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Wege ins Jenseits. Das Alte Ägypten zu Gast im Würzburger Museum am Dom

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Wege ins Jenseits

Das Alte Ägypten zu Gast im Würzburger Museum am Dom

von Martin Andreas Stadler

E

in weitgehend unbekannter Schatz wird in Würzburg gehü­

tet: Die Antikensammlung des Martin von Wagner Museums der Universität Würzburg besitzt eine bedeutende ägyptische Sammlung, die zum größten

Teil unveröffentlicht ist und im Mu­

seumsmagazin schlummert. Eine Son­

derausstellung unter dem Titel «Wege ins Jenseits» soll das ändern.

Der altägyptische Totenglaube ist ei­

nerseits dem christlichen nicht unähn­

lich und in seinen Erwartungen tröst­

lich. Er geht wie der christliche Glaube von einem glücklichen Leben nach dem Tode aus. Das ist beruhigender als die Annahme, die eigene Person werde nach dem Tode gänzlich ausgelöscht,

f

Abb. 1. 2 Die kunsthistorische Entwicklung der alt ägyptischen Grab­

kunst kann in der Ausstellung am heuen anhand der Mumienmasken­

sammlung verfolgt werden. I: Mumienmaske aus Abusir el­Meleq, zwi­

schen 664 und .U)0 v. Chr., Martin von Wagner Museum Würzburg ine.Sr. A 1301a. 2: Mumienmaske wohl aus Hawara, I. Jh. v. Chr.

Martin von Wagner Museum Wurzburg Inv.Xr. A 1306.

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t/OS A N T I K E W E L T • 9 3

Originalveröffentlichung in: Antike Welt 36/1, 2005, S. 93-96

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Wege ins Jenseits

w i e das m a n c h e andere Kulturen ver­

m u t e n . Andererseits ist der ägyptische Glaube exotisch f r e m d : Die Ä g y p t e r b e t r i e b e n einen wesentlich h ö h e r e n materiellen A u f w a n d f ü r ihre Toten u n d errichteten dazu ein h o c h k o m p l e ­ xes G e d a n k e n g e b ä u d e , in d e m mit akribischem, ja wissenschaftlichem B e ­ m ü h e n beschrieben w u r d e , w i e ein Verstorbener in das Reich der Toten k o m m t , welche Kenntnisse er dafür b e ­ nötigt u n d was er dort zu erwarten hat.

Massive, gewaltige steinerne M o n u ­ m e n t e wie die Pyramiden, riesige teil­

weise noch bis z u m Dach aufrecht ste­

h e n d e Tempelanlagen oder Felsgräber

sität W ü r z b u r g und will das eben skiz­

zierte Bild korrigieren, d e n n I m m o b i ­ lität galt d e m Ägypter als zu ü b e r w i n ­ d e n d e r Todeszustand. In Schlaglichtern zeichnet die Schau eine augenfällige Veränderung von der ägyptischen Vor­

u n d Frühgeschichte bis zu den E p o ­ chen nach, in d e n e n Ä g y p t e n u n t e r griechischer u n d römischer Herrschaft stand. Es wird also neben d e m T h e m a der Religion auch die kulturhistorische E n t w i c k l u n g (Abb. 1 ­ 3 ) beleuchtet, die Ägypten in 4 0 0 0 Jahren n a h m . A u ß e r d e m ist die ägyptische S a m m l u n g des M a r t i n von W a g n e r M u s e u m s selbst in B e w e g u n g , da sie nach einigen

KS

Abb. 3 Die in Ägypten siedeln­

den < '.riechen übernahmen die Sine der Balsamierung und ver­

sahen in der Regel ihre Mumien mit den sog. Mumienporträts und nicht mit Mumienmasken. Mu­

mienporträt eines Mannes, 2.­3. Jh. n. Chr., Martin von

Wagner Museum Würzburg Im'.Nr. H 2196.

d o m i n i e r e n unsere W a h r n e h m u n g der ägyptischen Religion. Sie sind stabile u n d unbewegliche G e r i n n u n g e n einer Kultur u n d deren Religion in Stein, mit denen die Ägypter die Ewigkeit einge­

fangen zu haben scheinen. Deshalb gel­

ten Beständigkeit, D a u e r u n d U n b e ­ weglichkeit allzu leicht als Charakteri­

stika der ägyptischen Kultur.

Phönix aus der Asche: Die ägypti­

sche Sammlung in Würzburg

Die Ausstellung zeigt nun erstmals der Öffentlichkeit anhand von ausgewähl­

ten Exponaten einen Uberblick über die ägyptische S a m m l u n g der U n i v e r ­

schmerzlichen Verlusten im Z w e i t e n Weltkrieg während der letzten 2 0 Jahre b e d e u t e n d e Z u w ä c h s e durch Stiftun­

gen privater S a m m l e r erfahren hat.

Die Ausstellung behandelt demnach mit den ägyptischen Antiken des M u ­ seums das T h e m a von B e w e g u n g und ägyptischem Jenseitsglauben auf v e r ­ schiedenen Ebenen: Da ist einmal die ägyptische Totenreligion, die in ihrem Werden verfolgt und im kunsthistori­

schen Wandel der materiellen H i n t e r ­ lassenschaften veranschaulicht w i r d . Auf einer anderen Ebene geht es u m die Inhalte: Im Jenseitsglauben der Ägypter spielte das M o t i v der B e w e g u n g eine herausragende, zentrale Rolle.

I He G e d a n k e n w e l t des ägyptischen

Jenseitsglaubens wird in f ü n f themati­

schen Blöcken erläutert. A m A n f a n g steht eine Vorstellung der beiden gro­

ßen ägyptischen Mythen v o m U n t e r ­ weltsherrscher Osiris auf der einen und vom Sonnengott R e auf der anderen Seite. Beide M y t h e n befassen sich mit d e m Tod u n d dessen Ü b e r w i n d u n g und w u r d e n dann auch von den Ä g y p ­ tern m i t e i n a n d e r v e r b u n d e n . Osiris wird ermordet, von seinen Schwestern Isis und Nephthys betrauert und durch verschiedene R i t e n zu einem jenseiti­

gen Leben wiedererweckt. Die Sonne R e stirbt ebenfalls u n d das allabendlich, steigt in die U n t e r w e l t hinab, verjüngt sich auf ihrer Reise dort und geht m o r ­ gens im O s t e n wieder als jugendlicher und strahlender G o t t auf. Dieser S o n ­ nenzyklus und damit das Leben insge­

samt wird ständig von Feinden bedroht, die aber eine ganze R e i h e von Helfern des Sonnengottes unschädlich machen.

Osiris und R e sind Vorbilder, d e n e n es die Ägypter nach dem Tode gleichtun m ö c h t e n .

Eine 3000jährige Tradition des Jenseitsglaubens

Die sich anschließenden vier Komplexe führen vor Augen, welche Konsequen­

zen der Ägypter aus diesen M y t h e n zog, an erster Stelle natürlich die Balsa­

mierung. Die M u m i e und ihre künstle­

rische Ausgestaltung verwandelte den Toten in einen Osiris. So w u r d e denn auch der N a m e des Gottes als Titel den N a m e n der einzelnen Toten vorange­

stellt. Die religiöse Symbolik schöpft dabei aus einer langen Tradition, deren E c k p u n k t e O b j e k t e wie die M u m i e n ­ brustauflage (Abb. 4), absteckt. Das Stück selbst ist a u f g r u n d der Stilistik in die ptolemäische Zeit ( 3 . ­ 1 . Jh. v. Chr.) zu datieren und für ägyptische Verhält­

nisse recht jung. Wir sehen im untersten Register die M u m i e , die in e i n e m Schiff über den Nil gesetzt wird, dar­

über den Toten im Totengericht vor Osiris, schließlich G ö t t e r r e i h e n , die sich links als G ö t t e r des S o n n e n ­ und rechts als Götter des Osiriskreises er­

weisen. Die Ikonographie zeigt also die beiden Pole Osiris­ und S o n n e n m y ­

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W e g e ins Jenseits

thos, auf denen der ägyptische Jenseits­

glaube basiert.

Aber w o manifestiert sich nun die uralte Tradition? In der H i e r o g l y p h e n ­

kolumne

rechts, d e n n sie ist eine Kurz­

fassung des 6 0 0 . Spruches der P y ­ ramidentexte. Die Pyramidentexte sind das älteste religiöse Textcorpus der Menschheit überhaupt u n d erstmals im 24. Jh. v. Chr. schriftlich nachzuweisen, vermutlich aber deutlich älter. In einem O b j e k t d r ü c k t sich so eine m e h r als

2000jährige Tradition aus, die zu die­

sem Z e i t p u n k t noch nicht abgeschlos­

sen war u n d so auf 3 0 0 0 Jahre Bestand k o m m t . N o c h ein Detail zeigt den Aspekt der B e w e g u n g : D e r Hierogly­

p h e n k o l u m n e gegenüber auf der linken Seite sind 21 messerbewehrte G o t t h e i ­ ten zu sehen. Sie sind die Wächter der 21 Tore zur Unterwelt. D e r Tote m u ß also bewachte Checkpoints passieren, w e n n er in das Reich des Osiris gelan­

gen will.

Das Alte Ägypten im Dialog mit zeitgenössischer Kunst

U n d noch eine Premiere: Die A n t i k e n ­ s a m m l u n g des M a r t i n von W a g n e r M u s e u m s arbeitet erstmals mit d e m M u s e u m am D o m z u s a m m e n . Das M u s e u m am D o m im Herzen W ü r z ­ burgs zwischen d e n beiden r o m a n i ­ schen Kirchen Kiliansdom u n d N e u ­ m ü n s t e r ­ l e t z t e r e s Grabstätte der Fran­

kenapostel Kilian, Totnan u n d Kolonat,

Abb. 4 Mit seinem I lieroglyphentext,

dessen Textgeschichte mindestens bis in das 24. Jb.

V. C.ln. zurückreicht, nnd sei­

nem Bildprogramm repräsentiert diese Mumienbrustauflage die Essenz des ägyptisclien Toten­

glaubens (3.­1. Jh. v. Chr., Martin von Wagner Museum

Würzburg Inv.Nr. A 201).

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Abb. 5 Reiche Frucht tragen Acker und Bäume im Opfergefilde, einem Ziel des Ägypters im Jenseits. Grabmalerei im Grab des Sennedjem, Zeit Ramses' IL (1279-1213 v. Chr.), Deir el-Medineh (Theben-West).

die Ende des 7. Jhs. n. Chr. in Franken den Mä r t y r e r t o d fanden — ist ein M u ­ seum der Diözese W ü r z b u r g und zeigt alte und zeitgenössische Kunst, die sich m i t g r u n d l e g e n d e n Fragen menschli­

cher Existenz u n d der Religion befas­

sen. Das Konzept des M u s e u m s will in der Gegenüberstellung von alt und neu z u m N a c h d e n k e n provozieren. E n t ­ sprechend stehen die altägyptischen K u n s t w e r k e in e i n e m spannungsrei­

chen Dialog, der sowohl ästhetisch als auch inhaltlich anregend ist. D e n n die Ausstellung wird in einer u n t e r i r d i ­ schen Ausstellungshalle zu sehen sein, in der ebenfalls die Installation «Ver­

t r e i b u n g aus d e m Paradies» des zeit­

genössischen Berliner Künstlers T h o ­ mas Lange präsentiert ist. D e m hier thematisierten Verlust des Paradieses u n d der d a m i t implizit v e r b u n d e n e n Sehnsucht nach R ü c k k e h r in das Para­

dies der jüdisch­christlichen Tradition stehen also die ganz konkreten R e z e p t e

der Ägypter gegenüber, u m nach d e m Tode ins Jenseits zu gelangen. Das J e n ­ seits der Ägypter ist aber auch eine Art Paradies (Abb. 5).

Bildnachweis

Abb 5: 0 Lehrstuhl für Ägyptologie der Univer­

sität Würzburg, Photo A. KiselefF; alle übrigen Abb.: O Martin von Wagner Museum der Uni­

versität Würzburg, Photo K. Öhrlein.

Adresse des Autors

DR. MARTIN ANDREAS STADLER Institut für Altertumswissenschaften der Julius­Maximilians­Universität Würzburg

Lehrstuhl flir Ägyptologie Residenzplatz 2/Tor A D­97070 Würzburg

Informationen zur Ausstellung

Vom 11.2.-29.5.2005 können Sie die Sonderausstellung «Wege ins Jen­

seits ­ die ägyptische Sammlung des Martin von Wagner Museums zu Gast im Museum am Dom in Würzburg» be­

suchen.

Museum am Dom Kiliansplatz 1 D­97070 Würzburg Tel.: 0931/38 66 56 00 Fax: 0931/38 66 56 09 www.museum­am­dom.de

Öffnungszeiten Di­So 10­18 Uhr, Mo geschlossen

Literatur

Zur Ausstellung erscheint ein reich be­

bilderter Katalog: M. A. STADIER, Wege ins Jenseits. Zeugnisse ägyptischer To­

tenreligion im Martin von Wagner Mu­

seum (2005).

Eintritt

Einzelkarte: € 6 , ­ ermäßigt: € 4,­

Gruppenführungen (ab 15 Personen):

€ 35,­ + erm. Eintritt je Teilnehmer

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