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Archiv "Sommer 1892: Die Cholera in Hamburg: „Ich vergesse, daß ich in Europa bin ...“" (24.08.1992)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

I

n der Dritten Welt breitet sich die Cholera aus. Im vorigen Jahr erkrankten in Peru, wo die Seuche begann, rund 321 000 Menschen an der Cholera; der WHO wur- den insgesamt mehr als 560 000 Fälle gemeldet — in Wahrheit dürften es weltweit noch sehr viel mehr gewesen sein. Inzwischen ist aber nicht nur Südamerika von der Cho- lera betroffen, sie grassiert auch in weiten Teilen Afrikas und Südostasiens. Die Ursa- che für diese Pandemie ist verseuchtes Trinkwasser, da- her wütet die Cholera beson- ders heftig in den Armenvier- teln der Dritten Welt. Die Letalität ist heute infolge mo- derner medizinischer Versor- gung niedrig, sie liegt meist so um ein Prozent.

Weitaus tödlicher verlie- fen die großen Cholerapan- demien des 19. Jahrhunderts.

Zuvor war die Cholera nur in

Asien bekannt, daher nannte man sie in Europa Cholera asiatica,um sie von der ein- heimischen Gallenruhr (Cho- lera nostras) zu unterschei- den. Zu Beginn des 19. Jahr- hunderts breitete sie sich von Indien aus, unwiderstehlich.

Gebannt starrte das gebildete Europa ihrem Zug nach We- sten entgegen. „Es wurde so- gar die Behauptung gewagt, daß sie in vier Jahren bereits am Rhein eintreffen könnte", schrieb 1825 der Tübinger Arzt Friedrich Schnurrer auf den letzten Seiten seiner zweibändigen Chronik der Seuchen in Verbindung mit den gleichzeitigen Vorgängen in der physischen Welt.

Im Sommer 1831 traf sie, von den russischen Ostsee- provinzen kommend, in Norddeutschland ein. In den folgenden Jahrzehnten wurde Westeuropa von mehreren großen Cholerapandemien heimgesucht. Alleine in Deutschland starben be- stimmt mehr als 500 000 Menschen an der Cholera.

Der letzte große Ausbruch fand im Deutschen Reich im Sommer 1892 statt, er berühr- te fast ausschließlich Ham- burg.

Vor hundert Jahren war Hamburg eine schnellwach- sende Großstadt, in den vier- zig Jahren vor 1892 hatte sich die Bevölkerung fast vervier-

facht. Außerdem war Ham- burg das Tor zur Welt: Die Stadt besaß einen Freihafen und unterhielt viel Verkehr mit Übersee. Hamburg war neben Bremen der wichtigste Hafen für Auswanderer, auch russische Auswanderer ka- men über Hamburg nach Amerika. Nach den schweren Pogromen des Jahres 1891 zog es vermehrt Juden aus dem zaristischen Rußland in die Neue Welt.

Hamburg war damals eine schmutzige Stadt mit einer sich schnell ausbreitenden In- dustrie. Die politische Füh- rung lag in den Händen eines konservativen Patriziats, das öffentliches Gesundheitswe- sen nicht als seine Sache be- trachtete — um Sauberkeit und Gesundheit sollte jeder einzelne sich selbst kümmern.

In den zahlreichen Kanä- len der Stadt, den Fleeten, wimmelte es von Unrat. In Sommer 1892: Die Cholera in Hamburg

„Ich vergesse,

daß ich in Europa bin ..."

Der Berufsverband der Praktischen Ärzte und Ärzte für Allgemeinmedizin Deutschlands (BPA) e. V.

trauert um seinen Bundesvorsitzenden

Dr. med. Rolf-Eckart Hoch

Praktischer Arzt

und

Frau Dr. med. Irmela Hoch

Praktische Ärztin

die am 7. August 1992 bei einem Flugzeugabsturz nahe Wetzlar den Tod fanden.

Nach mehrjähriger Mitgliedschaft im Vorstand hat der engagierte Hausarzt Hoch seit 1987 den BPA als Vorsitzender geleitet. Sein Handeln war geprägt von innerer Überzeugung, Tatkraft und Konzilianz.

Dank gilt ihm für seine Verdienste um die Ärzteschaft.

Dank gilt seiner Ehefrau für ihre beständige Unterstützung.

Dr. Klaus-Dieter Kossow Dieter Robert Adam

Stellvertretender Bundesvorsitzender Hauptgeschäftsführer

Die Beisetzung hat am 14. 08. 1992 stattgefunden.

Dt. Ärztebl. 89, Heft 34/35, 24. August 1992 (85) /11-2813

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den heißen Sommermonaten ging von diesen Wasserläufen ein pestilenzialischer Gestank aus. „Das Wasser blüht", hieß es dann. Viele Haushalte muß- ten aus diesen verschmutzten Kanälen ihr Trinkwasser schöpfen. Der Biologe Karl Kraepelin, der Bruder des gro- ßen Psychiaters Emil Kraepe- lin, schrieb in einem Aufsatz über Die Fauna der Hambur- ger Wasserleitung (1885), er habe bei Wasserproben aus den unterirdischen Leitungen

„in allen Fällen ein wirres Durcheinander der mannig- fachsten Lebewesen gefun- den", Tierchen aller Art. Die Filtrierung des Trinkwassers war ungenügend, daher war die Vermischung mit Abwäs- sern unvermeidlich. Das Trinkwasser der Hamburger war so stark verschmutzt, daß im letzten Viertel des 19. Jahr- hunderts der Typhus abdomi- nalis zu den häufigsten Todes- ursachen in der Stadt zählte.

Der Sommer 1892 war warm, die Wassertemperatur der Elbe erreichte 22 Grad Celsius. In diesen Tagen ka- men viele russische Auswan- derer durch Hamburg, und sie brachten die Cholera mit.

Mitte August gab es in Ham- burg die ersten Choleratoten.

Die Behörden der Freien und Hansestadt bestritten den Ausbruch einer Seuche — das war lange Zeit üblich so.

Die Cholera traf Ham- burg völlig unvorbereitet.

Wer es sich leisten konnte, floh aus der Stadt — die Zahl der verkauften Eisenbahn- fahrkarten stieg in der zwei- ten Augusthälfte sprunghaft an. Wer bleiben mußte, such- te sich auf andere Weise zu flüchten: Niemals wurden so viele Betrunkene gesehen.

Auch die Kirchen waren bre- chend voll in diesen Tagen,

wiewohl die Hamburger an- sonsten nicht als große Kirch- gänger galten.

Das medizinische Ver- sorgungssystem Hamburgs war den Anforderungen nicht

Ars Antique 1992

Mehr als 110 Aussteller, davon sechzehn ausländische, wollen Kunst und Antiquitä- ten vom 7. bis 15. November 1992 in der Halle 1 der Frankfurter Messe zeigen und verkaufen. Hervorgeho- ben wird von den Veranstal- tern dieser noch jungen Ars Antique vor allem die hohe internationale Beteiligung, zumal es die letzte deutsche Messe dieser Art vor dem eu- ropäischen Binnenmarkt 1993 ist. L—B

Kunst—Wahn—Sinn

Bis zum 13. September zeigt das Schleswig-Holsteini- sche Landesmuseum in Schloß Gottorf, Schleswig, die Sammlung Manfred in der Beeck. Der durch seine For- schungsarbeit und wissen- schaftlichen Publikationen bekannte Psychiater Dr. Dr.

in der Beeck hat während sei- ner Berufsarbeit eine um- fangreiche und instruktive Sammlung von Werken zu- sammengetragen, die seit Prinzhorn als „Bildnerei der Geisteskranken" bezeichnet werden. Unter dem Titel

„Kunst—Wahn—Sinn" werden Arbeiten ausgestellt, die das Thema aus medizinischer Sicht beleuchten oder die künstlerisch und ästhetisch relevant sind. Auch frühe

im geringsten gewachsen.

„Die zu benutzenden Gefähr- te waren Kutschwagen, aus denen die Polster entfernt waren, so daß die Kranken, die wir in eine Decke wickeln

Zeichnungen von Friedrich Schröder—Sonnenstern sind

zu sehen. HS

Neue Kunstedition:

IPPNW art

Die Organisation IPPNW (Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges) hat mit einem Werk "Help"

von Roland Topor, Paris, eine Kunstedition begonnen. Das Werk wird als Plakat und als Postkarte angeboten. Für IPPNW art wollen weitere in- ternational bekannte Künst- ler Plakate gestalten, um die Anliegen der Organisation zu unterstützen, die sich gegen Rüstung, Atomkraftwerke und Umweltzerstörung rich- tet. Für Interessenten:

IPPNW art, Sundernholz 32, 4300 Essen 1.

Im Rahmen der Berliner Festwochen 1992, die unter dem Motto „Prag" stehen, veranstaltet die IPPNW am 8.

September in der Philharmo- nie ein Benefizkonzert zugun- sten eines Gesundheits— und Sozialzentrums in Lidice.

Aufgeführt wird das Melo- dram „Jesus oder Barabbas?"

von Antal Doräti, außerdem Concertino für Klaviertrio und Streicher von Martinu und Dvoraks 8. Sinfonie in G- Dur. Auskünfte Dr. med. Pe- ter Hauber, Eitel—Fritz—Stra- ße 29, Berlin 38, Tel. 030-80 27 527. P/H

mußten, auf dem Sitzkasten befördert wurden," schreibt ein Augenzeuge. „Geradezu unbegreiflich war es, daß in den Boden des Wagens fünf bis sieben große Löcher ge- bohrt worden waren, die den Auswurf der Kranken auf die Straße beförderten!!! Zuerst holte ich ein 14jähriges Mäd- chen, eine alte Frau und ei- nen Knaben ab; die Frau starb unterwegs ... Die Woh- nungen starrten vor Schmutz ... Während meiner Tätigkeit habe ich 132 Kranke beför- dert, von denen fast die Hälf- te unterwegs verstarb."

In Hamburg erkrankten seinerzeit weit mehr als 17 000 Menschen an der Cho- lera, an die neuntausend Per- sonen erlagen der Krankheit.

Wirksame Gegenmittel gab es nicht. Ende August und An- fang September starben an einzelnen Tagen in Hamburg weit mehr als 500 Menschen an der Cholera. In der zwei- ten Septemberhälfte ging die Seuche zurück; am 21. Sep- tember waren es erstmals we- niger als hundert Cholera- tote.

Am mörderischsten wü- tete die Cholera 1892 in den armen Stadtteilen, wie im Gängeviertel — also dort, wo die Sterblichkeit auch zuvor am höchsten gewesen war.

Robert Koch, der Leiter des Reichsgesundheitsamtes, eil- te aus Berlin herbei. Er war erschüttert von dem, was er in Hamburg sah. „Ich vergesse, daß ich in Europa bin,"

schrieb er.

Es herrschten damals in europäischen Städten Zu- stände, wie es sie heute noch in Großstädten der Dritten Welt gibt — also dort, wo auch heute die Cholera noch im- mer umgeht.

Manfred Vasold

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A1 -2814 (86) Dt. Ärztebl. 89, Heft 34/35, 24. August 1992

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