Gesundheitswesen
Zu dem Beitrag „Deutsches Gesund- heitswesen im Vergleich: Umfassen- der, preiswerter und auch effizienter“
von Sabine Rieser in Heft 36/2005:
Hohe Subventionen
Auch wenn die Studie einige methodische Schwachpunkte aufweist, verwundern mich die veröffentlichten Ergebnisse keineswegs. Deutschland hat zweifellos ein gesetzliches Ge- sundheitssystem mit einem sehr weiten Leistungsspek- trum. Ich erinnere mich an ak- tuelle Fälle aus meiner eigenen Erfahrung als Assistenzarzt an einer baden-württembergi- schen Universitätsklinik. So werden teure neue Therapie- konzepte übernommen, ob- wohl die Wirksamkeit nicht si- cher nachgewiesen ist, oder ein Gewinn von wenigen Monaten erzielt werden kann, bevor die Verschlechterung auftritt, die ohne Therapie rasch erfolgt wäre (z. B. Photodynamische Therapie in der Augenheilkun- de). Des Weiteren bezahlt die Gesetzliche Krankenversiche- rung einer Jugendlichen einen mehrwöchigen Aufenthalt am Toten Meer inklusive Begleit- person zur Thalassotherapie bei einer Erkrankung des rheumatischen Formenkreises.
Diese (sicherlich teilweise nur im Einzelfall) großzügige Ko- stenübernahmepraxis ist zwar grundsätzlich aus ärztlicher pa- tientenorientierter Sicht einer- seits zu begrüßen, andererseits spricht der tägliche Kampf mit dem MDK und den gesetzli- chen Leistungsträgern um die Bezahlung tatsächlich erbrach- ter und in der Regel auch me- dizinisch indizierter Leistun- gen eine ganz andere Sprache.
Auch die sicherlich notwendi- ge, sich zwar ausweitende, aber derzeit noch deutlich zu gerin- ge Einbeziehung der Patienten in die Kostenübernahme (Me- dikamenten-Zuzahlungen, Praxisgebühr) darf nicht dar- über hinwegtäuschen, dass die- ses gesetzliche Gesundheitssy- stem von verschiedenen ande- ren Seiten massivst subventio- niert wird: Zum einen erfolgt eine Quersubventionierung
über die private Krankenversi- cherung direkt und indirekt, indem beispielsweise viele Pra- xen nur mit einem angemesse- nen Stamm an Privatversicher- ten überleben können. Zum anderen subventionieren wir Ärzte dieses System durch ei- ne nicht leistungsgerechte Ver- gütung sowohl im Klinik- als auch im niedergelassenen Be- reich . . . Es ist also nicht ver- wunderlich, dass das deutsche Gesundheitssystem auch ver- hältnismäßig preisgünstig ist.
Daraus allerdings auf Effizienz zu schließen, erscheint ange- sichts des aufgeblasenen Ver- waltungsapparates der unzäh- ligen gesetzlichen Krankenver- sicherungen und ihres MDK doch etwas sehr vermessen . . . Dr. med. Jork Jorzik,
Mönchbergweg 60, 69121 Heidelberg
Keine großen Sprünge
Schon im so genannten Gut- achten des Sachverständigen- rates der Bundesregierung konnte der mehr oder weniger Geübte lesen, dass sich die Gesundheitsausgaben der Bundesrepublik Deutschland nicht wesentlich von denen der Niederlande, Österreichs und Frankreichs unterschie- den. Die Gesundheitskosten pro Kopf der USA sind mehr als doppelt so hoch als in der Bundesrepublik, die außer- dem näher bei denen Portu- gals liegen als bei denen der USA . . . Darüber hinaus sind die Gesundheitskosten – wenn man die Angaben des Statisti- schen Bundesamtes liest – nicht die Kosten der medizini- schen Versorgung. Vielmehr schließen die Gesundheitsko- sten auch tarifliche und soziale Leistungen – die ich nicht kri- tisiere – und Steuern mit ein.
In vielen europäischen Län- dern werden auf Medikamen- te keine oder reduzierte Steu- ern, oft nur der halbe Mehr- wertsteuersatz, erhoben. Die Deutschen leisten sich mit ihrem Gesundheitssystem kei- nen Mercedes, sondern be- stenfalls einen Golf mit Son- derausstattung.
Dr. med. Gerd Wermke, Talstraße 35–37, 66424 Homburg/Saar Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 43⏐⏐28. Oktober 2005 AA2929
B R I E F E