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Archiv "Gesundheitsgefährdung durch den Katalysator?" (03.09.1987)

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DIE OBERSICHT

DEUTSCF[ES ARZTEBLATT

Die Metalle der 8. Nebengruppe des Periodensystems sind die sogenannten Platinme- talle, die dem chemischen Laien als Edelmetalle bekannt sind. Ihr Verbrauch hat sich durch die Einführung des Autoabgas-Katalysators weltweit vervielfacht. Wenn auch der Menge nach diese Metalle in den Lebensräumen von Pflanze, Tier und Mensch (noch) kein besonderes Problem darstellen, so sind sie doch schon allein deshalb im Auge zu behalten, weil wir viel zu wenig über ihre toxischen Wirkungen und ihr Schicksal in der belebten und unbelebten Umwelt wissen.

Die 8. Nebengruppe des Periodensystems der Elemente

Gesundheitsgefährdung durch den Katalysator'?

In der 8. Nebengruppe des Peri- odensystems der Elemente werden die „leichten", nämlich Ruthenium (Ru), Rhodium (Rh) und Palladium (Pd) sowie die „schweren" Platin- -metalle Osmium (Os), Iridium (Ir)

und Platin (Pt) zusammengefaßt.

Platin wird bekanntlich zu den Edel- metallen gerechnet, womit für den Chemiker seine Reaktionsträgheit, das heißt seine Korrosionsbeständig- keit, charakterisiert wird. Indes rea- giert auch Platin unter bestimmten Bedingungen mit Sauerstoff. Es bil- det Komplexverbindungen unter an- derem mit Stickstoffdioxid, Ami- nen, Cyaniden, Chloriden; auch kohlenoxidhaltige Komplexe sind bekannt Das am wenigsten „edle", also das reaktionsfreudigste Metall aus der Platingruppe des Perioden- systems ist Palladium.

Die katalytische Wirkung der Metalle aus dieser Gruppe ist in der Chemie lange bekannt und wird viel- fältig ausgenutzt. Sie beruht, wenig- stens zum Teil, auf der Bindungsfä- higkeit großer Mengen von Sauer- stoff oder/und Wasserstoff, wodurch die katalytischen Beschleunigungen von Redox-Reaktionen verständlich werden.

Im Autoabgas-Katalysator, der im folgenden kurz nur noch Kataly- sator genannt wird, ist Platin keines- wegs das einzige katalytisch aktive

Wolfgang Forth

"Bleifreies" Benzin (besser:

„bleiarmes") und die Kataly- satoren bewegen zur Zeit ei- nen großen Teil der öffent- lichen Diskussion. In welchem Umfang durch die derzeitigen Katalysatoren Platin oder an- dere Schwermetalle freigesetzt werden und ihrerseits eine ge- wisse Gefährdung darstellen, wird von „Insidern" schon länger diskutiert. Wir haben daher unseren pharmakologi- schen und toxikologischen Fachredakteur, Professor Wolfgang Forth, München, ge- beten, dazu auf Grund der ver- fügbaren Informationen eine Stellungnahme abzugeben.

Rudolf Gross Metall. Der Katalysator enthält auch Palladium. Untersuchungen über leistungsfähige rutheniumhalti- ge Katalysatoren sind im Gang; we- gen der Schleimhautreizung an den Augen und in der Lunge könnte die Verarbeitung dieses Metalls auf er- hebliche Schwierigkeiten stoßen (Renner 1984). Die Legierung von Platin mit Rhodium bzw. Iridium wird zur Steigerung der katalyti- schen Leistungsfähigkeit erprobt (Buck, 1984).

Der Katalysator

Der Chemiker spricht von ei- nem heterogenen Katalysator, weil die Reaktionen nur an der Oberflä- che des Katalysatorsystems ablau- fen, während bei der homogenen Katalyse der Katalysator in der glei- chen Phase wie der umzusetzende Stoff, zum Beispiel in gemeinsamer Lösung, vorliegt. Außerdem kann der Katalysator als Mischkatalysator charakterisiert werden, weil mehre- re Elemente für die katalytische Wirkung gebraucht werden. Schließ- lich wird er auch als Trägerkatalysa- tor bezeichnet, weil die katalytisch wirksamen Stoffe auf einer Träger- substanz, zumeist auf einer Alumini- umoxidschicht (y-Al 203), aufgezo- gen sind, die ihrerseits von einer ke- ramischen und deshalb außerordent- lich hitzebeständigen Matrix getra- gen wird. Diese Anordnung wirkt der „Sinterung" der katalytisch wirksamen Oberfläche entgegen;

man spricht von einer „strukturel- len" Verstärkung der katalytischen Wirkung. Schüttgutkatalysatoren und Katalysatoren auf Metallträgern spielen gegenwärtig keine praktische Walther-Straub-Institut für Pharmakologie und Toxikologie, Ludwig-Maximilians-Uni- versität München

Dt. Ärztebl. 84, Heft 36, 3. September 1987 (37) A-2307

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Ist der Katalysator umweltfreundlich?

Was wir wissen

Rolle mehr. Eine verständliche Dar- stellung der Funktionsweise von Ka- talysatoren zur Schadstoffminde- rung in Autoabgasen stammt von Koberstein (1984). Wer sich für die chemischen Prinzipien der Kataly- sen interessiert, kann eine instrukti- ve Schrift vom Fonds der chemi- schen Industrie beziehen (Anony- mus, 1985).

Die Reaktionen, die der Kataly- sator bewirkt, sind zum überwiegen- den Teil erwünscht:

• Kohlenwasserstoffe und Kohlenmonoxid werden mit Sauerstoff oder/und Wasser- stoff zu CO 2 , Wasser und Was- serstoff umgebildet.

• Kohlenmonoxid, Kohlen- wasserstoffe und Wasserstoff reagieren mit Stickoxiden und setzen sich zu unschädlichem CO2 , Wasser und Stickstoff um.

Leider gibt es auch sogenannte unerwünschte Nebenreaktionen in den Katalysatoren:

• Schwefeloxide reagieren mit Sauerstoff oder/und Was- ser und ergeben schweflige Säure, Schwefelsäure oder/

und Schwefelwasserstoff.

• Wasserstoff und Stickoxide setzen sich zu Ammoniak und Wasser um.

• Ammoniak und Sauerstoff ergeben Stickoxide oder/und bilden Methan und Cyanwas- serstoff (Blausäure), das auch bereits im Motor entsteht.

Der Eingeweihte hat in einem Teil dieser Endprodukte die Be- standteile des sogenannten „Säure- smogs" und handfeste Atemgifte, beispielsweise schweflige Säure, Stickoxide und Blausäure, entdeckt.

Obgleich diese Nebenreaktionen nur in geringem Umfang ablaufen — quantitative Angaben liegen dem Verfasser nicht vor —, ist dennoch Vorsicht am Platz, weil unter Um- ständen in geschlossenen Räumen diese Nebenreaktionen eben doch

von Bedeutung sein können. Die modernen Versionen des sogenann- ten „Dreiweg-Katalysators" setzen Kohlenmonoxid, Kohlenwasserstoff und Stickoxide um und entgiften sie weitgehend. Dazu bedarf es aber einer optimalen, nebenbei be- merkt, hohen Betriebstemperatur oberhalb von 500 bis 1000 °C.

Für die gute Funktion ist vor allem ein geregeltes, nahezu stöchiometri- sches Verhältnis von Luft und Kraft- stoffgemisch vonnöten, dessen Zu- sammensetzung durch die sogenann- te X-Sonde geregelt wird. Bei der X-Sonde handelt es sich um eine sau- erstoffempfindliche Sonde, mit de- ren Hilfe das Kraftstoffgemisch im Vergaser oder in der Einspritzanlage optimiert wird. Das sauerstoffemp- findliche Material der X-Sonde be- steht ebenfalls aus Platin bezie- hungsweise Legierungen der Metalle

Ein Katalysator moderner Bau- art enthält zwischen 1 und 3 g Platin oder Platinmetalle; quantitative An- gaben über die genaue Metallzusam- mensetzung sind derzeit nirgends aufzutreiben. Die Lebensdauer ei- nes Katalysators wird gegenwärtig nach amerikanischem Vorbild auf 80 000 km (50 000 miles) ausgelegt;

sie soll in den USA demnächst auf das Doppelte gesteigert werden.

Der Katalysator (Schüttgutkatalysa- tor) verliert während dieser Lebens- dauer «g- 10 Prozent seines Platinge- haltes (Hill, Mayer, 1977). Je nach Fahrbedingungen (USA) wird die Abgabe von Platin mit 1 bis 2 .1,g,/km angegeben; die Palladium-Werte lie- gen in der gleichen Größenordnung (Hill, Mayer, 1977). Nur 10 Prozent der in den Auspuffgasen aufgefange- nen Platinmetalle sind wasserlöslich und müssen zu den reagiblen Platin- beziehungsweise Palladiumverbin- dungen gerechnet werden. Man ver- mutet, daß es sich dabei um wasser- lösliche Komplexverbindungen von Platin und Palladium mit Chloriden handelt. Bei dem übergroßen Rest handelt es sich um metallisches Pla-

der 8. Nebengruppe des Perioden- systems.

Es leuchtet ein, daß die Funk- tionstüchtigkeit des Dreiweg-Kata- lysators um so größer ist, je „elasti- scher" dieser auf Veränderungen der Zusammensetzung der Abgase im Hinblick auf ihren Gehalt an Sau- erstoff und Kraftstoff reagiert. Da- mit das sogenannte „X-Fenster"

möglichst breit gehalten wird, an- ders ausgedrückt, damit die Lei- stung der Stickoxid-Reduktion auch bei einem weiteren Spielraum des Luft-Kraftstoff-Gemisches aufrecht- erhalten wird, ist der Katalysator als Mischkatalysator aus Platin, Palladi- um und anderen Platinmetallen, zum Beispiel Iridium, ausgelegt. Die Metalloxide unedler Metalle, zum Beispiel Mangan- oder/und Eisen- oxid, wirken dabei als „Promoto- ren" der katalytischen Effekte.

tin und um Metalloxide, die partiku- lär an die Umwelt abgegeben wer- den. 80 Prozent dieser Partikel ha- ben einen größeren Durchmesser als 125 In den restlichen 20 Prozent ist auch lungengängiges partikuläres Material mit einem Durchmesser von < 5 Rin enthalten (Hill, Mayer, 1977). Die metallischen Anteile von Platin und Palladium sowie deren Metalloxide gelten als reaktions- träge.

Der MAK-Wert für lösliche Pla- tinverbindungen wird mit 2 gg/m 3

angegeben (Anonymus, 1983). Hier dürfen aber Zweifel darüber ange- meldet werden, ob der MAK-Wert in diesem Zusammenhang als Orien- tierungspunkt in der Tat dienlich sein kann.

Nur der geringste Teil des Ab-

A. •

gas-Ausstoßes von Platin und Palladium liegt tatsächlich in einer löslichen Form vor; für die unlös- lichen, metallischen Formen und Oxide der Metalle der 8. Neben- gruppe bestehen bis heute keine evaluierten toxikologischen Grenz- werte. f>.

A-2308 (38) Dt. Ärztebl. 84, Heft 36, 3. September 1987

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Der MAK-Wert ist ein Begriff

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• aus der Arbeitswelt und be- zieht sich auf eine Teilexposition, nämlich bei 40 Wochenstunden Ar- beit gegenüber unter Umständen höheren, eben arbeitsspezifisch be- dingten Kontaminationen von Schadstoffen als ich sie für erträg- lich halten würde, wenn es sich um gewöhnliche Atemluft in unseren Straßen oder auf dem Lande han- delt.

Nach gewissen Ausbreitungs- modellen errechnet sich die Platin- konzentration in der Atemluft, die auf den Ausstoß der mit Katalysator gereinigten Autoabgase zurückzu- führen ist, zwischen 0,2 1.1g Platin/m 3

(Brubaker et al., 1975) und 0,02 itg Platin/m3 (Hill, Mayer, 1977), das heißt bei einem Zehntel bis einem Hundertstel des MAK-Wertes für

Es ist beispielsweise nicht ge- .L • nau bekannt, in welcher Form Platin in den Abgasen katalysator- bestückter Fahrzeuge vorliegt. Da- neben ist unbekannt, was beispiels- weise mit den metallischen Formen und den Oxiden der Metalle aus der 8. Nebengruppe des Periodensy- stems in der Umwelt oder/und in den belebten Organismen Pflanze, Tier und Mensch passiert. Derartige Untersuchungen müssen dringlich vorgenommen werden. Es ist außer- dem so gut wie nichts über den Transfer von Platin aus den Böden in die Nahrungskette über Pflanze, Tier und Mensch bekannt. Immer- hin können Platinmetalle alkyliert werden (cf. Wood, 1984).

Es soll hier klar ausgespro- chen werden, daß vorab kein Grund für irgendwelche Be- ängstigungen besteht: Die Pla- tinverbindungen in Boden, Pflanze, Tier und Mensch — im letzteren, sofern er nicht durch seinen Arbeitsplatz belastet ist

— sind gegenwärtig so niedrig, daß sie allenthalben unter der

lösliche Platin-Verbindungen. Unter der Annahme, daß jedoch nur 10 Prozent der in den Autoabgasen ent- haltenen metallischen Anteile was- serlöslich und dementsprechend rea- gibel, beispielsweise allergen sind, erhöht sich dieser Abstand zum MAK-Wert auf ein Hundertstel bis ein Tausendstel. Es muß noch nach- getragen werden, daß dieser MAK- Wert vor allem unter der gefürchte- ten Platinose, das heißt einer Inhala- tionsallergie mit der Symptomatik eines Asthma bronchiale bezie- hungsweise von Hautallergien fest- gesetzt wurde. Im Hinblick auf den sehr hohen Sensibilisierungsgrad von Tetra- und Hexachloroplatinat wird dieser MAK-Wert von 2 itg/m3 allerdings in Frage gestellt (Cleare, 1977; Schultze-Wernighaus et al., 1978; Anonymus, 1983).

Nachweisgrenze liegen. Man hat errechnet, daß bei einem zehnjährigen flächendecken- den Einsatz von katalysatorbe- stückten Fahrzeugen in der un- mittelbaren Umgebung dicht- befahrener Straßen, zum Bei- spiel an den Rändern unserer Autobahnen, die Bodenbela- stung mit Platin Werte von 8 ppb erreicht haben wird; das sind 8 tg/kg. Platinmetalle werden vor allem über die Wurzeln in Pflanzen aufge- nommen (Pallas, Jones, 1978).

Es gibt keine systematischen

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• Untersuchungen der Toxizität von Platinmetallen in ihren verschie- denen Zustandsformen. Außer für Platin ist für kein anderes Platinme- tall überhaupt ein MAK-Wert for- muliert worden. Weder für Palladi- um noch für Rhodium, Iridium oder Ruthenium, die demnächst in den Katalysatoren auftauchen können, existiert ein derartiger Grenzwert.

Bei löslichen Palladium-Verbindun- gen ist eine allergene Wirkung be- kannt (Campbell et al., 1975).

Die Lebensdauer der Kataly- UP • satoren beträgt derzeit unge- fähr 80 000 km. Alle bisher verfüg- baren Untersuchungen sind unter amerikanischem Fahrverhalten und mit Motoren geprüft worden, wie sie in Amerika üblicherweise eingesetzt werden. Es ist erstaunlich, daß über die Abgabe von Platin, Palladium bzw. den anderen Platin-Metallen aus modernen Katalysatoren mittel- europäischer Produktion und vor al- lem bei der Bestückung mit Motoren geringeren Hubraums, wie sie in Mitteleuropa gebraucht werden, überhaupt keine Untersuchungen durchgeführt wurden. Es wird mehr die Techniker beschäftigen, ob die Alterung durch Beanspruchung wie Überhitzung der Motoren einfach aus den vorliegenden amerikani- schen Untersuchungen extrapoliert werden darf. Wir müssen aber dar- auf hinweisen, daß die Untersuchun- gen auf amerikanischen Fernstraßen unter der Annahme der Höchstge- schwindigkeit von 55 Meilen in der Stunde durchgeführt wurden. In der Bundesrepublik ist aber (noch) schnelles Fahren erlaubt, und bei den hiesigen Straßenverhältnissen, beispielsweise bei der Urlaubsfahrt über den Zirler Berg oder über den Brenner, ist langanhaltendes Fahren unter erheblich belastenden Bedin- gungen für Motor und Katalysator keine Seltenheit.

Es bleibt für mich völlig unver- ständlich, wie der Gebrauch des Ka- talysators gewissermaßen verpflich- tend mit hohem Überredungsdruck von öffentlichen Stellen propagiert werden kann, ohne daß auch nur ei- ne einzige mitteleuropäische Unter- suchung zu diesem Thema vorliegt.

Katalysatoren werden hierzulande zwar ausgiebig auf ihre Leistungsfä- higkeit hinsichtlich der Schadstoff- minderung in den Autoabgasen un- tersucht, doch überhaupt nicht im Hinblick darauf, was sie selbst gege- benenfalls zur Umweltbelastung bei- tragen.

Für den Pharmakologen und Toxikologen liegt ein Vergleich na- he: Wenn das BGA heute ein Arz- neimittel zuließe, das nur seiner Qualität und Wirksamkeit nach, nicht aber im Hinblick auf seine Un- bedenklichkeit überprüft worden ist,

Was wir noch nicht wissen

4111111

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dann hätten wir die gleiche Situation wie die Automobilhersteller bei der Bewertung der Katalysatoren. Nach meiner Kenntnis hat einzig das VW- Werk eine gutachterliche Bewertung in Auftrag gegeben, die sich aller- dings ausschließlich mit dem Stand der Literatur in dieser Frage be- schäftigt. Ganz unabhängig davon, wie sinnvoll es ist, „bleifreies" Ben- zin zu verkaufen, das bestenfalls als bleiarm bezeichnet werden kann, ist es doch zweckmäßig, die Bleigehalte im Benzin so weit wie möglich her- abzusetzen. Es ist außerdem ver- nünftig, die Bleiwerte in der Atem- luft, in den Böden und in den Nah- rungsmitteln nachhaltig zu verrin- gern, auch unter der vorläufigen In- kaufnahme der Immission von Pla- tinmetallen. Denn, wie der Referent annimmt, mit zunehmendem tech- nologischen Fortschritt und mit der allerdings dringlichen Erweiterung der Kenntnisse über die Toxikologie der Platinmetalle dürfte das Pro- blem handhabbar werden.

Was man munkelt

Die haarsträubenden Verknüp- fungen zwischen der AIDS-Häufig- keit und dem Katalysator sollen hier nicht weiter verfolgt werden; selbst ihre Urheber sind wieder davon ab- gerückt (Nieper, 1986). Platin ist in Form bestimmter aktivierter Ver- bindungen kanzerogen. Als derarti- ge aktive Platinverbindung ist Cis- platin zu betrachten, das zur Be- handlung bestimmter Tumoren als außerordentlich wirksames Arznei- mittel eingesetzt wird, bei dem aber selbstverständlich wie bei allen Tu- morhemmstoffen die Gefahr der Ausbildung von Sekundärtumoren bestehen kann (Rosenberg, 1980).

Daraus allerdings generell zu extra- polieren, Platin schlechthin sei kan- zerogen, darf als undifferenziert und abwegig bezeichnet werden. Ähn- liches darf zu dem Verdacht geäu- ßert werden, der über die vermehrt beobachteten Adeno-Karzinome der Lungen ausgesprochen wurde (Nieper, 1986). Die Ursachen dafür sind noch unbekannt. Ein Verweis auf die mögliche Platinabgabe aus

Katalysatoren ist aber etwa so be- gründet, wie den Rückgang der Ge- burtenrate hierzulande mit den Nist- gewohnheiten von Störchen zu ver- knüpfen.

Ich halte es für möglich, daß in den Vereinigten Staaten bei Kraft- fahrzeugmonteuren, insbesondere dort, wo diese der Witterung wegen vor allem in geschlossenen Räumen arbeiten müssen, nämlich in den nördlichen Regionen, nach der Ein- führung der Katalysatoren chroni- sche obstruktive Lungenverände- rungen aufgetreten sind, die auch zur Invalidisierung der Betroffenen geführt haben.

Die Ursache für derartige Krankheiten ist nach meinem Dafür- halten weniger im Platinausstoß der Motorabgase zu sehen als vielmehr in den durch die sogenannten uner- wünschten Nebenreaktionen verur- sachten Abgasinhaltsstoffe, die den- jenigen gleichen, die wir aus dem

„Säuresmog" kennen. Dies ist um so wahrscheinlicher, als Autos nur dann repariert werden, wenn Stö- rungen auftreten. Störungen beim Motor sind immer mit einer Störung der Katalysatorleistung verbunden.

Schließlich darf man vermuten, daß in der Reparaturwerkstatt der Mo- tor noch nicht warmgelaufen ist und der Katalysator dementsprechend eben nicht bei seiner optimalen Be- triebstemperatur belastet wird. Ich halte es außerdem für möglich, daß in diesem Zusammenhang auch die sehr simple Vorstellung eine Rolle gespielt haben kann, durch den Ka- talysator seien eben die Motorabga- se „ungiftig" geworden, wie ja in vielen vollmundigen Empfehlungen auch hierzulande immer wieder be- hauptet wird. Autoabgase müssen in jeder Garage und in jedem Hand- werksbetrieb nach außen abgeleitet werden!

Man kann es auch so formulie- ren: Man stirbt nicht mehr so schnell wie bisher in einer geschlossenen Garage, in die Autoabgase abgelei- tet werden, weil der Kohlenmono- xid-Gehalt, der in diesem Zusam- menhang als die gefährlichste Kom- ponente der Abgase betrachtet wer- den kann, drastisch verringert wor- den ist. Gefährlich sind die Abgase der Automobile aber noch allemal.

Literatur

1. Anonymus (1983): Platin und seine Verbin- dungen. In: Gesundheitsschädliche Ar- beitsstoffe, toxikologisch-arbeitsmedizini- sche Begründungen von MAK-Werten. 8.

Lieferung, S. 1-11 (abgeschlossen 5. 12. 1980). Verlag Chemie, Weinheim 2. Anonymus (1985): Katalyse. Nr. 19 der

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9. May, H.: Technische Möglichkeiten zur Reduzierung der Schadstoffemissionen von Kraftfahrzeugen. Teil 1. Automobiltechn.

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Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med. Wolfgang Forth Vorstand des

Walther-Straub-Instituts für

Pharmakologie und Toxikologie der Ludwig-Maximilians-Universität Nußbaumstraße 26

8000 München 2 A-2310 (42) Dt. Ärztebl. 84, Heft 36, 3. September 1987

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