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Archiv "Arzneimittel: Abrupte Kehrtwende" (09.08.1993)

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(1)

Antra Tebonin Sostril Zantic Zovirax Mevinacor Lopirin Beloc Pepdul Capozide Adalat Dusodril Dilzem Denan

Cedur -62 "Zßr'g'Z'

- 1 7

gW. A

W /f/ // A

IIRWreiz7

rfirfifffx«/,A7 "fed A

36 -35

-34 36

-20 -22 -29

2 -24 L

-30 Ivg::

7

26 ,/4'

-70 -60 -50 -40 -30 -20 -10 0

Tabelle 2 zeigt die Absatzeinbußen in den ersten vier Monaten des Jahres 1993 (verglichen mit dem ent- sprechenden Vorjahreszeitraum) ausgewählter, ehemals führender Präparate.

SmithKline Beecham

Astra Chemicals Bristol-M. Squibb MSD Boehringer M. -28

Asta Medica -20 Schwabe 30

Janssen -22 CascarT32 Bayropharm

Glaxo Sanofi Ratiopharm Hexal-Pharma Stada Wolff Bielefeld Heumann Durachemie Woelm Pharma CT Arzneimittel Sanorania

13 1 11 1

J8 1 12

136 -26

-18h -25 t -25

-26 -20 -22

58

65

-40 -20 0 20 40 60 80

Abrupte Kehrtwende

Tabelle 1 zeigt Absatzeinbußen beziehungsweise -gewinne ausgewählter Pharma-Unternehmen in den ersten vier Monaten des Jahres 1993, verglichen mit dem entsprechenden Vorjahreszeitraum. (Die Schau- bilder stammen von SmithKline Beecham; das erklärt, weshalb diese Firma die Auflistung anführt).

POLITIK

M

arkentreue scheint bei Arz- neimitteln kaum eine Rolle zu spielen — oder, um genau zu sein: bei der Verschreibung von Arzneimitteln durch Ärzte. Denn wie es um die Markentreue bei Patien- ten, die vielleicht jahrelang das glei- che Präparat verschrieben bekamen, bestellt ist, darüber ist wenig be- kannt. Die Ärzte jedenfalls haben ihr Verschreibungsverhalten seit Ein- führung der Budgetierung für Arz- neimittel abrupt umgestellt. Anhand aktueller Umsatzstatistiken läßt sich diese Änderung mit harten Zahlen belegen. Und die sind frappierend:

In den ersten vier Monaten die- sen Jahres sind die Umsätze auf dem Markt für verschreibungspflichtige Arzneimittel um 15 Prozent zurück- gegangen. Hinter dieser Durch- schnittszahl verbirgt sich aber eine kräftige Marktumschichtung. Die Umsatzrückgänge bei Herstellern namhafter Präparate liegen nämlich weit über diesem Durchschnitt und erreichen an die 30 Prozent. Umge- kehrt haben die Hersteller von Gene- rika profitiert. Auch hier ist freilich zu differenzieren. Hersteller von Ge- nerika, die als relativ teuer gelten, und die ihr Image als Markenprodu- zenten auf dem Generikamarkt pflegten, haben relativ wenig gewon- nen; bei anderen sind die Umsätze explodiert (Tabelle 1). Bekannte Marktrenner haben ihre Führungs- position eingebüßt: Tebonin, Sostril, Zantic, Adalat, um nur einige zu nen- nen, sind um 30 und mehr Prozent zurückgefallen (Tabelle 2).

KOMMENTARE

Arzneimittel

Anhand einzelner Wirkstoffe läßt sich trefflich studieren, wie das bekannte Original schlagartig gegen

ein weniger bekanntes oder unbe- kanntes Generikum ausgetauscht wurde. Nehmen wir Tagamed mit ei- nem Umsatzrückgang von 57 Pro- zent; dem steht ein Umsatzplus des entsprechenden Cimetidin von Heu- mann von 170 Prozent gegenüber (Tabelle 3). Ähnliche Beispiele ließen sich für weitere Präparategruppen aufführen. Bei den Antidepressiva etwa haben die bekannten Marken- präparate etwa 20 bis 30 Prozent ein- gebüßt und Nachahmerprodukte ei- ne Umsatzexplosion um 200, ja 300 Prozent zu verzeichnen. Solche Aus- schläge sind allerdings extrem hoch und wohl nur durch die Marktenge auf diesem Sektor zu erklären.

Das „Umsteigen" auf preiswerte oder billige Produkte muß nicht mit Qualitätseinbußen einhergehen, gibt es doch auch gute Nachahmerpro- Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 31/32, 9. August 1993 (17) A1-2105

(2)

Tagamet 100

Cimet

H2 BI.Ratio

Heumann

Azucimet

Cimehexal

-57

-27

15 61

59

59

170

58

52

\N \ffl\s\k

Mre

120 100 80 60 40 20 0 50 100 150 200

Tabelle 3 zeigt anhand des Wirkstoffes Cimetidin die Kehrtwendung bei den Verschreibungen.

POLITIK

dukte. Ob der Nachahmer indes qua- litativ mit dem Originalhersteller mithalten kann, das kann mangels Markt- und Produkttransparenz der verschreibende Arzt kaum beurteilen (dazu auch Seite eins, Heft 16/1993:

„Ist billig auch gut?"), und damit

Seit einigen Jahren wird vom Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Ver- kehr Propaganda für medizinische Außenseitermethoden — bei gleich- zeitiger Kritik an der wissenschaftlich orientierten „Schulmedizin" — betrie- ben. So schreibt V. H. Schendel, Re- gierungsdirektor in diesem Ministeri- um, daß „der jetzige Wissenschafts- begriff der Schulmedizin . . . nach- weisbar falsch" sei. Diese „Schulme- dizin" habe „den lebendigen Zusam- menhang mit den Überlieferungen der älteren Gesundheitslehre verlo- ren" und sei „eine reine Apparate- und Rezeptemedizin, die heute im- mer weniger effektiv" erscheine. (ÄN 34/ 1993, Seite 323)

Statt dessen propagiert Schendel

„natürliche Heilverfahren". Darun- ter versteht er jedoch keineswegs nur die nachweislich wirksamen soge- nannten klassischen Naturheilverfah-

KOMMENTARE

kann auch nicht beurteilt werden, ob der Umstieg auf Generika tatsächlich wirtschaftlich ist. Hier kommt die Bioverfügbarkeit ins Spiel — ein wei- tes Feld, wie Wolfgang Forth im vori- gen Heft des Deutschen Ärzteblattes dargelegt hat. NJ

ren, sondern eine völlig inhomogene Gruppe wissenschaftlich nicht allge- mein anerkannnter Außenseiterme- thoden.

Wie wenig medizinischer Sach- verstand hinter diesen Behauptun- gen steckt, beweist etwa die Tatsa- che, daß er der „Schulmedizin" vor- wirft, daß zum Beispiel die Dauer- therapie der Hypertonie die Genese des Leidens außer acht lasse — ist doch bekannt, daß der Anteil der pri- mären Hypertonie, deren Ursache eben unbekannt ist, bei 90 bis 95 Pro- zent liegt.

Im Vorwort der fünfbändigen

„Dokumentation der besonderen Therapierichtungen und natürlichen Heilweisen in Europa", die im Auf- trag des niedersächsischen Ministeri- ums für Wirtschaft, Technologie und Verkehr 1991/92 herausgegeben wur- de, wird von Schendel ausdrücklich die „Sicherung von mittelständischen

Arbeitsplätzen in Bereichen der Pharmazeutischen Industrie auch im Sektor ,Naturheilverfahren' und Si- cherung und Förderung der Thera- piefreiheit" als Ziel angegeben. Wis- senschaftlern, die es wagen, Kritik zu üben, wirft Schendel vor, „den Pfad der Tugend des Dienstes" zu verlas- sen und „uraltes Geistes- und Kultur- gut zu zerstören".

Was für teilweise obskure Vor- stellungen in dieser Dokumentation präsentiert werden, beweist ein Bei- trag des Dipl.-Ing. (!) F. Ochsenrei- ther, der empfiehlt, Vergiftungen mit einer sogenannten „isopathischen Therapie" zu behandeln, d. h. mit homöopatischen Verdünnungen des gleichen Giftes. Seinen Angaben zu- folge seien damit nicht nur spektaku- läre Erfolge bei Chemikalien- oder Tablettenvergiftungen zu erzielen, sondern auch bei radioaktiver Ver- seuchung. Selbst Botulismus könne damit behandelt werden — eine Le- bensmittelvergiftung, die in 25 bis 70 Prozent der Fälle zum Tod führt und die eine sofortige intensive Therapie erforderlich macht.

Medizin kann und muß aber wis- senschaftlich erforscht werden, wo- bei der Wissenschaftsbegriff nicht beliebig interpretierbar ist, sondern grundsätzlich für alle Wissenschaften gleichermaßen gilt. Verwiesen sei auf die Aussage von Prof. Hans Schaefer, daß Widersprüche zwischen medizi- nischen Hypothesen und naturwis- senschaftlichen Tatsachen solche Hy- pothesen immer zur Pseudowissen- schaft machen.

Es ist sicherlich nicht gerechtfer- tigt, alle unkonventionellen Metho- den ohne weitere Prüfung pauschal abzulehnen. Vor einem breiten Ein- satz solcher Verfahren müssen diese aber nach wissenschaftlich allgemein anerkannten Regeln überprüft wer- den. Die Ärzte sind es den Patienten schuldig, sie möglichst nur mit sol- chen Methoden zu behandeln, deren Wirksamkeit nachweisbar belegt ist.

Spekulative Hypothesen und Weltan- schauungen dürfen nicht an die Stel- le wissenschaftlich gesicherter Er- kenntnisse treten — auch dann nicht, wenn sie von einem Ministerium pro- pagiert werden.

Dr. med. Gerd-Marko Ostendorf, 65193 Wiesbaden

Propaganda

qua Ministerium

A1-2106 (18) Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 31/32, 9. August 1993

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