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Wer seine Vorurteile pflegen will, darfsich nicht von Fakten verwirren lassen

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Academic year: 2022

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Die «Basler Zeitung» brachte es in einem Beitrag am 24. Oktober 2014 («Berset geht ein hohes Risiko ein») auf den Punkt: «Für Bundesrat Berset war die Selbstdispensation ein Kulturschock.» Berset hatte bei Amtsantritt im Januar 2012 keine Ahnung, dass in der Deutschschweiz Ärztinnen und Ärzte ihren Patienten die Medika- mente selber direkt abgeben, will heissen verkaufen. Erst mit der Revision des HMG im Jahr 2012 entdeckte er dieses für einen an hohe Medikamentenkosten ge- wohnten Romand exotische Sys- tem. Er reagierte wie (fast) jeder welsche Politiker und glaubte nur zu gerne, was ihm die Kritiker der Selbstdispensation steckten und was er sich gar nicht anders vorstellen konnte: Das System stellt eine unwiderstehliche Versuchung für die SD-

Ärzte dar, zu viele, überflüssige und möglichst teure Medikamente zu verkaufen. Und er ortete bei diesem System ein bislang ungenutztes riesiges Sparpotenzial.

Allerdings, genau wie seinerzeit Couchepin, kam Berset allein schlecht gegen die Deutschschweiz an, wo es selbstverständlich ist, die Medikamente beim Arzt zu beziehen. Der ahnungslose Gesundheitsminis- ter agierte deshalb so, wie ein intelligenter Politiker eben agiert: Er beauftragte – zur Plausibilisierung sei- nes Vorurteils – sein Bundesamt, die Medikamenten- und Arztkosten in den einzelnen Kantonen mit ihren unterschiedlichen Systemen zu untersuchen und zu vergleichen. Natürlich in der Erwartung, sein Vorurteil bestätigt zu erhalten und mit den gesammelten Daten die Selbstdispensation einschränken oder gar schwei- zweit verbieten zu können. Einer Lobbygruppe konnte er sich dabei sicher sein: den Apothekern. Und eine weitere glaubte er ebenfalls sicher hinter sich zu haben: die Krankenversicherer.

Die Beschäftigung mit der Selbstdispensation und spe- ziell dem Rabattsystem im Pharmahandel förderte für Berset dann so einige (Deutschschweizer Gesundheits- politikern längst bekannte) Eigenheiten zutage. So musste der Bundesrat zur Kenntnis nehmen, dass ein

generelles Rabattierungsverbot vermutlich eher zu höheren Kosten führen würde. Was für einen «Laien»

auf Anhieb nur schwer zu verstehen war. Wie für alle, die gerne klare, am liebsten schwarz-weisse, Verhält- nisse haben, bei denen sich die Folgen von Entscheiden unzweideutig abschätzen lassen. Aber leider: So ein- fach ist das Gesundheitswesen nicht. Wer Rabatte ge- nerell verbietet, verbietet sie auch bei den Spitälern.

Und da die teilweise mit bis zu 90 Prozent Einschlag einkaufen, bezahlen am Ende die Kantone und die Krankenversicherer, will heissen die Steuerzahler und die Prämienzahler, die Differenz. Ein schlimmes Di- lemma. Vor allem, weil man natürlich weiss, dass die Pharma industrie Rabatte nicht aus Nächstenliebe ge- währt, sondern mit handfesten Interessen verbindet.

Weil Rabatte an Spitäler eben (auch) dazu dienen, Patienten mit bestimmten Präparaten «anzufüttern», wie die «BaZ» schreibt. Ärgerlich, solche Rabatte, aber trotzdem bedeuten sie für Spitäler, Kantone, Kranken- kassen und Versicherer, Steuerzahler und Patienten

Einsparungen in vielfacher Millionenhöhe. Das Ge- sundheitswesen ist eben nicht schwarz-weiss, sondern facettenreich, wie der Rest der Gesellschaft.

Berset musste aber noch etwas anderes zur Kenntnis nehmen. Die Medikamentenkosten in den Kantonen, in denen die der systematischen kriminellen Abzocke verdächtigten SD-Ärzte arbeiten, erwiesen sich sogar in der BAG-eigenen Studie als niedriger als in den Rezepturkantonen, zum Beispiel der Romandie. Das passt nun gar nicht zu den Vorurteilen unseres Gesund- heitsministeriums. Wie löst man das Dilemma? Indem man konsequent darauf verzichtet, die «negativen»

Studienresultate zu publizieren, wenn sie die Selbst - dispensation von Korruptionsvorwürfen entlasten. Ein Vorgehen, das man der bösen Pharmaindustrie längst verboten hat. Die muss – anders als das BAG – nämlich auch Studien veröffentlichen, die für ihre Produkte unvorteilhaft ausgefallen sind. Aber eben: Quod licet Iovi, noch licet bovi.

Richard Altorfer

EDITORIAL

ARS MEDICI 22 2014

1089

Wer seine Vorurteile pflegen will, darf

sich nicht von Fakten verwirren lassen

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