Anzeigen.
Alfonso Cimino, ufficiale coloniale. Vocabolario italiano-
tigrai e tigrai-italiano. Prezzo 8 lire. Roma, Erra.
Loescher & Co. 1904. 338 S. S«.
So Titelblatt und Umschlag des Buches'). Auf einem Vor¬
satzblatt zum Vokabular liest man dagegen Vocabolario italiano-
tigrigna und auf S. 205 Vocabolario tigrigna- italiano. Es
liegt in Wirklicbkeit ein Tigrifia-Wörterbuch vor , kein
Tigre-Wörterbuch. Vorangeschickt ist ein Sillabario Etiopico und
ein äußerst dürftiger Sunto di nozioni grammaticali. Auf S. 326—
337 beschließt ein Verzeichnis von abessinischen Personennamen
nebst ihrer Bedeutung das Ganze.
Das Buch soll lediglich praktischen Zwecken dienen. Die
Tigrinawörter sind daher im zweiten Teil nicht nach den Wurzeln
geordnet (wie bei de Vito), sondern nach je ihrem eigenen Anfangs¬
buchstaben (aber wie !); noch weniger findet man irgendwelche
etymologische Notiz, irgendwelches Zurückführen der Tigrinawörter
auf den äthiopischen Wortschatz, irgendwelchen Versuch, den großen
nicbtätbiopischen Rest zu entwirren. Hier bietet sicb — wie be¬
kannt — noch ein großes, dankbares Arbeitsfeld. Und im ersteren
Teil, d. h. ira Vocabolario italiano-tigrignä, ist den Tigrina Wörtern
aus praktischer Rücksicht durchweg Uraschrift beigefügt. Aber die
Umschrift ist mangelhaft (z. B. keine Unterscheidung von Längen
und Kürzen), und die , Avvertenze' dazu sind es ebenfalls. Uber
den häufig angewendeten Buchstaben $ findet man ira Buche
nirgends Auskunft. — An Druckfehlern ist kein Mangel.
Ein Verseben dürfte sein „absenza" AOrt>'?'tr S. 3, wäbrend
auf S. 16 ricbtig .assenzio" A Ort'?'!:. Heißt »flANE S. 21
wirklich „bibbia", nicht vielmehr „Altes Testament"?
Dankenswert ist das ziemlich lange Verzeichnis abessinischer
Personennamen ara Schlüsse des Buches: Abessinischer, nicht
nur tigrifia, sondern auch amharischer, äthiopischer und solcher
1) D. Ii. die Worte Koma etc. sind beidemal aufgeklebt. Unter ihnen erkonnt man: Asmara Tipogralia della Missione Svedese.
Praetorius : Cimino, Vocabolario italiano-tigrai etc. 823
■unbekannter Herkunft, alle in bunter Mischung. OfFenbar so, wie
sie heut gebräuchlich sind und heut gesprochen werden. Auch
dieses Verzeichnis ist recht ungeschickt angeordnet und enthält
daher manche Wiederholungen. Ob Verfasser die Bedeutung der
Namen aus eigener Erkenntnis gegeben hat, oder nach Überlieferung
der Eingeborenen , wird nicht gesagt : Aucb in letzterem Falle
würden mancherlei Irrtümer wohl erklärlich sein. Denn allent¬
halben sehen wir das richtige Verständnis von Eigennamen früh
schwinden; vgl. diese Zeitschrift Bd. 57, S. 778; Bd. 59, S. 341;
Kegel, Die Verbreitung der mittelhochdeutschen erzählenden Lite¬
ratur u. s. w. Halle (Dissert.) 1905, S. 7. Es drängt mich, hier
einiges zu ordnen, zu klären, zu vermuten.
Wenn z. B. der Namen Afl^rt" durch „fecero" übersetzt
ist, so ist das sicher ein Irrtum (hervorgerufen durch den Anklang
an äthiop. Z,tlP ?}. Ich zweifle kaum, daß Afl/Cl^ Kurzform
ist zu dem unmittelbar folgenden Afl^'^Tl^ „mi facesti
scordare". Zu diesem amharischen Namen liegt ein amharisches
Äquivalent vor in ^^C^i') „dimenticanza" und ein tigrina
Äquivalent in C^Z,tlÖ „dimenticanza". Wir haben hier also
Namen derjenigen Bedeutungskategorie, die Nöldeke, Btrg. Sem. Spr.
S. 98 ff. erörtert hat.^) — VHTl^ „rai hai dominate" ist ein
Name gleicher Bildung mit A fl^'*l'?Tl'? ; eine Kurzform VH»
finde ich aber nicht zu ihm.
Auch 'fCT^f. kann durch „brama sua" unmöglich genau
wiedergegeben sein. Icb denke (da "^^^"i „Drache" ausgeschlossen
erscheint) zunächst auch an eine Kurzform zu einem verbhaltigen
Vollnamen, wie etwa äth. "f^iJS^ft'tl od. ähnl.; docb kann
ich solche Namen mit •J'^JP nicht belegen. — Ferner wird
AA^^ schwerlich bedeuten „mondo suo", sondern Kurzform sein
des wohlbekannten Vollnamens AAC^P*^ »vidi il mondo".
1) ,N. pr. che si pone a un figlio nato dopo che i genitori ne avevano perduto un altro (come ^O**!)'" Cro'^ii Vocabolario amarico-italiano 124.
2) Ebendahin gehört •J'^lAi' 'f'^lA «successore, sostituto". Wir finden hier im Tigriüa ältere Formen erhalten, so wie sie NSideke bei Gelegen¬
heit der a. a. O. S. 99 zusammengestellten (^^^fj^ u. s. w.) vermutet hat;
aber die semitische Herkunft wird auch hierdurch nicht deutlich. — Vielleicht
aueh J?Qfl, £r\ MCl^t" »conforto", das ich etymologisch nicht
anknüpfen kann. Femer J?AA'J »'"' '»'™a'o dolore" Guidi, Proverbi, strofe S. 61; Vocabolario 644.
In allen diesen und in zahllosen anderen') Kurznamen er¬
scheint die Kurzform mit einem angehängten ü. Ursprünglich ist
dieses angehängte ü vermutlich der amharische Artikel, mindestens
in den amharischen Namen (vgl. bereits meine Amharische
Sprache g 244 f.); und es verdient dabei Beachtung, daß es in
Ätl/.tt' und wahrscheinlich auch 't'Ö^J» verkürzten Verbal¬
formen angehängt worden ist. In dem eigentümlichen Namen
AflJiJ^ ,dov' era" läge Frageadverb + Verbum vor; letzteres
in der Mitte reduziert: — AfUBifl^- — Es ist aber doch sehr
zweifelhaft, ob dieses ü jetzt durchaus und überall nur so auf¬
gefaßt werde. Wenn die Übersetzung von Afl^rt' durch
„fecero" wirklich der heutigen abessinischen Auffassung entsprechen
sollte , so würde es hier vielmehr als verbale Pluralendung auf¬
gefaßt erscbeinen. Sehr häufig sind aber die Fälle, in denen dieses
ü tatsächlich als pronominales Suffi.x aufgefaßt zu werden scheint.
Dahin möchte ich ziehen A^^*!* „ancella sua" ; denn mit dem
Artikel sollte man im Amharischen A^'^'t'!' erwarten.-) U wird
hier also vermutlich auf das zweite Glied des zugrunde liegenden
Vollnamens A'^'T' ' 5lCfl'f'fl od. ähnl. bezogen sein. Vor
allem spricht aber für die Auffassung als Pronominalsuffix, daß
wir an Stelle von ü einige Male auch das pluralische Tigrina-Suffix
öm finden! Also im Tigriiia deutete man das ü anders. So
neben O/"?!^ „sostegno. suo" auch O/'J^f^ „sostegno loro' :
^"iR. ofienbar als Kurznamen zu einem Vollnamen mit singula¬
rischem Genitiv, Pi'J^f^ zu einem Vollnamen mit pluralischem
Genitiv gedacht; also Oj^Ä = äth. öf^J? I A.Hrt-fl od.
ähnl, = äth. Vf^M'.^^'^'i od. ähul. Ebenso
yi-flCf^ .onore loro', 514: A^f^ , quota loro» (neben
514:A'), U^A-f^ .virtü loro" (neben U.EA«). — Sogar
^f^lfi wird S. 328 angeführt (neben "Ol^, 'Ofhll', V\
itlf^JB) mit äthiopischem weiblichen Pluralsuffix. Aber hier
1) Wie Offlfl« .mercede sua", Oj^^fl' .amico suo", Q'fY'iC.
.primo geiiito suo", "fK^VJ^ .luce sua", 'O'^lfl' »st«"" sua", ^l'J^Zf
„ala sua". Yl.'^J' "P*"" J^'i^ .meraviglia sua", '7*flZ^
.schiavo suo", '?*}Hfl* .proprietii sua" , ^^tJÄ*?*!* «raecomandato
suo", .trono suo", fl'flffl't «onore suo" u.s.w. u.s.w.
ii Vgl. Guidi, Proverbi, strofe etc. S. 74 u. 101.
Fraetorius: Cimino, Vocabolario italiano-tigrai etc. 825
kann sich das Suffix nur beziehen auf verstorbene Töchter: „Ihr
Ersatz«. Auch ^J'IT'? „Ihr (wessen?) Herr» mit äthiopischem
weiblichen Pluralsuffix.
Bei der Bildung der Kurzformen auf ü ist bei den auf ä
ausgehenden Nominibus eine zweifache Stufe der Kürzung zu er¬
kennen: Teils wird das 3 beibehalten, teils wird es aufgegeben.
So 1) QCJPA- „schiavo suo», ^AA- „seguace suo«, 2) 'Oflirt'
„sodisfazione sua" (vgl. Nöldeke a. a. 0. S. 99), I.C.CI^ „maesta sua», CF^'i']? (C. schreibt (fi") „gemello suo", ÄT- „grazia sua".
Es findet sich auch eine Anzahl von Eigennamen, die aus
Verbalformen mit dem Tigrinasuffix öm bestehen: KflT
„li fece adorare" (daneben auch bloß Afl7J?), t^O^^f^ .ü
spavento» (daneben auch C^CK^), YlflrCf^ , grave a loro».
Ich denke, die genannten Namen werden im Hinblick auf die der¬
einstigen Feinde des Kindes gewählt sein.') ünd daher vennute
ich, daß AA^T^J^f^ (C. schreibt t\J\CR") nicht mit dem
gleichgültigen „Ii avvezzö" zu übersetzen sein wird, sondern mit „er
zähmte sie» (vgl. Guidi, Vocabolario amarico-italiano 18). Ebenso
ist mir die Übersetzung von OjQX'AA"^'^ durch „li salvö" nieht
recht verständlich; eher möchte ich übersetzen „er hat sie in Ge¬
fangenschaft gebracht» (äth. AQX'OA'Ö^; vgl. Guidi, Vocabolario
553 a. E.). Dagegen A^rfl'Tf^ ,li salvö" im Hinblick auf
die Volksgenossen — falls nicht aus einem christophoren Namen
verkürzt; für welche letztere Möglichkeit auch wohl AJP'rilV
,1a salvö» spricht. A.^^'f'f^ ,li esaltö" ist mir unverständlich:
ich möchte darin einen Frauennamen vermuten „sie gefiel ihnen
(den Männern)« = äth. At^fö^-f-Ö^-
Entsprechende amharische Namen haben in der Eegel das
singulariscbe Suffix: finJ^OT (= tigrina TiC^^^), ^TfD'
„er hat ihn gerichtet"'-), VAAQT „er hat ihn ausgelöscht",
1) Vorzugsweise mit A(!Ot^ """^ l*l7J?' Afl7i^ ^""^
Königsnamen gebildet „che sogliono esprimere iperbolicamente il terrore che il re incute etc.' Guidi, Di due frammenti relativi alla storia di Abissinia (Rendiconti Lincei 1893) S. 58G [S. 10 des Sonderabdrucks] .... Notevolc e la forma tigriüa di parecchi di questi nomi etc. Auch sonst findet man ähnliche
Namen einzelner Ritter, z. B. "fi*P .' (D5*°? '. A^J^'^ ^''^^'^
Index des noms propres zu Perruchons Guerres d''Amda Syön.
2) Gleicher Bedeutung, nur ohne Suffix, die Tigrinanamen Ci^i
„nd n^Elf.
AHHOX" ,er hat ihm geboten", HAAOJ' ,er hat ihn über¬
sprangen, nicht beachtet (?)", A*1*QX* ,er hat die Oberhand über
ihn", RZ,^(Xr ,er hat ihn erreicht". (Ohne Suffix AfiflC
,er hat Schrecken verbreitet'.) In diesem Sinne, denke icb, wird
auch nA'f'QX' aufzufassen sein, mit pluralischem Suffix; natür¬
lich nicht perfektisch „disse loro", sondern imperativisch „sprich
zu ihnen!» nämlich in dem Sinne wie bei Guidi, Proverbi etc.
S. 51 f. seil, mit der Lanze, mit dem Schwert, d. h. „schlage sie!
töte sie!" — Ich vermute auch, daß QAJB nicht, wie C. angibt
„dicente" bedeutet (was auch der Form nach scbwer möglich sein
dürfte), sondern daß es die gleich zu besprechende Tigrinakurzform auf
äy ist, gebildet von einem Tigrinaimperativ flA -+- Suffix (gleichen
Sinnes mit amh. flATflT). Und für den äthiopischen Infinitiv
»O'^A (S. 3^7) möchte ich Entsprechendes vermuten.
Unge&hr so häufig, wie die Kurznamen mit angebängtem ü,
sind die mit angehängtem äji, . Guidi , Di due frammenti etc.
S. 18 [594] Anm. 1 bezeichnet dergleichen Namen ausdrücklich als
tigrina; und vielleicht sind die von ihm gebrachten beiden eigen¬
tümlichen Namen 't'YlA*^ und Uf^.^JB nichts weiter, als
Mischung aus '1^51 A* und 'f^lA^, OP^,)?. und \3<P^
.?.E, die sämtlich vorhanden sind (auch bei C. angeführt)'). —
Was dieses äJB ist , kann kaum zweifelhaft sein : Es ist die im
Tigrifia außerordentlich verbreitete Adjektivendung aJB (§ 126
meiner Grammatik). Durch Anhängung dieser Endung an den ge¬
kürzten Namen soll hier, wie anderswo, zwar die Zugehörigkeit zu
deraselben , aber nicht seine ganze Fülle ausgedrückt werden , d. h.
durch «JE werden Derainutiva oder vielmehr Caritativa gebildet.*)
Ich glaube, daß Cimino mit Uni-echt dieses äJB in der Regel
durch „mio, mia" übersetzt; schon die auch bei C. sichtlich weit
vorherrschende Scbreibung rait ä verbietet diese Auffassung. Ob
sich aber diese Bildung nicht wirklich auch mit solchen begegnet,
in denen aJB „mein" vorliegt, das will ich nicht in ausdrückliche
Abrede stellen. ' Aus der großen Menge (über dreißig) führe ich
1) Ist bei C. vielleicht /ii?*^^ „asino mio' ähnlich aufzufassen, d. h.
Ä^"i + AMJB'
2) Vgl. im Gegensatz hierzu den Siun mancher Pluralformen bei Eigen¬
namen; namentlich Hoffmann, Über einige phöniz. Inschr. S. 16.
Praetoriug: Cimino, Vocabolario italiano-tigrai etc. 827
folgende an: 0^1^ „Behüteter«i); \jR(fiJß auch von C.
„d'osso« übersetzt, Kurzname zu ; ^P'C^f^ ^^"1-
(Basset, Etudes sur l'hist. d'Eth. S. 52 Z. 15); CiXf'/^JIi „Erst¬
geborner' zu nff-^ : ÄP-^ u. ähnl.; ^4:A^ ,Teil« zu
?14:A: J^Cj'f^, ^a4:A^YXAA u a ; U^A^ „Kraft«
zu UJBA : <^J\T^^ u. ähnl.; auch J-flZ^^ „Leopard«, wozu
ich einen zweigliedrigen Vollnamen nicht kenne. Wenn das erste
Glied des zweigliedrigen Namens auf a ausgeht, so fällt die
Adjektivendung äj^ mit dem suflf. Pronomen d. 1. Pers. sing,
äußerlich zusammen; so daß also Q^/^iJB (so S. 327 ult. für
aCJ»^), 'Qrh'l^, A,'iTJ^, lC(fi:B, <fi'iX:B, t-
fl/^,^ , u. a. tatsächlich beiderlei Auffassungen zulassen
würden. Aber sind /\f^{JB „Stein", HCAJB") .Samen« als
2\P^5'JB' HCAJB gemeint, oder wirklich mit dem Pronominal¬
suffix öJB ? Auch an einer Verbalform: ^Q)At^.E (besser
'l-U)"), Kurzform zu "fOJAJ? .' <^J?"i^ u. ähnl.
Daß tatsächlicb Namen mit dem Suffix „mein" vorkommen,
daran kann kein Zweifel sein. 4lh\JP (S. 330), i^^U'iP
(S. 834) und selbst Af^QP (S. 326 u. 329) werden kaum eine
andere Auffassung ertragen. Das Suffix erscbeint bier noch in
äthiopischer Gestalt. Höchst wahrscheinlich werden hierher auch
gehören die in Cimino's Liste nicht zahlreich vertretenen , sonst
aber sehr häufigen Namen auf e, die amharischer Herkunft sein
dürften: Afl'OA „grappolo" (bei Basset, Etudes sur l'bist. d'Eth.
30, 15 Afl'^A), nt „spiga mia«, Trt, „garante mio",
(D'iR „maschio mio". Vgl. zu dieser Art von Namen noch
Beguinot, La cronaca abbreviata d'Abissinia S. 57 Anm. 4. Aber
daß in diesen Namen das e mindestens nicht überall mehr als
Pronomen gilt, lehrt Guidi, Di due frammenti etc. S. 13 [589]
Anm. 2: II -S accresce forza, p. es. (JT'Cl, = bellissitno. Dagegen
Cimino S. 337 „hello mio".
1) Warum C. sowohl S. 326 wie 334 auch in den hierhergehörigen Voll¬
namen ä schreiht, ist mir unklnr; ich vermute, daJ3 es bloäe Fehler sein
werden: Ö4>^a*H2. O^P^QlYXAA, Ö^P^Q/tP-T Ö4>^
fJ^Wi^j^ u. s. w. Also vermutlich Ö4*^nH2 "* ^' *<^hreiben.
2) Dieser Namen auch schon in den Königslisten.
Übrigens kommen auch solche Eigennamen anf äy vor , in
denen äy seine gewöhnliche Gebrauchsanwendung zeigt; so in dem
oben erwähnten Index bei Pei-ruchon: A^'i^f^^ »Angotensis'
Tplf-AJB „Wadelensis".
Die bei C. ziemlich spärlich vorkommenden Kurzformen mit
der Endung U sind wahrscheinlich die den Kiu'zfonnen auf äy
entsprechenden weiblichen Namen. C. bringt Oj"?.?.^, "P'O
Z"^, U'O't:'^, 't''^A."1"; also vermutlich die Feminina zu
7-n/^,jB, u-n^-^, -t-'^A^.
Für Kurzformen möchte ich auch halten mehrere mit der
Pluralendung ät versehene Namen. Daß im Semitischen mehrfach
Pei-sonen- und Städtenamen im Plural vorkommen, ist bekannt;
und so möchte man denn zunächst auch die hier in Rede stehen¬
den auf ät als Plurale auffassen und irgendwie als solche erläutern.
Aber bei näherem Zusehen scheint sich dies zu verbieten. Wenn
z. B. Cimino bringt und mit ,ossa" übersetzt, so ist zu
bedenken, daß der Plural von 0/t(^ sowobl im Äthiopischen,
wie im Tigrina (S. 204 meiner Grammatik) /Ü^^ lautet.
kann daher m. E. nichts anderes sein , als eine Ver¬
kürzung von 0/?if?'f'f^ „ihr (der Heiligen) Knochen* d. i.
OÄf^ + Suffix ä-f-fT^: So wie oben ^'iJ^f^,
CfT^ u. a. = ^(^J^, ^l-nC + Suffix öf^. Ebenso
kann das von C. S. 331 unübersetzt gelassene unmög¬
lich Plural von 7*110 »Diener" sein, sondern m. E. nur Ver¬
kürzung von 7'fl^'f"<^ »ihr Diener". Dieser Eigennamen
würde also alle die 7-0^ l A-fl , 7-fl^ : Cf?C.Pf^ , 7
'. (^il^A u.s.w. u. s. w. in sich vereinigen wollen. Nach
diesen beiden Analogien würde dann auch 't'fl/J,'^ nicbt als
„Hoffnungen" aufzufassen sein , was an sicb möglicb wäre , sondern
als Verkürzung von 'Vi\4-'i'f^ »ihre Hofi'nung" in der an¬
gegebenen Beziehung. Ebenso auch 04^1^ als Kürzung von
^^cji^Q-f-^^ „ihr Behüteter". Und nicht anders wird es mit
7r^A^ (S. 331) stehen, mit dessen Deutung ich im übrigen
aber zurückhalte (vielmehr 7,^A^?). Ist die Erklärung dieser
Namengruppe richtig, so ergeben sie sich als ausschließliche und
echte Tigrifianamen.
Von einigen sehr häufig gebrauchten zweigliedrigen Vollnamen
entsteht ein Kurzname dadureh, daß man von dem ersteren Gliede
Praetorius: Cimino, Vocabolario italiano-tigrai etc. 829
die Form qatel bildet. Ist das das alte, veraltende Partizip act.
Qal? Icb finde so: f\4LCi zu 514:A £J9Cj'f^ , 'fi^^
A: ÄP^. Y14:A : 2^C2i^ ^ « w perner P-nC, und
(wie C. daneben mancbmal schreibt) ^OC zu l'CiZ, '. J^lC^l
-f-fi, i<\/,'.c^ti^A, 7-n/c:ö^"?/tii:*Äh u s w.
Dieser Kurznamen ^•flC findet sich vornehmlich in solchen
Namen, die dreigliedrig sein würden, wenn sie nicht durch '^'t\C.
eine Verkürzung erführen; also QCj'i^'flC etwa für QC I
7-n/!: : <^^/4fl : ^R,h. „Diener des Gabra M. Q.' ; ^A^
nC, \]-nt-'^<\c, (DAJ?p-iic, t-tiA^-^iac cimino
faßt dieses P-flC als einen besonderen Namen „Gaber" auf. —
Hierher möchte ich auch ziehen das mit angehängtem n versehene
(fiih^ zu f^fhZ^A-n, <^dl/^: "ftCh-f-fl u älml ;
desgleichen tf9^J^^ niit angehängtem äy. Alle diese Namen
scheinen spezifisch tigrina zu sein.
Die aus dem Äthiopischen bekannten , mit Hülfe von Präpo¬
sitionen gebildeten theophoren Eigennamen (vgl. Nöldeke a. a. 0.
S. 104 f.) sind im Tigrina noch lebendig. Sie treten daher in
moderner Gestalt auf, mit modernen tigrina Präpositionen. Freilich
ist ihre Zahl nicht groß. V^''ir lernen durcb C. kennen
J»f^ (0. scbreibt iCH"), was einem alten fiCHC^P^ ent¬
sprechen würde; ferner ^JBTHf^^), entsprechend altem Hl\'7
H.'A- A'O 112 ^'^'^^ ■von C. S. 326 ziemlich richtig durch
„da Dio" übersetzt, dagegen S. 336 wahrscheinlich falsch durch
„Dio Padre" (in dem zusammengesetzten Namen CDAi^A-fl
"H^)- I^'e richtige Bedeutung dürfte sein „im Herrn' ; formal
entspreehen würde altes 'Jfl ' if\°?H,7^ ■ Und der alte Namen
ri7^J? '. <J?CJ*^^ I nome ancora attualmente in uso (Guidi, Di
due frammenti S. 10 Anm. 2), findet sich in moderner tigrina
Form •fl A.J^'^CJ'P^ und in den beiden dazugehörigen Kurz¬
formen -11 A..^ und -flA.^^.
Ziemlich häufig sind amharische Namen in Wunschform , so
.BA^ »er möge gedeiben", AJ2ö^"l^ „er möge nicht sterben".
1) Aber 0/^^5**112 '^^ ''^'"^s'*"' übersetzen „sostegno di Dio'.
Es entspricbt vielmehr einem alten \ z^"?!!,?^' ^ß'-
■ /^°?H,1\ 'T**''* Haym. red. Waldebbana ed. Conti Rossini
S. 32 [126].
Namentlich solche, die durch «fl eingeführt werden. Von ihnen
hat bereits Guidi, Di due frammenti S. 19 [595] Anm. 1 einen
gebracht und erläutert. Zum grammatischen Verständnis s. meine
Amhar. Sprache § 364. Cimino bringt außer dem schon durch
Guidi bekannten IXU"? noch £X4°C »wenn er doch am Leben
bliebe!*; C\,fl^ »se dasse", also mit ,Gott" als Subjekt zu ver¬
stehen, falls nicht passivisch „wenn er (mir) doch gegeben würde !";
n.'t'Qy' »se lasciasse", aber auch hier passivische Auffassung
möglich; desgleichen bei O.+QJ'A^ (C. schreibt fXJ"" »se me
lo lasciasse»); (C HJ*") »wenn er mir doch auf¬
wüchse!»
Das alles sind sicher nicht „Taufnamen», sondern Namen, die
bereits bei der Geburt und vielleicht scbon vor derselben dem
Kinde beigelegt werden. Vgl. Guidi, Di due frammenti S. 19 [595],
Anm. 1 a. A.; Beguinot a. a. 0. S. 9; Massaja, Lectiones grammati¬
cales S. 242 ff. Dahin gehören wohl auch die Tigrifianamen "JCA,
und "JCAP' »wir wollen ihn ansehen!»; sowie das eigentümliche
A C\.£i^ »dov' era» s. o. und andere.
Dahin kann auch gehören das amharische Perfektum 't'fKj^
„er ist gehört worden*. Kaum aber dürfte das äthiopiscbe und
tigrifia Perfektum 't'CDAi'? »er ist geboren worden» hier zu
nennen sein; vielmehr ist dieses als Kurzname zu 't'CDAi^ I <^
J^'i'i, 't^'CDAJ? ! •flCV'? u. ähnl. in Anspruch zu nehmen.
Und was ist Cf^(h^ (S. 333)? Ich vermute: Kurzname zu
t^ftiiC'^A'fl u. ähnl. Und wie ist HJfl »es regnete* zu
fassen? Wurde das Kind so genannt, weil es bei seiner Geburt
regnete, oder ist es Kurzname zu HiCJ^ '. G)C^ u. ähnl.? Ich
halte letzteres für wahrscheinlicher.
ünd wenn C. an letzter Stelle auch den Namen G)j*l*?
»estremitä» anführt, so glaube ich nicht, daß der Name etwa be¬
deute, das Kind sei an der Grenze geboren. Vielmehr liegt olFen-
sicbtlich eine Kürzung vor von Namen wie „(D'iJ^ '. A(Dj*l"?
= ll maschio nel confine, cioö: il coraggioso si conosce nel
difendere il confine dai nemici' (Guidi, Proverbi S. 51), oder
von (Dn"? : fllj?^ u. ähnl.
Daß in den zweigliedrigen Vollnamen im Laufe der Zeit arge
Verstümmelungen meist des zweiten Gliedes eingetreten sind, war
scbon früber bekannt. Bei C. erscheint CJ^'OAA in dieser
Stellung regelmäßig zu ^Yl„A.A verändert: Ö^t^^Q^YXA>A,
Klemm: The Srauta-Sütra of Drähyäyana, dkc. 831
^'iZVfXi^A, 7-n/:'JYi.A>A usw ünd so ist 2 A
QX*!?}!)?! , das C. S. 330 nicht verstanden zu haben scheint,
wohl mit Sicherheit in 2 A ."VAOJ'Jßpfl „Diener des Claudius"
aufzulösen. Und 7'fl4firt"tP'^l ist nicht „schiavo di Tatios',
sondern wahrscheinlich aus l'Ci/^ '. A.jBfl'Tl'tJDfl entstan¬
den. «Pnn 2 dürfte aus ^P7j1 : 'KIH^ zu erklären
sein (.gratitudine di Dio" C). j,^ Praetorius.
The Srauta-Sütra of Drähyäyana, with the Commentary of
Dhanvin. Ed. by J. N. Reuter. Part I. (Reprinted from
the „Acta Societatis Scientiarium Fennicae", T. XXV, P. II.)
London, Luzac & Co. 1904. 216 S. 4». 10 sh. 6 d.,
Subscr.-Pr. 8 sh. 6 d.
Das Drähyäyana-Srauta-Sütra ist der zur Ränäyanlya-Schule
des Sämeveda gehörige Zwillingsbruder des Lätyäyana-Srauta-Sütra,
welches der Kauthuma-Schule dieses Veda angehört. Beide sind
meist wörtlich identisch und ibre Verschiedenheit berubt häufig
nur in der verschiedengearteten Trennung der Sütras. Den 10 Pra¬
päthaka des Lätyäyana zu durchschnittlich 12 kandikä (nur Prap. 7
hat 13, Prap. 10 sogar 20 kandikä) entsprechen im Drähyäyana
31 Patala zu je 4 kanda.
Von dem Sütra des Lätyäyana liegt schon seit 1872 eine
Ausgabe vor und zwar mit dem „vortrefiflichen" Kommentar des
Agnisvämin besorgt von Anandacandra Vedäntavägläa in der Bibl.
Indica (New Series, No. 181. 184. 185. 187. 196. 198. 202. 213.
260). Auch das Drähyäyanasütra war darin in Noten zu jedem
Sütra berücksichtigt, etwa in folgender Weise: Drähyäyano 'pi
evam „im Drähy. lautet es gerade so", Drähyäyanlye viseso 'sti
„im Drähy. lantet es andei's", Dräbyäyanena sütradvayenaikasüti-ain
krtam „Drähyäyana hat aus den beiden Sütren eins gemacht" usw.
Angaben dieser Art durften natürlich dem Philologen nicht ge¬
nügen, gleichwohl hat die Sanskrit-Philologie 32 Jahre eine Lücke
in dieser Beziehung aufgewiesen. Diese Lücke hat jetzt endlich
J. N. Reuter durch seine Ausgabe des Dräbyäyana-Si-auta-Sütra aus¬
gefüllt. Die Ausstattung ist glänzend, der Text ist korrekt und
entspricht durchaus den Anforderungen, die der europäisch geschulte
Philolog verlangt. Dadurch unterscheidet er sich besonders vor¬
teilhaft von dem des Zwillingsbruders in der Bibl. Indica; man
vgl. z. B. nur die Sutren 1. 1. 12; 1. 3. 15 usw. Außerdem zeigt
uns Renter's Ausgabe, daß der Unterschied zwischen Lätyäyana und
Drähyäyana doch größer ist, als man bisher nach Anandacandra's
6 0
Noten annehmen durfte. Als Probe für das beiderseitige Verhältnis
sei hier 1. 3 angeführt. Es entsprechen sich, bezw. sind wörtlich
gleich: Läty. 1. 3. 1 = Drähy. 1. 3. 2—4; L. 2 = D. 5; L. 3 =
D. 10; L. 4 = D. 11; L. 5 = D. 12; L. 6 = D. 6; L. 7 D. 7;
L. 8 = D. 8; L. 9 = D. 9; L. 10, 11, 12, 14 = D. 13; L. 13 =
D. 14; L. 15 = D. 15; L. 16 = D. 16; L. 17 = D. 17; L. 18 =
D. 18—20; L. 19 = D. 21; L. 20 = D. 22. Für L. 1. 3. 21 fehlt
dem D. ein Äquivalent , dafür finden sich in letzterem 9 andere
Sütren. 1. 3. 23—31, auch D. 1. 3. 1 fehlt im L.
Was schließlich der Philolog noch besonders begrüßen wird,
ist, daß Reuter seiner Ausgabe auch den Kommentar des Dhanvin
beigefügt hat, der ganz und gar von dem des Agnisvämin ver¬
schieden ist. Sollte dieser Dhanvin wirklich schon so alt sein,
daß er bereits von Säyana in seinem Kommentar zum Tändya und
Sadviinäa-Brähmana ausgiebig benutzt wurde, was uns der Heraus¬
geber in der Einleitung zu seiner Ausgabe ausführlich beweisen
will , so hätten wir erst recht Grund , Reuter dankbar zu sein.
Hoffentlich können dem vorliegenden ersten Teil die beiden anderen
bald folgen. Wir behalten uns eine eingehende Besprechung für
den Abschluß des ganzen Werkes vor. Kurt Klemm
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Kleine Mitteilungen.
Zu Hell, Al-Farazdak's Lieder auf die Muhalla¬
biten (oben S. 589 ff.). — A. L 3. 4. Die Konstruktion ist in der Er¬
klärung zu V. 4 richtig angegeben, die Übersetzung aber damit nicht
in Übereinstimmung gebracht. Auch ist die Bedeutung von
und j-j^ in V. 3 verkannt. Zu übersetzen: „Ihre Hoden gleichen,
da sie wegen großer Brüche sie mit Palmblättern zugeschnürt haben,
wenn sie u. s. w., den Hoden u. s. w.' — I. 7. |_gLJt> ist allerdings
von Boucher nicht richtig aufgefaßt; aber was Hell dafür einsetzt,
berubt ebenfalls auf einem Mißverständnis. Es ist Gen. Plur. von
- - > ,
JwJo (^.,j.1aJj fübren zwar die Lexica nicbt auf; es ist aber un¬
bedenklich nacb anderen Beispielen) abhängig von ^ und in Idäfe
zu J-kJÜ! . — III. 5. Von Straußen b e i n e n ist in dem Verse nicht
die Rede. d[^Ji\ »Jolj ist wohl ein — verkürzter — Vergleicb,
nach Meidäni (Preyt.) 27,146 zu erklären (i^Jlki! »jLjj). — IIL 9.
Die Drastik des Textes ist hier durch die Übersetzung noch über¬
troffen; diese gibt aber doch keinen rechten Sinn. Zu lesen ist
j^iilÄj» und der Sinn ist: , (quae) jam puellulae, antequam circura-
cisae erant, in glandes virorum insiluerunt'. — B. II. 1. Die Er¬
klärung von ^lXjs- ist verfehlt. Es bedeutet „Haff s. Lane 390 c
1. 19. — IIL 5. Für 1. Lu*»^' (für LlLj-*>^') »glaube
nicht, daß wir für den Feind und den, der uns zu kränken sucht u. s. w."
Siegmund Fraenkel.