überzog seinen Kopf. So gerne er sich über andere amüsierte, denen ein Streich gespielt wurde, war das Lachen auf sei- ne Kosten tabu und konnte verderblich werden. Die Hei- terkeit wich Grabesstille.
„Das waren die OP-Schwe- stern, na warte, denen werde ich es zeigen. Alle mitkom- men!“ fauchte er zornig, stürmte los wie ein Stier und schnaufte wie ein Walross.
Wie ein Graupelgewitter stürzte Beutler in den OP- Raum, wo die Schwestern gerade die letzten Reste einer Beckengipsbehandlung besei- tigten. Instinktiv ahnten sie, dass sie den Spaß mit den Kunstkrokussen mit dem Ver- lust ihres Mittagessens wür- den bezahlen müssen. Doch es kam schlimmer.
Vor dem OP saß ein Mann und wartete auf seine Verarz- tung.
„Was hat der Mann?“
brüllte Beutler grimmig. Die Schwestern und Doktor Has- se, sein Assistenzarzt, wurden noch einen Grad blasser.
„Es handelt sich um eine Knöchelfraktur, rechts, Herr Chefarzt. Herr Schreiber ist bei glatter Straße umgeknickt.
Nach dem Essen wollen wir ihm einen Unterschenkelgips anlegen und dann nach Hause fahren lassen.“
„Nichts da!“ erwiderte Beutler schneidend, „Schrei- ber wird sofort versorgt, und zwar wird das ganze Bein eingegipst und durch einen Beckengips mit fünf Longet- ten stabilisiert.“
Alle erstarrten zu Salzsäu- len.
„Aber. . . “, wagte Hasse einzuwerfen. Weiter kam er nicht.
„Sie gehorchen, Hasse, oder holen sich ihre Papiere.“
Nun mischte sich der Pa- tient ein und äußerte flehend den Wunsch, wieder nach Hause zu dürfen. Doch Beut- ler kanzelte ihn ab: „Hier bestimme ich. Sie bekommen einen Beckengips. Basta!“
Schreiber fuhr der Schreck in die Glieder und verstumm- te. So wurde mit finsteren Mienen sofort ein Beckengips angelegt. Der Chefarzt blieb so lange im Haus, bis er wuss- te, die fünf Longetten lagen stabilisiert am Mann. Erst dann verließ er zufrieden mit verschmitztem Lächeln die Klinik zum verspäteten Mit- tagstisch und erquickenden Schläfchen.
So strafte er das übermütige Personal sofort dafür, sich auf seine Kosten vor Lachen aus- schütten zu wollen und ihn zum Gespött der ganzen Stadt zu machen.Dr. med. Günther Gerber
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A1330 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 197. Mai 2004 B Ü C H E R
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r betritt mein Sprechzimmer, mein langjähriger Patient, zerschunden im Gesicht und an den Händen. – Was ist passiert?Gestern fuhr er mit seinem Freund und Kollegen nach einem Lehrgang auf einer Bundes- straße in seinem Auto gen Nor- den. Ein langer Autokonvoi kam ihnen entgegen. Ein Fahrzeug scherte aus . . . Ein Krach! . . . Er fand sich auf einer Wiese wieder, von Menschen umgeben. Zwei völlig zerstörte Autos, sein Freund eingeklemmt . . . und tot.
– Und er selbst? – Nur ein paar Schürfungen und Prellungen, sonst nichts. – Aber der Freund
. . . seine Familie zu Hause! – Schrecklich!
Nach einer kurzen Untersu- chung in der Klinik ist er entlas- sen und fährt mit dem Taxi erst zur Familie des Freundes, um zu trösten, wo es nichts zu trösten gibt. Dann nach Hause. Seine Frau ist entsetzt über sein Ausse- hen. Was ist passiert?
Sie gehen ins kleine Büro. Sein Blick fällt auf die Wanduhr – ein Geschenk des Freundes vor vielen Jahren. – Sein Atem droht ihm zu stocken: Mein Gott! Die Uhr! Sie ist stehen geblieben um 13.50 Uhr – genau die Zeit des tödlichen Un- falles.Dr. med. Gerhard Sielhorst