A1266 Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 236. Juni 2008
P O L I T I K
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as viele Männer nicht gern hören wollen, besang Her- bert Grönemeyer schon vor 25 Jah- ren: Als „außen hart und innen ganz weich“ beschrieb er das vermeintlich starke Geschlecht. Mittlerweile weiß man, dass diese Eigenart der Männer fatale Folgen für deren Gesundheit haben kann. Im Schnitt sterben Män- ner sechs bis sieben Jahre früher als Frauen, sie werden schneller krank und leiden als Kind häufiger unter Kinderkrankheiten. Männer sind zu- dem öfter von Erkrankungen der Atemwege und des Herz-Kreislauf- Systems, von Drogenabhängigkeit und von Übergewicht betroffen.Ist also Mannsein an sich schon ein Gesundheitsrisiko, an dem die Männer selbst nichts ändern kön- nen? Nur zum Teil, denn viele Be- einträchtigungen könnten Männer durch gesundheitsbewusstes Ver- halten vermeiden. Dies war der Te- nor einer Fachtagung der Bundes- tagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen zum Thema Männergesund- heit in Berlin. Dennoch: Mehr männliche als weibliche Kinder stürben während der Schwanger- schaft und im Säuglingsalter. Auch begünstige die genetische Disposi- tion den Ausbruch bestimmter Er- krankungen. Auf diese, von Män- nern nicht zu beeinflussenden Be- nachteiligungen, wies der Grünen- Politiker Volker Beck gleich zu Be- ginn der Veranstaltung hin.
Einführung des Facharztes für Männerheilkunde umstritten
Wenig Einfluss haben Männer auch auf die gesellschaftlichen Gegeben- heiten, in denen sie leben. Diese ha- ben umgekehrt aber starke Auswir- kungen auf Morbidität und Morta- lität der Bevölkerung. Beck verdeut- lichte dies an zwei Beispielen: In der ehemaligen Sowjetunion habe manbeobachten können, dass die Lebens- erwartung der Bevölkerung nach dem Zusammenbruch des Kommu- nismus stark abgenommen habe.
Zwischen Männern und Frauen habe sich der Unterschied bei der Le- benserwartung seitdem deutlich ver- größert (Männer: 59,6 Jahre, Frauen:
71,3 Jahre). In israelischen Kib- buzim hingegen, wo die Lebensum- stände für Männer und Frauen ähn- lich seien, nähere sich die Lebenser- wartung der Geschlechter an.
Für Dr. med. Haydar Karatepe, Allgemeinmediziner und Leiter des Zentrums für Sexualmedizin und Männerheilkunde in Frankfurt am Main, sind die biologischen und ge- sellschaftlichen Benachteiligungen der Männer kein Grund, dass diese sich tatenlos ihrem Schicksal erge- ben müssen. Männer seien für viele gesundheitliche Beeinträchtigungen selbst verantwortlich. Sie verdräng- ten oft Gesundheitsprobleme, Warn- signale würden ignoriert und Arzt- besuche hinausgezögert. Weitere Risikofaktoren für die männliche Gesundheit seien selbstschädigen- des Verhalten, wie übermäßiger Sport oder Bewegungsmangel, Dro- genmissbrauch, riskante Fahrweise im Straßenverkehr und ungesunde Ernährung. „Aufklärung, Motivati- on und Hilfestellung sind die Haupt- maßnahmen, mit denen Männer zu einem gesundheitsbewussten Ver- halten bewegt werden können“, riet Karatepe bei der Fachtagung.
Umstritten ist jedoch, wer die Männer unterstützen könnte und wie dies am besten zu bewerkstelligen ist. Karatepe wies darauf hin, dass es in Deutschland trotz jahrelanger De- batten keinen Facharzt für Männer- heilkunde gebe. Zumindest für die Patientenversorgung sei ein solcher Facharzt seiner Meinung nach auch nicht nötig. „Diese Aufgaben sollten
neben den Urologen diejenigen Ärz- te übernehmen, die in der Regel die ersten Ansprechpartner für die männ- lichen Patienten sind – die Hausärz- te. Für diese müssten aber verstärkt Fortbildungen mit männerheilkund- lichen Themen angeboten werden.
Im wissenschaftlichen Bereich hin- gegen sollte nach Meinung Karate- pes eine Disziplin Männerheilkunde eingeführt werden, „um Grundlagen- forschung zu betreiben und um Da- tenmaterial zu beschaffen“.
Vorreiter Berlin
Bereits seit 2007 betreibt der Berli- ner Klinikkonzern Vivantes im Stadtbezirk Friedrichshain eine me- dizinische Anlaufstelle für Männer.
Schwerpunktmäßig befassen sich die Ärzte dort mit sexuellen Störun- gen und Fruchtbarkeitsproblemen.
Sie bieten Vorsorgeuntersuchungen an und behandeln Erkrankungen von Hoden und Prostata sowie Bluthochdruck und Diabetes. „Zum Andrologen zu gehen, sollte für Männer so selbstverständlich wer- den, wie es für Frauen selbstver- ständlich ist, regelmäßig den Gy- näkologen aufzusuchen“, forderte Dr. med. Wolfgang Harth, Leiter des Schwerpunktzentrums.
Männer seien durchaus für Ge- sundheitsthemen erreichbar, meint Thomas Altgeld, Geschäftsführer der Landesvereinigung für Gesund- heit Niedersachsen. Ansatzpunkte einer männerspezifischen Gesund- heitsförderung seien unter anderem die Ausdifferenzierung von klar um- rissenen Zielgruppen. Außerdem rät auch er, Ärzte und Lehrer sowie weitere Multiplikatoren im Gesund- heits-, Sozial- und Bildungsbereich für männerspezifische Gesundheits- themen zu sensibilisieren und ent- sprechend zu qualifizieren. I Samir Rabbata