Manisch-Depressive
Unzureichend versorgt
Weißbuch klärt über bipolare Störungen auf.
S
chätzungsweise vier Millio- nen Menschen in Deutsch- land sind nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Bi- polare Störungen e.V. (DGBS), Hamburg, manisch-depressiv, leiden also an einer bipolaren Störung. Nach dem Report 2000 der Weltgesundheitsor- ganisation gehören bipolare Störungen zu den zehn Er- krankungen, die weltweit am häufigsten zu einer dauerhaf- ten Behinderung führen. Derhohen Prävalenz stehe „eine völlig unzureichende Versor- gungssituation“ gegenüber, beklagt die Deutsche Gesell- schaft für Bipolare Störun- gen. Bei weniger als der Hälf- te der Erkrankten werde je- mals eine korrekte Diagnose gestellt und wenn, vergingen im Durchschnitt zehn Jah- re zwischen Ausbruch der Krankheit und Beginn einer angemessenen Therapie. Um die Versorgung zu verbessern und in Fachkreisen, Gesund- heitspolitik und Öffentlich- keit die Diskussion anzure- gen, hat die DGBS ein „Weiß- buch“ herausgegeben. 14 Ex- pertengruppen dokumentie- ren darin den Stand des Wis- sens in Versorgung, For- schung, Therapie und Sozio- ökonomie und analysieren De- fizite. So fehlen beispielswei- se im Vergleich zu anderen europäischen Ländern Selbst- hilfeangebote für manisch- depressiv Erkrankte.
Das Inhaltsverzeichnis des
„Weißbuchs für Bipolare Stö- rungen in Deutschland“ ist im Internet unter www.dgbs.
de einzusehen und kann von dort auch über einen Link bezogen werden. Im Buch- handel ist es für 14 Euro erhältlich.
A K T U E L L
Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 1114. März 2003 AA661
Epilepsie
Fehlfunktion des Chloridkanals
E
twa 40 Prozent aller Epilepsien ha- ben eine erbliche Komponente. Drei Forscherteams der Universitäten Ulm und Bonn sowie der RWTH Aachen haben gemeinsam ein neues Epilepsie- Gen entdeckt und seinen Pathomecha- nismus beschrieben (Nature Genetics 2003, online 3. März). Das Gen codiert den Chloridkanal in der Nervenzell- membran, der für die Hemmung der elektrischen Aktivität von Nervenzel- len entscheidende Bedeutung hat. Die Mutationen vermindern diese Hem- mung, was zu einer gesteigerten Erreg- barkeit im Gehirn und schließlich zu epileptischen Anfällen führt. Der Gen-defekt wurde bei den vier häufigsten Formen erblicher Epilepsie entdeckt:
den pyknoleptischen und juvenilen Ab- sence-Epilepsien, der juvenilen myo- klonischen Epilepsie und dem Auf- wach-Grand-Mal.
U
rsprünglich verfolgte die Arbeits- gruppe von Dr. Armin Heils in Bonn eine genetische Spur, die in einer europaweiten Studie mit Epilepsiefa- milien entdeckt wurde: eine Assoziati- on der genannten häufigen erblichen Epilepsieformen mit genetischen Mar- kern auf dem Chromosom 3. In diesem Teil befindet sich ein Gen mit dem Bau- plan für einen Chloridkanal, von dem vermutet wurde, dass er für die Hem- mung von Nervenzellen wichtig ist.Heils und Mitarbeiter suchten systema- tisch nach Veränderungen in diesem Gen bei insgesamt 46 Epilepsiefamili- en. In drei Familien konnten sie dann
Mutationen finden, die bei gesunden Kontrollpersonen nicht auftraten.
U
m nachzuweisen, dass diese Abwei- chungen tatsächlich Funktionsän- derungen zur Folge haben, die epilepti- sche Anfälle auslösen können, war es notwendig, die modifizierten Eiweiß- moleküle in einem Modellsystem zu untersuchen. In den Labors in Aachen und Ulm wurden die veränderten Ge- ne in ein Zellkultursystem integriert und die funktionellen Eigenschaften der Eiweißmoleküle in der Zellwand untersucht. Im Vergleich zu physio- logisch funktionierenden Chloridka- nälen fanden sich bei den genetisch veränderten Molekülen deutliche Un- terschiede, die entweder zu einem er- heblichen Verlust der Durchlässigkeit für Chloridionen oder zu einem ander- weitig veränderten Öffnungsmechanis-mus führen. EB
Akut
Krankenhaus-Barometer
Mangel an Geld und Ärzten
Hälfte der Krankenhäuser schätzt ihre Situation als unbefriedigend ein.
D
ie Krankenhäuser bekla- gen einen Mangel an Geld und an Ärzten. Dem aktuellen„Krankenhaus-Barometer“
vom Herbst 2002 ist zu ent- nehmen, dass sich der finanzi- elle Druck ebenso weiter ver- schärft wie das Problem, offe- ne Stellen zu besetzen. An der Umfrage des Deutschen Kran- kenhausinstituts beteiligten sich 40 Prozent der 2 239 deut- schen Krankenhäuser.
Mehr als die Hälfte (50,5 Prozent) der Krankenhäuser schätzt ihre derzeitige wirt- schaftliche Situation als unbe- friedigend ein (2001: 31,3 Pro- zent). Auch für das laufende Jahr sind viele Krankenhäuser pessimistisch: 68 Prozent ge- hen davon aus, dass sich ihre wirtschaftliche Situation ge- genüber dem Vorjahr eher ver- schlechtern wird (2001: 42 Pro- zent). Die Umfrage belege die
schlechte Stimmung in den Krankenhäusern, sagte Dr.
Burghard Rocke, Präsident der Deutschen Krankenhaus- gesellschaft. Ursache sei die strikte Budgetierung. Ver- schärfend wirkten die von der Bundesregierung verordnete
„Nullrunde“ und die nur unzu- reichend refinanzierten Tarif- steigerungen.
Neben finanziellen Eng- pässen kämpfen viele Kran- kenhäuser mit dem zuneh- menden Ärztemangel. 49 Pro- zent geben an, offene Stellen nicht besetzen zu können.
Sind in den alten Bundeslän- dern „nur“ 43 Prozent der Krankenhäuser betroffen, ha- ben in den neuen Bundeslän- dern 80 Prozent Probleme bei der Besetzung offener Stellen.
Davon ausgehend, dass der zunehmende Ärztemangel die Folge schlechter Arbeitsbe- dingungen ist, versuchen viele Krankenhäuser Anreize zu setzen. Die meisten locken mit Teilzeitbeschäftigung (67 Prozent), gefolgt von beson- deren Fort- und Weiterbil- dungskonzepten (44 Prozent), innovativen Arbeitszeitmo- dellen (32 Prozent) und sozia- len Leistungen. Sieben Pro- zent bieten eine übertarifli- che Bezahlung an.