A 1 Grippe
1. Die echte Grippe (Influenza) ist eine Infektionskrankheit mit nach wie vor hoher
Sterblichkeitsrate. Zur Infektion von ZeIIen müssen Grippeviren an spezifische Rezeptoren der Zellmembran binden. Bestimmte Moleküle auf der Zelloberfläche, die zur Klasse der Sialinsäuren gehören, können diesen Vorgang wirkungsvoll verhindern.
Bei der qualitativen Analyse einer bestimmten Sialinsäure lassen sich ausschließlich die Elemente Stickstoff, Sauerstoff, Wasserstoff und Kohlenstoff nachweisen.
Mit 3.09 g dieser Substanz wird eine quantitative Verbrennungsanalyse durchgeführt.
Hierbei entstehen 1,71 g Wasser und 4.84 g Kohlenstoffdioxid. Der Massenanteil des Stickstoffs beträgt 4,53 %. die Molekülmasse 309 u.
Ermitteln Sie aus diesen Angaben die Summenformel der Sialinsäure! 8 BE Die folgende Abbildung zeigt das vereinfachte Grundgerüst der Sialinsäuren:
Abb.: vereinfachtes Grundgerüst der Sialinsäuren
Der pKs-Wert der Carboxygruppe der in Aufgabe 1.1 beschriebenen Sialinsäure beträgt 2,2. Der Einfluss der mit R1 bis R4 bezeichneten Reste kann bezüglich der Säurewirkung vernachlässigt werden.
Die Konzentration einer Lösung dieser Sialinsäure soll durch eine Säure-Base-Titration ermittelt werden. Hierzu werden 100 mL Sialinsäurelösung mit Natronlauge der
Konzentration c = 0.1 mol/L titriert. Bis zum Äquivalenzpunkt werden 25 mL Natronlauge verbraucht.
1.2.1. Ermitteln Sie unter Mitverwendung einer pH-Wert-Berechnung, welcher der
folgenden Indikatoren für diese Titration geeignet ist! 7 BE
Tab. 1: Umschlagsbereiche verschiedener Indikatoren (aus CRC Handbook of Chemistry and Physics, 76th edition, CRC Press 1995)
Indikator pH-Bereich des Farbumschlages
Methylrot 4,8-6,0
Kresolrot 7,0-8,8
Thymolph- thalein
9,4-10,6
1.2.2. Im Vergleich zu Alkancarbonsäuren haben Sialinsäuren deutlich niedrigere pKs- Werte.
Begründen Sie dies anhand der abgebildeten Strukturformel! Der Einfluss der mit R1 bis R4 bezeichneten Reste kann vernachlässigt werden. 4 BE
1.3. Grippeviren verfugen über spezielle Enzyme, so genannte Sialidasen, die
Sialinsäuremoleküle von Oberflächenstrukturen der Zellmembran abspalten können. Beim darauf folgenden Abbau der Sialinsäure entsteht u. a. D-Mannose.
Zur Identifikation von D-Mannose in einem Zuckergemisch wird eine zweidimensionale Dünnschichtchromatographie (DC) durchgeführt. Hierbei wird das Zuckergemisch auf einem Startpunkt aufgetragen und zunächst mit Laufmittel A getrennt. Die getrocknete Platte wird um 90° gedreht und in eine Chromatographiekammer mit Laufmittel B gestellt.
Nach der zweiten chromatographischen Trennung werden die Komponenten sichtbar gemacht und die Chromatographieplatte wird ausgewertet. In der folgenden Tabelle sind die Retentionsfaktoren (RfWerte) der verschiedenen Zucker eines Gemisches
wiedergegeben:
Tab. 2: RfWerte (K. Figge, Specialia, 15.11.1966. S. 770)
Zucker Retentionsfaktor
(Laufmittel A) Retentionsfaktor (Laufmittel B)
Cellobiose 0,57 0.33
Ribose 0,31 0,49
Mannose 0,57 0,48
Maltose 0.59 0.36
1.3.1. Zeichnen Sie eine vollständig beschriftete Skizze einer DC-Platte und kennzeichnen Sie die Positionen der vier Zucker nach erfolgter Chromatographie mit Laufmittel A! 4 BE 1.3.2. Leiten Sie aus der Tabelle ab, weshalb für eine eindeutige Identifikation der
Mannose im oben genannten Gemisch mit den verwendeten Laufmitteln A und B eine zweidimensionale Chromatographie nötig ist! 3 BE 2. Zur Therapie einer Grippeinfektion wird u. a. strenge Bettruhe und ausreichende FIüssigkeitsaufnahme. z. B. in Form von Mineralwasser, empfohlen.
Der Abfüller eines Mineralwassers wirbt damit, dass sein Produkt besonders gesund sei, da es „Jahrhunderte alt" und damit frei von zivilisationsbedingten Umweltschadstoffen sei.
Das „Alter" bezeichnet die Verweildauer des versickerten Niederschlags im geologischen Untergrund. Diese kann mit der so genannten Tritiummethode ermittelt werden. Tritium entsteht in der oberen Atmosphäre durch Reaktion von Stickstoff-14-Nukliden mit
Neutronen der kosmischen Höhenstrahlung. Hierbei bildet sich noch ein weiteres Nuklid.
Tritium zerfällt anschließend unter Aussendung von Betastrahlung.
In den WassermoIekülen des Niederschlags ist ein dem Tritiumgehalt der Atmosphäre entsprechender Anteil an Tritiumatomen enthalten.
2.1. Formulieren Sie die Kerngleichungen für diese Reaktionen und berechnen Sie die Energie, die ein Neutron der kosmischen Höhenstrahlung mindestens haben muss, damit
es zur Bildung von Tritium kommen kann! 6 BE
2.2. Die Tritiumaktivität in einer Wasserprobe des oben genannten Herstellers beträgt 1,1 % der Aktivität, die beim Versickern von Regenwasser vorliegt. Ermitteln Sie
rechnerisch das „Alter" der Probe und nehmen Sie zur Aussage des Abfüllers Stellung!
Gehen Sie hierbei von einer konstanten Tritiumaktivität in der Atmosphäre aus.
4 BE
2.3. Der Tritiumgehalt der Atmosphäre wurde durch die atmosphärischen Kernwaffentests nach dem zweiten Weltkrieg verändert. Diese Tests wurden bis 1980 eingestellt.
Erläutern Sie diese Veränderung und leiten Sie ab, welcher Fehler bei der
Altersbestimmung von Proben aus dieser Zeit gemacht wird, wenn dieser Effekt nicht berücksichtigt wird!
4 BE
Gesamt: 40 BE