Skepsis und die Furcht vor mögli- chen Gefahren bestimmen das Ver- hältnis der Deutschen zur Gentech- nologie. Doch in den entscheidenden Etagen von Politik, Wirtschaft oder den Medien beurteilt man die Mög- lichkeiten der Gentechnik eher posi- tiv. Das ergab jetzt eine bundesweite Umfrage der Bonner Agentur Kohtes
& Klewes und des Marktforschungs- institutes Emnid.
Deren Interviewer machten in den Führungsetagen ein „freundliches, jedoch keineswegs unkritisches Mei- nungsklima“ aus, vor allem im Hin- blick auf die medizinisch-pharmazeu- tische Nutzung der Gentechnologie.
Sie befragten 250 leitende Mitarbeiter von Bundesministerien, Bundestags- abgeordnete, Chefredakteure und Lei- ter der Politik- und Wirtschaftsressorts sowie Politik- und Unternehmensbe- rater. Nur 16 Prozent der Interviewten lehnten den Einsatz der Gentechnolo- gie im Lebensmittelbereich ab; sieben Prozent waren gegen die Nutzung der
Gentechnik für Pharmazie und Medi- zin (siehe Tabelle).
Die Entwicklung der Gentechno- logie ist, glaubt man den Meinungs- führern aus Politik und Wirtschaft, kaum noch aufzuhalten. Die große Mehrheit ist überzeugt, daß die neue Technik ein hohes wirtschaftliches Potential birgt. Innerhalb der näch- sten 15 Jah- re würden sich Gen- Produkte sowohl in der Lebens- mittelindu- strie als auch in der Medi- zin durch- setzen, sa- gen sie vor- aus.
Die öffent- liche Debat- te zur Gen- technologie wird jedoch trotz aller Erfolge auf absehbare Zeit nicht beendet sein. „Ak- zeptanzpro- bleme“ prognostizieren 37 Prozent der Befragten für die Gentechnik in Landwirtschaft oder Ernährung, 27 Prozent für Gen-Medizin und -Phar- mazie. Ihre befürchteten Gefahren wird die neue Technik auch künftig nicht verlieren: 58 Prozent der Ent- scheidungsträger sehen ethische Risi- ken im medizinischen Bereich. In Landwirtschaft und Ernährung über- wiegen ihrer Meinung nach ökologi- sche (44 Prozent) und gesundheitliche (35 Prozent) Gefahren.
Ihre Schlußfolgerung: Gentech- nik dürfe zwar nicht gestoppt, müsse aber streng reglementiert werden. AE A-3452 (16) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 51–52, 22. Dezember 1997
P O L I T I K AKTUELL
„Entscheidungsträger“ prognostizieren
Gentechnik-Produkte setzen sich durch
Tabelle
Nutzung der Gentechnologie (Angaben für „stimme zu“ in Prozent)
Potential und Durchsetzungsfähigkeit Agrar/ Medizin/
Ernährung Pharma Hat großes wirtschaftliches Potential 75 88
Ist nicht mehr aufzuhalten 68 82
Produkte haben sich in 15 Jahren
durchgesetzt 68 86
Wird auch in 15 Jahren nicht
mehrheitlich akzeptiert sein 37 27
Dürfen wir in Deutschland nicht verpassen 65 79 Risiken
Birgt große ökologische Risiken 44 26
Birgt große ethische Risiken 39 58
Birgt große gesundheitliche Risiken 35 26
Birgt große soziale Risiken 14 13
Kontrolle und Rahmenbedingungen
Lehne sie ab 16 7
Sollte streng reglementiert werden 56 55
Sollte gefördert werden 46 64
Verfolge ich mit großem Mißtrauen 34 25 Gesetzgebung sollte liberalisiert werden 30 38