A
m 17. August beging die Deutsch- Baltische Ärztegesellschaft im Kaiserin-Friedrich-Haus in Ber- lin-Mitte ihr zehnjähriges Bestehen.Dort war die Gesellschaft am 2. Novem- ber 1991 unter der Schirmherrschaft der Bundesärztekammer, mit Unterstüt- zung der Ärztekammern Niedersachsen und Berlin sowie der Kaiserin-Fried- rich-Stiftung für das ärztliche Fortbil- dungswesen gegründet worden. Grün- dungsmitglieder waren die damaligen stellvertretenden Gesundheitsminister Estlands, Lettlands und Litauens sowie die Vorsitzenden der erst kurz zuvor neu entstandenen und unabhängigen Ärzte- vereinigungen der baltischen Staaten, außerdem Ärztinnen und Ärzte aus Deutschland, die die baltischen Staaten bei der Umstrukturierung ihrer Ge- sundheitssysteme unterstützen, huma- nitäre Hilfe leisten und den wissen- schaftlichen Austausch fördern wollten.
Der Gesellschaft gehören 125 Mitglie- der aus dem deutschsprachigen Raum, 158 aus Estland, 99 aus Lettland und 296 Mitglieder aus Litauen an.
Anfangs galt es vor allem, den Man- gel an Medikamenten, medizinischen Hilfsmitteln und Geräten in den bal- tischen Staaten auszugleichen. Der Wunsch der dortigen Ärzte, Kontakte zu deutschsprachigen Fachkollegen und Kliniken zu knüpfen und Zugang zu moderner Fachliteratur zu finden, führte dazu, dass ein Hospitationspro- gramm gestartet wurde. Es bildet seit- her einen Schwerpunkt der Arbeit der Deutsch-Baltischen Ärztegesellschaft.
Nahezu 500 Ärztinnen und Ärzte ha- ben bereits in Deutschland hospitiert.
Für die meisten war dies der erste Ein- blick in den aktuellen Stand der Medi- zinentwicklung Westeuropas.
Viele Hospitanten haben ihr Wissen und ihre neuen Erfahrungen im eige-
nen Land umgesetzt und inzwischen Leitungsfunktionen in Krankenhäu- sern, in der ärztlichen Selbstverwaltung oder in der Gesundheitspolitik über- nommen.
Die Deutsch-Baltische Ärztegesell- schaft hat auch eine Reihe von Fortbil- dungsveranstaltungen und Symposien organisiert, unter anderem acht Bal- tisch-Deutsche Symposien für Patholo- gie. Alternierend in Estland, Lettland,
Litauen und Deutschland stattfindend, haben sie sich zu Kongressen ent- wickelt, bei denen bis zu 170 Ärztinnen und Ärzte ihre wissenschaftlichen Er- fahrungen austauschen. Die jährlichen Mitgliederversammlungen werden eben- falls von einem wissenschaftlichen Pro- gramm begleitet.
Obwohl die Zahl der Kliniken und Abteilungen wächst, deren Ausstattung und fachliche Qualifikation westlichem Standard entsprechen, befindet sich auch in den baltischen Staaten das Ge- sundheitswesen in der Krise. Zusätzlich belastend wirken die Defizite aus sozia- listischen Zeiten. Das Krankenversi-
cherungssystem leidet an chronischem Geldmangel. Teure Medikamente müs- sen die Patienten häufig selbst bezah- len. Die Krankenhäuser versuchen mit einem äußerst geringen Budget, ihre Funktionsfähigkeit aufrechtzuerhalten.
Notwendige Investitionen können oft nur mithilfe ausländischer Spenden getätigt werden. Zahlreiche kleinere Krankenhäuser, vor allem außerhalb der Hauptstädte, sind von Schließung oder drastischem Bettenabbau be- droht, größere Kliniken sollen fusionie- ren. Häufige politische Wechsel führen zur Stagnation, und notwendige Ent- scheidungen werden nicht getroffen.
Noch immer stehen Ärzte und Pfle- gepersonal am Ende der Einkommens- skala, obwohl die Lebenshaltungsko- sten beträchtlich gestiegen sind. Viele Ärzte geben deshalb ihren Beruf auf.
Die Deutsch-Baltische Ärztegesell- schaft sieht es unverändert als ihren Auftrag an, humanitäre Hilfe zu leisten.
Künftig sollen jedoch die Vertiefung der freundschaftlichen Beziehungen zwischen den baltischen und den deutschsprachigen Ländern im Vorder- grund stehen. Partnerschaftsverträge zwischen Universitäten, Kliniken und Abteilungen, Praxen und Instituten können dazu beitragen. Fachgesell- schaften, die sich mit Vorträgen und Ta- gungen in den baltischen Staaten enga- gieren wollen, vermittelt die Deutsch- Baltische Ärztegesellschaft Kontakte.
Die Ärztekammer Berlin, die Hans- Neuffer-Stiftung der Bundesärztekam- mer, der Landesverband Leitender Krankenhausärzte Berlin, die Deutsche Sektion der Internationalen Akademie für Pathologie und viele private Spen- der haben durch ihre finanzielle Unter- stützung die Arbeit der Gesellschaft erst ermöglicht. Größere Projekte ha- ben die Rut und Klaus Bahlsen-Stif- tung, die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung und die Robert Bosch-Stiftung unterstützt.
Die Gesellschaft wird für ihre Arbeit auch künftig auf Spenden angewiesen sein. Spendenkonto: Deutsche Apothe- ker- und Ärztebank, BLZ: 100 906 03, Konto: 000 4140788. Kontakt: Dr.
med. Klaus Ebel, Mommsenstraße 63, 10639 Berlin, E-Mail: deutsch-baltische.
aerzte@berlin.de, Telefon/Fax: 0 30/
8 83 22 80. Dr. med. Klaus Ebel P O L I T I K
A
A2152 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 34–35½½½½27. August 2001
Deutsch-Baltische Ärztegesellschaft
Hilfe zur Selbsthilfe
Humanitäre Hilfe und wissenschaftlicher Austausch stehen im Vordergrund der nunmehr zehnjährigen Tätigkeit der Ärztegesellschaft.
Dr. med. Klaus Ebele (vordere Reihe, Erster von links), Vorsitzender der Deutsch-Bal- tischen Ärztegesellschaft, im Kreise des Vorstandes vor dem Grunewaldturm in Berlin
Foto: Deutsch-Baltische Ärztegesellschaft