• Keine Ergebnisse gefunden

Ich bin kein Titel. Paradoxien in der Logik und ihre Bedeutung f¨ur die Hochschuldidaktik Regula Krapf

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2021

Aktie "Ich bin kein Titel. Paradoxien in der Logik und ihre Bedeutung f¨ur die Hochschuldidaktik Regula Krapf"

Copied!
104
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Ich bin kein Titel.

Paradoxien in der Logik und ihre Bedeutung f¨ur die Hochschuldidaktik

Regula Krapf

Universit¨at Koblenz-Landau, Campus Koblenz

9. Juni 2017

(2)

Inhalt

1 Motivation

2 Einige Paradoxien

3 Die G¨odelschen S¨atze

4 Paradoxien in der Hochschuldidaktik

(3)

Motivation

Bei einer Umfrage bei erstsemestrigen Lehramtsstudierenden (Lehramt Gymnasium) im Fach Mathematik an der Universit¨at Bonn wurde die Frage

Was fasziniert Sie an der Mathematik besonders?

von einem Großteil der Studierenden mit“Logik” beantwortet.

Was k¨onnte damit gemeint sein?

(4)

Motivation

Einige Zitate:

das Logische und das Nachvollziehbare [...]

Eindeutigkeit/Logik Logik, kein “Drumgerede”

Logisches Denken und Folgern Die Logik und das Knobeln

Die Axiomatik und die Logik. Mathe ist das einzige nicht-empirische, rein logisch begr¨undete Fach [...]

(5)

Motivation

Einige weitere “sch¨one” Antworten:

Nichts, aber es sind pure Gl¨ucksgef¨uhle, die Aufgaben zu schaffen Eindeutigkeit. Große Entt¨auschung, dass die 0 bei manchen Dozenten zuNgeh¨ort und bei manchen nicht.

alles kann erkl¨art werden

(6)

Motivation

Beobachtung

Die am h¨aufigsten genannten Begriffe sind“Logik”und “Endeutigkeit”.

Variationen davon sind:

Logisches Denken Klarheit

Logische Struktur Knobeln

(7)

Motivation

Fazit

Studienanf¨anger (des Lehramts) Mathematik haben ein ausgepr¨agtes Interesse an Logik.

Doch was verstehen Studienanf¨anger unter “Logik”?

Logisches Denken Knobeln, Logikr¨atsel

Logisches Folgern/Beweisen Mathematische Logik?

(8)

Logik nach Freudenthal

Logik hat etwas mit dem Denken zu tun; Logik nennen wir es, wenn wir unser Denken zum Gegenstand unseres Denkens machen. Ich weiß schon, was ich da sage, ist schrecklich altmodisch. Alle formalen Logiker werden mich daf¨ur auffressen oder wenigstens bemitleiden. Logik ist ja, sagen sie,

das Studium formaler Systeme. Aber ich wage es trotzdem. Ich wage es, etwas Logik zu nennen, das jeder so nennt, auch der formale Logiker, wenn

er nicht formale Logik betreibt.

Hans Freudenthal in “Mathematik als p¨adagogische Aufgabe” (Band 2)

(9)

Zum Begriff des Paradoxon

“Paradoxon” (Plural: “Paradoxien/Paradoxa”): Griechisch παρα+δoξoζ f¨ur “gegen + Meinung”

Im Gegensatz zu einer Antinomie als eines objektiven logischen Widerspruchs [...] verstehen wir hier unter einer Paradoxie einen

subjektiven und also auch zeitabh¨angigen, psychologischen Sachverhalt:

Ich beurteile eine Aussage als paradox, wenn sie f¨ur mich jetzt im

Widerspruch steht zu einer anderen Aussage, dich ich f¨ur selbstverst¨andlich [...] halte. [...] Paradox ist, was der allgemeinen Meinung, dem gesunden Menschenverstand, im Augenblick entgegensteht, oft mit der

Nebenbedeutung unerwartet, absonderlich, absurd, unsinnig, monsterhaft.

Heinrich Winter. Zur intuitiven Aufkl¨arung probabilistischer Paradoxien,

(10)

Arten von Paradoxien nach Quine

Willard van Orman Quine unterscheidet zwischen verschiedenen Arten von Paradoxien:

1 Scheinparadoxien: Kontraintuitive Aussagen, die sich aber bei genauerer Betrachtung als wahr/falsch klassifizieren lassen:

Scheinparadoxien, deren Konklusion wahr ist (veridical paradoxes) Scheinparadoxien, die auf einem Argumentationsfehler beruhen (falsidical paradoxes)

2 Antinomien: echte Paradoxien (Quine: “[...] produce a self-contradiction by accepted ways of reasoning.”)

(11)

Das Barbier-Paradoxon

Der Barbier von Sevilla

Man kann einen Barbier als einen definieren, der all jene und nur jene rasiert, die sich nicht selbst rasieren.

Die Frage ist: Rasiert der Barbier sich selbst?

Betrand Russell. The Philosophy of Logical Atomism, 1918.

(12)

Das Russellsche Paradoxon

In der naiven Mengenlehre definiert man f¨ur jede EigenschaftP(x) die Menge

{x |P(x)}

als die Menge aller x, f¨ur die P(x) gilt.

Das Russellsche Paradoxon Sei R ={x |x∈/ x}. Gilt

R ∈R?

FallsR ∈R, so giltR ∈ {x|x ∈/x}, alsoR ∈/R.

FallsR∈/ R, so giltR∈ {x/ |x ∈/x}, also¬(R∈/ R) und somitR ∈R.

(13)

Das Russellsche Paradoxon

In der naiven Mengenlehre definiert man f¨ur jede EigenschaftP(x) die Menge

{x |P(x)}

als die Menge aller x, f¨ur die P(x) gilt.

Das Russellsche Paradoxon Sei R ={x |x∈/ x}. Gilt

R ∈R?

FallsR ∈R, so giltR ∈ {x|x ∈/x}, alsoR ∈/R.

FallsR∈/ R, so giltR∈ {x/ |x ∈/x}, also¬(R∈/ R) und somitR ∈R.

(14)

Das Russellsche Paradoxon

In der naiven Mengenlehre definiert man f¨ur jede EigenschaftP(x) die Menge

{x |P(x)}

als die Menge aller x, f¨ur die P(x) gilt.

Das Russellsche Paradoxon Sei R ={x |x∈/ x}. Gilt

R ∈R?

FallsR ∈R, so giltR ∈ {x|x ∈/x}, alsoR ∈/R.

FallsR∈/ R, so giltR∈ {x/ |x ∈/x}, also¬(R∈/ R) und somitR ∈R.

(15)

Das Russellsche Paradoxon

In der naiven Mengenlehre definiert man f¨ur jede EigenschaftP(x) die Menge

{x |P(x)}

als die Menge aller x, f¨ur die P(x) gilt.

Das Russellsche Paradoxon Sei R ={x |x∈/ x}. Gilt

R ∈R?

FallsR ∈R, so giltR ∈ {x|x ∈/x}, alsoR ∈/R.

FallsR∈/ R, so giltR∈ {x/ |x ∈/x}, also¬(R∈/ R) und somitR ∈R.

(16)

Die Allmenge

Die Allmenge

Sei V ={x|x ist eine Menge}. Ist V eine Menge?

Theorem (Satz von Cantor)

F¨ur jede Menge x gilt|x|<|P(x)|, d.h. es gibt keine Bijektion zwischen x und P(x).

W¨are also V eine Menge, so w¨areP(V)⊆V. Also istV keine Menge!

(17)

Die Allmenge

Die Allmenge

Sei V ={x|x ist eine Menge}. Ist V eine Menge?

Theorem (Satz von Cantor)

F¨ur jede Menge x gilt|x|<|P(x)|, d.h. es gibt keine Bijektion zwischen x und P(x).

W¨are also V eine Menge, so w¨areP(V)⊆V. Also istV keine Menge!

(18)

Die Allmenge

Die Allmenge

Sei V ={x|x ist eine Menge}. Ist V eine Menge?

Theorem (Satz von Cantor)

F¨ur jede Menge x gilt|x|<|P(x)|, d.h. es gibt keine Bijektion zwischen x und P(x).

W¨are also V eine Menge, so w¨areP(V)⊆V. Also istV keine Menge!

(19)

Folgerung

Folgerung

Die naive Mengenlehre ist inkonsistent. In der Mengenlehre ZFC wird die Aussonderung eingeschr¨ankt und es ist nur noch die Mengenbildung

{x ∈M |P(x)}

erlaubt.

Man unterscheidet zwischen Mengenund Klassen. Somit sindR und V nicht Mengen, sondern Klassen.

(20)

Das L¨ ugnerparadoxon

Epimenides, griech. Philosoph (ca. 6. Jh. v. Chr.) Alle Kreter l¨ugen.

Aber Epimenides ist selbst ein Kreter!

1. Fall: L¨ugner l¨ugen immer.⇒falsche Aussage!

2. Fall: L¨ugner l¨ugen manchmal.⇒wahre/falsche Aussage!

Kein Paradoxon!

(21)

Das L¨ ugnerparadoxon

Epimenides, griech. Philosoph (ca. 6. Jh. v. Chr.) Alle Kreter l¨ugen.

Aber Epimenides ist selbst ein Kreter!

1. Fall: L¨ugner l¨ugen immer.⇒falsche Aussage!

2. Fall: L¨ugner l¨ugen manchmal.⇒wahre/falsche Aussage!

Kein Paradoxon!

(22)

Das L¨ ugnerparadoxon

L¨ugnerparadoxon Ich l¨uge jetzt.

bzw.

Dieser Satz ist falsch.

Der Satz ist wahr gdw. er falsch ist Problem ist Selbstbez¨uglichkeit?

(23)

Das L¨ ugnerparadoxon

L¨ugnerparadoxon Ich l¨uge jetzt.

bzw.

Dieser Satz ist falsch.

Der Satz ist wahr gdw. er falsch ist Problem ist Selbstbez¨uglichkeit?

(24)

Das L¨ ugnerparadoxon in der Popul¨ arwissenschaft

(25)

Popul¨ arwissenschaftliche Versionen

Pinocchio-Paradoxon

Pinocchio sagt: “Meine Nase wird wachsen.”

Kannibalen-R¨atsel

Ein Tropenforscher wird von Kannibalen gefangen genommen. Die Kannibalen beabsichtigen den Forscher zu essen und geben ihm die M¨oglichkeit auszusuchen, wie er verspeist werden soll. Dazu darf er eine Aussage machen.

1 Falls die Aussage wahr ist, so wird er gekocht.

2 Falls die Aussage falsch ist, so wird er gegrillt.

Kann sich der Forscher retten?

(26)

Andere Versionen des L¨ ugnerparadoxons

Der n¨achste Satz ist wahr. Der vorangehende Satz ist falsch.

1. Fall: 1. Satz ist wahr⇒ 2. Satz ist wahr⇒ 1. Satz ist falsch.

2. Fall: 1. Satz ist falsch⇒ 2. Satz ist falsch⇒ 1. Satz ist wahr.

Problem ist Zirkularit¨at?

(27)

Andere Versionen des L¨ ugnerparadoxons

Der n¨achste Satz ist wahr. Der vorangehende Satz ist falsch.

1. Fall: 1. Satz ist wahr⇒ 2. Satz ist wahr⇒ 1. Satz ist falsch.

2. Fall: 1. Satz ist falsch⇒ 2. Satz ist falsch⇒ 1. Satz ist wahr.

Problem ist Zirkularit¨at?

(28)

Yablos Paradoxon

Sei A0,A1,A2, . . .eine unendliche Folge von Aussagen mit An: “∀i >n : Ai ist falsch”

Ist A0 wahr?

A0 ist wahr: Dann istAi falsch f¨ur jedesi >0. Somit istA1 falsch, also gibt es eini >1 mit Ai wahr.

A0 ist falsch: Dann gibt es eini >0 mit Ai wahr. Somit ist Aj falsch f¨ur allej >i. Also istAj+1 falsch und somit gibt es ein

k>j+ 1 mit Ak wahr.

(29)

Yablos Paradoxon

Sei A0,A1,A2, . . .eine unendliche Folge von Aussagen mit An: “∀i >n : Ai ist falsch”

Ist A0 wahr?

A0 ist wahr: Dann istAi falsch f¨ur jedesi >0. Somit istA1 falsch, also gibt es eini >1 mit Ai wahr.

A0 ist falsch: Dann gibt es eini >0 mit Ai wahr. Somit ist Aj falsch f¨ur allej >i. Also istAj+1 falsch und somit gibt es ein

k>j+ 1 mit Ak wahr.

(30)

Yablos Paradoxon

Sei A0,A1,A2, . . .eine unendliche Folge von Aussagen mit An: “∀i >n : Ai ist falsch”

Ist A0 wahr?

A0 ist wahr: Dann istAi falsch f¨ur jedesi >0. Somit istA1 falsch, also gibt es eini >1 mit Ai wahr.

A0 ist falsch: Dann gibt es eini >0 mit Ai wahr. Somit ist Aj falsch f¨ur allej >i. Also istAj+1 falsch und somit gibt es ein

k>j+ 1 mit Ak wahr.

(31)

Ans¨ atze zur L¨ osung des L¨ ugnerparadoxons

1 Das L¨ugnerparadoxon ist nicht antinomisch

2 Unterscheidung zwischen Objekt- und Metasprache

3 Parakonsistente Logik: Ablehnung des “ex falso quodlibet”

4 Wahrheitswertl¨uckentheorien

(32)

“Dieser universalistischen Tendenz der Umgangssprache in Bezug auf semantische Untersuchungen folgend, m¨ussen wir konsequenterweise [...]

solche semantische Ausdr¨ucke wie “wahre Aussage”, “Name”,

“bezeichnen” usw. aufnehmen. Andererseits ist eben dieser Universalismus der Umgangssprache im Gebiete der Semantik vermutlich die wesentliche Quelle aller sog. semantischen Antinomien, wie der Antinomien des L¨ugners [...]; diese Antinomien scheinen einfach ein Beweis daf¨ur zu sein, dass sich auf dem Boden jeder Sprache, welche im obigen Sinne universal w¨are und f¨ur welche hierbei die normalen Gesetze der Logik gelten sollten, ein Widerspruch ergeben muss.”

Alfred Tarski. Der Wahrheitsbegriff in den formalen Sprachen, 1935.

(33)

Der G¨ odelsatz

Was passiert wenn man “falsch” durch “unbeweisbar” ersetzt?

G¨odelsatz

Dieser Satz ist unbeweisbar.

Ist der G¨odelsatz σ beweisbar/wahr?

σ ist falsch: Dann istσ beweisbar, also auch wahr.

σ ist wahr: Dann istσ unbeweisbar, also auch falsch?

Welcher Zusammenhang besteht zwischen Wahrheitund Beweisbarkeit?

(34)

Der G¨ odelsatz

Was passiert wenn man “falsch” durch “unbeweisbar” ersetzt?

G¨odelsatz

Dieser Satz ist unbeweisbar.

Ist der G¨odelsatz σ beweisbar/wahr?

σ ist falsch: Dann istσ beweisbar, also auch wahr.

σ ist wahr: Dann istσ unbeweisbar, also auch falsch?

Welcher Zusammenhang besteht zwischen Wahrheitund Beweisbarkeit?

(35)

Der G¨ odelsatz

Was passiert wenn man “falsch” durch “unbeweisbar” ersetzt?

G¨odelsatz

Dieser Satz ist unbeweisbar.

Ist der G¨odelsatz σ beweisbar/wahr?

σ ist falsch: Dann istσ beweisbar, also auch wahr.

σ ist wahr: Dann istσ unbeweisbar, also auch falsch?

Welcher Zusammenhang besteht zwischen Wahrheitund Beweisbarkeit?

(36)

Die Sprache der Arithmetik

Die SpracheLPAder Peano-Arithmetikbesteht auslogischen Symbolen (z.B. ∧,¬,∀, Variablenx,y. . .) undnicht-logischenSymbolen (0,s,+,·).

Terme

(T1) 0 ist ein Term.

(T2) Jede Variable x ist ein Term.

(T3) Fallsτ0, τ1 Terme sind, so auchsτ0, τ01 undτ0·τ1. Formeln

(F1) Fallsτ0, τ1 Terme sind, so ist τ01 eine Formel.

(F2) Fallsϕ eine Formel ist, so auch¬ϕ.

(F3) Fallsϕ, ψ Formeln sind, so auch ϕ∧ψ, ϕ∨ψ und ϕ→ψ.

(37)

Die Sprache der Arithmetik

Die SpracheLPAder Peano-Arithmetikbesteht auslogischen Symbolen (z.B. ∧,¬,∀, Variablenx,y. . .) undnicht-logischenSymbolen (0,s,+,·).

Terme

(T1) 0 ist ein Term.

(T2) Jede Variable x ist ein Term.

(T3) Fallsτ0, τ1 Terme sind, so auchsτ0, τ01 undτ0·τ1. Formeln

(F1) Fallsτ0, τ1 Terme sind, so ist τ01 eine Formel.

(F2) Fallsϕ eine Formel ist, so auch¬ϕ.

(F3) Fallsϕ, ψ Formeln sind, so auch ϕ∧ψ, ϕ∨ψ und ϕ→ψ.

(38)

Axiome

Man unterscheidet zwischen logischen Axiomen, wie beispielsweise ϕ→(ψ→ϕ)

(L1)

(ψ→(ϕ0→ϕ1))→((ψ→ϕ0)→(ψ→ϕ1)) (L2)

(ϕ∧ψ)→ϕ (L3)

0→ϕ2)→((ϕ1 →ϕ2)→((ϕ0∨ϕ1)→ϕ2)) (L8)

¬ϕ→(ϕ→ψ) (L10)

ϕ∨ ¬ϕ.

(L11)

∀xϕ(x)→ϕ(t) (L12)

ϕ(t)→ ∃xϕ(x).

(L )

(39)

Axiome

... und nicht-logischen Axiomen, wie beispielsweise den Peano-Axiomen:

(PA1) ∀x¬(sx = 0)

(PA2) ∀x∀y(sx=sy →x=y) (PA3) ∀x(x+ 0 =x)

(PA4) ∀x∀y(x+sy =s(x+y)) (PA5) ∀x(x·0 = 0)

(PA6) ∀x∀y(x·sy = (x·y) +x)

(Iϕ) ϕ(0)∧ ∀x

(

ϕ(x)→ϕ(sx)

)

→ ∀xϕ(x),wobei ϕeineLPA-Formel ist.

(40)

Schlussregeln

Modus Ponens (MP): ϕ→ψ, ϕψ Generalisierung (∀): ∀xϕϕ .

(41)

Formale Beweise

Ein formaler Beweisist eine endliche Folge ϕ0, . . . , ϕn von Formeln, sodass f¨ur jedesi ≤n eine der folgenden Bedingungen gilt:

ϕi ist ein Axiom

es gibt j,k <i, sodassϕk die Formel ϕj →ϕi ist

es gibt j <i, sodassϕi die Formel∀xϕj(x) f¨ur eine Variablex ist.

(42)

Formale Beweise

Wir machen ein Beispiel f¨ur einen formalen Beweis:

ϕ0: ((ϕϕ)ϕ))((ϕϕ))ϕ)) L2

ϕ1: ϕ((ϕϕ)ϕ) L1

ϕ2: ϕ))ϕ) MP(ϕ0, ϕ1)

ϕ3: ϕϕ) L1

ϕ4: ϕϕ MP(ϕ2, ϕ3)

ϕϕ) (L1)

0ϕ1))((ψϕ0)ϕ1)) (L2)

(43)

Das Standardmodell N

SetzeN={0,s0,ss0,sss0, ...,ssssssssss0, ...}, i.e.

0 ist eine nat¨urliche Zahl,

s...s0 ist eine nat¨urliche Zahl, wobei das Symbolsnur endlich oft vorkommt.

(N,sN,+NN) ist ein Modell von PA, und man schreibt N|= PA.

Aber... was bedeutet ENDLICH???

(44)

Das Standardmodell N

SetzeN={0,s0,ss0,sss0, ...,ssssssssss0, ...}, i.e.

0 ist eine nat¨urliche Zahl,

s...s0 ist eine nat¨urliche Zahl, wobei das Symbolsnur endlich oft vorkommt.

(N,sN,+NN) ist ein Modell von PA, und man schreibt N|= PA.

Aber... was bedeutet ENDLICH???

(45)
(46)

Konsistenz und Vollst¨ andigkeit

Definition

Eine Menge T von Formeln heißt

konsistent, falls es keine Formelϕ gibt mitT `ϕ∧ ¬ϕ

vollst¨andig, falls f¨ur jede FormelϕentwederT `ϕoderT ` ¬ϕgilt.

Theorem (G¨odelscher Vollst¨andigkeitssatz)

Eine Menge T von Formeln ist genau dann konsistent, wenn sie ein Modell besitzt.

(47)

Konsistenz und Vollst¨ andigkeit

Definition

Eine Menge T von Formeln heißt

konsistent, falls es keine Formelϕ gibt mitT `ϕ∧ ¬ϕ

vollst¨andig, falls f¨ur jede FormelϕentwederT `ϕoderT ` ¬ϕgilt.

Theorem (G¨odelscher Vollst¨andigkeitssatz)

Eine Menge T von Formeln ist genau dann konsistent, wenn sie ein Modell besitzt.

(48)

G¨ odelisierung

Symbolζ G¨odelzahl pζq

0 2

s 4

+ 6

· 8

= 10

¬ 12

∧ 14

∃ 16

∨ 18

∀ 20

→ 22

Termτ G¨odelzahlpτq

0 2

xn 2n+ 1

sτ 2psq·3pτq τ12 2p+q·31q·52q τ1·τ2 2p·q·31q·52q

(49)

G¨ odelisierung

Formel ϕ G¨odelzahl pϕq τ12 2p=q·31q·52q

¬ψ 2p¬q·3pϕq ψ1∧ψ2 2pq·31q·52q ψ1∨ψ2 2p∨q·31q·52q ψ1 →ψ2 2pq·31q·52q

∃xψ 2pq·3pxq·52q

∀xψ 2p∀q·3pxq·52q

(50)

G¨ odelisierung

Beispiel: G¨odelisierung von s0+0 ps0q= 2psq·3p0q

=

24·32= 144

ps0+0q= 2p+q·3ps0q·5p0q= 26·3144·32 = 8.120460577·1071

(51)

G¨ odelisierung

Beispiel: G¨odelisierung von s0+0 ps0q= 2psq·3p0q

=

24·32= 144

ps0+0q= 2p+q·3ps0q·5p0q= 26·3144·32 = 8.120460577·1071

(52)

G¨ odelisierung

Beispiel: G¨odelisierung von s0+0 ps0q= 2psq·3p0q

=

24·32= 144

ps0+0q= 2p+q·3ps0q·5p0q= 26·3144·32 = 8.120460577·1071

(53)

G¨ odelisierung

Mit Hilfe seinerβ-Funktion hat G¨odel gezeigt, dass endliche Folgen von nat¨urlichen Zahlenc0, . . . ,cn durch eine Zahlc kodiert werden k¨onnen.

Beispiel

Der Termaufbau eines Terms τ kann wie folgt kodiert werden:

Ein Term ist kodiert durch eine Folge c = (c1, . . . ,cn) wobeicn =pτq und f¨ur jedes i ≤n gilt

ci =p0qoder ci =pxkq (xk Variable), oder es gibt j <i mitci = 2psq·3cj, oder

es gibt j,k <i mit ci = 2p+q·3cj·5ck, oder es gibt j,k <i mit ci = 2p·q·3cj·5ck. Bespielsweise kodiert

(54)

G¨ odelisierung

Beispiel

Der Termaufbau eines Terms τ kann wie folgt kodiert werden:

Ein Term ist kodiert durch eine Folge c = (c1, . . . ,cn) wobeicn =pτq und f¨ur jedes i ≤n gilt

ci =p0qoder ci =pxkq (xk Variable), oder es gibt j <i mitci = 2psq·3cj, oder

es gibt j,k <i mit ci = 2p+q·3cj·5ck, oder es gibt j,k <i mit ci = 2p·q·3cj·5ck.

Wir k¨onnen als ein Pr¨adikat term(t) definieren mit

(55)

Das Fixpunklemma

Analog kann man ein Pr¨adikat beweisbar(f) definieren mit N|= beweisbar(pϕq)⇐⇒PA`ϕ und

PA`ϕ=⇒PA`beweisbar(pϕq).

Theorem (Fixpunktlemma)

F¨ur jedeLPA-Formelϕ(x) gibt es eineLPA-Formelσ mit PA`σ↔ϕ(pσq).

(56)

Das Fixpunklemma

Analog kann man ein Pr¨adikat beweisbar(f) definieren mit N|= beweisbar(pϕq)⇐⇒PA`ϕ und

PA`ϕ=⇒PA`beweisbar(pϕq).

Theorem (Fixpunktlemma)

F¨ur jedeLPA-Formelϕ(x) gibt es eineLPA-Formelσ mit PA`σ↔ϕ(pσq).

(57)

Der 1. G¨ odelsche Unvollst¨ andigkeitssatz

Theorem (1. G¨odelscher Unvollst¨andigkeitssatz) Falls PAkonsistent ist, so istPA unvollst¨andig.

Beweisidee: Wir konstruieren eine AussageGPA, sodassGPAbesagt:

“Ich bin unbeweisbar”, d.h.

PA`GPA↔ ¬beweisbar(pGPAq) (∗)

Falls PA`GPA, so gilt PA`beweisbar(pGPAq) und wegen (∗) auch PA` ¬beweisbar(pGPAq).

Falls PA` ¬GPA so gilt PA`beweisbar(p¬GPAq). Wegen (∗) gilt auch PA`beweisbar(pG q), also PA`beweisbar(pG ∧ ¬G q).

(58)

Der 1. G¨ odelsche Unvollst¨ andigkeitssatz

Theorem (1. G¨odelscher Unvollst¨andigkeitssatz) Falls PAkonsistent ist, so istPA unvollst¨andig.

Beweisidee: Wir konstruieren eine AussageGPA, sodassGPAbesagt:

“Ich bin unbeweisbar”, d.h.

PA`GPA↔ ¬beweisbar(pGPAq) (∗)

Falls PA`GPA, so gilt PA`beweisbar(pGPAq) und wegen (∗) auch PA` ¬beweisbar(pGPAq).

Falls PA` ¬GPA so gilt PA`beweisbar(p¬GPAq). Wegen (∗) gilt auch PA`beweisbar(pG q), also PA`beweisbar(pG ∧ ¬G q).

(59)

Der 1. G¨ odelsche Unvollst¨ andigkeitssatz

Theorem (1. G¨odelscher Unvollst¨andigkeitssatz) Falls PAkonsistent ist, so istPA unvollst¨andig.

Beweisidee: Wir konstruieren eine AussageGPA, sodassGPAbesagt:

“Ich bin unbeweisbar”, d.h.

PA`GPA↔ ¬beweisbar(pGPAq) (∗)

Falls PA`GPA, so gilt PA`beweisbar(pGPAq) und wegen (∗) auch PA` ¬beweisbar(pGPAq).

Falls PA` ¬GPA so gilt PA`beweisbar(p¬GPAq). Wegen (∗) gilt auch PA`beweisbar(pG q), also PA`beweisbar(pG ∧ ¬G q).

(60)

Der 1. G¨ odelsche Unvollst¨ andigkeitssatz

Theorem (1. G¨odelscher Unvollst¨andigkeitssatz) Falls PAkonsistent ist, so istPA unvollst¨andig.

Beweisidee: Wir konstruieren eine AussageGPA, sodassGPAbesagt:

“Ich bin unbeweisbar”, d.h.

PA`GPA↔ ¬beweisbar(pGPAq) (∗)

Falls PA`GPA, so gilt PA`beweisbar(pGPAq) und wegen (∗) auch PA` ¬beweisbar(pGPAq).

Falls PA` ¬GPA so gilt PA`beweisbar(p¬GPAq). Wegen (∗) gilt auch PA`beweisbar(pG q), also PA`beweisbar(pG ∧ ¬G q).

(61)

Der 1. G¨ odelsche Unvollst¨ andigkeitssatz

Theorem (1. G¨odelscher Unvollst¨andigkeitssatz) Falls PAkonsistent ist, so istPA unvollst¨andig.

Beweisidee: Wir konstruieren eine AussageGPA, sodassGPAbesagt:

“Ich bin unbeweisbar”, d.h.

PA`GPA↔ ¬beweisbar(pGPAq) (∗)

Falls PA`GPA, so gilt PA`beweisbar(pGPAq) und wegen (∗) auch PA` ¬beweisbar(pGPAq).

Falls PA` ¬GPA so gilt PA`beweisbar(p¬GPAq). Wegen (∗) gilt auch PA`beweisbar(pG q), also PA`beweisbar(pG ∧ ¬G q).

(62)

Der 1. G¨ odelsche Unvollst¨ andigkeitssatz

Frage.

Falls PA0GPA k¨onnte man die nat¨urlichen Zahlen nicht stattdessen durch PA +GPA axiomatisieren?

Nein, denn wir k¨onnen den Beweis des 1. Unvollst¨andigkeitssatzes auf PA +GPA ¨ubertragen und erhalten so einen neuen G¨odelsatzGPA+GPA ...

(63)

Der 1. G¨ odelsche Unvollst¨ andigkeitssatz

Frage.

Falls PA0GPA k¨onnte man die nat¨urlichen Zahlen nicht stattdessen durch PA +GPA axiomatisieren?

Nein, denn wir k¨onnen den Beweis des 1. Unvollst¨andigkeitssatzes auf PA +GPA ¨ubertragen und erhalten so einen neuen G¨odelsatzGPA+GPA ...

(64)

Wahrheit in N

Frage.

Kann man Wahrheit inN definieren?

Definition

Eine Formel ϕheißt wahrin N, fallsN|=ϕ.

Eine Formel T(x) ist einWahrheitspr¨adikat f¨ur N, falls N|=ϕ↔T(pϕq) f¨ur jede Formelϕ.

(65)

Undefinierbarkeit der Wahrheit

Theorem (Tarski)

Die Wahrheit in Nist nicht definierbar.

Beweis.

Wir nehmen an, dass T(x) ein Wahrheitspr¨adikat ist.

Fixpunktlemma ⇒ es gibt eineLPA-FormelLmit PA`L↔ ¬T(pLq).

Also N|=L↔ ¬T(pLq)↔ ¬L. a

(66)

Undefinierbarkeit der Wahrheit

Theorem (Tarski)

Die Wahrheit in Nist nicht definierbar.

Beweis.

Wir nehmen an, dass T(x) ein Wahrheitspr¨adikat ist.

Fixpunktlemma ⇒ es gibt eineLPA-FormelLmit PA`L↔ ¬T(pLq).

Also N|=L↔ ¬T(pLq)↔ ¬L. a

(67)

Undefinierbarkeit der Wahrheit

Theorem (Tarski)

Die Wahrheit in Nist nicht definierbar.

Beweis.

Wir nehmen an, dass T(x) ein Wahrheitspr¨adikat ist.

Fixpunktlemma ⇒ es gibt eineLPA-FormelLmit PA`L↔ ¬T(pLq).

Also N|=L↔ ¬T(pLq)↔ ¬L. a

(68)

Das Hotel Hilbert

David Hilbert (Uber das Unendliche¨ ):

[Endliche Mengen]: Wir untersuchen zun¨achst den Begriff der Gleichheit [endlicher Mengen]. [...] Eine Anwendung dieser Tatsache wird der Hotelwirt machen, der ein Hotel mit einer endlichen Zahl von Zimmern

hat. Alle diese Zimmer seien mit je einem Gast belegt. Wenn nun die G¨aste ihre Zimmer irgendwie vertauschen, sodass wieder in jedem Zimmer

nicht mehr als ein Gast wohnt, so wird dadurch kein Zimmer frei, und der Hotelwirt kann auf diese Weise f¨ur einen neu ankommenden Gast keinen Platz schaffen. Wir k¨onnen auch sagen: Ein Teil einer endlichen Menge ist

niemals zahlengleich dem Ganzen. Wenn eine Menge N gleicher einer Teilmenge vonM, aber nicht N gleichM ist, so heisseN <M. Bei

endlichen Mengen ist also ein Teil immer <als das Ganze. [...]

(69)

Das Hotel Hilbert

[...] Wir nehmen jetzt an, dass das Hotel unendlich viele nummerierte Zimmer 1,2,3,4,5... haben soll, in denen je ein Gast wohnt. Sobald nun ein neuer Gast hinzukommt, braucht der Wirt nur zu veranlassen, dass jeder der alten G¨aste das Zimmer mit der um 1 h¨oheren Nummer bezieht, und es wird f¨ur den Neuangekommenen das Zimmer 1 frei.

Zimmer 0 7→ Zimmer 1 Zimmer 1 7→ Zimmer 2 Zimmer 2 7→ Zimmer 3

... ...

Zimmer n 7→ Zimmern+ 1

... ...

Nat¨urlich kann f¨ur jede endliche Anzahl von neuen G¨asten auf die

(70)

Das Hotel Hilbert

[...] Wir nehmen jetzt an, dass das Hotel unendlich viele nummerierte Zimmer 1,2,3,4,5... haben soll, in denen je ein Gast wohnt. Sobald nun ein neuer Gast hinzukommt, braucht der Wirt nur zu veranlassen, dass jeder der alten G¨aste das Zimmer mit der um 1 h¨oheren Nummer bezieht, und es wird f¨ur den Neuangekommenen das Zimmer 1 frei.

Zimmer 0 7→ Zimmer 1 Zimmer 1 7→ Zimmer 2 Zimmer 2 7→ Zimmer 3

... ...

Zimmer n 7→ Zimmern+ 1

... ...

Nat¨urlich kann f¨ur jede endliche Anzahl von neuen G¨asten auf die

(71)

Das Hotel Hilbert

[...] Wir nehmen jetzt an, dass das Hotel unendlich viele nummerierte Zimmer 1,2,3,4,5... haben soll, in denen je ein Gast wohnt. Sobald nun ein neuer Gast hinzukommt, braucht der Wirt nur zu veranlassen, dass jeder der alten G¨aste das Zimmer mit der um 1 h¨oheren Nummer bezieht, und es wird f¨ur den Neuangekommenen das Zimmer 1 frei.

Zimmer 0 7→ Zimmer 1 Zimmer 1 7→ Zimmer 2 Zimmer 2 7→ Zimmer 3

... ...

Zimmer n 7→ Zimmern+ 1

... ...

Nat¨urlich kann f¨ur jede endliche Anzahl von neuen G¨asten auf die

(72)

Das Hotel Hilbert

[...] Ja sogar f¨ur unendlich viele neue G¨aste [...] ist es m¨oglich, Platz zu schaffen. Es muss z. B. nur jeder der alten G¨aste, der urspr¨unglich das Zimmer mit der Nummer n innehatte, nun dasjenige mit der Nummer 2n beziehen, worauf die unendlich vielen Zimmer mit ungeraden Nummern f¨ur die neuen G¨aste frei werden.

Zimmer 0 7→ Zimmer 0 Zimmer 1 7→ Zimmer 2 Zimmer 2 7→ Zimmer 4

... ...

Zimmer n 7→ Zimmer 2n

... ...

(73)

Das Hotel Hilbert

[...] Ja sogar f¨ur unendlich viele neue G¨aste [...] ist es m¨oglich, Platz zu schaffen. Es muss z. B. nur jeder der alten G¨aste, der urspr¨unglich das Zimmer mit der Nummer n innehatte, nun dasjenige mit der Nummer 2n beziehen, worauf die unendlich vielen Zimmer mit ungeraden Nummern f¨ur die neuen G¨aste frei werden.

Zimmer 0 7→ Zimmer 0 Zimmer 1 7→ Zimmer 2 Zimmer 2 7→ Zimmer 4

... ...

Zimmer n 7→ Zimmer 2n

... ...

(74)

Das Hotel Hilbert

[...] Ja sogar f¨ur unendlich viele neue G¨aste [...] ist es m¨oglich, Platz zu schaffen. Es muss z. B. nur jeder der alten G¨aste, der urspr¨unglich das Zimmer mit der Nummer n innehatte, nun dasjenige mit der Nummer 2n beziehen, worauf die unendlich vielen Zimmer mit ungeraden Nummern f¨ur die neuen G¨aste frei werden.

Zimmer 0 7→ Zimmer 0 Zimmer 1 7→ Zimmer 2 Zimmer 2 7→ Zimmer 4

... ...

Zimmer n 7→ Zimmer 2n

... ...

(75)

Weiterf¨ uhrung des Gedankenexperiments

Was passiert, wenn unendlich viele unendlich große Busse – alle gef¨ullt mit unendlich vielen Passagieren – vor dem Hotel Hilbert ankommen?

Hotelg¨aste

Zimmer 0 7→ Zimmer 1 Zimmer 1 7→ Zimmer 2 Zimmer 2 7→ Zimmer 4

... ...

Zimmer n 7→ Zimmer 2n

... ...

Passagiere Bus m

Passagier 0 7→ Zimmerpm Passagier 1 7→ Zimmerpm2 Passagier 2 7→ Zimmerpm3

... ...

Passagier n 7→ Zimmerpmn+1

... ...

(76)

Weiterf¨ uhrung des Gedankenexperiments

Was passiert, wenn unendlich viele unendlich große Busse – alle gef¨ullt mit unendlich vielen Passagieren – vor dem Hotel Hilbert ankommen?

Hotelg¨aste

Zimmer 0 7→ Zimmer 1 Zimmer 1 7→ Zimmer 2 Zimmer 2 7→ Zimmer 4

... ...

Zimmer n 7→ Zimmer 2n

... ...

Passagiere Bus m

Passagier 0 7→ Zimmerpm Passagier 1 7→ Zimmerpm2 Passagier 2 7→ Zimmerpm3

... ...

Passagier n 7→ Zimmerpmn+1

... ...

(77)

Paradoxien in der (Lehrer)Bildung

Martin Gardner, 1914 - 2014

“Surely the best way to wake up a student is to present him with an intriguing mathematical game, puzzle, magic trick, joke, paradox, model, limerick, or any of a score of other things that dull teachers tend to avoid because they seem frivolous”

(78)

Paradoxien und R¨ atsel in der Hochschuldidaktik

Wie kann man Paradoxien in der Lehrerbildung verwenden?

Interesse wecken/F¨orderung der Motivation

Bedeutung von Paradoxien in der Geschichte und Philosophie der Mathematik/Logik

Komplexe Inhalte zug¨anglich machen

Ubungsbetrieb: Alternative Aufgabenstellungen¨ Uben von argumentativen F¨¨ ahigkeiten

“R¨atsel” l¨osen und “Knobeln” ist ein wichtiger Bestandteil der Mathematik

(79)

Historische Bedeutung von Paradoxien

“Der Einblick in die Bedeutung der Mathematik f¨ur die moderne Welt geh¨ort zum Kern des Studiums f¨ur alle Lehr¨amter. Studierende aller

Lehr¨amter sollen der Mathematik als Kulturleistung und den f¨ur sie charakteristischen Wissensbildungsprozessen begegnen. Daher geh¨ort zur Vermittlung mathematischer Inhalte grunds¨atzlich auch, ihren Beitrag zur mathematischen Bildung auszuweisen und sie in der historischen Genese zu

verorten”

DMV; GDM; MNU (Hrsg.): Standards f¨ur die Lehrerbildung im Fach Mathematik. Empfehlungen von DMV, GDM und MNU ab die KMK,

2008.

(80)

Historische Bedeutung von Paradoxien

Paradoxien haben die Entwicklung der modernen (mathematischen) Logik/Mathematik maßgeblich gepr¨agt:

L¨ugnerparadoxon:Grundlage f¨ur die S¨atze von G¨odel und Tarski, Zusammenhang zum Halte-Problem in der Informatik

Russellsche Antinomie:Bedeutend f¨ur die Entwicklung der Mengenlehre und der Typentheorie

Cantorsches Paradoxon/Burali-Forti-Paradoxon:Mengenlehre, Unendlichkeitsbegriff

(81)

Mathematik als Kulturleistung

[Mathematik als] Zugbr¨ucke außer Betrieb (Hanus Magnus Enzensberger)

“Ein allgemeiner Konsens hat sich herausgebildet, der stillschweigend, aber massiv die Haltung zur Mathematik bestimmt. Daß ihr

Ausschluß aus der Sph¨are der Kultur einer Art von intellektueller Kastration gleichkommt, scheint niemanden zu st¨oren.”

“Im ¨ubrigen d¨urfte es auch kein zweites Gebiet geben, auf dem der kulturelle time lag derart enorm ist. Das allgemeine Bewußtsein ist hinter der Forschung um Jahrhunderte zur¨uckgeblieben, ja man kann kaltbl¨utig feststellen, daß große Teile der Bev¨olkerung ¨uber den Stand der griechischen Mathematik nie hinausgekommen sind.”

“kulturelles Paradox”

(82)

Raymond Smullyan: Die Insel der Ritter und Schurken

Auf einer Insel gibt es zwei Arten von Menschen:

Ritter: Sagen immer die Wahrheit.

Schurken: L¨ugen immer.

Raymond Smullyan (Mai 1919 – Februar 2017) hat die G¨odelschen S¨atze in R¨atsel auf dem Schauplatz der Insel der Ritter und Schurken ¨ubersetzt.

Feststellung:

Kein Einwohner kann behaupten: “Ich bin ein Schurke.”

(83)

Raymond Smullyan: Die Insel der Ritter und Schurken

Auf einer Insel gibt es zwei Arten von Menschen:

Ritter: Sagen immer die Wahrheit.

Schurken: L¨ugen immer.

Raymond Smullyan (Mai 1919 – Februar 2017) hat die G¨odelschen S¨atze in R¨atsel auf dem Schauplatz der Insel der Ritter und Schurken ¨ubersetzt.

Feststellung:

Kein Einwohner kann behaupten: “Ich bin ein Schurke.”

(84)

Die Insel der Ritter und Schurken: Einige Beispiele

Aufgabe

Der Volksz¨ahler McGregor besucht die Insel der Ritter und Schurken. Er klopft an eine T¨ur, wo ein Ehepaar wohnt, und fragt den Ehemann, welcher Gruppe er und seine Ehefrau angeh¨oren. Welcher Gruppe geh¨oren die beiden an, falls er folgende Antworten bekommt?

(a) “Wir sind beide Schurken!”

(b) “Wenn ich ein Ritter bin, so ist meine Frau auch einer.”

Stellen Sie sich selbst R¨atsel dieser Form und l¨osen Sie diese.

(85)

Die Insel der Ritter und Schurken: Einige Beispiele

Aufgabe

Ein Einwohner der Insel der Ritter und Schurken sagt: “Sie werden niemals wissen, daß ich ein Ritter bin.”

Ist er ein Ritter oder ein Schurke?

(86)

Die Insel der Ritter und Schurken: Einige Beispiele

Aufgabe

Ein Einwohner der Insel der Ritter und Schurken sagt: “Sie werden niemals wissen, daß ich ein Ritter bin.”

Ist er ein Ritter oder ein Schurke?

Es gibt folgende Entsprechungen:

Insel der Ritter und Schurken 1. G¨odelscher Unvollst¨andigkeitssatz

“ich weiß A” “Aist beweisbar”

“ich bin ein Ritter” G¨odelsatzσ

“Ritter ⇐⇒ ¬weiß(Ritter) σ⇐⇒ ¬bwb(σ)

(87)

Das Hotel Hilbert in der Lehrerbildung

Motivation des Abz¨ahlbarkeitsbegriffs

Anschauliche Beweise der Abz¨ahlbarkeit von Zund Q Rechnen mit ℵ0 (bzw “∞”):

+ 1 =

+=

∞ · ∞=

(88)

Paradoxien und R¨ atsel im ¨ Ubungsbetrieb

Umfrage ¨uber den ¨Ubungsbetrieb an der Universit¨at Koblenz:

(89)

Paradoxien und R¨ atsel im ¨ Ubungsbetrieb

Ergebnisse einer Umfrage ¨uber den ¨Ubungsbetrieb an der Universit¨at Koblenz:

74,6% motiviert durch R¨atselaufgaben

58,2% motiviert durch Aufgaben ¨uber Paradoxien Aber: 17,2% motiviert durch Beweisaufgaben!

Ist Beweisen nicht ¨ahnlich wie Knobeln?

(90)

R¨ atsel zum ¨ Uben vom Beweisen

As valuable as symbolic logic is, I have learned from much teaching experience that it is best to begin by devoting some time to informal rea-

soning. The logic of lying and truth-telling is admirably suited to this, being both entertaining and highly instructive.

Raymond Smullyan, in “Logical Labyrinths”, 2007.

(91)

Beweismethoden lernen anhand von Paradoxien

Vorkurs Mathematik f¨ur Lehramt, Sommersemester 2017

Wir bezeichnen mit Aussagensolche S¨atze, von welchen wir sinnvoll (und eindeutig!) sagen k¨onnen, dass sie entweder wahr oder falsch sind. Welche der folgenden S¨atze sind Aussagen? Sind sie wahr oder falsch?

1 Ich l¨uge immer.

2 Ich l¨uge manchmal.

3 Ich l¨uge jetzt gerade.

4 Ich l¨uge nie.

(92)

Beweismethoden lernen anhand von Paradoxien

Aufgabe

Ist “Ich l¨uge immer” eine Aussage?

Falls ja, so ist sie entweder wahr oderfalsch.

1. Fall: Ich l¨uge immer. Also l¨uge ich jetzt und somit ist die Aussage “Ich l¨uge immer” eine L¨uge, was der Annahme widerspricht.

2. Fall: Ich sage mindestens einmal die Wahrheit. Also ist die Aussage

“Ich l¨uge immer” falsch.

Welche Methoden/Prinzipien werden hier verwendet?

Fallunterscheidung Widerspruchsbeweis

(93)

Beweismethoden lernen anhand von Paradoxien

Aufgabe

Ist “Ich l¨uge immer” eine Aussage?

Falls ja, so ist sie entweder wahr oderfalsch.

1. Fall: Ich l¨uge immer. Also l¨uge ich jetzt und somit ist die Aussage “Ich l¨uge immer” eine L¨uge, was der Annahme widerspricht.

2. Fall: Ich sage mindestens einmal die Wahrheit. Also ist die Aussage

“Ich l¨uge immer” falsch.

Welche Methoden/Prinzipien werden hier verwendet?

Fallunterscheidung Widerspruchsbeweis

(94)

Beweismethoden lernen anhand von Paradoxien

Aufgabe

Ist “Ich l¨uge immer” eine Aussage?

Falls ja, so ist sie entweder wahr oderfalsch.

1. Fall: Ich l¨uge immer. Also l¨uge ich jetzt und somit ist die Aussage “Ich l¨uge immer” eine L¨uge, was der Annahme widerspricht.

2. Fall: Ich sage mindestens einmal die Wahrheit. Also ist die Aussage

“Ich l¨uge immer” falsch.

Welche Methoden/Prinzipien werden hier verwendet?

Fallunterscheidung Widerspruchsbeweis

(95)

Beweismethoden lernen anhand von Paradoxien

Aufgabe

Ist “Ich l¨uge immer” eine Aussage?

Falls ja, so ist sie entweder wahr oderfalsch.

1. Fall: Ich l¨uge immer. Also l¨uge ich jetzt und somit ist die Aussage “Ich l¨uge immer” eine L¨uge, was der Annahme widerspricht.

2. Fall: Ich sage mindestens einmal die Wahrheit. Also ist die Aussage

“Ich l¨uge immer” falsch.

Welche Methoden/Prinzipien werden hier verwendet?

Fallunterscheidung Widerspruchsbeweis

(96)

Die Insel der Ritter und Schurken: Einige Beispiele

Aufgabe

Auf die Frage, ob er ein Ritter oder ein Schurke ist, antwortet ein Inselbewohner wie folgt: “Dies ist nicht das erste Mal, dass ich das sage, was ich jetzt sage.” Handelt es sich um ein Ritter oder ein Schurke?

Wir nehmen zun¨achst an, er ist ein Ritter. Dann hat er die Aussage schon zu einem fr¨uheren Zeitpunkt gemacht, also zu einem noch fr¨uheren Zeitpunkt usw.

Nach dem Prinzip des unendlichen Abstiegs muss es einen ersten Zeitpunkt geben, an dem er die Aussage zum ersten Mal gemacht hat.

Dann hat er sie aber schon einmal vorher gemacht, ein Widerspruch.

(97)

Die Insel der Ritter und Schurken: Einige Beispiele

Aufgabe

Auf die Frage, ob er ein Ritter oder ein Schurke ist, antwortet ein Inselbewohner wie folgt: “Dies ist nicht das erste Mal, dass ich das sage, was ich jetzt sage.” Handelt es sich um ein Ritter oder ein Schurke?

Wir nehmen zun¨achst an, er ist ein Ritter. Dann hat er die Aussage schon zu einem fr¨uheren Zeitpunkt gemacht, also zu einem noch fr¨uheren Zeitpunkt usw.

Nach dem Prinzip des unendlichen Abstiegs muss es einen ersten Zeitpunkt geben, an dem er die Aussage zum ersten Mal gemacht hat.

Dann hat er sie aber schon einmal vorher gemacht, ein Widerspruch.

(98)

Die Insel der Ritter und Schurken: Einige Beispiele

Aufgabe

Auf die Frage, ob er ein Ritter oder ein Schurke ist, antwortet ein Inselbewohner wie folgt: “Dies ist nicht das erste Mal, dass ich das sage, was ich jetzt sage.” Handelt es sich um ein Ritter oder ein Schurke?

Wir nehmen zun¨achst an, er ist ein Ritter. Dann hat er die Aussage schon zu einem fr¨uheren Zeitpunkt gemacht, also zu einem noch fr¨uheren Zeitpunkt usw.

Nach dem Prinzip des unendlichen Abstiegs muss es einen ersten Zeitpunkt geben, an dem er die Aussage zum ersten Mal gemacht hat.

Dann hat er sie aber schon einmal vorher gemacht, ein Widerspruch.

(99)

Beweismethoden lernen anhand von Paradoxien

Das Trinker-Paradoxon

In jeder Bar gibt es mindestens eine Person, sodass, wenn diese Person trinkt, alle trinken.

Formalisert bedeutet dies:

∃x: (T(x)→ ∀y :T(y)).

1. Fall: ∃x0 :¬T(x0). Dann gilt T(x0)→ ∀y :T(y).

2. Fall: ¬∃x0 :¬T(x0), also ∀y:T(y). Somit giltT(x)→ ∀y:T(y) f¨ur jedesx.

(100)

Beweismethoden lernen anhand von Paradoxien

Das Trinker-Paradoxon

In jeder Bar gibt es mindestens eine Person, sodass, wenn diese Person trinkt, alle trinken.

Formalisert bedeutet dies:

∃x: (T(x)→ ∀y :T(y)).

1. Fall: ∃x0 :¬T(x0). Dann gilt T(x0)→ ∀y :T(y).

2. Fall: ¬∃x0 :¬T(x0), also ∀y:T(y). Somit giltT(x)→ ∀y:T(y) f¨ur jedesx.

(101)

Beweismethoden lernen anhand von Paradoxien

Das Trinker-Paradoxon

In jeder Bar gibt es mindestens eine Person, sodass, wenn diese Person trinkt, alle trinken.

Formalisert bedeutet dies:

∃x: (T(x)→ ∀y :T(y)).

1. Fall: ∃x0 :¬T(x0). Dann gilt T(x0)→ ∀y :T(y).

2. Fall: ¬∃x0 :¬T(x0), also ∀y:T(y). Somit giltT(x)→ ∀y:T(y) f¨ur jedesx.

(102)

Alternative Aufgabenstellungen

Unterscheidung notwendig/hinreichend Wasons Auswahlaufgabe

Die abgebildeten vier Karten enthalten jeweils auf einer Seite einen Buchstaben und auf der anderen eine Zahl.

Welche Karten muss man notwendigerweise umdrehen, wenn man feststellen will, ob folgende Aussage f¨ur alle Karten gilt: “Wenn auf einer Seite der Karte ein Vokal abgebildet ist, dann steht auf der anderen Seite eine gerade Zahl”?a

aAufgabe ¨ubernommen von http://www2.hs-fulda.de/˜grams/dnkfln.htm

(103)

Scheinparadoxien: Finde-den-Fehler-Aufgaben

Einem Koblenzer Mathematikstudenten ist es endlich gelungen, die erste These der Julirevolution (“Alle Menschen sind gleich”) wissenschaftlich zu beweisen. Ist amlichM eine Menge mit endlich vielen Elementen, so gilta=bura,bM.

Beweis durch Induktion:

(1) Induktionsanfang:HatM genau ein Element so ist die Aussage richtig.

(2) Induktionsannahme(IA): Die Aussage sei richtig f¨ur alle Mengen mit genau nElementen.

Induktionsschluss: Es seiM eine Menge mit genaun+ 1 Elementen. Sei bM undN:=M\ {b}. Die Elemente vonN sind nach (IA) einander gleich. Es bleibt zu zeigen:b=c, wennc M. Dazu entfernt man ein anderes Elementd ausM und weiß dann:bM\ {d}. Die Elemente dieser Menge sind nach (IA) wiederum einander gleich. Wegen der Transitivit¨at der Gleichheitsbeziehung folgt dann die Behauptung.

(104)

Vielen Dank f¨ ur Ihre

Aufmerksamkeit!

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Oktober 2011 Hinweis: Die Votierung der Aufgaben dieses ¨ Ubungsblattes ist noch nicht notwendig, darf aber vorge- nommen werden und wird dann auch ber¨ ucksichtigt (es ist

Beweisen Sie mittels vollst¨andiger Induktion ¨ uber den Aufbau (struktureller Induktion), dass jeder aussagenlogische Ausdruck auf eine schließende Klammer oder eine Variable

Wir bezeichnen mit h(n ) die erreichte H¨ohe in Metern am Abend des n-ten Tages. Beweisen Sie durch vollst¨andige Induktion ¨ uber den Aufbau, dass jeder aussagenlogische Ausdruck auf

Es sei n eine beliebige positive nat¨

• Alphabet und Signatur einer pr¨adikatenlogischen Sprache (erster Stufe),.. • Menge der Terme ¨ uber

Ubungen zur H¨ ¨ oheren Mathematik f¨ ur Physiker III Blatt

Ubungen zur H¨ ¨ oheren Mathematik f¨ ur Physiker III Blatt

Der Satz ist genau dann wahr, wenn er falsch ist.. Das Problem ist