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Archiv "Altern, Leistungsfähigkeit und Training: 2 Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse" (08.10.1993)

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(1)

MEDIZIN

1 Ist Gesundheitssport tatsächlich gesund?

Sportärzte halten es für erwiesen und weite Bevölkerungskreise glau- ben, daß körperliches Training in der zweiten Lebenshälfte die Leistungs- fähigkeit erhält und den Alterungs- prozeß verlangsamt. Doch einige Fakten lassen sich damit schwer in Einklang bringen. So leben Frauen im allgemeinen länger (1), obwohl sie in aller Regel weniger Sport treiben als Männer. Als Erklärung für die höhere weibliche Lebenserwartung werden kardiovaskuläre Faktoren diskutiert (2). Doch sportliche Betä- tigung jenseits des 40. Lebensjahres dürfte dabei keine Rolle spielen.

Unbestritten ist zwar die positive psychologische Wirkung, die mit dem Erbringen einer jeden Leistung ver- bunden ist, sei sie körperlicher oder geistiger Art. Da jedoch erstere leichter zu bewerkstelligen und zu- dem durch Ausschüttung von Endor- phinen biologisch mit Lustgefühlen verbunden ist, erfreut sie sich allge- meiner Beliebtheit. Doch subjektives Wohlbefinden, das durch endogene oder exogene Drogen hervorgerufen wird, ist bekanntlich ein fragwürdiger Wegweiser für Gesundheit und lan- ges Leben.

In der allgemeinen Diskussion um die positiven Aspekte sportlicher Betätigung ebenso wie in der Über- sichtsarbeit von Hollmann et al.

kommt das Immunsystem als zweiter, entscheidender Faktor für die Höhe der Lebenserwartung etwas zu kurz.

Zwar nennen die Autoren das Fieber als Kontraindikation gegen körperli- che Belastung, und sie weisen zu Recht darauf hin, daß bei sportlicher Betätigung selbst banale Infektionen tödlich verlaufen können. Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs. Die Abwehrfähigkeit des Körpers wird durch Ausdauer- oder Krafttraining nicht erst tangiert, wenn Fieber be- steht, sondern prinzipiell immer.

DISKUSSION

Zu dem Beitrag von Prof. Dr. med.

Dr. h. c. Wildor Hollmann und Mitarbeitern

in Heft 38/1992

Wir wissen heute, daß Östroge- ne die natürlichen Stimulantien des Immunsystems sind, und es ist daher naheliegend, die höhere Lebenser- wartung der Frauen nicht nur auf ihr leistungsfähigeres Herz-Kreislauf-, sondern ebenso auf ihr besseres Ab- wehr-System zu beziehen (3).

Der bekannte Antagonismus zwischen Androgenen und Östroge- nen untermauert diese Hypothese.

Viehzüchter und Sportler nützen die anabole und muskelmästende Wir- kung der Androgene schon geraume Zeit. Die Kehrseite der Medaille ist noch nicht so lange bekannt. Testo- steron erhöht zwar die Leistungsfä- higkeit der quergestreiften Muskula- tur, doch gleichzeitig führt es zur Depression des Immunsystems. Ein anschauliches Beispiel ist die extrem hohe Infektanfälligkeit der durch- trainierten Spitzensportler.

Nun kann man den Gesund- heitssport sicher nicht mit dem Lei- stungssport vergleichen. Deshalb ist die Immunsuppression hier auch et- was geringer. Doch keinesfalls kann das Training der quergestreiften Muskulatur neben seiner unbestrit- ten günstigen Wirkung auf Herz und Kreislauf auch noch das Abwehrsy- stem positiv beeinflussen. Hier muß im Gegenteil ein negativer Effekt an- genommen werden. Er dürfte zwar in Abhängigkeit vom Ausmaß der Mus- kelbeanspruchung mehr oder weni- ger stark ausgeprägt, aber zumindest latent stets vorhanden sein.

In der Prä-Antibiotika-Ära war die Ruhigstellung der quergestreiften

Muskulatur durch Einhaltung strik- ter Bettruhe die effektivste und wich- tigste kausale Therapie der Infekti- onskrankheiten, weil selbst geringfü- gige körperliche Belastung die Gene- sung verzögert. Auch diese uralte ärztliche Erfahrung spricht für die postulierte inverse, aber sehr enge Korrelation zwischen Abwehr- und Muskelleistung.

Sportliches Training dürfte da- her in der zweiten Lebenshälfte wohl kaum der Königsweg zu einem lan- gen Leben sein. Schließlich hat das schon Winston Churchill gewußt.

Obwohl er Unmengen dicker Zigar- ren und täglich rund 180 Gramm rei- nen Alkohols in Form von Champa- gner, Cognak und Whisky konsu- mierte, wurde er 90 Jahre alt. Seine Erklärung für das Geheimnis seines hohen Alters trotz Rauchen und Trinken hieß: „No Sports" (4).

Literatur

1. Platt, D.: Warum leben Frauen länger als Männer? Dtsch. Ärztebl. 88 (1991) A-2160-2161 (Heft 24)

2. Von Eiff, A. W.: Längere Lebensdauer der Frau. Dtsch. Ärztebl. 88 (1991) A4288-4289 (Heft 48)

3. Müller, H. E.: Das leistungsfähigere Ab- wehrsystem der Frau gegen Infektionserre- ger. Wiener med. Wschr. 142 (1992) 389-395

4. Anonymus. Der Spiegel, Nr. 10 (1992) S.

282

Prof. Dr. med.

Dr. rer. nat. Hans E. Müller Staatliches Medizinalunter- suchungsamt Braunschweig Hallestraße 1

38124 Braunschweig

2 Umsetzung wissen- schaftlicher Erkenntnisse In Ergänzung zu der umfassen- den Darstellung von Prof. W. Holl- mann möchte ich auf eine Möglich- keit der praktischen Umsetzung die- ser Erkenntnisse hinweisen — aller- dings nicht speziell für den Personen- kreis Alterskranker, sondern bezo- gen auf Vorsorge und Nachsorge psy- chisch Kranker. Gerade im Bereich Psychiatrie sind präventive und reha- bilitative Maßnahmen gefordert.

Hier bietet sich Sport als Ergänzung zu den bekannten therapeutischen Maßnahmen an.

Altern, Leistungsfähigkeit und Training

A1 -2608 (48) Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 40, 8. Oktober 1993

(2)

MEDIZIN

Die Arbeitsgemeinschaft für psychisch Kranke im Erftkreis e. V.

konnte im Verlauf von zehn Jahren Erfahrungen bei psychisch Kranken sammeln mit Sportangeboten, die die besonderen Bedürfnisse der psy- chisch Kranken berücksichtigen. Ne- ben den allgemeinen günstigen Wir- kungen auf Organerkrankungen wer- den hier vor allen Dingen psychoso- matische und persönlichkeitsbeding- te Störungen günstig beeinflußt. Be- sonders aber dient der Sport der Re- habilitation psychotisch Erkrankter, indem er einen Wiedereinstieg in so- ziale Bindungen ermöglicht. Durch sportliche Betätigungen werden mo- torische, affektiv-emotionale und so- ziale Fähigkeiten gefördert und eine größere psychophysische Belastungs- fähigkeit erreicht. Ferner wird durch Körperwahrnehmungsübungen (pro- gressive Muskelrelaxation und Atem- übungen) die gestörte Beziehung zum Körper bearbeitet und eine Fe- stigung des Körperbildes erreicht.

Gerade bei der Therapie chronischer Defizienzsyndrome wird eine deutli- che Besserung von Stimmung und Befindlichkeit bewirkt.

Da ein solches Sportprogramm auch bei den Patienten äußerst be- liebt ist, wäre ein breiterer Einsatz des Sports bei der ambulanten Be- handlung psychisch Kranker wün- schenswert. Eine gute Möglichkeit ergibt sich hier über die Angliede- rung einer Sportgruppe an den Be- hinderten-Sportverband Nordrhein- Westfalen. Hierdurch ist die ärztli- che Verordnung von Behinderten- sport im Sinne der Heil- und Hilfs- mittelverordnung möglich. Nähere Auskünfte hierzu sind unter der fol- genden Anschrift erhältlich.

Literatur

1. Deimel, H.: Zur Rolle des Sports in psych- iatrischen Patientenclubs. Motorik 7 (1984) 59-65

2. Deimel, H.: Bewegung und Sport in der psychiatrischen Nachsorge/dargestellt z. B.

an einem Patientenclub. Sport und Ge- sundheit 1 (1984) 2. Heft S. 30-32; 3. Heft s. 30-33

Dr. med. Sibylle Schreckling Ärztin für Neurologie und Psychiatrie

Luxemburger Straße 313 50354 Hürth

DISKUSSION

3 Bewegungsschule mit der Feldenkrais-Methode Das Übersichtsreferat habe ich als Internist und Arbeitsmediziner mit Freude gelesen. Die Ausführun- gen zeigen nicht nur, wie wichtig ein körperliches Training im Sinne der Primärprävention für den alternden Menschen ist. Die dargestellten Dia- gramme machen vielmehr auch deut- lich, daß die körperliche Leistungsfä- higkeit nach dem Zenit mit dem 25.

Lebensjahr stetig abnimmt, bei Män- nern stärker als bei Frauen.

Dieser Sachverhalt spricht gegen die Überlegung und den Wunsch der Rentenversicherer, die Lebensar- beitszeit zu verlängern. Denn gerade diese Diagramme machen deutlich, daß die Lebensarbeitszeit für den körperlich arbeitenden Menschen kaum über das 65. Lebensjahr zu ver- längern ist; besonders dann nicht, wenn arbeitsspezifische oder andere körperliche Gebrechen zu der Ab- nahme der kardiopulmonalen Lei- stungsfähigkeit hinzukommen. Es er- gibt sich darüber hinaus durch die Abnahme der körperlichen Lei- stungsfähigkeit ein Strategiebedarf für den Einsatz von körperlich arbei- tenden Menschen:

1. Für den alternden Arbeiter sollten ab etwa dem 50. Lebensjahr Arbeitserleichterungen in der kör- perlichen Arbeit geplant werden, die dann auch bei Bedarf eingehalten werden.

2. Da der Leistungsabfall für Frauen flacher und die Lebenserwar- tung höher ist, steht der Frau das Recht auf eine volle Angleichung der Lebensarbeitszeit an die des Mannes zu. Alternativ ist in Erwägung zu zie- hen, die Lebensarbeitszeit des Man- nes auf die der Frau bis zum 60. Le- bensjahr zu senken. Sinnvoll in die- sem Sinne wäre sicher auch eine va- riable Altersruhegrenze.

Zu den Abschnitten Koordinati- on und Flexibilität möchte ich an- merken: Beide Faktoren sind wesent- lich beeinflußt durch das erlernte Be- wegungsmuster in der frühen Kind- heit. In dieser Zeit, in der im wesent- lichen die Erziehung des Kindes stattfindet, entwickelt der Mensch entweder eine unverkrampfte kör- perliche Entfaltung oder eine reflek-

torische Verspannung und hiermit verbunden die körperliche Ideal- oder die Fehlhaltung. Durch den üb- lichen ungezielten Sport können hal- tungsbedingte Schäden am Bewe- gungsapparat durchaus auch zuneh- men und Verletzungen ausgelöst werden, wodurch Koordination und Flexibilität vermindert würden. Des- wegen sollten die Koordination und die Flexibilität zunächst durch ein ge- zieltes Bewegungsprogramm opti- miert werden. Als eine Bewegungs- schule, die entwicklungs- und verlet- zungsbedingte Fehlhaltungen auflö- sen hilft, eignet sich die Feldenkrais- Methode. Diese in Verbindung mit sportlicher Körperübung erhält und verbessert sogar beim gesunden und beim bereits behinderten Menschen Koordination und Flexibilität. Wahr- scheinlich wird gerade durch eine solche Bewegungsschule die Atro- phie von Synapsen vermieden.

Als Literatur und Anleitung emp- fohlen: Moshe Feldenkrais: Bewußt- heit durch Bewegung. Suhrkamp TB 429 und Thomas Hanna: Beweglich sein ein Leben lang, Kösel.

Dr. med. Andreas U. Bock

Arzt für Innere und Arbeitsmedizin Zanders Feinpapiere AG

51465 Bergisch Gladbach

4 Osteoporose- Prävention fraglich

Anhand der wissenschaftlichen Literatur scheint zum jetzigen Zeit- punkt nicht eindeutig geklärt, ob Krafttraining der Osteoporose ge- zielt entgegenwirken kann (2, 4, 5, 7, 8, 11, 12). Eigene Untersuchungen weisen darauf hin, daß die Muskel- kraft alleine keinen allzu großen Ein- fluß auf die Knochenmasse im Be- reich des Achsenskelettes nimmt.

Möglicherweise spielen mechanische Einflüsse hier eine wesentliche grö- ßere Rolle (9, 10). Darauf weisen auch Untersuchungen an Ausdauer- sportlern hin, die bei Läufern zwar im Bereich des Achsenskelettes eine im Vergleich mit dem entsprechen- den Alterskollektiv reduzierte Kno- chenmasse, jedoch deutlich höhere Knochendichtewerte an mechanisch belasteten Arealen in der Peripherie zeigten (1, 3, 6).

A1-2610 (50) Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 40, 8. Oktober 1993

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