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ehn der 25 Düsseldorfer Dro- gentoten im vergangenen Jahr waren Patienten im Metha- donprogramm. „In fünf Fällen sind jetzt auf Veranlassung des Ge- sundheitsamtes gerichtsmedizinische Gutachten zur Klärung der Todesur- sache angefordert worden“, sagte Oberstaatsanwalt Jochen Ruhland gegenüber dem Deutschen Ärzte- blatt. Inzwischen gab die Staatsan- waltschaft bekannt, daß gegen fünf Ärzte in acht Fällen wegen des Ver- dachts auf fahrlässige Tötung ermit- telt werde. Nähere Einzelheiten könnten allerdings erst in zwei bis drei Monaten entschieden werden, wenn die Gutachten erstellt seien.Prof. Dr. Heiko Schneitler, Leiter des Düsseldorfer Gesundheitsamtes, hatte die Staatsanwaltschaft einge- schaltet, da ihm die Todesrate bei den Methadonsubstituierten in der nord- rhein-westfälischen Landeshaupt- stadt besonders hoch erschien. Im Be- treuungsprogramm der Ärzte seien 218 Patienten gewesen. Das Verhält- nis Todesfälle zu betreuten Patienten betrage also 1 : 24. Nach internationa- len Standards gebe es im Zusammen- hang mit Substitutionsprogrammen, so Schneitler, 0,9 Prozent Todesfälle.
In Düsseldorf seien es etwa vier Pro- zent gewesen. Der Leiter des Ge- sundheitsamtes hält es für möglich, daß die vorgeschriebenen Urinpro-
ben nicht immer unter Aufsicht vor- genommen worden seien, so daß möglicherweise ein Beikonsum ande- rer Drogen nicht kontrolliert werden konnte.
Ruth Bahners, Pressesprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein, betonte, daß die Vorwürfe von der KV ernst genom- men werden. Die praktische Ärztin Anne Eiting, die 20 Methadonpatien- ten betreut, verwahrte sich vor Jour- nalisten gegen die Beschuldigungen des Gesundheitsamtes. Vorausset- zung für die Teilnahme am Metha- donprogramm sei, daß die Fixer zu- sätzlich an einer weiteren Erkran- kung leiden. Diese Regelung werde nirgendwo so eng ausgelegt wie in Düsseldorf, „das heißt, die meisten Menschen, die hier substituiert wer- den, sind nicht lediglich leicht er- krankt, sondern schwerstkrank oder sterbend“. Ein statistischer Vergleich mit anderen Städten sei deshalb un- möglich.
Festlegung strenger Kriterien
Urinkontrollen bei den Patien- ten seien „unangekündigt, in den vorgeschriebenen unregelmäßigen Abständen und in angemessener Häufigkeit“ vorgenommen worden.
Die Ärztin stellte fest, daß im Ver- dachtsfall die Urinproben unter Auf- sicht eines Arztes oder einer dazu be- rechtigten Hilfsperson genommen worden seien. Sie räumte jedoch ein, daß ständige Untersuchungen auf Einstichstellen, eine weitere Kon- trollmöglichkeit, das sowieso eher schwache Vertrauensverhältnis zwi- schen Arzt und betroffenem Patient zerstören. Wer als Methadon-Patient allerdings weiter Drogen nehme und entdeckt werde, müsse nach drei- bis viermaliger Verwarnung aus dem Programm ausscheiden.
Der nordrhein-westfälische Ge- sundheitsminister, Dr. Axel Horst- mann (SPD), appellierte an die Ärz- te, die strengen Kriterien zur Verord- nung von Methadon an Drogenab- hängige strikt einzuhalten. Er mein- te, daß es bei sachgemäßer Behand- lung und bei einer guten psychoso- zialen Betreuung der Patienten kei- ne Hinweise auf eine Häufung von Todesfällen geben dürfe.
Psychosoziale
Betreuung: Defizite
Doch gerade in der unzureichen- de psychosozialen Betreuung scheint wohl das größte Defizit bei der Methadonsubstitution zu bestehen.Nach Schneitlers Auffassung sind in Düsseldorf zu wenige Ärzte für zu viele Methadonpatienten zuständig.
Diese Ansicht vertritt auch der stell- vertretende Leiter der Düsseldorfer Drogenberatungsstelle, Jochen Alx- nat. Von rund 800 niedergelassenen Ärzten in der nordrhein-westfäli- schen Landeshauptstadt seien nur zwölf bereit zu substituieren. Diese dürften aufgrund einer Sonderrege- lung mehr als zehn Methadonpatien- ten behandeln. Deshalb könnten die Patienten, „die gerade am Wochen- ende oft in ein tiefes Loch fallen“, von den Ärzten nicht angemessen aufgefangen werden.
Anne Eitler, die nach eigenen Angaben auch für andere substitu- ierende Ärzte sprach, betonte, daß die psychosoziale Betreuung zunächst Aufgabe von kompetenten Institutio- nen sei. Deshalb seien die Patienten an die von der Stadt finanzierten Dro- genberatungsstellen weitervermittelt worden. Geldsorgen der Stadt Düssel- dorf hätten jedoch dazu geführt, daß fast alle Stellen, die diese Betreuung übernahmen, ihre Arbeit mangels fi- nanzieller Mittel schon lange einge- schränkt hätten. Eineinhalb Planstel- len seien der Drogenberatungsstelle gestrichen worden, berichtet auch Alxnat. „Seitdem wird die psychoso- ziale Betreuung so weit wie möglich von den substituierenden Ärzten und Ärztinnen in Düsseldorf selbst gelei- stet, zusätzlich zu aller anderen Arbeit und größtenteils unentgeltlich“, sagt Anne Eitler. Gisela Klinkhammer A-230
P O L I T I K AKTUELL
(22) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 5, 2. Februar 1996