VL- o °AUGUST- 1N c WALL A. I
00 0 t) oob
(E4
0
t
40.
i‚
eite
1
' *EBEHt
I
0
0 0
0
„Nashorn", Zeichnung von August Walla, einem Patienten aus Gugging
og
11 1 Hilieger
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
FEUILLETON
Die Künstler aus Gugging
Werke psychiatrischer Patienten
im Kunstbetrieb
Die Neue Galerie, Kassel, stellt bis zum 2. Januar 1985 „Die Künstler aus Gugging" vor. Der österreichische Psychiater Leo Navratil, der sich nun schon seit Jahrzehnten intensiv der von Hans Prinzhorn so wertfrei be- nannten „Bildnerei der Geistes- kranken" widmet, setzt sich in dieser neuen Ausstellung nach- drücklich für die Einordnung seiner Patienten als Künstler ein; die Ausstellung wird von ei- nem umfangreichen Buch-Kata- log begleitet (Verlag Medusa, Wien und Berlin 1983, 49 DM).
Es werden die Werke von 34 Pa- tienten vorgestellt, die früher oder jetzt noch im Landeskran- kenhaus Klosterneuburg-Gug- ging (Österreich) lebten bzw. le- ben. Einigen dieser Patienten — allen voran Johann Hauser (Ab- bildung) — ist mit Navratils Hilfe der Sprung in den Kunsthandel geglückt; nicht nur in der „Col- lection de l'Art Brut" in Lausan- ne hängen ihre Bilder gleichbe- rechtigt neben denen eines Adolf Wölfli, Louis Soutter und Aloyse.
Die Vermarktung der größ- tenteils chronisch psychiatri- schen Patienten hat Navratil al- lerdings zum Teil Ablehnung und Kritik eingebracht, worauf er deshalb in dem die Ausstel- lung begleitenden Buch zu sprechen kommt („Die Vermark- tung. Braucht ein Patient Geld?").
Nach anfänglichem Interesse für diagnostische Zeichentests hat sich Navratil ganz gezielt den
Fragen künstlerischer Qualität zugewandt. Unterstützung fand er dabei durch den Begründer der „Art Brut" Jean Dubuffet so- wie insbesondere auch durch den Wiener Künstler Arnulf Rai- ner.
So gelangt nun auch nicht ein Querschnitt des bildnerischen Schaffens psychiatrischer Pa-
Frauenkopf, gezeichnet von Johann Hauser im Landeskrankenhaus Gugging
tienten an die Öffentlichkeit, sondern eine sorgfältige Aus- wahl künstlerisch qualitätvoller Bilder. Navratil übernimmt hier- bei die Position des kritischen Teils der Künstlerpersönlichkeit, so daß — wie es im Vorwort von L. Marksteiner zutreffend heißt — von einer „ad ä deux" zu spre- chen ist.
So scheint auch der unbestreit- bare wirkliche Wert fernab strit- tiger Kunsttheorien — im intensi- ven Kontakt des Psychiaters zu seinen Patienten zu liegen, de- nen er in einem gesonderten Haus innerhalb des Klinikgelän- des eine neue Heimat sowie auch ein Stück neuer Identität verschafft hat.
Dies bedeutet für einen chro- nisch schizophrenen Patienten wie Oswald Tschirtner oder ei- nen schwer geistig minderbe- gabten, an einer Zyklothymie lei- denden Patienten wie Johann Hauser zweifellos keine Hei- lung, wohl aber eine als optimal zu bezeichnende psychiatrische Betreuung — sicherlich mehr noch: mitmenschlichen Kontakt, den gerade sie so dringend be- nötigen. Hartmut Kraft Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 44 vom 31. Oktober 1984 (81) 3269