A1362 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 105⏐⏐Heft 25⏐⏐20. Juni 2008
A K T U E L L
Spuren von Gewalt, Vernachlässi- gung und sexuellen Übergriffen an Kindern sollten zum frühest mögli- chen Zeitpunkt von einer kompeten- ten, unabhängigen Instanz kom- mentiert und bewertet werden“, sag- te Prof. Dr. Klaus Püschel, Direktor des Instituts für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Ep- pendorf (UKE), bei der Präsentation der ersten Studie des Kinder-Kom- petenzzentrums (Kinder-KOMPT).
Das Kinder-KOMPT am UKE ist ei- ne niedrigschwellige Untersu- chungsstelle für alle Kinder mit Ver- dacht auf Misshandlung und Miss- brauch – nach eigenen Angaben die einzige Einrichtung bundesweit, in
der Rechtsmediziner und Kin- derärzte Hand in Hand arbeiten.
In einer einzigen Vorstellung werden die Kinder klinisch rechts- medizinisch und kinderärztlich un- tersucht und somit neben Verlet- zungszeichen auch auf ihren Ge- sundheitszustand, mögliche Ent- wicklungsstörungen oder Vernach- lässigungsfolgen angesehen. Gut angenommen wurde die Erreichbar- keit rund um die Uhr an sieben Ta-
gen sowie die Möglichkeit der ano- nymisierten Beratung.
Zwischen März 2007 und Febru- ar 2008 wurden 172 Kinder zwi- schen fünf Monaten und 14 Jahren untersucht; bei mehr als der Hälfte bestätigte sich der Verdacht. Die Auswertung der Daten zeigt: Kinder sind selten nur Opfer einer Gewalt- tat. Die Täter sind meist im sozialen Nahfeld zu finden. Oft sind auch Geschwisterkinder betroffen. PB
STOPPER DER BILDUNG VON ALZHEIMER-PLAQUES
In Deutschland leben circa 1,1 Millionen De- menzpatienten, davon sind Schätzungen zufol- ge etwa zwei Drittel an Morbus Alzheimer er- krankt. Mit steigender Lebenserwartung dürfte die Zahl der Neuerkrankungen weiter zuneh- men: 2,6 Millionen Demenzkranke könnten es im Jahr 2050 werden.
Therapeutische Optionen sind Acetylcholin- esterasehemmer und NMDA-Rezeptor-Ant- agonisten, Medikamente, die jedoch die krank- heitsauslösenden Prozesse im Gehirn weder aufhalten, noch verhindern: die Bildung der Amyloidplaques, die hauptsächlich aus Amy- loidbeta-Peptiden (A) bestehen, und der neu- rofibrillären Bündel, Ablagerungen von Mikrotubulin-assoziierten Tau-Proteinen. Zu den Hoffnungsträgern für eine kausale Thera- pie gehören nicht steroidale, antiinflammato- risch wirkende Substanzen (NSAIDs). Sie könn-
ten, so eine Hypothese, den mit den Proteinab- lagerungen assoziierten Entzündungsprozess im Gehirn unterdrücken. Ein internationales Forscherteam unter Federführung von Thomas L. Kukar und Todd E. Golde (Mayo Clinic in Jacksonville, Florida/USA) hat herausgefunden, wie das NSAID Tarenflurbil wirkt (Nature 2008, 453, 925–9). Es wird von Myriad Genetics in der Phase-III gegen Alzheimer entwickelt.
Verändertes Schnittmuster
Das Überraschende: Tarenflurbil, das die Bil- dung von A reduziert, indem es die Spaltung des Vorläuferproteins APP (Amyloid Precursor Protein) durch das Enzym -Sekretase hemmt, bindet nicht an das Enzym selbst, sondern an dessen Substrat, das APP. Diese ungewöhnli- che Substratanbindung verändert das Schnitt- muster des Enzyms und führt zu einer vermin-
derten Freisetzung des stark zur Aggregatbil- dung neigenden A42-Peptids. „Das könnte eine Erklärung für die direkten Effekte von Ta- renflurbil sein, eine gute Basis, um Medika- mente mit dieser Zielstruktur vielleicht noch ef- fektiver machen zu können“, sagte Dr. Stefanie Baumann (Institut für Chemie und Biochemie der TU-Darmstadt) dem Deutschen Ärzteblatt.
Prof. Dr. rer. nat. Boris Schmidt (Leiter des In- stituts) war an der Studie beteiligt.
Im April dieses Jahres waren auf dem US- amerikanischen Neurologenkongress in Chicago die Ergebnisse einer Phase-II-Studie nach 24 Monaten Therapie mit Tarenflurbil (n = 207) vorgestellt worden. Bei leichter Er- krankung besserten sich kognitive Leistungen und Alltagsfähigkeiten im Vergleich zu Placebo, nicht aber bei Patienten mit fortgeschrittenen Stadien. Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze Die Barmer Ersatzkasse (BEK) hat
ihren Hausarzt- und Hausapotheker- vertrag zum Jahresende gekündigt.
Sie will den Integrationsvertrag aber mit ähnlichen Inhalten fortsetzen.
Bis zum Jahresende läuft das Ab- kommen weiter. Allerdings müssen teilnehmende Versicherte von Juli an wieder die Praxisgebühr bezahlen, die ihnen bislang erlassen wurde.
Die BEK hat damit die Konse- quenzen aus dem Urteil des Bundes- sozialgerichts von Anfang Februar gezogen. Das Gericht war der Auf-
fassung, dass der Vertrag nicht die Voraussetzungen der integrierten Versorgung erfülle. Er könne zwar allgemeine Verbesserungen bewir- ken, bewege sich aber im Bereich der hausärztlichen Versorgung. Dies sei nicht die geforderte sektoren- übergreifende Versorgung. In der Folge musste die BEK rund 400 000 Euro an die Kassenärztliche Verei- nigung (KV) Thüringen zurückzah- len, die geklagt hatte. Die Rückzah- lungen an alle KVen wurde auf 40 bis 60 Millionen Euro geschätzt.Rie BARMER HAUSARZTVERTRAG
Kündigung zum Jahresende
Foto:picture-alliance/chromorange
Durch frühzeiti- ges Erkennen kann man die Ge- waltspirale durch- brechen.
PRÄVENTION VON GEWALT