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18 MaxPlanckForschung 4 | 11

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xxxxx

Pilzgespinst

im Wurzelwerk

TEXT CATARINA PIETSCHMANN

E

r liegt ihr zu Füßen, umgarnt sie pausenlos. Denn ohne sie kann er nicht sein. Sie umge- kehrt schon – doch schätzt sie seine Nähe außerordentlich.

Denn er gibt ihr Kraft, lässt sie stärker und schöner werden als jene, die kei- nen so fürsorglichen Partner haben.

Und dafür belohnt sie ihn mit Süßem.

Eine wahrhaft symbiotische Verbin- dung – bis dass der Tod sie scheidet.

Nein, hier geht es nicht um die per- fekte Ehe. Sondern um die uralte Ge- schichte der innigen, unterirdischen Beziehung zwischen Pflanzen und My- korrhizapilzen. Sie begann vor 400 Millionen Jahren, als die ersten Pflan- zen an Land gingen. Ursprünglich hat- ten wohl alle Gewächse solche Ernäh- rer im Wurzelbereich. Die Pilze bieten ihnen Stickstoff, Phosphor und ande- re Nährstoffe aus dem Boden an. Im Gegenzug bekommen sie Zucker, den die Pflanzen mittels Fotosynthese er- zeugen. Der Kohlenstoff darin ist das

Lebenselixier der Pilze, die Basis ihrer Existenz. Eine perfekte Balance aus Ge- ben und Nehmen.

PILZE LIEFERN PFLANZEN NÄHRSTOFFE

Selbst ambitionierte Hobbygärtner ma- chen sich wenig Gedanken darüber, wie Pflanzen an ihre Nährstoffe kommen. Sie gießen regelmäßig und düngen hin und wieder. „Der Bereich ein bis zwei Milli- meter neben den Wurzeln verarmt aber schnell an Phosphat. Denn es strömt nicht durch den Boden nach“, erklärt Franziska Krajinski vom Max-Planck- Institut für molekulare Pflanzenphysio- logie. „Da ist die Pflanze auf Hilfe ange- wiesen.“ Zum Beispiel auf die der Pilze.

In Golm bei Potsdam untersucht die Biologin dieses Zusammenspiel an dem mit der Luzerne verwandten Schne- ckenklee Medicago truncatula und dem Pilz Glomus intraradices. Denn obwohl es den Tauschhandel schon seit Urzei-

FOKUS_Symbiose

Symbiose in der Petrischale: Die Wurzeln einer Karottenpflanze sind von einem Geflecht des Pilzes Glomus intraradices umgeben.

Seit Jahrmillionen leben Pflanzen mit manchen Pilzen in enger Gemeinschaft. Sie erhalten von den Mikroorganismen lebensnot- wendige Mineralsalze wie Phosphat und versorgen diese mit Kohlehydraten. Franziska Krajinski vom Max-Planck-Institut

für molekulare Pflanzenphysiologie in Golm beobachtet die

beiden ungleichen Partner dabei, wie sie Kontakt miteinander aufnehmen und Nährstoffe austauschen.

Foto: Norbert Michalke

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oberirdische – manchmal wohlschme- ckende – Fruchtköper, doch es sind Ek- tosymbionten. Sie wachsen zwar auch in den Wurzeln ihres Wirts, der häufig ein Baum ist, dringen aber niemals in die Wurzelzellen ein. Diese Arten ent- wickelten sich in der Erdgeschichte lan- ge nach den AM-Pilzen.

Im Erdboden ist mehr los, als man vermuten würde. Wenn die 39-jährige Magdeburgerin von ihrer Forschung er- zählt, öffnet sich ein verborgenes, un- terirdisches Reich. Zwischen den Wur- zeln von Bäumen, Sträuchern und Gräsern tummeln sich Bodenbakterien, Würmer, kleine Insekten. Aber hier le- ben auch diverse Arten von AM-Pilzen, die mit ihren farblosen Hyphen haar- feine Geflechte ausbilden und sich über einen ganzen Quadratmeter er- strecken können. „Es entsteht also ein großes Netzwerk zwischen verschiede- nen Pflanzen und Pilzen“, sagt Krajin- ski. Die unscheinbaren Pilze dienen sich jedem erreichbaren Gewächs an, das ihre Dienste zu schätzen weiß. An- ders als Bakterien, die andere Arten gern mal überwuchern und ihr eigenes Territorium notfalls mit Giftattacken verteidigen, liefern sich AM-Pilze keine Revierkämpfe. „Sie haben wahrschein- lich keine Kapazitäten frei, um Toxine zu bilden“, erklärt Krajinski. „Schließ- lich bekommen sie jedes einzelne Koh- lenstoffatom von ihrer Wirtspflanze.“

Besondere Vorlieben einer bestimmten Pflanze für einen speziellen Pilztyp und umgekehrt gibt fast es nicht. „Wir wis- sen nur, dass es effizientere und weni- ger effiziente Symbiosen gibt.“

Über 80 Prozent aller Landpflanzen praktizieren heute eine AM-Symbiose.

Manche bedienen sich auch Knöllchen- bakterien – ebenfalls eine Form der En- dosymbiose –, die Stickstoff aus der Luft fixieren können. Der Schneckenklee kann beides und ist nicht wählerisch.

Er treibt Tauschhandel mit jedem, der zufällig in der Nähe ist. Damit die Wis- senschaftler die reine Symbiose mit den Pilzen untersuchen können, gilt für ihn im Golmer Forschungsgewächshaus deshalb ein striktes Kontaktverbot mit den Knöllchenbakterien.

Wie beginnt das Leben eines soge- nannten obligaten Symbionten – also eines Organismus, der nur mit pflanz- lichem Partner überleben kann? Er star- tet allein als winzige Spore: eine kaum einen Millimeter große runde Überle- benskapsel, prall gefüllt mit Proviant, denn es kann lange dauern, bis der Tag kommt, an dem sie auskeimt. Welches Signal die Spore dazu bringt, ist nicht genau bekannt. Es könnte schlicht Was- ser sein, denn legt man sie im Labor auf ein wässriges Bett aus Algen-Gelatine, geht es los: Aus der Spore stülpen sich ein bis drei kleine Hyphen.

PFLANZE UND PILZ TAUSCHEN BOTENSTOFFE AUS

Mit etwas Glück wächst genau in die- sem Moment in unmittelbarer Nähe eine Wurzel – und die Kontaktaufnah- me beginnt. Nicht durch Antippen, sondern chemisch über Moleküle. „Ich persönlich glaube, dass die Initiative von der Pflanze ausgeht, denn sie hat einfach mehr Ressourcen. Sie gibt das erste Signal“, sagt Krajinski. „Erst wenn der Pilz sicher sein kann, dass ihn ein Wirt kontaktiert, antwortet er.“

Genau nach dieser Antwort sucht die Arbeitsgruppe, nach den sogenann- ten Mykorrhiza-Faktoren. Um diese zu identifizieren, muss sie erst die Reakti- on der Pflanze entschlüsseln. Dazu wird eine bereits kolonisierte Wurzelkultur, in der Botenmoleküle der Pflanze und des Pilzes vorhanden sind, mit einer Membran abgedeckt. Sie verhindert den direkten Kontakt zum Schnecken- klee, dessen Keimling nun obendrauf ten gibt, weiß bis heute niemand ge-

nau, wie er auf molekularer Ebene funk- tioniert. Wie kommunizieren Wirt und Symbiont? Wie findet der Stoffaus- tausch ganz konkret statt? Dass manche Pflanzen, darunter alle kohlartigen Ge- wächse, auf Versorgungsgemeinschaf- ten mit Pilzen verzichten, macht es nicht einfacher. Auch der Biologen liebste Modellpflanze, die Ackerschmal- wand Arabidopsis, gehört zu den weni- gen Pflanzen, die keine Symbiose mit Pilzen eingehen. „Die Mykorrhizasym- biose war deshalb lange ein Stiefkind der Forschung“, erklärt Krajinski.

GROSSE ARTENVIELFALT ENDOSYMBIOTISCHER PILZE

Doch zunächst zum sperrigen Vokabu- lar. Der Begriff Mykorrhiza stammt aus dem Griechischen und bedeutet „Pilz- wurzel“. Mykorrhizapilze betreiben also Pilz-Wurzel-Interaktionen und sind weit verbreitet im Reich der Pilze. Die AM-Pilze – AM steht für arbuskuläre Mykorrhiza – hingegen bilden eine eige- ne Abteilung, die sogenannten Glome- romycota. Ihre schätzungsweise 400 Arten sind allesamt Endosymbionten, das heißt: Sie dringen mit den Spitzen ihrer fadenförmigen Zellen, den Hy- phen, direkt in die Pflanzenzellen ein.

Dort bilden sie eigens für den Nähr- stoffaustausch einen bäumchenförmi- gen Apparat aus – das Arbuskel.

Das unterscheidet sie von Steinpil- zen und anderen typischen Waldpilzen.

Zwar bilden auch sie im Boden ein weit- reichendes Hyphengeflecht und dazu FOKUS_Symbiose

Der Mykorrhizapilz Glomus intraradices bildet unterirdisch ein dichtes Gespinst von Pilzhyphen (links). Aus diesen haarfeinen, fadenförmigen Zellen gehen winzige Sporen hervor (rechts), die der Fortpflanzung dienen.

Fotos: MPI für molekulare Pflanzenphysiologie (2)

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Der Nutzen der Mykorrhiza für den Schneckenklee ist offensichtlich (oben): Ohne den Pilz Glomus intraradices wächst er deutlich langsamer (links) als mit dem Symbiosepilz (rechts). Mit einem sogenannten Zwei-Kompartimenten-System (unten links) können Biologen analysieren, welche Substanzen der Pilz an die Pflanze abgibt. Die Pilzhyphen im inneren Kompartiment nehmen dabei radioaktiv markierte Substanzen auf und transportieren sie über den Spalt hinweg zu den Pflanzen im äußeren Kompartiment. Dort können die Forscher sie anhand ihrer Strahlung messen. unten rechts: Neben der Mykorrhiza bildet der Schneckenklee auch eine Symbiose mit Knöllchenbakterien in den Wurzeln, die Stickstoff aus der Luft in für die Pflanze nutzbare Verbindungen umwandeln können.

Fotos: Norbert Michalke (oben), Catarina Pietschmann (unten links), MPI für molekulare Pflanzenphysiologie (unten rechts)

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gesetzt wird. „Die Botenmoleküle dif- fundieren durch die Membran“, erzählt die Biologin, „wir untersuchen dann, womit die Pflanze antwortet.“ Anhand ihrer Reaktion, nämlich der Aktivie- rung von Genen, können die Forscher wiederum die Signalstoffe des Pilzes identifizieren. Wie das pflanzliche Im- munsystem jedoch zwischen Freund – einem potenziellen Symbionten – und Feind – einem krank machenden Pilz – unterscheidet, ist noch ein Rätsel.

WURZELZELLEN MACHEN DEN WEG FREI

Ist keine Wurzel da, zieht die Spore ihre Hyphen wieder ein. Die Energiereser- ven in der Kapsel reichen für mehrere Versuche. Nach einiger Zeit probiert sie es erneut. Neuer Keim – neues Glück.

Und wenn es diesmal klappt, man sich erkannt hat, findet auch bald der erste physische Kontakt statt. Die Hyphen verzweigen sich und stellen schon mal ein Füßchen auf die Wurzel. Mit winzi- gen runden Plättchen heften sie sich daran an. Schließlich dringt der Pilz in die Wurzel ein.

Die Zellen der Wurzelhaut bereiten sich aktiv darauf vor, machen freiwillig Platz. „Sie organisieren ihr gesamtes Zellskelett um und bilden einen Tun- nel, damit die Pilzhyphe durchwachsen

kann.“ Die spinnennetzartigen Fäden schlängeln sich nun zwischen den Zel- len weiter zur Wurzelmitte durch. Ihr Ziel sind die Zellen der inneren Wurzel- rinde, die den Zentralzylinder umschlie- ßen. In ihm befinden sich die Leitbün- del, die Wasser und Nährstoffe in die oberirdischen Pflanzenteile befördern.

Und hier kommt umgekehrt auch der für den Pilz essenzielle Zucker an.

Jetzt beginnt die Arbuskelbildung:

Anfangs sind es nur zwei bis drei Aus- stülpungen, dann werden es mehr. Bald sieht die Hyphe aus wie ein Knäuel auf- geblasener Miniatur-Gummihandschu- he. Immer mehr Ausstülpungen entste- hen, bis die Pflanzenzelle fast komplett mit dem Arbuskel ausgefüllt ist. Nie kommt der Pilz dabei jedoch mit dem Inneren der Pflanzenzelle direkt in Kontakt. Er bleibt immer von der Pflan- zenzellmembran umschlossen, dellt sie lediglich nach innen ein. Je mehr er sich verzweigt, desto besser, denn umso größer wird die Oberfläche für den Nährstoffaustausch. In der Pflanzen- zellmembran werden jetzt ganz neue Proteine gebildet, die die Pflanze nor- malerweise nicht herstellt. Sie dienen unter anderem als Transportvehikel für Phosphat oder Stickstoff.

Arbuskeln haben ihre eigene Dyna- mik. Sie werden nur etwa zehn Tage alt und degenerieren dann. Niemand weiß,

oben links: Schneckenklee-Wurzel mit Mykorrhizapilz (grün). Der Pilz dringt in Zellen der Wurzel rinde rund um den Zentralzylinder ein. In diesem verlaufen die Leitungsbahnen für den Wasser- und Nährstofftransport. oben rechts: Pilzkörper innerhalb einer Wurzelzelle.

Ein grüner Fluoreszenzfarbstoff färbt die Wand der Pflanzenzelle, die Eintrittsstelle des Pilzes (rechts oben) und die baumartige Struktur des Pilzes (Arbuskel).

0 μm 25

200μm

Daniela Sieh (links) und Franziska Krajinski in einem sogenannten Phytotron. In einem solchen Raum können die Forscher Pflanzen unter genau definierten Bedingungen halten.

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FOKUS_Symbiose

Fotos: MPI für molekulare Pflanzenphysiologie (2), Norbert Michalke (rechts)

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warum. Dieselbe Zelle kann aber wieder ein neues Arbuskel aufnehmen. Mikro- skopaufnahmen von Längs- und Quer- schnitten durch Wurzeln zeigen junge neben ausgewachsenen Arbuskeln.

Es dauert nicht lange, und die kom- plette innere Wurzelrinde ist kolonisiert.

Auf den ersten Blick wirkt es wie eine In- vasion, wie eine feindliche Übernahme.

Doch es ist friedliche Koexistenz. Um maximal voneinander zu profitieren, stellen sich beide Seiten perfekt aufein- ander ein – eine Symbiose im wahrsten Sinne des Wortes: zusammen leben.

LASERSTRAHL TRENNT ZELLEN AUS DEM GEWEBE

In den infiltrierten Zellen springt ein sehr altes genetisches Programm an und programmiert sie für die Symbiose kom- plett um. Wie unterscheidet sich die Gen aktivität dieser Zellen von benach- barten Zellen ohne Arbuskeln? Um das herauszufinden, untersuchte Franziska

Krajinskis Team beide getrennt. Sie wa- ren die Ersten, denen das gelang – mit- tels sogenannter Laser-Capture-Mikro- skopie. Dabei schneidet ein feiner Laserstrahl die Zellen aus, und ein zwei- ter katapultiert das Gewebe in ein Pro- benröhrchen. Vier Jahre hat es allein ge- dauert, Einzelzellen auf diese Weise im Schnellverfahren erfassen und analysie- ren zu können.

Mit ruhiger Hand, konzentriertem Blick und extrem viel Geduld isolierten die Forscher etwa 13 000 Zellen. Genug, um die RNA und die Proteine dieser Zel- len zu untersuchen. Und gerade mal ausreichend, um auch die Aminosäuren und Zucker zu bestimmen, die von Zel- len mit Arbuskeln gebildet werden. Zu- sammen mit anderen Arbeitsgruppen am Institut extrahierten Krajinski und ihre Mitarbeiter die Zellflüssigkeit aus den Zellausschnitten und analysierten ihre Zusammensetzung. Das Resultat:

Sie fanden viel Saccharose, viele stick- stoffhaltige Aminosäuren und einige noch unbekannte Verbindungen. „Ge- rade diese sind hochinteressant! Denn sie werden nur während der Symbiose gebildet.“ Welcher Metabolit dabei vom Pilz und welcher von der Pflanze stammt, ist allerdings noch nicht zu sagen.

Der Vergleich von Zellen mit Arbus- keln, Nachbarzellen ohne Arbuskeln und Zellen nicht-kolonisierter Wurzeln zeigt: Rund 800 Gene verändern durch die Symbiose ihre Aktivität. Überra- schenderweise werden die Nachbar- zellen ähnlich stark umprogrammiert.

Aber warum? Möglicherweise bereiten sie sich auf die eigene Kolonisierung vor. Vielleicht übernehmen ihre Nach- barn aber auch Funktionen, die sie nicht mehr ausüben können, denn die kolonisierten Zellen sind ja von den Ar- buskeln komplett ausgefüllt. Oder sie helfen, Zuckerreserven bereitzustellen.

Die Aktivität bestimmter Gene in den Nachbarn lässt nämlich vermuten, dass in ihnen vermehrt Stärke zu transport- fähigem Zucker abgebaut wird.

Die Umprogrammierung von Genen wird von Transkriptionsfaktoren ange- schoben, die die Aktivität von Genen re- gulieren. Sie sind der Auslöser dafür,

dass eine Zelle andere Proteine als üb- lich bildet. Doch sind sie die einzige Kontrollinstanz? Seit einiger Zeit ist nämlich bekannt, dass bei vielen Orga- nismen neben den Transkriptionsfak- toren auch sogenannte Mikro-RNAs diese Aufgabe übernehmen. Diese erst 1993 entdeckten RNA-Abschnitte sind nur 21 bis 23 Nukleotide lang und be- einflussen die Genaktivität ebenfalls.

Krajinskis Team hat deshalb untersucht, ob Pflanzen-Pilz-Symbiosen auch ihre eigenen Mikro-RNAs besitzen.

MIKRO-RNAS LENKEN

AUSTAUSCH VON NÄHRSTOFFEN

Pflanzen können mithilfe der RNA- Schnipsel steuern, wie stark sie den Pilz mitversorgen. Das schützt sie vor Über- fütterung – lässt den armen, abhän- gigen Pilz aber darben, denn der Sym- biont erhält im Gegenzug weniger Zucker. „Hat eine Pflanze beispielswei- se genug Phosphat, kann sie die weite- re Aufnahme mittels Mikro-RNAs der Gruppe 399 drosseln. Deshalb könnten diese Moleküle ideale Kandidaten sein, um auch die Symbiose anzukurbeln oder zu bremsen.“ Diese Funktion konnten die Forscher zwar nicht bestä- tigen, sie haben allerdings viele neue Mikro-RNAs entdeckt. Die werden nun weiter untersucht.

Die molekulare Logistik der AM- Symbiose ist sehr komplex, doch die Vorgänge erinnern an Alltägliches: Der Pilz als Großhändler der Pflanze, in die- sem Fall als ein Großhändler für Mine- ralstoffe. Er verfügt über ein weitver- zweigtes Zulieferernetzwerk – seine Hyphen. Mit Kleintransportern – Trans- portproteinen in der Arbuskelmembran – beliefert er seine pflanzlichen Kun- den. Die stehen auf der Gegenseite schon mit Handkarren bereit – eigenen Transportproteinen –, um die Nährstoff- paletten hineinzuschaffen und bei sich zu verteilen.

Auch die Bezahlung ähnelt dem Wirtschaftsleben. Können Kunden ihre Rechnungen nicht mehr begleichen, geht der Großhändler pleite – ist die Pflanze knapp bei Zucker, leidet der Pilz.

Querschnitt durch eine Wurzel des Schnecken- klees: Mykorrhizapilze dringen in Zellen der Wurzelrinde ein und bilden dort Arbuskeln (a).

Die Zellen der Endodermis (e) sind dagegen für die Pilzhyphen undurchdringlich. Die Dreiecke zeigen auf Bereiche, die durch die Mikro-RNA 5229 tiefrot gefärbt sind. Dort ist die Aktivität von Genen der Pflanzenzellen verändert.

FOKUS_Symbiose

100 μm

a

e

Foto: MPI für molekulare Pflanzenphysiologie

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Lange haben sich die Forscher vor al- lem mit dem Phosphataustausch be- schäftigt. Inzwischen sind sie nicht nur auf spezifische Transportproteine für dieses Mineral gestoßen, sondern un- ter anderem auch für Ammonium, Ni- trat und möglicherweise auch für Kup- fer. Der Pilz zieht offenbar alles aus dem Boden, was er zu fassen kriegt, und pumpt es mit unterschiedlichen Transportproteinen in den winzigen Spalt zwischen Arbuskelmembran und Membran der Wurzelrindenzellen. Dort übernehmen die pflanzlichen Trans- porter die Nährstoffe.

Aber wie steht es um die Balance zwischen den Nährstoffen? Auf wel- ches Mineral ist die Pflanze am schärfs- ten, und auf welches kann sie notfalls verzichten? Ein aktuelles Kooperati- onsprojekt untersucht dies anhand von Schwefeltransportern. „Sulfat galt lange als nicht so wichtig, da es in den Böden sogar im Übermaß vorhanden war“, erklärt Krajinski. Mit radioaktiv markiertem Schwefel wollen die Biolo-

gen herausfinden, wie sich Sulfat oder ein Mangel daran auf die Symbiose auswirkt.

Sie verabreichten dem Pilz das mar- kierte Sulfat und maßen, was davon bei der Pflanze ankommt. Mal hatte die Pflanze zuvor ausreichend Phosphat und zu wenig Sulfat bekommen, mal reichlich Sulfat, aber zu wenig Phosphat.

„Wir wollten wissen, unter welchen Be- dingungen die Symbiose unterdrückt wird.“ Das Ergebnis: Der Schneckenklee hat eine klare Präferenz – Hauptsache Phosphat! Selbst wenn er mit Schwefel regelrecht geflutet wird, unterdrückt er den Warentausch nur, wenn er ausrei- chend Phosphat intus hat.

Anja Branscheid untersucht am Fluoreszenz- mikroskop, wo in den Wurzeln Mikro-RNAs gebildet werden, die die Aktivität von Genen beeinflussen.

GLOSSAR

Arbuskel

Bäumchenförmiger Auswuchs von Pilz- hyphen ins Innere von Wurzelzellen bei der arbuskulären Mykorrhiza. Er durch- dringt die Zellulosewand der Zellen, nicht aber die Zellmembran. Die Auswüchse gabeln sich immer in zwei gleich große Äste. Die große Oberfläche des Arbuskels erleichtert den Stoffaustausch zwischen Pflanze und Pilz.

Knöllchenbakterien

Symbiotische Bakterien von Schmetter- lingsblütengewächsen (Erbsen, Bohnen, Klee). Sie binden Stickstoff aus der Atmo- sphäre und stellen ihn der Pflanze zur Ver- fügung, umgekehrt erhalten sie von dieser Kohlehydrate. Die Pflanzen bilden knollen- förmige Verdickungen der Wurzeln aus, in deren Zellen die Bakterien vorkommen.

Mykorrhiza

Symbiotische Lebensgemeinschaft zwi- schen Pilzen und Pflanzen. Rund 80 Prozent der Landpflanzen bilden Mykorrhizen. Da- bei herrschen drei Arten vor: Bei der ältes- ten Form, der Endomykorrhiza, dringen Pilzhyphen in die Wurzelzellen ein. Der Pilz versorgt die Pflanze in erster Linie mit Phosphat. Bei der Ektomykorrhiza wird die Wurzel von einem dichten Gespinst aus Pilzhyphen umgeben, die außerhalb der Wurzelzellen bleiben. Sie helfen beispiels- weise Nadelbäumen, ihren Stickstoffbedarf zu decken. Bei der ericoiden Mykorrhiza verbleibt ein Großteil der Pilzhyphen au- ßerhalb der Wurzelzellen, einzelne Hyphen dringen jedoch auch in die Zellen ein.

Diese Form kommt vor allem in Mooren und Heidegebieten vor und versorgt die Pflanzen hauptsächlich mit Stickstoff.

Einen Boden, in dem keine Mykorrhi- zapilze zu finden sind, gibt es prak- tisch nicht. Manche Arten wachsen überall – in der sibirischen Tundra ebenso wie in der Karibik. Eigentlich ideale Voraussetzungen für einen Ein- satz in der Landwirtschaft. AM-Pilze könnten die chemische Düngung über- flüssig machen, indem sie die Nähr- stoffressourcen des Bodens zugänglich machen.

„Zurzeit ist die großflächige Anwen- dung von AM-Pilzen als Wachstumshil- fe noch kaum möglich“, sagt Franziska Krajinski, „denn die jahrelange Über- düngung der Äcker mit Phosphat und Stickstoff bremst den Pilz aus.“ In über- düngten Böden gibt es viel weniger ko- lonisierte Wurzeln, und der Pilz kann sich nicht mehr gut vermehren. Und da Sporen nur während der Symbiose ge- bildet werden, verarmt der Boden lang- sam. „Allerdings sind die weltweiten Phosphatvorkommen, die zur Dünger- produktion gebraucht werden, fast er- schöpft. AM-Pilze könnten also in fer- ner Zukunft eine Alternative sein.“

Möglicherweise bereitet die Forschung der Golmer Wissenschaftler buchstäb- lich den Boden dafür.

Für den Hobbygärtner gibt es aller- dings schon jetzt eine Alternative zum Düngen. So offeriert ein renommierter britischer Rosenzüchter eine Mykorrhi- zapilz-Sporenmischung in Tütchen. Da- mit kann man dem Wachstum von Garten- und Kübelpflanzen auf die Sprünge helfen: einfach die Wurzeln bepudern, einpflanzen, gießen, fertig.

Foto: Norbert Michalke

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