Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 112|
Heft 4|
23. Januar 2015 A 145 IMPFSPRAY FÜR KINDER UND JUGENDLICHEDer Influenza eine Nasenlänge voraus
Die einfache nasale Applikation von Impfstoffen könnte helfen, die Vakzineraten bei Kindern und Jugendlichen zu steigern.
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ür die kommende Grippesai- son steht der nasal zu appli- zierende, tetravalente Lebendimpf- stoff FluenzTM Tetra zur Verfügung und löst damit Fluenz® ab. Das In- fluenza-Impfspray enthält beideB-Stämme und ist für Kinder und Jugendliche im Alter von zwei bis einschließlich 17 Jahren
zugelassen.
Konventionelle Grippe - impfstoffe erreichen bei
Kindern bislang nur eine Schutzrate von 48 Pro-
zent. Gegen das muta- tionsfreudige Influen- zavirus sind nach Prof.
Dr. med. Ulrich Bau- mann, Medizinische Hochschule Hannover,
„bessere“ Impfstoffe ge- fragt: Diese sind tetrava- lente Lebendvakzine und beinhalten jeweils zwei In- fluenza A- (H1N1 und H3N2) und zwei Influenza-B-Stämme (Yamagata und Victoria).
Kinder, die zuvor noch nie ge- gen Influenza geimpft wurden, sollten in der ersten Saison zwei- mal im Abstand von mindestens vier Wochen geimpft werden. Flu- enzTM Tetra imitiert dabei den Weg, den auch das natürliche Virus zur Infektion nutzt, und aktiviert per Sprühstoß von 0,1 ml in jedes Nasenloch die Immunabwehr des Kindes. Dabei werden eine humo- rale sowie T-Zell-vermittelte Ant- wort aufgebaut. Dagegen akti- viert die konventionelle Impfung in den Oberarm nicht das Immun- system der Schleimhäute. So be- legt nach Baumann der Vergleich nasale gegenüber konventioneller Applikation für 8 352 Kinder, dass der nasale Lebendimpfstoff nahe- zu doppelt so gut abschneidet und
fast fünf Prozent weniger Grip - pe-Erkrankungen resultieren. Ver- mehrungsfähig ist die Influenza- Lebendvakzine nur im kühleren Nasen-Rachen-Raum, kann nicht krank machen und verliert bei hö- heren Temperaturen zum Beispiel in den tiefen Atemwegen ihre Aktivität. Die Schutzrate beträgt nun 83 Prozent versus Placebo (n = 4 889).
Das Impfspray darf man nicht bei Kindern anwenden, die an einem schweren, unkontrollierten Asthma, Immundefekten oder einer Hühner- eiweiß-Allergie leiden oder Salizy- late erhalten.
Prof. Dr. med. Markus Knuf von den Dr.-Horst-Schmidt-Klini- ken Wiesbaden erinnerte daran, dass ein Kleinkind virusbedingt ein 1 mm dickes Ödem im Bereich des Ringknorpels entwickelt und sein Atemwegswiderstand dadurch 16-fach erhöht ist. Komplikationen wie Fieberkrampf, sekundär bakte- rielle Myokarditis oder Enzephali- tis sind keine Seltenheit. Die Hospi- talisierungsrate bei Kleinkindern zwischen null bis vier Jahren ist da- her fast dreimal so hoch wie in an- deren Altersgruppen.
Impfung bei Kindern auch zum Schutz der Bevölkerung
Kleinkinder sind immunologisch zu naiv. Möchte man die „echte“ Grip- pe in der Bevölkerung zurückdrän- gen, sollte man mit der Impfung der Kinder beginnen. Knuf kritisiert da- her die Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO), nur bei Kindern mit Grunderkrankungen im Alter von zwei bis sechs Jahren bevorzugt den Lebendimpfstoff ein- zusetzen. Das reiche nicht aus, weil nahezu 50 Prozent der an In- fluenza (schwer) erkrankten Kinderund Jugendlichen keine Risikofak- toren aufweisen. US-Amerikaner leg- ten eine Impfquote im Jahr 2012/
2013 von 60 Prozent vor. Jetzt könnte der Impfstoff, der schmerz- los als Nasenspray anzuwenden ist, einen Beitrag dazu leisten, die na- hezu völlig unzureichende Impf- quote von fünf Prozent in Deutsch- land zu steigern, so Knuf.
Influenza-Infektionen häufig unterschätzt
Der Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, Dr.
med. Wolfram Hartmann, Kreuztal, ergänzte, dass eine Impfempfehlung der STIKO für alle Kinder bewirken würde, dass die Kostenerstattung ge- sichert ist. Pädiater haben große Schwierigkeiten, Eltern von der Notwendigkeit einer Impfung zu überzeugen. Oftmals würden Influ- enzainfektionen unterschätzt.
Im Allgemeinen beginnt die Grippe schlagartig mit hohem Fie- ber und schwerem Krankheitsge- fühl. Der Leidensdruck ist vor allem bei kleinen Kindern hoch. Die Er- krankungsrate bei Klein- und Schul - kindern liegt je nach Ausprägung der Grippewelle bei 20 bis 30 Pro- zent – teilweise mit schweren Ver- läufen. Und dies betrifft nicht nur Kinder mit chronischen Erkrankun- gen, denn circa 50 Prozent der Kin- der, die auf der Intensivstation be- handelt werden müssen, sind gesun- de Kinder ohne Vorerkrankung. „In- fluenza-Viren sind eine der häufigs- ten Ursachen für schwere Atem- wegsinfektionen im Kindesalter.“
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Dr. med. Nana Mosler
Fachpressekonferenz anlässlich der 110. Jahres- tagung der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) in Leipzig: Influenzaschutz für Kinder: Bessere Impfstoffe, neue Konzepte.
Veranstalter: AstraZeneca GmbH Influenzavirus:
Viele Kinder sind nicht durch eine Impfung vor einer Infektion geschützt.
Abbildung: picture alliance/science photo