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Archiv "Ist die Patientensicherheit bei Behandlung durch nicht approbierte Heilkundige gewährleistet?" (22.10.1986)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

EDITORIAL

Ist die Patientensicherheit bei Behandlung durch

nicht approbierte Heilkundige gewährleistet?

Wenn zwei dasselbe tun, so VV darf der eine es ungestraft tun, der andere nicht, oder freier übertragen: „Wenn zwei dasselbe tun, ist es noch lange nicht dasselbe."

Diese Erkenntnis hat uns vor über zweitausend Jahren (um 165 v. Chr.) in seinem Stück

„Adelphoe" (Die Brüder) der in Karthago geborene, als Sklave nach Rom gekommen und dort, nach sorgfältiger Ausbildung die Freiheit erlan- gende, römische Komödien- dichter Publius Terentius Afer (Terenz) vermittelt.

Nach den Erkenntnissen der letzten Jahrzehnte gilt diese von Terenz vermittelte „Le- bensweisheit" im besonderen Maße für die Ausübenden der Heilkunde — mit und ohne Ap- probation — (Arzt beziehungs- weise Heilpraktiker). Wen wun- dert es, daß sich in der Ärzte- schaft Unmut und Zorn breit machen, weil sie erleben muß, daß andere bei gleichen Ver- fehlungen frei gesprochen werden, für die sie bestraft werden (7, 8, 10, 12, 13, 14, 15, 16*).

Die Problematik rechtlichen Ungleichgewichts ist vielfach dargestellt worden und begeg- net dem rechtsmedizinischen

*) Die in Klammern stehenden Ziffern beziehen sich auf das Literaturver- zeichnis des Sonderdrucks, zu bezie- hen über den Verfasser.

Gutachter immer wieder. Auf- grund jahrzehntelanger Gut- achtererfahrungen ist davon auszugehen, daß es in der Mehrzahl der Fälle, in denen Heilpraktiker der Tötung oder der Körperverletzung wegen fahrlässigen Verhaltens be- schuldigt wurden, zu einem Schuldspruch und nicht zu ei- ner Einstellung oder einem Freispruch gekommen wäre, wenn es sich bei vergleichba- rem Sachverhalt bei den Ange- klagten um Ärzte gehandelt hätte. Damit stellt sich die Fra- ge, warum auch auf dem Ge- biet der Heilkunde das Sprich- wort gilt: „Wenn zwei dasselbe tun, ist es noch lange nicht dasselbe."

Der Schlüssel zur Lösung liegt nicht auf dem Gebiet der Rechtspraxis, wie man bei vor- dergründiger Betrachtung mei- nen könnte, sondern ist ge- setzlich durch die grotesken Unterschiede in der Ausbil- dung verankert, worauf wie- derholt und umfassend hinge- wiesen wurde (1, 2, 14). So gibt es weder einen geregelten Ausbildungsgang, noch eine ausreichende Fachprüfung für den, der die Heilkunde ohne Approbation ausüben will.

Dennoch vertritt das Bundes- verwaltungsgericht (Urteil vom 25. 6. 70) unter Berufung auf die amtliche Begründung zum Heilpraktikergesetz die Auffas- sung, daß das Heilpraktiker- recht dazu dienen soll, der Be-

völkerung einen ausreichen- den Rechtsschutz gegenüber den Gesundheitsgefährdungen durch Unberufene zu geben, was auch in der Rechtspre- chung immer wieder betont wird (1, 6).

Was wird aber zur Abwendung der Gesundheitsgefährdung durch „unkundige, fachlich unfähige beziehungsweise fachlich gänzlich ungeeigne- te" (1) Personen getan?

Tatsache ist, daß der bereits vor der Zulassung zum Heil- praktiker eingesetzte Prü- fungsfilter zu grobmaschig, um nicht zu sagen ungeeignet ist, denn bisher sind Umfang und Verfahren der Überprü- fung nicht geregelt. Das Ge- sundheitsamt hat lediglich zu prüfen, ob die Ausübung der Heilkunde durch den Kandida- ten eine Gefahr für die Volks- gesundheit bedeuten würde.

Eine Fachprüfung findet nicht statt (1, 14), damit ist auch ei- ne weitgehende Überprüfung therapeutischer Kenntnisse mit der Beschränkung der Prüfung auf die vom Gesetzgeber ge- meinte „Gefahrenabwehr"

nicht vereinbar. Hinzu kommt, daß sich in den allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur Durchführung des Heilprakti- kerrechts so gut wie keine Re- gelungen über Dauer und Mo- dalitäten der Überprüfung fin- den, bis auf einen für Bremen gültigen Erlaß (3), wonach die Prüfung „mindestens 15 Minu- ten" (!) dauern soll.

G

emessen an den vielfältigen und konkreten Gefahren- möglichkeiten, die durch Aus- übung der Heilkunde ohne Ap- probation für den Patienten er- wachsen können, ist eine sol-

2938 (42) Heft 43 vom 22. Oktober 1986 83. Jahrgang Ausgabe A

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

EDITORIAL

che Überprüfung eine Farce.

Die Lücken, die durch den un- genügenden Berufseingangs- filter entstanden sind, versucht die Rechtsprechung zu schlie- ßen, was sich aber nur auf die Fälle auswirken kann, bei de- nen „das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist". Von ei- ner Gefahrenabwendung im Sinne von Präventivmaßnah- men kann wahrlich keine Rede sein.

Es soll hier zwar nicht über die immer wieder erhobenen Forderungen zur Abschaffung des Berufs der Heilpraktiker diskutiert werden, wenngleich das 1939 erlassene Heilprakti- kergesetz ursprünglich bereits dem Ziel diente, die Ausübung der Heilkunde durch andere Personen als approbierte Ärzte abzuschaffen, wie es das 1952 erlassene Gesetz über die Aus- übung der Zahnheilkunde kompromißlos getan hat.

Frei von Polemik und fern von Konkurrenzdenken muß aber aus präventivmedizinischen Erwägungen zumindest die Forderung erhoben werden, daß der Gesetzgeber das Schutzbedürfnis der Patienten im ausreichenden Maß berück- sichtigt, die sich dem nichtap- probierten Heilkundigen anver- trauen. Diese Forderung muß aus zwei Gründen alsbald rea- lisiert werden:

C) Die Zahl der Patienten, die sich „alternativen und natur- heilkundlichen Verfahren" an- vertrauen, wird immer größer (4, 5).

0 Die therapeutische Band- breite der Heilpraktiker be- schränkt sich keineswegs auf harmlose Verfahren, die frei von gravierenden Nebenwir-

kungen sind, wie ein Blick in die Literatur (8) und in das Ge- bührenverzeichnis der Heil- praktikerverbände in der Bun- desrepublik Deutschland zeigt.

Von diesen Verbänden wird nicht nur der Anspruch erho- ben, „daß dem Heilpraktiker für seine Tätigkeit die gleiche Vergütung zuerkannt wird, wie dem Allgemeinarzt im Verkehr mit Privatpatienten" (9), son- dern es findet sich auch das in der ärztlichen Praxis vertraute diagnostische Repertoire vom EKG über die Labor- und Röntgendiagnostik bis hin zu therapeutischen Maßnahmen in der kleinen Chirurgie, der Chiropraxis und intravenöser Injektionen von Eigenharn und Gasgemischen.

nhne systematische Ausbil- dung ist das Fachwissen nicht zu erwerben, das zur An- wendung der aufgezeigten, vom Gesetz zugelassenen Dia- gnostik und Therapie bei Aus- übung der Heilkunde ohne Ap- probation notwendig ist. Es fehlt aber nicht nur am not- wendigen Wissen (14), son- dern auch an einer Wissens- überprüfung der beanspruch- ten diagnostischen und thera- peutischen Maßnahmen.

Die Regelung einer systemati- schen und qualifizierten Aus- bildung mit einer auf hohem Niveau stehenden, umfassen- den Abschlußprüfung war für den Gesetzgeber in allen Heil- hilfsberufen zum Schutz der Patienten selbstverständlich, deshalb muß es als unver- ständlich bezeichnet werden, daß der Gesetzgeber auf dem Gebiet der selbständig ausge- übten Heilkunde eine derartige Lücke im Interesse der Patien- ten noch nicht geschlossen

hat. Wenn sich der Gesetzge- ber in der Bundesrepublik Deutschland schon nicht zu ei- ner Regelung wie in der Deut- schen Demokratischen Repu- blik bereit findet, dann muß aus den dargelegten präventiv- medizinischen Gründen eine gesetzliche Regelung der Aus- bildung und der Prüfung (nicht nur einer Überprüfung) gefordert werden, die auch den wachsenden Behand- lungsansprüchen gerecht wird, wie sie von den Heilpraktiker- verbänden erhoben werden.

Bereits vor 20 Jahren hat Bok- kelmann (2), unter anderem aufgrund der auch hier im Zu- sammenhang nochmals aufge- zeigten völlig unzureichenden Ausbildung und Zulassungs- prüfung, das Ende des Heil- praktikergesetzes vorausge- sagt. Nachdem sich aber nichts änderte, hat der Bun- desgesundheitsrat 1983 (4) das Problem erneut aufgegriffen.

Offenbar hat er nach einge- henden Beratungen eingese- hen, daß an dem bestehenden Gesetz nichts zu reparieren ist, auch nicht auf dem Wege der Verbesserung der Ausbildung und der Prüfung.

Der Bundesgesundheitsrat hat daraufhin die Empfehlung aus- gesprochen, in Analogie zur DDR, das Recht, Heilkunde auszuüben, auf Ärzte zu be- schränken. Damit hat der Ge- setzgeber das Wort und trägt für die Weiterentwicklung die Verantwortung.

Professor Dr. med.

Hans-Joachim Wagner Direktor des Instituts für Rechtsmedizin der Universität des Saarlandes 6650 Homburg-Saar

Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 43 vom 22. Oktober 1986 (43) 2939

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