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View of Gabriele Gorzka (Hrsg.), Kultur im Stalinismus. Sowjetische Kultur und Kunst der 1930er bis 50er Jahre

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Gabriele Gorzka (Hrsg.), Kultur im Stalinismus. Sowjetische

Kultur und Kunst der 1930er bis 50er Jahre

Bremen, Edition Temmen, 1994, 267 S., 39.90 DM.

BESPROCHEN VON WOLFGANG SCHLOTT, OSTEUROPA-INSTITUT DER UNIVERSITÄT BREMEN.

Die vergleichende Darstellung von künstlerischen Objekten und deren kul- turhistorische Bewertung erweist sich in einem Bereich wie «Kultur im Stalinis- mus» als besonders notwendig. Eine jahrzehntelang dominante Kultur, deren Spuren in der ehemaligen Sowjetunion und dem jetzigen Russland immer noch deutlich wahrnehmbar und die dennoch gezwungenermassen ein marginaler Ge- genstand kunsthistorischer Betrtach- tung sind — ein solches Phänomen kann nur eine Herausforderung für die Vertreter verschiedener Bereiche der Osteuropawissenschaften sein. Sie ver- sammelten sich im Herbst 1993 in Kas- sel, während in der dortigen Dokumen- tahalle die erste grosse Ausstellung stalinistischer Kunst unter dem Titel

«Agitation zum Glück» lief.

Auf dieser Konferenz referierten mehr als ein Dutzend russische und deutsche Lite- ratur-, Kunst-, Musik- und Kulturwissen- schaftler. Ihre Themen befassten sich mit vergleichend-historischen Untersuchungen zu Erscheinungsformen des Stalinismus und der Frage nach der Diskontinuität von Kunstströmungen und Stilen. In abschlie-

ssenden Diskussionen ging es um die Ur- sachen für die Fortsetzung von autoritären Strukturen in der russischen Gesellschaft.

Die einzelnen Beiträge des von Gabriele Gorzka herausgegebenen Bandes zeichnen sich, nicht nur aufgrund der sehr divergierenden Themen, durch unter schiedliche methodische Vorgehensweisen aus. Jurij Afanasev referiert zu den russi- schen Wurzeln des Stalinismus, ohne sich aber auf fundierte Quellenanalysen zu be- rufen. Was hier lediglich thesenartig zu- sammengetragen wird, versucht Michail Erin in seinem Beitrag «Stalinismus in der gegenwärtigen russischen Geschichts- schreibung» am Beispiel der Anwendung des Totalitarismusbegriffs für die sowjeti- sche Geschichte in einer Reihe von zeithis- torischen Arbeiten zu sichten. Gennadij Bordjugov arbeitet in seinem Aufsatz zur

«Umorientierung der Staatsideologie und Kulturpolitik in den 30er und 40er jähren»

mit einer Fülle von Belegen, um das schar- fe Einschwenken der Kulturkommissare auf einen nationalen Kanon nachzuweisen, in dem seit etwa Mitte der 30er Jahre nur noch Platz für die heroische russische und proletarisch-internationalistische Linie war. Dietrich Beyrau und Richard Lorenz setzen sich mit der Zwangsrolle sowjeti- scher Autoren im Rahmen des zentralen Schriftstellerverbandes auseinander. Wah-

THE INTERNATIONAL NEWSLETTER OF HISTORICAL STUDIES ON COMINTERN, COMMUNISM AND STALINISM, Vol. II. (1994/95). No 5/6

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rend Beyrau die Organisationsprinzipien im Schriftstellerverband und im Litfonds darlegt, zeichnet Lorenz die Dienstlei- stungsfunktion der Schriftsteller im Hoch- stalinismus (1929-1949) unter einem dop- pelten Aspekt nach: er bewertet die Aus- wirkungen der Repressionen auf Autoren, die sich dem ideologischen Diktat entzie- hen wollten, und er beschreibt am Beispiel der Themen «Kollektivierung» und «Indu- strialisierung», wie Dutzende von Autoren eine gewünschte Realität geschaffen ha- ben. Hans Günther untersucht in seinem Beitrag das Bild des Feindes in der Stalin- zeit auf zwei unterschiedlichen Ebenen:

auf der politischen und auf der psycho-my- thologischen. Aufschlussreich ist Günthers Aussage, dass der Begriff «Feind» in den Schriften der narodnicestvo aufgetaucht sei und als Instrument der radikalen Intel- ligenz eingesetzt wurde. Seine psycho-my- thologische Begrifflichkeit entwickelt Gün- ther aus C. G. Jungs Archetypen-Lehre.

Rainer Lauer setzt sich kritisch mit der Behauptung auseinander, die Roman- Epopöe sei eine stalinistische Gattung ge- wesen. Unter Verweis auf Fedin, Solochov, Kataev, Panferov, Aleksej Tolstoj und Ka- verin stellt er die schlüssige These auf, dass diese Autoren sowohl zur kurzfristi- gen Dominanz dieser epischen Kategorie in der Stalinzeit beigetragen hätten als auch deren Abgesang vorbereiteten. Ande- rerseits sei es in der inoffiziellen russi- schen Literatur von den 50er bis zu den 80er Jahren (Grossmann, Solzenicyn) zu einer kurzen Blüte dieser Grossgattung gekommen.

Dass die Bilanz in den einzelnen Kün- sten von einem schwer überbrückbaren Rückstand gegenüber den Weltkünsten ge- prägt ist, zeigen die Beiträge von Detlef Gojozuy («Musik in und seit der Stalin- zeit») und Andrea Gottes «Bühnenkunst im totalitären Staat»), Innesa Levkova- Lamms bilderreiche Kommentierung der engen Beziehung von Kommunismus und Kitsch gelingt es, die Ikonographie der sozrealistischen Bilder mit dem Bildauf- bau von Ikonen zu vergleichen. In einem

sachlich-unterkühlten Beitrag, der sicher- lich eines sarkastischen Tonfalls bedurft hätte, setzt sich Oksana Bulgakova mit Dzigan Vertovs Filmstreifen «Drei Lieder über Lenin» auseinander. Der einstige Meister des experimentellen Films der zwanziger Jahre musste in dieser Auftrags- arbeit Alltagsrealien (Glühbirne, Zeitung, Gartenbank) in apotheotisch-verklärte Bil- der umsetzen, indem er Lenins Unsterb- lichkeit in einer Mischung aus Folklore- kitsch und veralteter Montagetechnik ze- lebrierte. Ebenso spannend ist Margarita Tupitsins scharfzüngige Analyse der My- thographischen Fotografien und Plakatent- würfe von Radcenko, Ignatovic, Langman und E. Lissizky. Die seit einigen Jahren in der europäischen Öffentlichkeit diskutier- te Frage, unter welchen Umständen die sog. «Trophäenkunst», d. h. von der Roten Armee während des II. Weltkriegs in die UdSSR verschleppte Kunstgüter, den Mu- seen in Ostmitteleuropa und Mitteleuropa zurückgegeben werden muss, kommen- tiert Marina Dmitrieva in ihrem Beitrag.

Der mit zahlreichen Schwarz-Weiss- und Farbfotos ausgestattete Band zeichnet die verheerenden Auswirkungen der stali- nistischen Gewaltideologie auf alle Berei- che von Wissenschaft und Kunst auf über- zeugende Weise nach. Seine ausgezeichnet redigierten Aufsätze sollten für jeden Be- trachter des Bildbandes «Agitation zum Glück» (ebenfalls in der Edition Temmen 1993 erschienen) eine begleitende Lektüre sein.

THE INTERNATIONAL NEWSLETTER OF HISTORICAL STUDIES ON COMINTERN, COMMUNISM AND STALINISM, Vol. II. (1994/95). No 5/6

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