VORLÄUFIGER BERICHT ÜBER RELIGIONSGESCHICHTLICHE
FORSCHUNGSÄRBEITEN IN KENIA 1974/75 (l)
Von A. Rupp, Saarbrücken
Mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft konnte ich vom
Oktober 1974 bis April 1975 in Kenia religionsgeschichtliche Forschungsar¬
beiten durchführen. An diesem Programm beteiligten sich zeitweise auch
Herr Prof. Dr. H. Schneider . Saarbrücken, als Geologe und Herr Universi¬
tätsdozent Dr. St. Seitz . Freiburg, als Ethnologe. Die Arbeiten bezogen sich
geographisch vor allem auf das Tanagebiet im Siedlungsbereich der Pokomo .
Im Maße der hierbei zu berücksichtigenden Traditionszusammenhänge mußte
über dieses Gebiet hinausgegriffen werden. Insbesondere lag es nahe, den
Blick auch auf die Giriama zu richten, zumal sich sowohl diese als auch die
Pokomo gerne des stammesverwandtschaftlichen Zusammenhanges erinnern.
Es schien auch sinnvoll, bereits 1971 zu den Giriama aufgenommene Kontakte
fortzuführen (2).
Die durchgeführten Arbeiten stehen im weiteren Zusammenhange der allge¬
meinen Erfassung der Kulturtradition der Pokomo und mit ihnen verbundener
Ethnien (3). Bevorzugt wurden Totenvorstellungen erörtert, wenn auch andere
Uberlieferungen nicht unberücksichtigt blieben. Uber jene habe ich im Rahmen
eines über Afrika hinausgreifenden religionsgeschichtlichen Vergleiches aus¬
führlicher auf dem 13. Kongreß der International Association for the History
nf Religions in Lancaster im August 1975 berichtet (4).
Angesichts fehlender Vorarbeiten zur Erfassung der Kulturtradition des ge¬
nannten Bereiches mußte die Frage des Wandels der alten Uberlieferung weit¬
gehend zurückgestellt werden (5).
Im wesentlichen erstreckten sich die Arbeiten von dem Gebiet um Kilifi,
welches zweimal aufgesucht wurde, bis nördlich Garissa, nahe am Äquator.
Stützpunktewaren in erster Linie Ngao , Hola und Garissa . Hier wie auch bei
kurzen Aufenthalten in Malindi und Nairobi konnte ich bei Afrikanern wohnen.
Eine große Erleichterung war es, daJ3 diesmal ein Landrover zur Verfügung
stand. Es war so möglich, die mit Michael Tomkinson (6) als Pisten zu klas¬
sifizierenden Straßen und die auch in der Trockenzeit durch unverhoffte Re¬
genfälle schwer befahrbaren Passagen des "black soil" im nördlichen Gebiet
ohne allzu bedeutende Zwischenfälle überwinden zu können.
Pokomo und Giriama sind sich zwar ihres stammesverwandtschaftlichen Ver¬
hältnisses bewußt und beide ähneln sich auch darin, daß sie mit ihrer Siedlungs¬
weise am Fluß, was für die Giriama wenigstens zum Teil gilt, keine religiöse
oder sonstige Tradition von Gewicht verbunden haben. Beide sind auch Hack¬
bauern ohne nennenswerte Viehwirtschaft. Allerdings haben die Pokomo den
Giriama die Kenntnis des Reisanbaues, in welchem sie eine beachtliche Fer¬
tigkeit erlangten, voraus.
Beide sind auch darin unterschieden, daß die Pokomo größere Verbunden¬
heit gegenüber ihrem begrenzten Siedlungsraum in unmittelbarer Nähe des
Tana zeigen, während die Giriama wenig wählerisch sind und auch Siedlungen
in reines Pokomogebiet einschieben, wie das zum Beispiel bei Golbanti der
Fall ist. Die Siedlung bei Witu gar schiebt sich weit über die längs des Tana
gegebene Pokomolinie ostwärts hinaus. Umgekehrt sind die Pokomo bemüht,
selbst durch zerstörerische Überschwemmung erzwungene Umsiedlung, wel¬
che eine Entfernung von nur wenigen Kilometern beträgt, wieder rückgängig
zu machen. So plant zum Beispiel die von Furaha nach Tarasaa übergesiedelte
Gruppe, wieder zum Ursprungsort Furaha am Tana zurückzukehren.
Noch überraschender sind vielleicht die Unterschiede der religiösen Über¬
lieferung der beiden Stämme. Am eindrucksvollsten bezeugen dies wohl die
Toten- und Geistervorstellungen (7). Gewisse Unterschiede lassen aber auch
die Geheimbünde sichtbar werden. Ngadzi nennen die Pokomo ihren Bund, für
welchen die mehrere Meter lange und ein unheimlich brummendes Geräusch
erzeugende Trommel das wichtigste Kultgerät ist. Ein Prachtexemplar einer
solchen Trommel besitzt z.B. das ethnologische Museum in Oslo. Vinyago
nennen die Giriama ihren entsprechenden Geheimbund.
Bei selbstverständlich gleichbleibenden Grundvorstellungen gibt es sogar
innerhalb der Pokomo selbst abweichende Versionen über ihren Geheimbund.
So benutzen die Malakote die Bezeichnung nyama ngalo , was man sinngemäß
mit " furchterregendes, unbändiges Tier " übersetzen müßte (8). Für die un¬
teren Pokomo insbesondere scheint ngadzi mehr das Gewicht auf das Geheim¬
nisvolle zu legen, entsprechend benutzen sie das Wort ngadzi auch in der Be¬
deutung Geheimnis (Buu). Die Malakote scheinen mit ihrer Geheimbundbe¬
zeichnung größeres Gewicht darauf zu legen, ein selbständiges Lebewesen zu
bezeichnen. Es wird auch erklärt, nyama ngalo sei ein Gott. Übereinstim¬
mend hiermit bilden sie diese Reihe göttlicher Wesen: Kelo , Guba , Nyama
ngalo (9). Dabei ist Kelo für den Schutz der Kinder zuständig wie etwa der
ägyptische Gott Bes. Das zugehörige Verb kela , welches nur in Malakote ge¬
läufig ist, bedeutet beginnen im Sinne des ersten Handschlages, welcher über¬
haupt bei einer Arbeit getan wird (lO). Guba gilt als Gott der Menschen mitt¬
leren Alters. Das den Malakote bekannte Verb guba bedeutet ein Kennzeichen
einbrennen. Den Buu ist gubva , Brandstempel , welcher einer Kuh aufgedrückt
wird, geläufig. Vom Brauchtum her gesehen hat diese Bezeichnung wohl kaum
ihren Ursprung bei den Pokomo. Ob damit aber auch die Überlieferungsge¬
schichte des Gottes Guba auf die Gruppe der Hirtenstämme verweist, bedarf
weiterer Nachprüfung (ll). Nyama ngalo schließlich ist im Sinne dieser Rei¬
he vor allem für die Angehörigen des Geheimbundes zuständig.
Unstimmigkeit herrscht auch in der Frage des Ursprunges des Geheimbun¬
des. Die Malakote benennen die Meru als Vermittler (l2). Die unteren Po¬
komo von Kibusu dagegen behaupten, der Giriama Masinda habe ihren Geheim¬
bund ngadzi eingeführt."
Die Giri ama selbst, welche ihren Bund vinyago nennen, sind gewiß, ihn von
den Sambala kennengelernt zu haben, welche aus dem Bereich des Kilima¬
ndscharo als Sklaven verschleppt wurden. Die Angehörigen dieses Zusammen¬
schlusses scheinen interessierten Fremden gegenüber recht aufnahmewillig
zu sein. Jedenfalls konnte ich mich am Sabaki kaum dessen erwehren, zu ei¬
nem Mitglied dieses Bundes gemacht zu werden. Allerdings erhielt ich von
jenen Angehörigen des vinyago nach meiner Ablehnung auch keine Auskünfte
mehr (l3). Immerhin konnte ich dieses in Erfahrung bringen. Wie die ent¬
sprechenden Zusammenschlüsse der Pokomo kennt auch der Bund der Giri-
ama verschiedene Ränge der Mitglieder, für die Zahlungen zu leisten sind.
Diese sind hier allem Anschein nach niedriger als bei den Pokomo. Im März
wird das jährliche vinyago-Fest veranstaltet. Hierbei wenden sich die Mit¬
glieder des Bundes der Reihe nach etwa zwölf Hütten zu, welche verschiede¬
nen Tieren gewidmet sind. Für jedes dieser Tiere wird ein besonderer Ge¬
sang aufgeführt (l4). Unter diesen Tieren sind Fisch, Pferd, Krokodil, Anti¬
lope, Elephant und Kamel, letzteres mit ausdrücklichem Hinweis auf Tradi¬
tion der Somali (l5).
Der Umzug eines Kultgegenstandes, wie der Ngadzi-Trom mei bei den Poko¬
mo, scheint bei den Giriama keine Rolle zu spielen. Auch scheint der Medi¬
zinmann als Diagnostiker und Therapeut nicht wie bei den Pokomo eng mit dem
Geheimbund verbunden zu sein.
Widersprüchliche Elemente der Totenvorstellungen sowohl bei Giriama als
auch bei Pokomo lassen auf eine längere Entwicklungsgeschichte beider Tra¬
ditionszusammenhänge schließen. Erschwerend tritt bei den Pokomo der
stärkere Einfluß fremder religiöser Vorstellungen und die größere Bereit¬
schaft, alte Uberlieferung zu verdrängen oder doch stärker umzuformen, als
dies in gewissen Hinsichten bei den Giriama der Fall ist, hinzu (l6). Ander¬
erseits ist es jedoch, trotz Stammesverwandtschaft, nicht möglich, Lücken
der Uberlieferung der Pokomo mit Tradition der Giriama aufzufüllen, weil der
Unterschied zwischen den Vorstellungen beider zu groß ist. So mögen diese
Untersuchungen ein weiterer Anlaß dazu sein, religionssystematisierende
Gleichsetzungen, wie hier zum Beispiel im Bantubereich, nur mit großer Zu¬
rückhaltung vorzunehmen.
Die grundsätzliche Einstellung der Pokomo dem Tode gegenüber ist natür¬
lich negativ. Die Malakote wissen, daß Gamule, der von Gott geschaffene
Herr der Unterwelt, des Alleinseins müde wurde und forthin Menschen vom
Diesseits zu sich holen durfte. Die unteren Pokomo beklagen den Ungehor¬
sam der Yateni, welche um ihrer Kinder willen sich nicht durch den Boten
Gottes lebend aus dem Diesseits geleiten lassen wollte, wie es bisher üblich
war. Seither müssen die Menschen sterben und im Grabe verfallen.
Das Totenritual (l7) ist bestimmt durch die Absicht, den Toten endgültig
loszuwerden und ihn deshalb unter keinen Umständen zu beleidigen, so da.ß
er veranlaJ3t werden könnte, sich rächend unter den Lebenden zu verweilen
oder aber, daß er der Möglichkeit, in den Bereich der Totenwesen überzu¬
wechseln, verlustig gehen könnte. Aus dem Ritual, welches sich unter Berück¬
sichtigung der langen Trauerzeit der nächsten Angehörigen über ein halbes
Jahr erstreckt, seien nur einige Punkte herausgegriffen.
1. Der Tote wird im Hause in Tücher eingehüllt und dreimal mit einem
Strick gefesselt .
2. Der in das Grab hinabgelassene Tote wird durch Einwerfen einer
Handvoll Erde, wie es scheint, an dieselbe gebannt und kann nun
entfesselt werden, um seiner Seele Bewegungsfreiheit zu gewähren,
so daß dieselbe ihren Weg in das Totenreich antreten kann.
3. Der Tote wird aus dem Zwischenzustande befreit. Seine Seele ist an
einen unfreundlichen Ort gebannt, von dem sie nur durch die Wirk¬
samkeit der Lebenden befreit werden kann in dem Moment, in wel¬
chem der Leichnam zerfällt, nach Meinung der Pokomo also nach
sieben Tagen. Noch wird auch in christlichen Gemeinden etwa sieben
Tage nach dem Begräbnis von den Clanangehörigen ein Singen ver-
sinstaltet, welches vom Sonnenuntergang bis zum Sonnenaufgang an¬
dauert (18).
Widersprüchlich ist in diesen Vorstellungen, daß man, wohl auf Grund un¬
erklärlicher Erlebnisse, neben den vorgetragenen Vorstellungen für die Le¬
benden von den Totengeistern her ständig drohende Gefahr annimmt. Die To¬
tengeister sollen, so behauptet man gelegentlich auch in christlichem Kreise,
in Siedlungen hausen, welche nicht weit von denen der Lebenden entfernt
sind (19).
Zwar sind auch die Giriama darauf bedacht, den Toten in seine andersartige,
ihm zukommende Existenzweise zu überführen. Wenn dieser Akt vollzogen ist,
tritt der Lebende wieder in ein Verhältnis positiven Miteinanders mit dem To¬
ten ein. Natürlich ist der Tod als solcher auch für die Giriama etwas Negati¬
ves. Er geht darauf zurück, daß die Eidechse dem eigentlich von Gott gesand¬
ten Chamäleon mit einer falschen Botschaft zuvorkommt (20). Auch aus dem
Totenritual der Giriama seien nur einige Punkte herausgegriffen.
1. Die Seele des Sterbenden muß aus seinem Leib heraus eingefangen wer-
den.
2. Das Sterben muß von den Lebenden eingeleitet werden. Zu diesem
Zweck muß unter anderem der tierische Lebensträger getötet werden
und der Sterbende muß von Leber und Herz desselben essen.
3. Freigabe der Seele aus der Kalabasse, indem das Blut eines Opfer -
tieres versprengt wird.
4. Einhüllen des Toten und Einschneiden eines Atemloches in die Tü¬
cher.
Der Tote geht nach einer Vorstellung in die Welt der Toten, welche Guzimu
heißt. Nach einer anderen Vorstellung bleibt er in der Nähe der Lebenden und
verlangt im Traum die Errichtung einer Repräsentation (Koma oder Kigalu ).
Kann der Tote diese Fürsorge der Lebenden für sich einerseits durch abträg¬
liches Verhalten erzwingen, so kann er andererseits durch sein Wirken für
Fruchtbarkeit durch Regen und guten Ertrag des Feldes sorgen.
In gewisser Hinsicht trennen sich die Lebenden von den Toten eigentlich
nur, um sich ihnen wieder in einer anderen, für beide sinnvollen Art der
Begegnung zuwenden zu können. Im Widerspruch hierzu steht die dauernde
Trennung durch Guzimu. Ein weiterer Widerspruch ist die immer wieder mit
Nachdruck ausgesprochene völlige Bedeutungslosigkeit des Leichnams für den
Toten und die offensichtlich einmal bedeutsam gewesene Vorstellung vom
atmenden Leichnam.
So stehen sowohl bei den Pokomo als auch bei den Giriama verschiedene
Modelle in den Totenvorstellungen nebeneinander. Sowohl dieser Sachverhalt
als auch die im Rahmen der Geheimbünde aufgedeckten tatsächlichen und be¬
haupteten Zusammenhänge bedürfen ebenso wie die mancherlei traditionsge¬
schichtlichen über den ethnischen Rahmen von Pokomo und Giriama hinaus¬
weisenden Gegebenheiten der allgemeinen mündlichen Uberlieferung und des
lexikalischen Bestandes weiterer Nachforschungen an Ort und Stelle.
Anmerkungen
1. Weitere Ausführungen zu diesen Arbeiten im Jahrbuch für Anthropologie
und Religionsgeschichte.
2. Vgl. A. Rupp, Bericht über eine Forschungsreise zu den Pokomo und
Giryama , ZDMG Suppelement II, Wiesbaden 1974, S. 610-617.
3. In verschiedenem Umfange wurden aus diesem Grunde die Arbeiten auf
Orma. Boran, Somali, Kikuiu und, wie bereits erwähnt, Giriama aus¬
gedehnt.
4. Unter dem Thema Totenvorstellungen: vergleichende Bemerkungen zu
ostafrikanischer Tradition wurde schamanistisches und altägyptisches
Material zum kontrastdiagnostischen Vergleich ausgewertet. Zur Pub¬
likation vgl . demnächst Jahrbuch für Anthropologie und Religionsgeschich ¬
te.
5. A.H.J. Prins, The Coastal Tribes of the North-Eastern Bantu (East
Central Africa Part III), London 1952, bezieht sich lediglich auf Arbei¬
ten, die ein halbes Jahrhundert und länger zurückliegen. Zur Würdigung
des philologischen Werkes von Ferdinand Würtz demnächst E. Dammann,
Die sprachlichen Arbeiten von Ferdinand Würtz . Jahrbuch für Anthropo¬
logie und Religionsgeschichte. In die eigenen Arbeiten wurden Traditionen
mythischen, märchenhaften, allgemein erzählerischen und biographischen
Charakters sowie musikalischer Art einbezogen.
6. M. Tomkinson, Kenia, ein Ferienführer, London 1973, S. 3 f.
7. Vgl. hierzu einstweilen Anm. 2 und 4.
8. Das Adj. ngedo hat die Bedeutung groß , stark, wild.
9. Diese drei sollen nach einer Version von Mungu erschaffen worden sein.
10. So kann kela z.B. beim Bau eines Kanus bedeuten "die erste Kerbe ein¬
schlagen", nämlich in den zu bearbeitenden Baumstamm.
11. Meine bisherigen Untersuchungen bei den Orma , welche vielfach mit den
Pokomo in enger Nachbarschaft leben, haben für eine solche Vermutung
bisher keinen Anhalt geboten. Das gilt auch für die Reihe dreier Götter
mit Zuständigkeit für je eine besondere Stufe menschlicher Individualge¬
schichte im Sinne von Kelo, Guba und Nyama ngalo.
12. Gelegentlich stößt man auch auf die Behauptung, die Kulttrommel sei auf
dem Tana heruntergetrieben und im Pokomoland angeschwemmt worden.
13. Die Aufnahme in den Bund kann ohnehin erst dann für Auskünfte von Nutzen
sein, wenn nach angemessener Zeit die entsprechenden Stufen bewältigt
sind. Dafür aber bedarf es dauernder Anwesenheit im Geltungsgebiet des
aufnehmenden Bundesverbandes.
14. Ich konnte diese Gesänge in anspruchsloser Form der Darbietung auf
Tonband aufnehmen und mir auch die zum Teil recht phantastischen
Zeichnungen der Tiere beschaffen.
15. Auch diese traditionsgeschichtliche Spur muß weiter verfolgt werden.
16. So ist z.B. das Begräbnisritual auch christlicher Giriama den ursprüng¬
lichen Gepflogenheiten recht nahe, während man dies den christlichen Po¬
komo nicht nachsagen kann.
17. Von Sonderfällen Geheimbundangehöriger wird hier abgesehen.
18. Ich konnte diese Gesänge am Tana auf Tonband aufnehmen. Ihr Text wird
in christlichen Gemeinden christlichem Liedgut entnommen, während die
Melodien durchgehend aus alter Tradition der Geheimbünde und anderen
Zusammenhängen entnommen sind.
19. Hierzu einstweilen A. Rupp, Zum Geschichtsverständnis der Pokomo .
Tradition und Wirklichkeit - Studien zur Afrikanistik und Orientalistik,
E.L. Rapp zum 70. Geburtstag, Meisenheim (noch nicht ausgeliefert),
mit Bemerkungen zur Geschichte von Abachora.
20. W.E. Taylor, Giryama Vocabulary and Collections , London 1891, 136 f.
ZUR GLIEDERUNG DER SÜDNILOTISCHEN SPRACHEN
Von Franz Rottland, Köln
Mit 1 Karte
Die Bezeichnung "südnilotisch" wird hier im Sinne der von O. Köhler 1948
vorgeschlagenen und 1950/55 vertretenen Gliederungsterminologie "west-,
ost- und südnilotisch" gebraucht. Mit ihr verbindet sich (seit Köhler 1950)
das Konzept einer gesamtnilotischen Sprachgruppe mit drei gleichrangigen
Zweigen. Generell gesehen ist Köhlers Terminologie inzwischen von allen
Autoren übernommen worden, die sein Gliederungsmodell akzeptiert haben (l).
Sie wird jedoch von den Autoren abgelehnt, die - in der Fortführung oder Ab¬
wandlung älterer genetischer Gliederungsmodelle - die Bezeichnung "nilotisch"
auf Köhlers "westnilotisch" einschränken und die anderen beiden Gruppen als eine größere Einheit mit außernilotischen Bezügen ( "niloto-hamitisch", "pa-
ranilotic") ansehen (2). So bezeichnen Tucker/Bryan (1962/1966) die süd¬
nilotischen Sprachen als "Kalenjin group" der "Paranilotic languages" und
setzen damit den in den fünfziger Jahren aufgekommenen politischen Terminus
"Kalenjin" an die Stelle des früher üblichen "Nandi-Tatoga", "Suk-Nandi"
etc. (3). Die Bezeichnung "Zuidnilotisch" hatte Tucker bereits 1947 verwen¬
det, jedoch bezog er sie - entsprechend dem eingeschränkten Geltungsbe¬
reich von "nilotisch" - auf die Süd-Lwoosprachen, (Tucker 1947). Er hat die¬
sen Terminus später nicht mehr aufgegriffen, vielleicht mit Rücksicht auf
Köhlers Gliederung.
Die gezeigten Unterschiede sind für unseren Fall nur terminologisch von
Interesse, denn die Sprachen, die wir als "südnilotisch" bezeichnen, erschei¬
nen in allen höheren Gliederungen als eine genetische Einheit, und im folgen¬
den soll es nur um die interne Gliederung dieser Einheit gehen.
Neuere Gliederungen des Südnilotischen sind von Tucker/Bryan (1962, 1966),
Ehret (l97l), Heine ( 1971b) und Köhler (1975) vorgelegt worden, wobei die
Gliederungen Ehrets und Heines am stärksten unterteilt sind und auch am deut¬
lichsten mit genetischem Anspruch auftreten. Die hier vorgelegte genetische
Gliederung (s. Diagramm), die zum überwiegenden Teil auf eigenem Material
beruht (4), stimmt mit keiner der vorgenannten ganz überein, schließt sich
ihnen jedoch in vielen Einzelheiten an. Es geht im wesentlichen darum, die
Wahl zwischen den bestehenden Gliederungsalternativen mit neuer Evidenz
und neuen Argumenten zu erleichtern, wobei überwiegend phonologische und
lexikalische Kriterien herangezogen werden. In der Darlegung folgen wir dem
Gliederungsdiagramm von oben nach unten.
Eine erste Aufspaltung des Südnilotischen in einen Kalenjin- und einen Dato-
gazweig wird von allen Autoren (außer Tucker/Bryan) vertreten. Eine Un¬
sicherheit ergibt sich jedoch im Hinblick auf das durch B. Heine (1973) be¬
kannt gewordene Omotik. Zunächst hatte Heine (1971b) das Omotik dem Ka¬
lenjin- Zweig zugeordnet, es dann aber als eigene, dritte Abteilung neben Ka¬
lenjin und Datoga gestellt, während Ehret auf besondere Beziehungen zwischen