Jakob hätte auch loslassen können. Was wäre passiert? Er wäre auf den Boden gefallen und hätte sich einen weiteren blauen Fleck geholt. Der Mann wäre verschwunden. Am Morgen wäre er

gefunden worden – und man hätte ihn zu seinem Zelt getragen. Dort hätte er dann jammern und Gott anklagen können:

Gott, wo sind deine Verheißungen?

Esau wird über mich herein brechen, und ich bin jetzt noch nicht einmal in der Lage, gegen ihn zu kämpfen!

Gott! Warum hast du das zugelassen?

Du hast mir doch deinen Segen zugesprochen!

Aber dann wäre ihm bestimmt etwas Schlaues eingefallen. Immerhin war er noch Jakob, der Listige.

Zum Glück hat Jakob nicht losgelassen.

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Sondern hat erlaubt, dass Gott ihm einen neuen Namen geben konnte, der einen Bruch mit dem destruktiven Familienmotto „Wer listig ist, der kommt weiter. „ darstellte. Gottesstreiter statt Betrüger. Und Jakob hat sich sein Leben lang an diese Gottesbegegnung erinnert, denn er hat sein Leben lang gehumpelt.

Paulus erwähnt im Hebräerbrief den Krückstock, der offensichtlich Jakobs Begleiter war bis zum Ende seines Lebens.

Wie war denn nun die Begegnung der Brüder nach so langer Zeit?

Sie war überaus freundlich. Esau läuft Jakob entgegen und umarmt ihn. Und Jakob sagt:

…ich habe ja doch dein Angesicht gesehen, wie man das Angesicht Gottes sieht, und du hast Gefallen an mir gehabt. (1. Mose 33, 11)

Was für ein Wandel. Esau, die Todgefahr – jetzt sieht Jakob im Gesicht seines Bruders Gott. Hier merken wir, wie tief die Kehrtwende in Jakobs Leben ist. Er ist befreit, die Umgebung ganz anders wahrzunehmen – offensichtlich hatte Gott Esau verändert, denn jetzt zeigte er nicht mehr Hass, sondern Liebe. Aber das ist nur ein Aspekt. Was wäre, wenn wir alle im Bruder Gott erkennen könnten? Oder, in den Worten des neuen Testaments ausgedrückt, wenn wir im Bruder unseren Herrn Jesus Christus erkennen könnten? Wäre dann nicht auch so manche schwelende Dauerfehde oder Antipathie am Ende?

Machen können wir das nicht. Dazu fehlt uns die Freiheit. Aber wir können uns befreien lassen, wenn wir uns mit aller Macht an Gott zu klammern.

Das können wir von Jakob lernen.

Dann haben wir nichts Eigenes mehr, worauf wir stolz sein können, aber wir lernen, dass wir dafür etwas viel Besseres geschenkt bekommen. Wenn wir uns an unseren Herrn Jesus Christus klammern, dann haben wir gesiegt, denn dann kann uns nichts von ihm trennen. Hier nicht und in Ewigkeit nicht.

Martin Luther hat es mal so ausgedrückt:

Ich muss verzweifeln. Aber das lass ich bleiben. Wie Judas an den Baum mich hängen, das tu ich nicht.

Ich hänge mich an den Hals oder Fuß Christi wie die Sünderin. Ob ich auch noch schlechter bin als diese, ich halte meinen Herrn fest.

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Dann spricht er zum Vater: Dieses Anhängsel muss auch mit durch. Es hat zwar nichts gehalten und alle deine Gebote übertreten.Vater, aber er hängt sich an mich. Was will´s! Ich starb auch für ihn. Lass ihn durchschlupfen. Das soll mein Glaube sein.

--- Was können wir vielleicht aus dieser Predigt mitnehmen? Ich habe die Kerngedanken in einigen wenigen Punkten zusammengefasst und möchte euch einladen, im Gebet zu prüfen, ob ihr vielleicht etwas mit dem einen oder anderen Punkt anfangen könnt.

1. Das tückische Familienerbe Kämpfst du auch im Dunkeln?

Jakob war in einer Selbstwahrnehmung gefangen, die viel mit Machertum und wenig mit Gottvertrauen zu tun hatte, obwohl die Familie – und seiner Meinung nach auch er selbst – total fromm war. Irgendwie lief sein Leben aber nicht rund, bis ihm irgendwann Gott eine heilsame Krise schenkte.

Wie ist es bei dir? Kämpfst du auch im Dunkeln gegen etwas, das du gar nicht richtig kennst?

Könnte es sein, dass du Kraft verlierst, weil du nicht frei bist, die Welt so zu sehen, wie Gott sie sieht? Sondern, dass du in Sichtweisen gefangen bist, die dir von deiner Familie überliefert worden sind?

2. Krise als Chance Kannst du aufgeben?

Jakob hatte verschiedene Probleme. Aktuell in der Geschichte war es die Angst vor Esau und dann auch noch die ausgerenkte Hüfte. Aber das ist kein Grund, aufzugeben und sich ganz dem

anzuvertrauen, der segnen kann. Keine noch so große Not auf dieser Welt kann unseren Stolz besiegen. Den müssen wir schon selber opfern, wenn wir wie Jakob Gottes Segen haben wollen.

Wie ist es bei dir? Brauchst du vielleicht Gebet, dass du endlich aufgibst und alles Gott hinlegst und überlässt? Vielleicht wirst du dein Leben lang humpeln, aber das wird die Sache wert sein.

3. Des Bruders Angesicht wie das Angesicht Gottes sehen Willst du das?

Es ist ja so, dass man oft gar nicht weiß, was man mit den Leute am Kaffeetisch machen soll, wenn man nicht hässlich über andere reden darf. Wenn wir unsere Brüder und Schwestern mit den Augen Gottes sehen wollen, dann kann das bedeuten, dass wir weniger zu erzählen haben. Ist einfach so.

Das klingt jetzt vielleicht banal, ist aber ein sehr wichtiger Punkt. Und vielleicht kann es bedeuten, dass du dein Privatleben ganz schön umbauen musst, wenn du anfängst, nicht mehr zu tratschen und

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Cliquenbildung nicht mehr durch dein eigenes Handeln zu unterstützen. Sondern die anderen mit der Achtung zu behandeln, die sie verdient haben, wenn Jesus für sie gelitten und gestorben ist.

Wie ist das bei dir? Solltest du vielleicht mit jemandem beten, um Licht in diese Sache zu bringen?

Oder steckst du vielleicht in einer handfesten Auseinandersetzung mit einem anderen Menschen?

Erbstreitereien? Eheprobleme? Zwist zwischen Eltern und Kindern? Was würde passieren, wenn du im Angesicht der Menschen, denen du gar nicht richtig in die Augen gucken kannst im Moment, also wenn du in deren Angesicht Gottes Angesicht entdecken würdest?

Ich wünsche dir Mut, deine Sichtweise verändern zu lassen.

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