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Rückblick und Ausgangspunkt Im Jahre 1965 habe ich auf dem XVI

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(1)

PERFEKTIV- (KURZ-) UND IMPERFEKTIV-(LANG-)STAMM

IM ASPEKTSYSTEM OSTTSCHADOHAMITISCHER SPRACHEN

Von H. Jungeaithmaye, Mabbueg

Dem Nestor der Hamitosemitistik in

Deutschland, Herrn Professor Dr. O.

Rössler, in Verehrung und Dankbar¬

keit zum 6. II. 1973 gewidmet.

/. Rückblick und Ausgangspunkt

Im Jahre 1965 habe ich auf dem XVI. Deutschen Orientalistentag in

Heidelberg den Versuch unternommen, das Aspektsystem westtschado-

hamitischer Sprachen vergleichend zu untersuchen'. Neben dem Hausa

hatte ich dafür die folgenden Sprachen herangezogen: Angas, Sura, Ron-

Bokkos, Ron-Daffo, Ron-Scha, Ron-Kulere, Ron-Fyer, Bolanci, Ngamo,

Karekare, Tangale und Kanakuru (Dera). Wenn auch die verfügbaren

Materialien von unterschiedlicher Qualität waren, konnten doch einige

gemeinsame Grundzüge - wie ich meine - richtig erkannt und herausgestellt

werden. Ein wichtiges Ergebnis schien mir z.B. darin zu liegen, daß es ge¬

lungen war, aus der Fülle der Erscheinungen zwei Grundmuster tschadi¬

schen Aspektbaues zu abstrahieren und einander gegenüberzustellen. Für

die untersuchten Sprachen galt in der Regel, daß die personalen Konjuga¬

tionselemente vor den Verbalstamm treten*:

Grundmuster A: SP - AZ - unverändl. VS

Grundmuster B : SP - 0 - verändl. VS (mit in- und/oder suffigier¬

tem AZ).

Zu Grundmuster A heißt es op. cit. S. 230: „Der Verbalstamm hat eine

einzige, unveränderliche Gestalt in allen verbal aufgebauten Aspekten bzw.

Aktionsarten. Hierher gehören Sprachen wie das Hausa und das Angas."

Zu Grundmuster B: ,,Die einzelnen Aspekte und Aktionsarten werden mit

Hilfe abgeleiteter Verbalstämme gebildet. Dabei erhält entweder jeder

'Vgl. „Zum Bau der Aspekte im Westtschadohamitischen", ZDMG 116/2,

1966, 227-234.

" Abkürzungen : SP = Subjektspronomen, AZ = Aspekt- oder Aktionsart¬

zeichen (in der modernen , deutschen' Fachsprache: ,, aspect marker"), VS = Verbalstamm.

(2)

684 H. Jungbaithmayb,

Aspekt etc. einen besonderen Stamm - wie z.B. im Bolanci und wohl auch

im Ngamo und Karekare sowie im Daffo, Seha und Kulere - oder es stehen

nur zwei Stämme für die 3 bzw. 4 verbalen Konjugationsformen zur Ver¬

fügung (Tangale, Bokkos, Fyer)."

Es erscheint uns heute notwendig, beide Grundmuster folgendermaßen

unterzuteilen :

AI : VS unveränderlich : Hausa-Typus

A2 : VS tonal differenziert : Angas-Typus

Bl: VS durch Suffixe differenziert: Bolanci-Typus

B2 : VS auch durch Infixe differenziert : Ron-Daffb-Typus

Bevor ich diesen Rückblick auf Überlegungen schließe, die vor mehreren

Jahren den Ausgangspunkt auch gerade für die Erörterungen begründeten,

die ich heute hier anstellen möchte, ist noch auf einen wichtigen Fehler

hinzuweisen, der mir 1965 unterlaufen ist. Ich habe damals das Punktuale

- und somit den Grundaspekt (Aorist) und Jussiv - als Dimension des Im-

perfektivs mißverstanden. Es kam so fälschlicherweise zu einer weitgehen¬

den Gleichsetzung des Aspekts , .Perfektiv" und der Aktionsart (,, tense") ,, Perfekt". Ich halte heute das folgende Grundschema den sprachlichen

Reahtäten für am besten angemessen :

Aspekte : Perfektiv Imperfektiv

Kurzstamm

Langstamm

(Accompli) (Inaccompli)

Asp. Attribute: Punktual Kursiv - Durativ

Primäraktions¬ Aorist Habitativ Progressiv

arten

und Modi: Jussiv

,, Perfekt" wie auch Futura zählen nach dieser Sieht zu den Sekundär¬

aktionsarten bzw. - je nach Lage der Dinge - zu den sekundär gebildeten

Tempora. Die Position ,, Perfekt" bedarf noch eingehender aspektologischer

Untersuchungen; ich erinnere an die syntaktischen Möglichkeiten, die z.B.

das Perfekt im Hausa besitzt {bayan mun laß ,, nachdem wir gegangen

sind"). Im Ron-Kreis sind es vor allem das Fyer und das Seha, die hier

noch Probleme aufgeben.

Folgende Bemerkungen zur Terminologie dieses Beitrages seien liier ein¬

geschoben: 1. Da der Terminus ,,tsohadohamitisch" für mich keine ontologische

Bedeutung hat, für oder gegen den man aus Überzeugung ins Feld ziehen müßte,

hat seine Verwendung in diesem Beitrag rein praktische Gründe. Bei der zu¬

nehmenden Bedeutung der staatlichen Gegebenheit ,, Tschad" und ihres Na¬

mens wird ein linguistischer Terminus „tschadisch" bzw. ,, Tschadsprachen" in

Zukunft immer mehr zu Verwechslungen und Mißverständnissen führen müssen.

(3)

Poi'fektiv-(Kurz-) und Iniporfektiv-{Lang-)Stamni 585

Ohne umständhche Erklärungen kann man mit Eindeutigkeit nicht von „den

Tschadsprachen" bzw. „den tschadischen Sprachen" in „der Republik Tschad bzw. im Tschad" sprechen. Ich verwende deshalb bis auf weiteres den Terminus

„tschadohamitisch" - und zwar für die gesamte Familie, also nicht im Sinne

von Lukas 1936. Ich gestatte mir aber auch, werm ein Kontext unzweideutig

ist, ,, tschadisch" im Sinne von ,,tschadohamitisoh" als gelegentliche Variante - ebenfalls aus rein praktischen Gründen - zu verwenden. Damit bringe ich gleich¬

zeitig indirekt zum Ausdruck, daß ich es bei unserem Forschungsstand für ver¬

früht halte, die Familie in die zwei großen Gruppen ,,Plateau-Sahel" und ,, Biu-

Mandara", wie es P. Newman und R. Ma getan haben, untc-rzugliedern'. -

2. Was den Terminus ,, Aspekt" betrifft, so ist er etwa in dom Sinn gebraucht, wie ihn die Semitistik kormt, also einzig und allein für die Zweiheit Vollendet - Unvollendet (Accompli - Inaccompli), und nicht im Siimo des amerikanischen

,, aspect", das ja zur Bezeichmmg jedweder Konjugationsform ge- bzw. mi߬

braucht wird. Als Bezeichnung für derartige Konjugationsformen im Sinne des

, .aspect" habe ich - deutscher afrikanistischer Tradition folgend und fault de mieux - „Aktionsart" gewählt. Fragen wie z.B. die der Funktion des Tempus bleiben in diesem Zusammenhang unberührt.

//. Die osttschadohamitischen Sprachen und ihre Verbreitung

Genausowenig wie es im Sinne einer genetischen Gliederung ein ,,West-

tschadohamitisch" gibt, kommt der Bezeichnung ..Osttschadohamitisch"

eine klassifizierende Bedeutung zu. Es sollen vielmehr darunter die geo¬

graphisch im östlichen Teil des Verbreitungsgebietes der gesamten Familie

gesprochenen Sprachen verstanden sein. Da es vorläufig auch noch schwie¬

rig ist. die ..östhche Gruppe" von einer ..Zontralgruppe" durch eine klassi- fikatorisch zu rechtfertigende linguistische Grenzlinie zu trennen, bleibt mir

nichts Besseres übrig als die tschadisch-kameruner Staatsgrenze als west¬

liche Begrenzung des Raumes, mit dem ich mich hier beschäftige, anzu¬

geben. Es handelt sich um Sprachen, die z.T. in Lukas (1937) durch kleinere

Skizzen und Vokabularien vertreten sind, von denen er aber nur sehr

wenigen das ,, Prädikat" tschadohamitisch zuerkannte; im Handbook II

(1952) fallen sie unter Sektion X, bzw. unter 7. u. 8. des Handbook III

(1956). Gkbenberg (1963) faßt die ihm bekannten Sprachen dieses Raumes

in seinen Gruppen 7. 8 und 9 zusammen; bei Hoffmann (1971) finden sie

sich auf Plateau-Sahcl/Eastern sub-branch, groups 1-6. und Biu-Mandara.

groups 12 und 13, verteilt. Da in keinem dieser Fälle die Information aus¬

reichend ist, gebe ich im folgenden auf der Grundlage eigener und J.-P.

3 Wer übrigens der Meinung ist. daß diese Untergliederung in der Sache

— wohl in den Bezeichnungen! - von Nbwman-Ma stammt, möge auf S. 219 des

, .Comparative Chadic: Phonology and Lexicon" von Paul Newman and Ro-

XANA Ma, jal 5/3. 1966, deren eigene Klarstellung nachlesen: ... it appears

that LüKAs's dichotomous framework will form the basis for a proper sub-

grouping of the Chad family."

(4)

686 H. JüNORAITHMAYR

Capeiles Beobachtungen* eine den jüngsten Stand unserer Kenntnisse

widerspiegelnde Übersicht einer möglichen Gliederung der tschadohami¬

tischen Sprachen im Tschad. Dabei finden auch wertvolle Mitteilungen

weiterer französischer Kollegen und Patres, insbesondere des Pöre J. Fädey, Berücksichtigung.

Übersicht und vorläufige Gliederung

osttschadohamitischer Sprachen.

I. Mu8gum-/Mulwi-Dialektgruppe II. Kera-Sprachc

III. Masa-Sprachengruppe 1. Masa-Dialektgruppe 2. Musey-Dialektgruppe 3. Marba-Dialektgruppe a) Marba-Dialekte b) Monogoy

4. Zime-Dialektgruppe ('Ka'do') a) Dialekt von Er'de

b) Dialekt von Lame, Bissi Keda etc. (Peve)

c) Dialekt von Tari (Dari) d) Dialekt von Batna e) Dialekt von Tschimiang

f) Dialekt von Pala-Wa (Pala-Oua)

g) Dialekt von Dabrang-Sorga-Ngete (Ostdialekt) 5. Zime-Mesme

a) Dialekt von Zamre (Nord-Mesme) b) Dialekt von Bero (Süd-Mesme) IV. Gabri-Nancere-Sprachengruppe

1. Gabri-Dialektgruppe

a) Tobanga oder Nord-Gabri b) Monde oder Mittel-Gabri c) Dormo oder Süd-Gabri d) Kimre oder Ost-Gabri 2. Nancere-Dialektgruppe 3. Lele-Sprache 4. Kabalai-Sprache

* Gesammelt auf einer Reise in den Tschad {Nov. 1971 - April 1972). Der

Deutschen Forschungsgemeinschaft sei an dieser Stelle für die gewährte Unter¬

stützung herzlich gedankt.

(5)

Perfektiv-(Kurz-) und Imperfektiv-(Lang-)Stamm 587

V. Somrai-Tumak-Sprachengruppe 1. Somrai-Dialektgruppe 2. Ndam-Dialektgruppe

a) Dialekt von Ndam, Süd-Ndam, Ndam-Ndam

b) Dialekt von Dik, Nord-Ndam, Dik-Ndam

3. Gadang-Sprache 4. Tumak-Dialektgruppe

a) Dialekt von Gundi, Süd-Tumak

b) Dialekt von Dofang, Nord-Tumak, Met

VI. Kuang-Dialektgruppe

a) Dialekt von Ngam, West-Kuang b) Dialekt von Tschagin, Süd-Kuang

c) Dialekt von Moddel/Modgel und Aloa, Nord-Kuang

d) Dialekt von Mobu, Ost-Kuang

VII. Gaii- oder Miltu-Dialektgruppe

a) Dialekt von Govena, West-Gali b) Dialekt von Miltu, Zentral-Gali

c) Dialekt von Dumrau, Ost-Gali

VIII. Sarwa-Sprache (Dialekte?)

IX. Sokoro-Sprachengruppe 1. Sokoro

a) Nord-Sokoro b) Süd-Sokoro 2. Barein 3. Saba

X. ,,Gera"-Dialektgruppe (Djonkor von Gera)

a) Mokulu

b) Ona-Gergo (nach J.-P. Capbile)

XI. Dangla-Sprachengruppe 1. a) Dangla (Dangaleat)

b) Karbo 2. Bidiyo

3. a) Mawa (Mahwa) b) Gura-Rewpan

4. a) Migama (Djonkor von Abu Telfan)

b) Doga

(6)

588 H. Jungraithmayr

5. Djonkor von Burma Tagil

6. a) KofFa b) Mogum c) Jegu

7. „Tundjur" (nach J. Fbdry) XII. Mubi-Birgid-Sprachengruppe

1. Mubi-Dialektgruppe 2. Masmaje 3. Kajakse 4. Bhgid (Dugri?) 5. Toram.

Es hegt in der Natur der Sache, daß auch dieser Ghederungsversuch - wie

alle vorausgegangenen - Anspruch weder auf Vollständigkeit noch auf End¬

gültigkeit erheben kann. Folgende Reihung der Gruppennummern vermag

eine ungefähre Vorstellung von der relativen Genauigkeit und Verläßhch¬

keit der obigen Angaben zu vermitteln (Beginn der Reihe = Höchststand

der Genauigkeit) :

III, V, VI, XI, IV, I, II, VII, XII, IX, X, VIII.

Im nächsten Abschnitt werden Beispiele aus folgenden Sprachen heran¬

gezogen :

Zime, Mesme, Marba (aus Gruppe III),

Gabri-Tobanga, Kabalai (aus Gruppe IV),

Somrai, Dik-Ndam (aus Gruppe V),

Migama oder Djonkor von Abu Telfan (aus Gruppe XI),

Muhl von Mangalme (aus Gruppe XII).

///. Vom Mübi zum Masa :

Substituieru'tig der Ablautstufen durch Tonstufen

Sowohl in der Arbeit über die Ron-Sprachen (1970, vgl. S. 425ff.) als

auch in kleineren Aufsätzen habe ich zu zeigen versucht, daß die Aspekt¬

systeme des Ron - im äußersten Südwesten - und des Mubi - im äußersten

Osten des tschadohamitischen Sprachgebietes - wesentliche Gemeinsam¬

keiten aufweisen. Man wird sich an die folgenden Beispiele erinnern^;

* Inzwischen stehen mir eigene Aufzeichnungen in der Mubi-Sprache zur

Verfügung, die sich nicht immer mit den Angaben bei Lukas (1937) decken.

(7)

Perfektiv-(Kurz-) und Imperfektiv-(Lang-)Stamm 589

essen (Weiches) trinken

sterben

Ron (Daffo) Kurz-/Langstamm cuhlcwadh shohlshwadh mot I mwadt

Mubi

Kurz - /Langstamm tiijtuwä

snjsuwä mätjmüwat

Während im Ron-DafFo die Infigierung eines /a(a)/-Morphems vor dem

letzten Radilcal fast ausschließlich das Bildungsprinzip für den Langstamm

ist, bedient sich das Mubi auch noch anderer Konstruktionsmittel, die aber

m.E. auf denselben Grundplan - yl-Infix oder Suffix und/oder Reduphka-

tion oder Gemination des letzten Radikals - zurückgehen. Beispiele:

Infinitiv Kurzstamm Langstamm

urinieren fara'je. feric firdc

nähen 'jemege 'jemik 'jimek

geben hdr bä¥ biraa oder birar

müde werden war v>ä¥ wirat

sich setzen werey vdrl' wiräy

schwimmen 'anyd 'anyd 'inyaä

fallen 'afadd fööt 'ufdt

weben rd'de rät ri'ddt

fliegen bir bii- bifrä

eintreten rüü'di röt rü'd'da

treffen rüübi röb rüffä

kochen riibi reb riffä

waschen cüübi c&p cüffä

schweigen süüU abi süllä

tanzen 'odoge 'udiik 'udöök

einwickeln 'osoge 'usük 'usöök

wiederkäuen golo'je golüc gulöc

Innerhalb der Ron-Gruppe, deren Glieder einander sehr nahestehen, ist

es vor allem das Seha, das sich neben der ^-Infigierung reichlich auch der

Reduplikation bei der Langstammbildung bedient; z.B.:

essen ci cdyäy

(*c-a-i-a-i)

begraben bur bwärär

schneiden bäc bäcäc

blasen fu'd fwä'dä'd

Die Tonstufe scheint jedoch weder im Mubi noch in den Ron-Sprachen

eine aspektbildende Funktion zu besitzen - mit einer Ausnahme, dem

Fyer. Diese in einer Exklave des eigentlichen Ron-Sprachgebietes ge-

(8)

690 H. JUNGRAITHMAYB

sprochene Sprache unterscheidet „Kurz"- und „Lang"-Stamm ausschlie߬

hch mit Hilfe des Tons, und zwar ist der ,,Kurz"-Stamm je nach Klassen¬

zugehörigkeit des Verbums tief- oder nütteltonig, der ,,Lang"-Stamm für

beide Verbalklassen einheitlich hochtonig; z.B.:

,,Kurz"-Stamm ,,Lang"-Stamm

essen 'et 'et

trinken sho shö

sterben mot möt

begraben 'bur 'bür

geben fä fd

vertreiben gwh gwe

kochen 'dl 'dl

waschen so sö

blasen vivik vivik

Ron-DafFo verhält sich also zu Ron-Fyer wie cuhlcwadh zu 'etj'et. Es ist

nun höchst bemerkenswert, daß sich dieses Verhältnis, das im äußersten

Südwesten der tschadohamitischen Sprachenwelt festgestellt wurde, in fast

identischer Gestalt auch im Bereich der osttschadohamitischen Sprachen

beobachten läßt. Hier sind es die nordöstlichen und die südwestlichen

Sprachen (innerhalb der Republik Tschad), die sich gegenüberstehen. So

verhält sich hier - entsprechend oben - das Mubi zu bestimmten Dialekten

des Zime (Masa) wie tiiltuwä zu tifti (Dialekt von Pala-Wa). Hinzu kommt,

daß wir hier - anders als im Ron - eine Reihe der den allmählichen Über¬

gang vom einen zum andern Bauprinzip illustrierenden Zwischenglieder be¬

sitzen. Man vergleiche die folgende Tabelle, die anhand von 14 Sprachen

bzw. Dialekten und 11 ausgewählten Verben den Vorgang - Entwicklung

vom einen zum andern Prinzip - demonstrieren soll. Die Angaben stammen

aus eigenen Materialsammlungen ; für das Kabalai, Gabri und Tumak ver¬

danke ich sie Herrn Dr. J.-P. Caprtle.

(9)

Tabelle

Verhalaspekte im Mubi und Masa : Substituierung des Ablauts durch den Ton.

essen (Weiches) trinken beißen schlucken husten sterben anfüllen träumen gebären lachen reifen

MüBI (Mangalme) tiijtuwä siijsuwä 'ewitj'uwät säcjsi'jäc 'accäl(t) mätjmiiwat winijwinna sünü/sündö waäjhuwaä gemis/gumääs

Migama (Djonkor tii-röjtidwä 'däräj'ärää 'öömi/'ökömmä sl'jijsi'j&kkä 'ecci/'ecekkä määtijmätää 'ünij'önökkä wäändjwänäd wii-rojwiewd gUlijg&läa nM-röjnii'wä

V. Abu Telfan)

SOMRAI (Domogou) womjwama sMjshää yida jyide sMjshäa 'äsS/'äsa marjmara 'wonj'wana sin j sina yö/yaa 'asaj'asa najnaa

ÖIK-NDAM yigäjyäk saga 1saa gaddjgU higäjhäk 'esäj'äas miyäjmääy 'inäj'än 'uwoj'ow gisäjgäas nigäjna

Kabalai dijdiiwi sijsiiwa yidijyddi siyar jslydra 'iiwdsij'u,vi4s9 mäjmuu>9 wenjwöni yiyjyiyi 'asij'osiyi

GABRI (Tobanga) dijdö si( ?)/sö y9d9-jyide soy/soyää 'osiij'osä ma(r)-jmare t jwöne son-jsone W9, wä-jwä W9 'asuj'ase

^lASA (Toura) ti'6/ti'e ci'ijci'e ligäjUga 'otläj'ötla cenäjcina

ilARBA teijti ceijci 'ödläj'ödlä midä/mldä sänäjsänä nei jni

^ESME (Zamre) tljti cljci '&t/'dt likjlik 'ötlöj'ötlö mät/mät Mn/Mn ml-sinjmi-sin vrä'äjvrä'ä ne'nejne'ne

2lME (Pala-Wa) ti/ti cejci 'yetj'yit sa'/sä' 'utlo'l'Mö' matjmät nyenjny&n (?) mi-sinjmi-sin vra'/vrä' (?) masjmäs nejni

^IME (Batna) tljti cijce 'itij'iti sä'jsä' güdlö'jgiidlö' mät/mat nyinjny&n mi-sinjmi-sin vrä'/frä' nijne

^IME (Tari) tiljtii ciijcee tüjtu sä'jsa' 'otlj'otl mätjmat vrä'jfrä'

2lME (Dabrang) ti, täjti ci, cäjci 'm/'ede sä'jsa' ( ?) 'ütlö'ö/'utlo' mätjmata fra'/jrä'ä nijni

^ÜMAK (Gundi) hljU 'äjj'äj mäjma

Vgl. MUSGUM

wäjwä

^ .

*'6iehenerklänuig :

i= Hochton, ä = Tiefton, a (unbezeichnet) = Mittelton, ä = tiefhochsteigender l^on, ä „Tiefst"-Ton.

i*" = präglottalisiertes, bilabiales w,

^ = präglottalisiertes y.

^ Lateralfrikative werden mit tl (stimmlos) und dl (stimmhaft) umschrieben.

'6 Unterbrochene Linie bezeichnet die Grenze zwischen der Zone des Ablauts und

der Tonhöhe.

(10)

592 H. Jungraithmayr

Man vergleiche auch noch folgende wichtige, jedoch weniger gut belegte

Beispiele :

eingraben verjagen träumen

Mubi teyisjtiyäs täkjtigäk^ sürüjsünbö

Marba tozajtdzd digdjdigd''

Somrai sinlsind

Zime-Batna mi-sinlmi-sin

These:

Die sprachliche Entwicklung vom Mubi-Typ - über Somrai-Gabri - zum

Masa-Zime-Typ ist auf dem verbalen - und da insbesondere auf dem

aspektuellen - Sektor gekennzeichnet durch einen Übergang vom Ablaut¬

prinzip zum Tonprinzip*. Eine Vielheit von morphologischen Realisierungen

steht'der Einfachheit und Einheithchkeit der ausschließhch tonalen Kon¬

trastierung gegenüber. Daß hier die Entwicklung von der Vielheit der

möghchen Realisierungen in Richtung auf eine ,, rationalere", , .ökonomi¬

schere" Methode gegangen ist, ist in hohem Maße wahrscheinlich. Geo¬

graphisch ist dies gleichzeitig die Richtung aus dem Nordosten in den

Westen (Masa; auch Musgum-Mulwi!), Südwesten (Züne) und Süden (Tu¬

mak). Die Frage, ob eine derartige Entwicklung tschadohamitischen Spra¬

chen etwa latent innewohnt - schließlich haben wir für den Ron-Bereich

genau den gleichen Vorgang zwischen Daffo etc. einerseits und Fyer an¬

dererseits festgestellt - oder ob sie durch im Osten wie im Westen gleich

oder ähnlich gelagerte linguistische Umweltbedingungen von außen an¬

gestoßen worden ist, eine solche Frage geht über den Rahmen, der für

diesen Beitrag gesteckt wurde, hinaus; sie muß vorläufig zurückgestellt

werden.

IV. Mesme und Peve :

Zwei konträre Aspekttonmusterpaare

Ein Problem, das nicht mehr ausgeführt werden kann, jedoch ange¬

deutet werden muß, ist folgendes: innerhalb der Masa-Gruppe (Masa,

Marba, Zime, Mesme) teilen sich die Sprachen bzw. Dialekte hinsichtlich

ihrer aspekt-binären Tonmuster in zwei Gruppen : auf der einen Seite stehen

Sprachen wie das Masa (Toura), Marba, Mesme und der Zime-Dialekt von

Pala-Wa, deren Imperfektivstamm (,,Lang"-Stamm) hoch und deren Per¬

fektivstamm (,,Kiu-z"-Stamm) nicht-hooh (tief oder mittel) ist, auf der

* Infinitiv: täge.

' Infinitiv: dikkä.

3 Ein Vorgang, den man wohl auch auf dem nominalen Sektor ähnlich be¬

legen könnte.

(11)

Perfektiv-(Kurz-) und Imperfektiv-(Lang-)Stamm 593

anderen Seite stehen andere Zime-Dialekte (Batna, Peve, Tari, Dabrang),

bei denen sich die beiden Aspektstämme gerade umgekehrt verhalten. Für

die beiden Typen schlage ich die Bezeichnungen Mesme-Typ und Zime-

Batna- oder Peve-Typ vor.

Wie es zu dieser konträren Differenzierung - bei sonst großer verwandt¬

schaftlicher Nähe - gekommen ist, wird a.a.O. zu behandeln sein. Hier sei

nur noch daran erinnert, daß - wie wir oben gesehen haben - der Ron-

Fyer-Typ ebenfalls einen hochtonigen Imperfektivstamm besitzt. Fyer und

Mesme (einschließlich Marba, Masa, Musey, ja auch Musgum-Mulwi) stellen

also vorläufige Endstationen einer parallelen Entwicklung dar. Ein be¬

deutendes vergleichbares Detail, das zur Verstärkung noch hinzukommt,

ist die Tatsache, daß das Verb sowohl der Masa-Sprachen als auch der

Ron-Sprachen in zwei Klassen zerfällt, deren Diskriminante ebenfalls der

Ton ist : für das Ron habe ich eine tieftonige Verbalklasse 1 und eine mittel-

tonige Verbalklasse 2 unterschieden*. Das entspricht dem Befund, der sich

aus der Beobachtung der meisten Masa-Sprachen ergibt, mit dem einen

Unterschied, daß aufgrund der Existenz der beiden obengenannten Sub¬

typen innerhalb der Masa-Gruppe es im einen Falle (Mesme-Typ) der Per¬

fektivstamm ist, der tonal differenziert wird, im anderen Falle (Peve-Typ)

hingegen die Differenzierung am Imperfektivstamm erfolgt. Zu letzterem

folgendes Beispiel:

Imperfektivstamm

Zime von Batna (Peve-Typ) : Verbalklassc 1 Verbalklasse 2

essen ti

beißen 'M

trinken ce

kommen bil

sterben mat

Vgl. hierzu

das Ron von Fyer: Perfektivstamm

essen 'et

beißen gör

trinken sho

kommen 'd

sterben mot

Sowohl im Zime von Batna als auch im Ron von Fyer ist der jeweilige

Komplementärstamm für beide Verbalklassen einheitlich hochtonig; z.B.

* Daß es im Ron - und zwar im Ron-Kulere imd Ron-Scha - zwei weitere Klas¬

sen gibt, wie ich es (1970, S. 375 f.) noch für möglich gehalten habe, dafür

spricht heute nicht mehr viel.

39 Or.-Tag 1973

(12)

594 H. Jungbaithmayr

Zime von Batna (Peve-Typ) : nad ti

nad 'ite

Ron von Fyer: yad 'et

yad gör

ich habe gegessen, ich habe gebissen ; ich pflege zu essen, ich pflege zu beißen

Wie es zu diesem polaren Verhalten gekommen ist und ob der Peve-

Typus eine mißverstandene Abwandlung des sowohl im Ron-Fyer als auch

im Musgum-Mulwi, Masa, Marba und Mesme anzutreffenden Typus dar¬

stellt, muß künftigen Untersuchungen vorbehalten bleiben. Immerhin ist es

bemerkenswert, daß sich das Tumak nicht dem Mesme-, sondern dem Peve-

Typ anschließt.

Das Ergebnis unserer Überlegungen zur Lang- oder Imperfektivstamm¬

bildung in gewissen tschadohamitischen Sprachen - im Westen und Osten -

läßt sich formelhaft folgendermaßen zusammenfassen :

1. .4-In-/Suffix : Hochton = Ron-Daffo (sowie Seha, Bokkos, Kulere):

Ron-Fyer.

2. Ron-Dafifo : Mubi = Ron-Fyer : Masa (Mesme).

Caprile, J.-P., Lexique Tumak-Frangais, Marburg (im Druck).

Greenberg, J. H., Languages of Africa, The Hague 1963.

Hoffmann, C, Provisional Check List of Chadic Languages, Marburg 1971.

(Chadic Newsletter, Special issue).

Jungraithmayr, H. ,,Zum Bau der Aspekte im Westtschadohamitischen", ZDMG 116/2, 1966, p. 227-34.

-, Die Ron-Sprachen. Tschadohamitische Studien in Nordnigerien. Hamburg-

Glückstadt 1970.

Lukas, J., Zentralsudanische Sttidien, Hamburg 1937.

Newman, P. and Roxana Ma, ,, Comparative Chadic: Phonology and Lexicon", Journal of African Languages 5, 3, 1966.

Tucker, A. N. and M. Bbyan, The Non-Bantu Languages of North-Eastern

Africa, London 1956. {Handbook of African Languages, vol. III).

Westebmann, D. and M. Beyan, Languages of West Africa, London 1952

(^1970). {Handbook of African Languages, vol. II).

LITERATUR

(13)

MASMADJE

LELE GunM

Schematische Verbreitungsskizze

osttschadohamitischer Sprachen

(14)

ZUM HEUTIGEN SCHRIFTTUM IN AFRIKANISCHEN SPRACHEN

Von Eugen Ludwig Rapp, Mainz

Von Lord Beaconsfield, alias Benjamin Disraeli, einem der ganz großen

Staatsmänner des letzten Jahrhunderts, stammt eine steigernde Klassifi¬

zierung der Lügen. Es sind 1. gewöhnliche Lügen (common lies), 2. ver¬

dammte Lügen (damned lies) und 3. als Höhepunkt ,, statistics".

Nun ist heute das Material von Statistiken meist gut und zuverlässig;

zur Lüge können sie lediglich durch die Art der Auswertung werden. Vor

Ihnen liegt eine Statistik von etwa dreieinhalb Seiten. Sie können unbesorgt

sein, ich werde sie nicht vorlesen, sondern nur vor ihr warnen. Sie besteht

wahrscheinlich aus lauter falschen Zahlen. Sollte eine von ihnen richtig

sein, dann ist das reiner Zufall oder ein großes Wunder. - Mein großes

Problem ist nicht, wie könnte man gute oder gar richtige Zahlen bekom¬

men, - ich wäre nämlich schon mit besseren zufrieden.

Die halbe Seite aus der WESTBRMANN-Festschrtft (1955), die Ihnen

vorliegt, war damals nur als Seitenfüller gedacht. Immerhin konnte man

daraus schon ersehen, daß die 33 ersten von insgesamt 203 Sprachen,

21 Bantusprachen, 10 Sudansprachen, eine tschadohamitische (afroasiati¬

sche) und eine nilotische waren. Interessant waren auch die damals noch

bestehenden Kolonialgebiete: An der Spitze mit 22 Sprachen steht briti¬

sches Gebiet, wo cs zwar keine gründliche Förderung afrikanischer Sprachen

gab, aber eine doch vielfach recht wohlwollende Duldung. Dann folgt das

belgische Gebiet, wo man recht vernacular-freundlich war, mit 5 Sprachen.

Interritorialc Sprachen brachten es ebenfalls auf 5 und das portugiesische Gebiet ergab eine einzige. Es fehlten völlig Veröffentlichungen in afrikani¬

schen Sprachen auf französischem Gebiet. Auch in der neueren Übersicht

spielen bis heute die francophonen Länder eine recht geringe Rolle. (Vgl.

Übersicht A.)

Die verdienstvolle ,, Bibliographie der Kwa-Sprachen" (1955) von Ur¬

sula Hinze bietet für diese Gruppe Westafrikas insgesamt 1079 Arbeiten ;

sie schließt aber dabei auch die gesamte wissenschaftliche Literatur über

diese Gruppe ein. Schon meine Nachträge zu drei dieser Kwa-Sprachen

lassen die Zahl der Schriften in afrikanischen Sprachen deutlich anwachsen.

Früher konnte man gegen diese Gattung von Literatur die Einwendung

machen, es handle sich fast durchweg um Missions- und Kirchenliteratur.

Heute gilt der Einwand, es handle sich auch in Naturkunde lediglich um

Übersetzungen und ,, vereinfachte" Publikationen von Nicht-Afrikanern.

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