Zur Fortbildung Aktuelle Medizin
BEKANNTMACHUNG DER BUNDESÄRZTEKAMMER
DIE ARZNEIMITTELKOMMISSION
DER DEUTSCHEN ÄRZTESCHAFT INFORMIERT:
Zur Anwendung von humanem
Choriongonadotropin (HCG) zum Zwecke der Gewichtsreduktion
Stellungnahme der Ständigen Kommission „Hormontoxikolo- gie" der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
Seit 1954 wurde von verschiedenen Autoren die Anwendung von huma- nem Choriongonadotropin (HCG) im Rahmen diätetischer Maßnahmen zum Zwecke der Gewichtsreduktion empfohlen. Stellenweise wird diese Behandlungsmethode in größerem Umfang gehandhabt; dies ist zum Teil mit erheblichen Kosten für den Patienten verbunden.,Es besteht je- doch keine sinnvolle Erklärung da- für, wie HCG die Gewichtsreduktion beeinflussen könnte. Bisherige Be- hauptungen einer solchen Wirksam- keit waren wissenschaftlich unhalt- bar. Vier kontrollierte Studien haben in jüngster Zeit keine Unterschiede (Hungergefühl, Gewicht, Körperpro- portionen, Laborparameter) zwi- schen alleinigen diätetischen Maß- nahmen und diätetischen Maßnah- men in der Kombination mit HCG- Gabe erbracht. Andererseits haben die Studien gezeigt, daß die Verab- reichung von HCG in Einzelfällen mit Nebenwirkungen verbunden sein kann. Aus diesen Gründen muß vor der Anwendung von HCG zum Zwecke der Gewichtsreduktion ge- warnt werden.
Professor Dr. Dr. H. M. Bolt Vorsitzender der
Ständigen Kommission
„Hormontoxikologie"
der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
Obere Zahlbacher Straße 67 6500 Mainz 1
Ergänzende Bemerkungen zur Stellungnahme der Ständigen Kommission „Hormontoxikolo- gie" der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
Die verschiedentlich geübte Anwen- dung von HCG zum Zwecke der Ge- wichtsreduktion geht auf eine 1954 publizierte Arbeit von Simeons (1) zurück. Dieser Arbeit lag die Theorie zugrunde, daß in bestimmten Kör- perregionen eine Mobilisierung der Fettdepots durch HCG-Gabe be- schleunigt werden könne. In der Fol- gezeit wurde der Effekt einer kombi- nierten Kur (125 I. E. HCG tgl. plus 500 Cal Reduktionsdiät) unter- schiedlich bewertet (2). Positive Stellungnahmen beruhten dabei nicht auf kontrollierten Studien, sondern auf Erfahrungsberichten mit unterschiedlich großen Patien- tengruppen, jedoch ohne gültiges Vergleichskollektiv. Die erste kon- trollierte Studie wurde 1973 publi- ziert (3); bis heute wurden drei wei- tere kontrollierte Studien zu diesem Thema durchgeführt (4-6). Diese Studien zeigen übereinstimmend, daß zusätzlich zur Reduktionsdiät die Verabfolgung von HCG keinen Vorteil bezüglich Gewichtsabnah- me, auch nicht hinsichtlich der Mo- bilisierung bestimmter Fettdepots, bietet. Eine jüngst abgeschlossene kontrollierte Studie (6) zeigt darüber hinaus, daß HCG in der von Simeons angegebenen Dosierung keinen Ein- fluß auf das Hungergefühl, auf allge- meines Wohlbefinden und zahlrei- che Laborparameter (Blutfette, Elek- trolyte, Leberenzyme, Harnstoff, Harnsäure) bietet. Die durch die Re-
duktionsdiät (500 Cal tgl.) bewirkte Gewichtsabnahme (5 bis 8 kg in 4 Wochen) wird durch die gleichzeiti- ge Gabe von HCG (125 bis 250 I. E.) nicht beeinflußt.
Andererseits kann die wiederholte Gabe von HCG mit Nebenwirkungen verbunden sein. Beobachtet wurden (2, 6) Kopfschmerzen, Ovarialzysten, Zyklusstörungen sowie die Möglich- keit der Bildung von Antikörpern.
Somit stellt die Gabe von HCG zum Zwecke der Gewichtsreduktion eine Maßnahme dar, die keine Vorteile, aber die klar umrissene Möglichkeit von Nebenwirkungen bietet. Diese Sachlage hat die Deutsche Gesell- schaft für Endokrinologie zu der oben wiedergegebenen Stellung- nahme veranlaßt.
Literatur
(1) Simeons, A. T. W.: The action of chorionic gonadotropin in the obese, Lancet 2 (1954) 946 — (2) Bericht der Ständigen Kommission Steroidtoxikologie der DGE: Information über die Gabe von HCG zur Gewichtsreduktion. En- dokrinologie-Informationen 6 (1982) 10 — (3) Asher, W. L.; Harper, H. W.: Effect of human chorionic gonadotropin an weight loss, hun- ger and feeling of well-being, Amer. J. Clin.
Nutr. 26 (1973) 211 — (4) Stein, M. R.; Julis, R. E.; Peck, C. C.: lneffectiveness of human chorionic gonadotropin in weight reduction: A double-blind study, Amer. J. Clin. Nutr. 29 (1976) 940 — (5) Young, R. L.; Fuchs, R. J.;
Woltjen, M. J.: Chorionic gonadotropin in weight-control. A double-blind crossover stu- dy, J. Amer. med. Ass. 236 (1976) 2495 — (6) Rabe, T.; Becker, S.; Zaloumis, M.; Runne- baum, B.; Kubli, F.: Einfluß von Choriongona- dotropin (HCG) in Kombination mit einer 500- kcal-Reduktionsdiät auf Klinik und Labor von Frauen in der Prämenopause, zur Veröffentli- chung eingereicht (Dtsch. Med. Wschr.)
Professor Dr. Dr. H. M. Bolt Abteilung für Toxikologie
Pharmakologisches Institut der Universität Mainz Obere Zahlbacher Straße 67 6500 Mainz
Professor Dr. B. Runnebaum Dr. T. Rabe
Abteilung Gynäkologische Endokrinologie
Universitäts-Frauenklinik Voßstraße 9
6900 Heidelberg