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Archiv "Aboriginal Medical Service: „Health workers“ mindern das Misstrauen" (16.12.2005)

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 50⏐⏐16. Dezember 2005 AA3547

S T A T U S

N

ach meiner Approbation im Jahr 2003 suchte ich nach einer besonderen Erfahrung, bevor ich meine Weiterbildung beginnen woll- te. Für Australien hatte ich bei früheren Aufenthalten eine Leidenschaft entwickelt. Ich erhielt Gelegenheit, für sechs Monate beim Geraldton Re- gional Aboriginal Medical Service (GRAMS) zu arbei- ten. In dieser Zeit gab es noch die AiP-Phase und eine we- sentlich restriktivere Aner- kennung deutscher Staatsex- amen, als es heute der Fall ist.

Daher war es mir nicht mög- lich, eine Zulassung der au- stralischen Sozialversicherung zu erlangen. So konnte ich nur als zusätzliche Kraft etwa vergleichbar mit einem AiP bei GRAMS arbeiten.

Geraldton ist eine Klein- stadt in West-Australien, 400 Kilometer nördlich von Perth, direkt am Indischen Ozean. Mein Arbeitsumfeld war sehr international. Der

Chef war europäischen Ur- sprungs, wuchs jedoch mit und unter Aborigines auf.

Meine ärztlichen Kollegen kamen aus den Niederlanden, Indien, Ghana, Südafrika und Australien. Sie wurden von

„Aboriginal health workers“

(AHW), die australische Ur- einwohner waren, sowie eini- gen Krankenschwestern,Arzt- helferinnen und einem Fahrer für die mobile Klinik unter- stützt.

Die Fünftagewoche im Aboriginal Medical Service (AMS) war eingeteilt in offe- ne Sprechstunden ohne Ter- minvereinbarung und Schwer- punktsprechstunden mit Ter- minvereinbarung. Die Schwer- punktsprechstunden waren auf die gesundheitlichen Haupt- probleme der Aboriginespa- tienten wie Diabetes melli- tus, Asthma, Herz-Kreislauf-, Ohren-, Geschlechts- und Au- gen-Erkrankungen abgestimmt.

Wenn es erforderlich war, wurden auch externe Spezia-

listen in den AMS eingeladen.

Die klinische Routine ähnelt der in Deutschland. Die Pati- enten werden von einer Arzt- helferin aufgenommen. Für die meisten existieren bereits Patientenakten, die neuerdings auch über den Computer ab- rufbar sind. Die Vernetzung bringt erhebliche Vorteile für die Führung der Patienten, weil die Patienten oft ihren Le- bens-Mittelpunkt an einen an- deren Ort verlegen und die Übertragung der Patientenda- ten bei entsprechendem Ein- verständnis wesentlich einfa- cher und zuverlässiger ist. Das Arbeitspensum ist in etwa ver- gleichbar mit dem, was in Deutschland üblich ist.

Die Allgemeinärzte sind gleichzeitig Belegärzte für ihre Patienten im regionalen Kran- kenhaus. Daher besteht ein Teil der Arbeit darin, stationä- re Patienten im Krankenhaus

zu betreuen. Obwohl dies eine zusätzliche Tätigkeit darstellt, ist es dem behandelnden Arzt so möglich, den Patienten ganzheitlich zu führen. Wer- den die Möglichkeiten des Krankenhauses oder der ärzt- lichen Qualifikation über- schritten, werden die Patien- ten in ein zentrales Kranken- haus in Perth verlegt.

Für die wichtigsten medizi- nischen Schwerpunkte gibt es jeweils einen AHW, dessen

Hauptaufgabe es ist, die Pati- enten vor und nach den Arzt- terminen zu betreuen, die Compliance mit den Behand- lungen zu überwachen und zu gewährleisten, dass die Patien- ten notwendige Arzttermine in Anspruch nehmen. Neben ge- wissen Tätigkeiten im Pflege- und Sozialbereich sind die AHWs für die Ärzte der Schlüssel zum Zugang zu den Ureinwohnern. Das Bewusst- sein über gesundheitliche Pro- bleme in den Aborigineskom- munen, das Gewinnen von Vertrauen der Aborigines zu weißen Ärzten sowie die Ge- währleistung eines gewissen Grades von Compliance liegt in ihren Händen. Während man die Gegebenheiten der traditionellen Kultur allmäh- lich kennen lernt, wird einem die Bedeutung der AHWs zu- nehmend bewusst. Ohne sie wäre es undenkbar, den au- stralischen Ureinwoh- nern eine medizini- sche Versorgung zu- kommen zu lassen, die über den Rahmen ei- ner Notfallversorgung hinausgeht.

Trotz der Zulas- sungsbeschränkungen war es mir möglich, überall dort zu arbei- ten, wo mein medizini- sches Wissen nützlich war. Ich beteiligte mich an den Sprech- stunden und führte Sonogra- phien und Augenspiegelungen durch. Ich organisierte auch Weiterbildungsveranstaltungen für die AHWs,die auf ihre Spe- zialisierungen abgestimmt wa- ren. Dabei bemerkte ich ein großes Interesse und viel Neu- gierde vonseiten der health workers sowie den Bedarf nach engerer fachlicher Zusam- menarbeit mit dem ärztlichen

Aboriginal Medical Service

„Health workers“

mindern das Misstrauen

Das Gebäude des Aboriginal Medical Service in Geraldton

Fotos:Michael Brychcy

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Personal. Zusammen mit den AHWs entwickelte ich Auf- klärungsmaterial für die Abo- rigines und lernte, dass diese medizinische Probleme völlig anders auffassen als europäi- sche Patienten.

Zweimal im Monat bege- ben sich ein Arzt, ein AHW und ein Fahrer auf eine 2 000 Kilometer lange Reise in verschiedene entlegene Re- gionen des Staates. Meist

sind das kleine Siedlungen: um ehemalige oder noch bewirt- schaftete Minen mit einem hohen Anteil von Aborigines in der Bevölkerung. Obwohl sehr anstrengend, erhält man auf einer solchen Reise die Gelegenheit, das australische Hinterland zu sehen und un- ter erfahrener Führung Insi- derinformationen über die ansässigen Kommunen zu sammeln.

Die Überführung Verstor- bener ist ein weiterer Dienst,

den die AHWs anbieten. Abo- rigines legen während ihrer

„Walkabouts“ oft große Strek- ken zurück. Todesfälle würden ohne die Hilfe des AMS die Hinterbliebenen hierbei oft vor erhebliche logistische Pro- bleme stellen.

Obwohl die Ausrüstung des AMS europäischen Stan- dards in nichts nachsteht, muss man darauf vorbereitet sein, Patienten in gesundheit- lichen Zuständen zu betreu- en, die sonst typisch für Län- der der Dritten Welt sind. Er- krankungen durch Gewalt- einwirkung, Drogenabhän- gigkeit, schlechte Hygiene, Fehlernährung und unzurei- chende medizinische Betreu- ung durch mangelhaften Zu- gang zu Einrichtungen der Gesundheitsversorgung sind die Regel.

Die australischen Urein- wohner haben eine komplexe traditionelle Medizin entwik- kelt, die eng mit einheimischen Heilpflanzen und spirituellen Überzeugungen verbunden ist.

Westliche Medizin mag vielen von ihnen unbekannt sein, ob- wohl sie einen urbanen Le- bensstil verfolgen. Die euro- päische Einwanderung vor 200 Jahren und die Effekte von Rassismus und „stolen genera- tions“ haben ein starkes Miss- trauen der Aborigines gegen- über allem Westlichen hinter- lassen.

Inzwischen hat die Regie- rung die Arbeitsmöglichkei- ten für ausländische Ärzte er- leichtert, sodass es auch für deutsche Ärzte leichter ist, in Australien zu arbeiten und ein gutes Einkommen zu be- ziehen. Dr. med. Michael Brychcy S T A T U S

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A3548 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 50⏐⏐16. Dezember 2005

In Australien gibt es etwa 130 Aboriginal Medical Services (AMS), die eine gesundheitliche Grund- versorgung für Aboriginesfamilien und Kommunen in städtischen und ländlichen Regionen sowie in entlegenen Gebieten gewährleisten. Das Problem:

In den AMS fehlen Ärztinnen und Ärzte. Deshalb suchen diese von Aborigines verwalteten Poliklini- ken ausländische, vor allem auch deutsche Allge- meinärzte, um ihre Aufgaben erfüllen zu können.

Die AMS bieten Zwei- und Dreijahresverträge.

Dabei ist die Bezahlung abhängig von der Örtlich- keit und der Größe der Poliklinik. In entlegenen Gebieten können neben dem Gehalt auch eine ko- stenfreie Unterkunft oder andere Leistungen ent- halten sein. Die Bezahlung liegt zwischen 70 000 und 100 000 Euro jährlich.

Der Gesundheitszustand der Aboriginesbevöl- kerung schneidet im Vergleich zur Durchschnitts- bevölkerung sehr ungünstig ab.Aborigines sterben im Durchschnitt 17 Jahre eher als der Rest der Be- völkerung. Die Inzidenz von Diabetes, Herz- und Nierenerkrankungen oder auch des Cervixkarzi- noms liegen um ein Vielfaches höher als in der au- stralischen Durchschnittsbevölkerung. Ähnliches gilt für viele andere Erkrankungen. So ist die Kin- dersterblichkeit zwei- bis dreimal höher, die Klinik- aufnahmen für Influenza sind um das Vierfache höher (121 je 10 000 Aborigines im Vergleich zu 32 je 10 000 Nichtaborigines).

Die australische Regierung ist sich der Situation bewusst. Die gesundheitliche Situation der Urein- wohner fügt sich in ein breites Bild von ökonomi-

schen und sozialen Benachteiligungen ein, das im Juli 2005 im nationalen Rechenschaftsbericht der Nationalen Produktivitätskommission an die au- stralische Bundesregierung gezeichnet wurde.

Die sonst üblichen Einrichtungen der Gesund- heitsversorgung sind der Aufgabe der Verbesserung des Gesundheitszustandes der Aborigines nicht ge- wachsen. Daher ist es nicht überraschend, dass die Zahl der AMS mit der finanziellen Unterstützung der Regierung jährlich wächst.AMS beschäftigen Allge- meinärzte, Pflegepersonal und speziell ausgebildete

„Aboriginal health workers“ (AHW). Einige AMS ha- ben bis zu 100 Angestellte und arbeiten mit einem Jahresbudget von mehr als fünf Millionen Euro. Es wird ein weites Spektrum von Programmen und Diensten unterhalten, so zum Beispiel allgemein- medizinische und Konsilsprechstunden in Zusam-

menarbeit mit Krankenhäusern und externen Spe- zialisten, Hilfe beim Zugang zu anderen Einrichtun- gen der Gesundheitsversorgung wie zum Beispiel Zahnärzte, Optiker und Fußpflege. Außerdem wer- den Programme für soziale und emotionale Fürsor- ge durchgeführt sowie Patientenbildung, Vorsorge und Aufklärungsprogramme für chronische Erkran- kungen, Geschlechtskrankheiten sowie Drogen- und Alkoholproblematik.

AMS werden von übergeordneten Verbänden überwacht, die aus gewählten Mitgliedern der lo- kalen Aborigineskommunen bestehen. Dies sind Gremien, die unter der Legislation von Bundes- und Länderregierungen stehen. Die laufenden Ge- schäfte werden jeweils von einem leitenden Ange- stellten ausgeführt. Jeder AMS ist für seinen Ge- schäftsplan, das finanzielle Management und sei- nen Rechenschaftsbericht an die Geldgeber selbst verantwortlich. Insgesamt sind die 130 AMS der größte Arbeitgeber für Aborigines in Australien.

Für Regionen mit unzureichender ärztlicher Versor- gung hat die australische Regierung die Einreise mit Arbeitserlaubnis für ausländische Fachärzte –

„Overseas Trained Doctors“ – erleichtert. Für deut- sche Fachärzte gibt es zwei relevante Programme:

das „Districts of Workforce Shortage“-Programm der australischen Bundesregierung und das „Areas of Need“-Programm der Bundesstaaten.

Derzeit werden Profile von Aborigineskommu- nen mit AMS erstellt, in denen Allgemeinärzte benötigt werden. Diese Profile zielen zunächst auf New South Wales und später auf andere Bundes- staaten als Teil eines nationalen Projektes. Weitere Informationen unter www.ahmrc.org.au (Unter- punkt: „Workforce Development"). Ärzte, die sich für eine Tätigkeit in Australien interessieren, kön- nen sich auch an Chris O’Conell wenden (E-Mail:

chrisoco@bigpond.net.au). JF

Australien

Deutsche Ärzte gesucht

Mobile medizinische Versorgung: Aborigi- nes sterben im Durchschnitt 17 Jahre früher als der Rest der Bevölkerung.

Touren ins Hinter- land: Einmal monat- lich werden entle- gene Gebiete ange- fahren.

Referenzen

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