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Jäcüt's Reisen,
aus seinem geographischen Wörterbuche beschrieben
von F. Wüstenfeld.
Nach den Untersuchungen über das Leben und die schriftstelle¬
rische lliätigkeit des Jäcüt , welche in jüngster Zeit ') von Reinaud ^)
und Barbier de Meynard angestellt worden sind , bleibt noch eine
Hauptseite seiner Erscheinung aufzuhellen übrig, die von allen bis¬
herigen Biographen kaum angedeutet ist und auch ohne die genaueste Durchforschung seines grossen geographischen Werkes nicht deutlich
erkannt werden konnte, wir meinen die Reisen, welche er in jün¬
geren Jahren als Kaufmann, im späteren Alter als Gelehrter unter¬
nommen hat. Zwar hat er nirgends etwas im Zusammenjiange über
diese Reisen gesagt , sondern fast immer, nur durch ein einfaches
darauf hingewiesen, dass er diesen oder jenen Ort selbst ge¬
sehen habe und cs muss desshalb zur Beurtheilung dieser Abhand¬
lung besonders darauf aufmerksam gemacht werden , dass Jacüt nicht
selbst seine Reisen beschreiben wollte und dass er während der¬
selben nicht einmal daran gedacht hat, etwas darüber aufzuzeichnen,
sonst würde er gewiss vieles genauer beobachtet und beschrieben
haben, was er jetzt aus der Erinnerung nur andeutet. Achtet man
aber auf diese Andeutungen und sucht man sie in Zusammenhang
zu bringen, so übersieht man die weiten Strecken, die er durch¬
wandert hat, und man wird, wenn es dessen noch bedürfte, um so
geneigter seinen Angaben und Beschreibungen als Augenzeugen Glau¬
ben schenken. Der Orte, bei denen er auf jene Weise angemerkt
hat, dass er sie selbst besucht habe, sind in dem grossen Lexieon
160, zu denen aus dem Moschlarik noch zehn hinzukommen; dies
sind aber gewissermassen nur die Wegweiser für gi-össere oder klei¬
nere Entfernungen, auf denen er doch die dazwischen liegenden Ort¬
schaften nicht unberührt lassen konnte, und da er bei sehr vielen
1) Ueber die friiberen Forscbungen, denen fast nur Ibn Cballikän zum Grunde liegt, vgl. m. Vorrede und Nacbscbrift zum ^oscb tarik.
2J Im Journal asiat. 18G0. Tome XVI. p. 82—106.
3) In der Vorrede zu seinem Dictionnaire giogr. bistor. et littcraire de la Perse, extrait du Ho'djem el-bonidan de Yaqout. Paris 1861.
Bd. XVIII. 27
398 Wüsteiifcld , Jacut's Heisen.
sogar das Jalir angemerkt hat, in welchem er dort war, so lasseu
sich seine Keisen mit ziemlicher Gewissbeit genau verfolgen und
sie erstrecken sicli von Bagdad aus in verschiedenen Richtungen zu¬
erst den Tigris abwärts nach den Inseln des Persischen Meerbusens,
dann den Tigris aufwärts bis Aniid und zurück, hierauf von Bagdad
nach Tihriz und zurück nach Mosul, durch Syrien und Aegypten
bis Alexandrien und zurück nach Damascus uud endlich von hier
durch Adserbeigän und Tabaristan nach Chorasan bis an den Oxus
und zurück nach Alejipo; und wir hoffen, dass diese Zusaniinen-
stellung um so mehr geneigt sein wird, die Aufmerksamkeit in An¬
spruch zu nehmen, je weniger bis jetzt die meisten jener Gegenden nach Aufzeichnungen aus dem Anfange des l;!. Jahrhunderts bekannt sind. Um aber dariiber eine möglichst vollständige Uebersicht geben
zu können, wird es nöthig sein, auch einige schon bekannte Züge
aus den verschiedenen Lebensperioden unseres Reisenden, wie sie
Ibn Challikän mitgetheilt hat, hier zu wiederholen, indem wir in
Allem, was die Ortsbeschreibung betrifft, nur Jacut's eigene Worte
wiedergeben und einiges zur Erläuterung aus anderen Schriftstellern
in den Aiunerkungen hinzufügen wollen, besonders aus Gazwini'n
Kosmographie, welcher übrigens den Jacüt oft ausgeschrieben hat,
ohne ihn zu nennen.
Jacüt war im Jahre 574 oder 575 (1179 n. Chr.) von Grie¬
chischen Eltern auf Griechischem Gebiete geboren und fühlte davon
den Beinamen el-Rümi; er kam als Knabe in Gefangenschaft und
wurde nach Bagdad gebracht, wo ihn ein Kaufmann Namens 'Askar
ben Abu Na^r ben Ibrähim, der aus llamät gebürtig war, kaufte,
wesshalb auch Jäcüt dessen Beinainen el-Hamawi erhielt. Sein
Herr hatte sich in Bagdad häuslich niedergelassen und verheirathet
und eine zahlreiche Familie bekommen; cr liess dem Jäcüt einen
guten Schulunterricht ertheilen, um ihn in seiner Handlung gebrau¬
chen zu können, da seine eigene Bildung niclit über die gewölm-
lichen kaufmännischen Geschäfte hinausging und er nicht eiumal
ordentlich schreiben konnte. Jäcüt entwickelte seine Kenntnisse und
Fähigkeiten so rasch und so frühzeitig, dass er kaum 14 Jahre alt
sein mochte, als ihn sein Herr schon auf grosse "Handelsreisen aus¬
schickte, denn bis zum J. 590 hatte er schon dreimal die Insel Kis
im Persischen Meerbusen besucht. Dies geht aus der Zusammen¬
stellung folgender Angaben hervor: Jäcüt sagt, er sei achtmal in
Ba^ra gewesen, wir vertheileu dies auf vier Reisen nach Kis und
wieder zurück und setzen die vierte Reise in das J. 597; in dem
Dorfe Balgän zwischen 'Abbädän und Ba^ra hielt er mehrere
Male an, das letzte Mal, wie er iu dem grossen Lexieon sagt, im
J. 588, im Moschlarik dagegen setzt er dafür das J. 590. Dies
letzte Mal muss auf der dritten Reise gewesen sein, denn nachher
wurde Balgän aufgegeben und cs verfiel, da der Ankerplatz uach
Wütitenfeltl , JacuCs Reisen. 399
dem Städtclieii el-Muhriza auf der Insel 'Abbädän verlegte wurde. —
In dieselbe frühe Jugendzeit fällt auch eine Reise nach dem Norden
von Bagdad; er sagt in dem Art. Duneisir, dass er diesen Ort als
junger Bursch ^^.^ kennen gelernt und 30 Jahre später wieder ge¬
sehen habe; dieser zweite Besuch kann erst nach seiner Rückkehr
aus Choräsän stattgefunden haben und fällt in den Anfang des
J. 619, als er von Mosul nach Haleb reiste, mithin war er 30
Jahre früher im J. 589 erst 14 bis 15 Jahre alt.
In Bagdäd verlebte Jäcüt seine Jugendzeit und einen grossen
Theil seines reiferen Alters bis zum J. 610. Er ist mit der Stadt
und den Ortschaften in ihrer nächsten Umgebung genau bekannt,
beschreibt manche Theile sehr ins Einzelne und giebt auch einige
Nachricht von der Vorgeschichte der Stadt. Vor ihrer Erbauung
durch den Chalifen al-ManQÜr stand dort schon eine Stadt Där isa
und ein schöner Park, im Persischen bäg, welcher einem Manne
Namens Däd, abgekürzt aus Dädweih, gehörte, daher bäg Däd
der Park des Däd. Nach einer anderen Etymologie soll Bag der
Name eines Götzen gewesen sein und däd bedeutet im Persischen
Geschenk, also Geschenk des Ba«. Auch das Dorf Sünäjä stand
schon dort am westlichen Ufer des Tigris von Gärteu und Frucht-
feldern umgeben; als es in den Umkreis der Stadt gezogen wurde,
erhielt dies Quartier den Namen el-'Atica d. i. Altstadt, aber die
dort gezogenen, sehr geschätzten dunklen Weintrauben behielten ihre
Bezeichnung nach dem früheren Namen des Dorfes. Es wurde in
dieser Gegend zu Muhammeds Zeit in jedehi Monate ein Markt ab¬
gehalten, welchen die Perser, Araber und Syrer mit ihren Handels-
waaren besuchten. Nachdem el-Muthannd ben Häritha, Feldherr des
Chalifen Abu Bekr, die Stadt Hira eingenommen hatte, wurde er
auf den Ort Bagdad aufmerksam gemacht, wo reiche Beute zu holen
sei; er marschirte also am Euphrat hinauf bis el-Anbär, welches
die Einwohner in der Eile befestigten; er liess den Commandanten
zu sich rufen, machte ihn mit dem Zweck seines Marsches bekannt
und verlangte von ihm Wegweiser um über die Euphratbrücke zu
kommen, und als er diese erhalten hatte , zog er mit seinen Truppen
hinüber. Die in Bagdad versammelten Kaufleute ergriffen die Flucht
und liessen alle ihre Waaren und Geräthe im Stich, so dass den
Arabern eine sehr grosse Beute in die Hände fiel, mit welcher sie
nach el-Anbär zurückkehrten. Dies geschah im J. 13 d. H.
Der erste 'Ahbäsiden-Chalif Abul-'Abbäs el-Saffäh hatte, ei -
Haschimia erbaut und seine Residenz von Damascus dahin verlegt;
dort residierte auch sein Bruder und Nachfolger Abu Ga'far el-Man^ur in den ersten Jahren seiner Regierung, während das Hauptquartier
seiner Truppen in Küfa war. Indess konnten sich hier die Ein-'
wohner mit den Soldaten nicht vertragen und der Chalif beschloss
desshalb eine neue Stadt zu bauen, weiche gross genug wäre um
seine eigene Residenz und geräumige Quartiere für die Truppen zu
27*
400 Wünten/eUl, Jäcüt's Reisen.
umfassen, ohne die übrigen Bewohner zu beschränken. Es wurde
ihm dazu ein Platz in der Nähe von Barimmä zwischen Takrit und
Mosul empfohlen und er begab sich selbst dahin, um ihn in Augen¬
schein zu nehmen, fand ihn auch ganz passend; indess meinte er
unterwegs eine Gegend gesehen zu haben, die ihm noch geeigneter
schien, und er kehrte dahin zurück; es war die Stelle von Bagdad.
Der dortige Ortsvorsteher wusste ihm die Lage sehr angenehm zu
schildern : der Ort liege im Mittelpunkte von vier reichen Districten,
im Westen Catrabbul und Bädürijä, im Osten Nahr Büc und Kal-
wädsä; auf dem Qarät könnten die Bedürfnisse aus der Nähe, auf
dem Euphrat aus Syrien und Aegypten herbeigeschafft werden; den
Tigris herauf kämen die Erzeugnisse aus Indien und China, von
oben herab die Producte aus Armenien und Adserbeigän ; durch die
Flüsse sei er gegen die Einfälle der Feinde gesichert, da es nur
nöthig sei, bei ihrer Annäherung die Brücken abzubrechen u. s. w. —
el-Man^ür gefiel diese Beschreibung und nachdem auch die Astro¬
logen und Gelehrten,'unter ihnen cl-FIägg ben Artä und der Imäm
Abu Hanifa, die Wahl des Ortes gebilligt hatten und die Bauleute
aus Syrien, Mosul, Gabal, Kufa, Wäsit herbeigeholt waren, wurde
der Bau der Stadt im J. 145 begonnen, indem der Chalif selbst
den ersten Grundstein legte. Die Breite der Mauer war unten 50,
oben 20 Ellen; als sie Mannshöhe erreicht hatte, wurde der Bau
unterbrochen, da el-Mansür erst den Aufstand des Muhammed ben
'Abdallah ben Hasan ben 'Ali und seines Bruders Ibrähim ben 'Abd¬
allah zu unterdrücken hatte; dann wurde fortgefahren uud im J. 149
bezog der Chalif die im Mittelpunkte errichtete Burg, welche die
Stadtmauer im Kreise umgab. Diese hatte vier Thore, die nach den
Ländern und Hauptstädten, wohin sic führten, benannt wurden: das
Thor von Choräsän, Syrien, Küfa und Bagra, zwischen einem jeden
war eine Arabische Meile Weges. Aus dera Dugeil, einem Aus¬
fluss des Tigris, und aus dem Karchäja, einem Ausfluss des
Euphrat, leitete el-Man9Üi' Canäle durch die Stadt, welche die
öffentlichen Plätze, Strassen und Gärten Winter und Sommer mit
Wasser versahen, dann theiltc er die Quartiere ab und überwies sie
den ersten Beamten aus seiner Umgebung, welche sie bebauten und
deren Namen sie erhielten.
An jedem Thore hatte el-Mau\;ür innerhalb der Stadtmauer
einen Marktplatz mit Säulenhallen anlegen lassen und diese Ein¬
richtung blieb so, bis ein Griechischer General als Gesandter des
Griechischen Kaisers nach Bagdad kam. Der Chalif befahl seinem
Kammerherrn el-Rabi' den Gesandten in der Stadt umher zu führen,
um alles genau in Augenschein zu nehmen, er solle ihm die Mauern,
ITiore und umliegenden Gebäude zeigen und oben auf die Mauer
steigen und ringsherum gehen lassen, um die Thürme an den Thoren
und die Hallen zu sehen. Dies geschah und bei der Rückkehr
fragte der Chalif den Gesandten, wie ihm die Stadt gefallen habe?
Er antwortete: sehr gut! Die Bauart ist schön, die Stadt ist gut
Wiistenfeld, Jäcüt's Reisen. 401
befestigt, nur hast du deine Feinde bei dir mitten darin. — Wer
sind die? — Die Kaufleute; nämlich die Kundschafter kommen aus
allen Gegenden als Kaufleute verkleidet und betreten ungestört die
Stadt, oder die Kaufleute, welche die grossen Städte bereisen, legen sich aufs Kundschaften, und wenn sie erfahren haben, was sie wissen
wollten, kehren sie um, ohne dass Jemand etwas davon gemerkt
hat. — el-Mancur schwieg; nachdem aber der Gesandte abgereist
war, befahl er, die Kaufleute aus der Stadt zu entfernen; er beauf¬
tragte Ibrähim ben el-Chuneisch und Charräsch ben el-Musajjib el-
Jemäni, zwischen dem Canal el-Qarät und Nahr 'Isd einen Markt
zu bauen und reihenweise einzurichten und die Buden der Fleischer
ans äusserste Ende zu legen, weil sie die dümmsten und doch wegen
ihrer scharfen Eisen die gefährlichsten wären ; dort wurde auch eine
grosse Moschee errichtet, Allen aber der Eintritt in die Stadt ver¬
boten. Dieser neue Anbau erhielt den Namen el-Karch; es wird
indess eine ganz verschiedene Veranlassung angegeben, dass nämlich
der von den Marktbuden aufsteigende Rauch die Stadtmauern schwarz
gemacht und el-Man^ur hierüber unwillig die Verlegung der Märkte
nach el-Karch befohlen habe. Nach dem Geschichtschreiber von
Bagdad Abu Bekr el-t;hatib wäre el-Wadhdhäh ben Scheiba mit die¬
sem Bau beauftragt und er habe den nach ihm benannten Grund Ca'r
el-Wadhdhäh bebaut, wo die Moschee steht. Ob schon el-Mansür
von den Kaufleuten eine Abgabe erhoben habe oder nicht, wird ver¬
schieden angegeben, gewiss ist, dass el-Mahdi die Weinschenken be¬
steuerte. — Als der Zudrang der Leute sich mehrte und der Platz
zu enge wurde, erboten sich die Kaufleute ihn auf ihre Kosten zu
erweitern und dies wurde genehmigt. Durch die Vergrösserung der
Stadt kam el-Karch in der Folge mitten liinein zu liegen, jetzt ist
es ein einzeln stehendes Quartier, da die Umgebung rings herum
gänzlich verfallen ist; nach Südost liegt das Quartier des Ba^ra-
Thors reichlich so weit entfernt, als ein Pferd in einem Rennen
läuft; nach Süden in etwas geringerer Entfernung das Quartier am
Canal der Pfannenschmiede (Nahr'el-Calläin), links davon das
Quartier am Thore von el-Muhawwal, daneben der Canal el-Qarät
und im Westen mehrere Quartiere des eigentlichen Bagdad. Die
Bewohner dieser umliegenden Quartiere sind sämmtlich Sunniten,
meistens Hanbaliten, während die Bewohner von el-Karch Schi'iten
sind, und es haben oft blutige Kämpfe zwischen diesen Parteien
stattgefunden. An der Stelle des Quartiers Nahr el-Calläin, dessen
Canal aus dem Karchäjä, einem Ausflusse des Nahr 'Isä abgeleitet
ist, stand vor der Erbauung Bagdads das Dorf Wart häl; auf der
Westseite stösst el-Schünizia, der Begräbnissplatz vieler From¬
men und Gelehrten, auf der Südseite der Canal Täbik daran, der
ebenfalls aus dem Karchäjä abgeleitet ist, dessen Umgebung aber in
einem Streite zwischen den Bewohnern und denen des Mühlenthores
eingeäschert worden ist.
402 WüntenfeUl , Jäcät's Heisen.
iNachdem el-Mansür seine Bauten vollendet hatte, befahl er
seinem Sohne el-Mahdi, als er im J. 151 mit der Armee aus el-
Reij zurückkam, sich auf die östliche Seite des Tigris zu begeben und dort ein Lager zn beziehen ; es wurden dort einige Wohnungen
errichtet, welche anfangs'Askar el-Mahdi d. i. Lager des Mahdi
genannt wurden, nach und nach erweiterte sich dieses Quartier, indem
sich immer mehr dort ansiedelten, es erhielt den Namen Ru(,äfa
und hatte bald denselben Umfang wie die Stadt el-Man(;ur's , und
die dort errichtete Moschee war grösser und schöner als die auf
dem westlichen Ufer. Jetzt ist jene Gegend gänzlich verödet, nur
die Moschee steht noch und daneben belinden sich die Gräber der
'Abbasiden-Chalifen ; es sind Stipendien gestiftet, aus denen Diener
besoldet werden, um die Gräber zu erhalten, sonst wären auch sie
längst verfallen, el-Mustakfi, el-Muti', el-Täi', el-Cädir, el-Cäim, el-Muctadi, el-Mustadhhir , el-Muctafi und el-Mustan^d liegen unter
einem grossen Grabhügel von entsetzlichem Aussehen, den man nicht
ohne Schauder nnd Ehrfurcht zugleich betrachten kann; el-Rädhi hat
ein eigenes Gewölbe für sich hinter der Mauer vonRu^äfa; el-Mustadhi
hat sein besonderes Grab hinter dem Quartier „Schloss 'isd«
auf der Westseite von Bagdad und das Grab des Mu'tadhid und
seiner beiden Söhne el-Muktafi und el-Cähir, sowie das des Muttaki
ist in dem Hause des Tähir ben el-Husein
'Isd ben 'Ali beu 'Abdallah, der Oheim des Chalifen el-Man^ör,
liess den nach ihm benannten Canal Nahr 'tsd anlegen, welcher
aus dem Euphrat bei der Brücke von Dimammä unterhalb el-
Anbär schräg hinüber nach dem Städtchen el-Muhawwal eine
Parasange von Bagdad geleitet wurde, wo er sich in viele Arme
theilte, welche die daran liegenden Felder, Gärten und Lusthäuser
mit Wasser versorgten und sich bei dem Schlosse des 'Isd mit
dem Tigris vereinigten. Es ist indess zu bemerken, dass in dieser
Richtung schon ein älterer Canal vorhanden war, welcher den Na¬
men el-Rnfeil hatte; in dem nachherigen Stadttheile führte eine
Brücke Cantara el-schank hinüber. Von den übrigen zahl¬
reichen Brücken in der Stadt, die den Verkehr erleichterten, zu
dessen Belebung an jeder derselben ein Marktplatz angelegt war,
sah Jäcüt nur noch zwei, die der Oelhändler und die Gartenbrücke.
Die beiden grössten Arme, die sich bei el-Muhawwal abzweigten,
hiessen der grosse und kleine Qarät. Nach anderen Beschreibun¬
gen war ein Qarät lange vor der Erbauung Bagdads vorhanden, wie
auch oben angenommen ist, und er soll von den Säsäniden angelegt
sein, nachdem sie die Nabatäer unterworfen hatten. Zu Jäcüt's Zeit
gab es nur noch einen Canal Qarät, welcher sich von el-Muhawwal
1) Es wird hier nnr ei-Mnctadir nicht erwähnt, welcher in einem Strassen- icampfe das Leben verlor und verstümmelt wnrde; die früheren 'Abbasiden- Chalifen von el-Huta9im bis el-ifn'tamid sind in Sämirrä I>egraben.
Wilsten/elf/ , Jäcütn Reisen. 403
bis nach dorn Dorfe Bädürijä erstreckt, wo cr sieh in mehrere
kleinere Canäle theilt, die in den Tigris fliessen.
.\n dem Nahr 'Isä liegt cl-Jasirijja, ein grosses Dorf zwei
Meilen von IJ.igilad und eine Meile von el - Mul.iawwal , mit einer schönen linickc nnd vielen Gärten ; el-Färisijja zwei I'arasangen
vun Bagdad mit schönen Gartcnanlagen, die ich geselmi habe; hier
steht ein Uoiiknml über dem Grabe des Scheich Mushm ben ei-
ilasan ben Abul-(iud el-Färisi, welcher sich von seinem Geburtsorte
Gür am Dugeil hierher begeben und ein kleines Besitzthum erwor¬
ben hatte und hier im J. ,')!)4 gestorben ist. — el-Rauhä und
nicht weit davon el-Sindijja nach el Anbär zu; Babb uz ein
grosses Dorf zwischen Färisijja und Sindijja, welches ich mehrmals
gesehen habe, ist ein Erbgut der Familie des Wezir Kais el-Küsä;
el-'Acaba nicht weit vom Tigris, Deir el-Tha'älib d. i. Fuchs¬
kloster, welches ich gesehen habe, zwei Meilen von Bagdad oder
weniger, auf dem Wege nach Qar^ar ; das Dorf B a s c h i 1 a vier bis
fünf Meilen von Bagdad, von mir öfter besucht, und die beiden
Dörfer Ober- und Nieder-Qargar selbst, wonach der Canal auch
der Canal von Qaryar genannt wird, letzteres das grössere zwei Para¬
sangen von Bagdad rechts vom Wege nach Kufa, die erste Station
für die Mekka-Pilger.
Weiter unten ist in ähnlicher Weise schon in alter Zeit der
Canal Nahr e 1 - M a 1 i k aus dem Euphrat nach dem Tigris hinüber-
gefülirt; der König Salomo, oder Alexander, oder Acfürschäh ben
Baläscb, der letzte König der Nabatäer, welcher von Ardeschir ben
Bäbek getödtet wurde, werden als die Erbauer dieses Canales ge¬
nannt, an welchem 3C0 Ortschaften gelegen haben sollen, darunter
Wäsit, welches ich gesehen habe, Keilüjeh, Baräthä, el-
D askar a mit einem Betplatze und einem Markte, Hasanabäds,
wo der Chalif el-Näi;ir ben el-Mustadhi ums J. 58.5 ein Jagdschloss
erbauen liess, Tall beni Qubäh, ein gi-osses Dorf, welches ich
gesehen habe, zehn Meilen von Bagdad mit einem Markt und einer
grossen Moschee, und Säbät, wo eine Brücke über den Nahr el-
Malik führt nicht weit von cl-Madäin.
Der jetzige Pallast der Chalifen zu Bagdad wird el-tä^ die
Krone genannt. Ga'far ben Jahjä ben Chälid ben Barmak erregte
durch seinen Hang zum Trinken, Singen und ausschweifenden Leben
beständig Aergerniss und liess sich durch die Ermahnungen seines
Vaters Jahjä nicht davon abbringen, so dass dieser endlich zu ihm
sagte: Wenn es dir nicht möglich ist, deinen schlechten Lebens¬
wandel nur im Verbogenen zu führen, so baue dir selbst ein Schloss
auf der Ostseite des Tigris, versammle dort um dich deine Zech¬
brüder und Sängerinnen und bringe deine Zeit hin entfernt von
anderen , denen deine Lebensweise anstössig ist. Ga'far fing also
an, sich auf der Ostseite mit grossem Aufwände ein Schloss zu
T
404 Wüstenfeld, Jacut's Reisen.
bauen und als es bald fertig war, begab er sich mit seinen Ge¬
nossen dahin, unter denen sich auch Münis ben 'Inn-än befand. Sie
gingen in dem Schlosse umher, fanden es sehr schon und ergossen
sich in Lobeserhebungen; nur Münis schwieg und als ihn Ga'far
fragte: warum bleibst du allein stumm und stimmst nicht mit ein?
erwiederte er: ich meine es ebenso. Ga'far aber merkte, dass er
etwas besonderes im Sinne habe und drang in ihn, sich auszuspre¬
chen, worauf er sagte: Wenn du jetzt vor dem Hause eines deiner
Freunde vorbei kämest und es wäre schöner als dieses, was würdest
du thun? Ga'far' antwortete: Du hast recht, ich verstehe schon-
aber was ist zu machen ? Er erwiederte : Wenn du zu dem Chalifen
kommst und cr dich fragt, so sage ihm, du seist bei dem Schlosse
gewesen, welches du für deinen Gebieter el-Mämün bauen liessest.
(ja'far blieb den Tag über in dem Schlosse und begab sich dann
zu el-Raschid, und als dieser fragte: wo kommst du her? wo bist
du so lange gewesen? erwiederte er: ich war in dem Schlosse
welches ich für meinen Gebieter el-Mämün bauen lasse. — Für el-
Märaün baust du es? — Ja, Fürst der Gläubigen! denn in der
Nacht, wo er geboren wurde, nahm ich ihn auf meinen Arm, bevor
er dir überbracht wurde, mein Vater ernannte mich zu seinem
Diener und er hat mich veranlasst, ihm dies Schloss zu bauen , weil
es eine so sehr gesunde Lage hat; die Kosten sind durch ein Aus¬
schreiben gedeckt bis auf eine Kleinigkeit, die wir aus dem Schatze
des Chalifen als Anleihe oder als Geschenk zu erhalten hoffen. Der
Chalif beruhigte sich damit, bewilligte die noch fehlende Summe
und besuchte das Schloss öfter zur Erholung; Ga'far aber behielt
es als Vergnügungsort und es führte seinen Namen bis zu der Ka¬
tastrophe, die der Herrlichkeit der Barmekiden eiu Ende machte.
Das Schloss war in den Besitz el-Mämün's übergegangen, dessen
liebster Aufenthalt es wurde; er zog das anstossende Feld hinzu,
legte hier eine Reitbahn an, wo er die Pferde tummelte und das
Spiel trieb, im Reiten mit der Lanze nach einer Kugel zu stechen,
und es wurde desshalb nach dieser östlichen Seite hin ein Thor in
das Schloss gebrochen. Dann leitete er aus dem Mu'allä einen
Canal herüber und baute Wohnungen, die den Namen el-Mämünia
erhielten, für die bei ihm angestellten Beamten und Bedienten, und
dies ist die jetzige grosse Strasse zwischen der Garküchen-Halle und
der Panzerfabrik, wo auch el-Fadhl und el-Hasan ben Sahl wohnten,
welche el-Mämün dann nach Choräsän begleiteten. el-Hasan kam
im J. 198 von dort zuerst zurück, um nach der Ermordung el-
Amin's im Namen el-Mämün's von Bagdad Besitz zu nehmen; er
wohnte in jenem Schlosse, welches jetzt das Mämünische hiess, und
als el-Mämün im J. 204 seinen Einzug in Bagdad hielt, bezog er
die Gemächer im Pallaste el-Chuld und schenkte im J. 210 bei
seiner Verheirathung mit Bürau, der Tochter des Hasan, diesem das
Schloss, welches nun das Hasanische genannt wurde. Bürau zog
nach dem Tode el-Mämün's zu ihrem Vater und bewohnte das
Wüsten/ek/ , Jdcüt's Rehen. 405
Schloss, his el-Mu'tamid es von ihr zurückforderte, indem er ihr
eine andere Wohnung anwies. Sie bat um einen Aufschub, um
ihre Sachen zu ordnen, liess ihre Familie und ihre Habseligkeiten fortschaffen- und fing an, das Schloss auszubessern und wie neu her¬
zustellen; sie schaffte neue goldgestickte Teppiche und Polster an,
sorgte für das nöthige Hausgeräth, füllte die Vorrathskammem und
stellte die dazu nöthigen Sklavinnen und Eunuchen an, dann begab
sie sich in die ihr angewiesene Wohnung und liess den Chalifen
wissen, dass er von dem Schlosse Besitz nehmen könne. Dieser
kam und war sehr erstaunt über alles, was er sah, und es gefiel
ihm so gut, dass er von nun an abwechselnd hier und in Sämirra
wohnte und er ist auch in dem Hasanischen Schlosse im J. 279
gestorben und nach Sämirrä gebracht und dort begraben. — Sein
Nachfolger el-Mu'tadlüd erweiterte das Schloss, umgab es mit einer
Mauer und legte eine Menge neuer Wohnungen au; da hierzu auch
die Rennbahn verwandt wurde, so liess er weiter in das Feld hinein
eiue neue Rennbahn einrichten. Dann fing er an, „die Krone"
zu bauen; während der Grund dazu gelegt wurde, unternahm er
den Zug nach Ämid , und als er zurückkam, sah er, dass der Rauch
nach dem Hause aufstieg, das verdross ihn und er baute die so¬
genannte Thorajja d. i. Plejaden, ein Schloss etwa zwei Meilen
von dem Hasanischen Schlosse, und beide wurden durch einen unter¬
irdischen Gang, in welchem die Frauen und Mädchen hin- und her¬
gehen konnten, in Verbindung gesetzt. Dies neue Schloss wurde
durch eine Ueberschwemmung zerstört. Als el-Mu'tadhid im J. 289
starb, vollendete sein Nachfolger el-Muktafi den Bau der Krone
durch den Abbruch des sogen. Schlosses cl-Kämil d. i. das voll¬
kommene, und des weissen Schlosses Kosru's in el-Madäin, von
welchem jetzt nur noch die Säulenhallen stehen; den Bau leitete
Abu 'Abdallah el-Nucuri und von den Backsteinen der Zinnen und
Mauern aus Madäin wnrde der Damm der Krone, Brückenbogen bis
mitten in den Tigris gebaut und das Fundament des Kosru-Pallastes
zu dem Hochbau uud den Zinnen der Krone verwandt. Hiernach
wurden die umliegenden Gebäude und Häuser aufgeführt, darunter
der Eselsthurm, so genannt, weil man, um die aussen herumführende
Treppe hinauf zu kommen, sich eines kleinen Esels bediente; der
halbrunde hohe Thurm gehörte zu den Wirthschaftsräumen. Die
Krone hatte in der Fronte fünf Hallen, jede aus zehn Säulen fünf
Ellen hoch bestehend. Im J. 549 schlug der Blitz ein, das Feuer
wüthete neun Tage, ehe es gelöscht wurde, und verwandelte alles
in einen Aschenhaufen; der Chalif el-Muctafi liess den Thurm in
derselben Form wieder herstellen, aber vou Backsteinen und Gyps,
ohne Marmorsäulen, der Bau wnrde nachlässig betrieben und blieb
nach seinem Tode im J. 555 unvollendet liegen, bis im J. 574 der
Chalif el-Mustadhi ihn wieder abbrechen und das Material verwenden
liess, um den Damm weiter zu führen, und er richtete den inneren
406 Wüstenfeld , Jäcüt's Heisen..
Hofraum ein, wo sich die Imäme znr Huldigung versammeln, und
dieser Platz wird jetzt „die Krone" genannt.
An der Ostseite von Bagdad zieht sich am linken Ufer des
Tigris das Gebiet el-Nahr a wän hinab, welches in das obere
mittlere und untere getheilt wird; das obere beginnt an der Gränze
von Choräsän bei dem P'lusse, welcher bei den Syrern Tamarrä
bei den Arabern Dajäld, bei den Persern Gaur dän (?Gauzarän)
genannt wird; in dem mittleren liegt Ober- und N i e d er - 1 s k ä f ■
das untere erstreckt sich bis nach Wäsit mit deu Orten Gai ga-
räjä, el-Qäfia, gegenüber el-Nu'mänia, und Ueir Cuniiä.
Dieses sehr fruchtbare Gebiet hat in den Kriegen der Selguken
gewaltig gelitten, die meisten Ortschaften sind von den Einwohnern verlassen, viele ganz zerstört.
Stellt man nun diejenigen in der Richtung von Bagdad nach dem
Persischen Meerbnsen gelegenen Oerter zusammen, von denen Jäcüt
sagt, dasg er sie selbst gesehen habe, so findet man, wie es kaum
anders zu erwarten ist, dass er den Weg dahin den Tigris hinunter
also gewiss zu Schiffe gemacht habe , und vorüber an Kalwädsd
eine, und Binnä zwei Parasangen unterhalb Bagdad, ist daim der
nächste grössere Ort die alte Hauptstadt der Säsäniden Tasfünag
oder T ei sif ün (Ktesiphon) von den Arabeni el-Madäin d. i. die
Städte genannt, weil darunter sieben nahe bei einander gelegene Ort¬
schaften verstanden wurden, deren ursprünglich Persische Namen
Aspäpür, Beh Ardeschir, Han bu s ch äp ü r , Darzanidän,
Beh (jundiw Chosruh von den Arabern in Asfänpür, Bahu-
rasir, Ganbusäpür, Darzigän nnd Rumiat el-Madäin
veräudert wurden, indem die beiden Namen Nüniabäds und Knr-
dabäds nnverändert blieben. Unter iimen war Asfänpür die be¬
rühmteste und grösste auf dem östlichen Ufer des Tigris, hier stand
das weisse Schloss, der Pallast der Könige, von welchem ich noch
einen Theil der Bogenhallen gesehen habe, die ans Backsteinen von
etwa einer Elle in der Länge und nicht ganz einen Spaim in der
Breite erbaut sind. Unter den dortigen Bewohnern hatte sich die
folgende Sage erhalten: Als Säpür ben Ardeschir oder Nüschirwän
den Pallast erbauen wollte, befahl er alle Gebäude, die auf dem von
ihm ausersehenen Platze standen, anzukaufen und den höchsten Preis
dafttr zu bezahlen. Es befand sich darunter auch das Häuschen
einer alten Frau, die sich aber hartnäckig weigerte es zu verkaufen,
indem sie sagte: Ich verkaufe die Nachbarschaft des Königs nicht
für die ganze Welt. Dem Könige gefiel diese Aeusserung so, dass
er befahl, ihr Haus stehen zu lassen und noch fester herzustellen;
und ich habe zur Seite des Pallastes ein kleines Gebäude gesehen
mit einer Kuppel vc fester Bauart, und die Leute behaupteten,
WüsUmfeld . Jäcüt's Reisen. AOI
dass dies das Haus der alten Frau sei — Abu Ga'far el-Man(;iir
wollte den Pallast abbrechen lassen, um das Material zur Erbauung
von Bagdad zu benutzen, und als (Chälid ben Barmak davon abrieth,
sagte der Chalif: Du willst dich nur bei den Persern beliebt machen.
Chälid stellte dies in Abrede und meinte, dieses Monument ver¬
diente erhalten zu werden als ein Zeugniss ftir die Macht einer
Religion und eines Volkes, welches das Reich ihres Erbauers ver¬
nichtet habe. Der Chalif hörte nicht auf seinen Rath und gab den
Befehl zur Zerstörung, aber bald sah er, dass die darauf verwandten
Kosten den Nutzen weit überträfen und er stand davon ab. Nun
sagte aber Chälid: Jetzt halte ich dafür, dass du den Pallast zer¬
stören musst, damit man nicht sage, dass du daran vei-zweifelt seist
etwas zu zerstören, was ein anderer gebaut hat, und man kennt
doch den Unterschied zwischen Zerstören und Aufbauen. Die Mei¬
nungen sind getheilt, ob er ihn nun zerstört, oder auch jetzt wieder
den Rath Chälid's unbeachtet und die Monumente stehen gelassen
habe ■— In der Nähe des Pallastes ist das Grab des Salmän
el-Färisf, eines Begleiters des Propheten, welches noch besucht
wird. —
Bahurasir auf dem westlichen Ufer des Tigris, der einzige
Ort von el-Madäin, der noch bewohnt wird und desshalb auch noch
gewöhnlich den Namen el-Madäin führt, liegt sechs Parasangen von
Bagdad ; die Einwohner, grössten Theils Schi'iten von der Secte der
Imämier, nähren sich vom Ackerbau. Ich war mehrmals dort; in
der Nähe liegt auf der Westseite Qar gar, auf der Südseite Za-
rirän, ein Dorf sieben Parasangen von Bagdad an der Hauptstrasse
nach Küfa, ein besuchter Wallfahrtsort, da hier der im J. 564 ver¬
storbene Scheich 'Ali ben Abu Nagr el-Heithami begraben ist. Nach¬
dem Sa'd ben Abu Waccä^ el-Cädisia erobert hatte, zog er nach
Bahurasir, nahm es ein und blieb dort acht bis neun Monate, bis
sie die Saaten zweimal abgeerndtet hatten, dann ging er über den
Tigris, schlug Jezdegird in die Flucht und zerstörte el-Madäin; ein
gi-osser Theil der Einwohner begab sich nach dem eben erbauten
Bagra, andere wurden nach Küfa geführt, um diese Stadt zu grün¬
den. Dies geschah in den Jahren 15 und 16 d. H. — Darzigän,
beinahe eine Parasange von Bahurasir, ist gänzlich zerstört. —
Gundiw Chosruh oder Rümia el-Madäin, ähnlich wie An-
1) Cazwini, Tli. II. p. 304 setzt noch hinzu: Die Pallastdiener beklag¬
ten sich bei Nüschirwän, dass der Raucb, den die alte Frau in ibrem Häuschen mache, die Malereien des Pallastes verderbe ; der König befahl , so oft sie ver¬
dorben seien , sie wieder herzustellen , aber der Frau nicht zu verbieten Ranch zu machen. Die Frau hatte eine Kuh , die jeden Abend zu ihr kam um sich melksn zu lassen; die Diener wickelten dann die Tcppiche der Köuigslialle zusammen, bis die Kub hindurchgegangen und gemolken War, und wieder fort¬
ging, dann breiteten sie die Teppiche wieder aus.
2) Vgl. oben S. 405.
408 WusUnfM, JtieuCs Reisen.
tiochia gebaut, isl bekannt als der Ort, wo cl-Mam.ür den Abu
Muslim el-Choräsäni umbringen liess ').
Von el-Madäin stiomabwärts folgt 15 ä eil anc bän, eine alte
Stadt, von welcher seit langer Zeit nnr noch Trümmer vorlianden
sind; dann el-(iäl oder el-Käl, in der Volkssiirache auch ei¬
ti il oder el-Kil genannt, ein grosses Dorf vier Parasangen unter¬
halb el-Madäin. Deir el-'Äkul Ifi Parasangen von Ikigdad, lag
ehemals dicht am linken Ufer des Tigris und war, so lange el-
Nahrawän bebaut wurde, oinc^ blühende Stadt mit Marktiilät/en ;
jetzt hat der Fluss seinen Lauf geändert, der Ort lit^gt fast um eine
Meile davon einsam in dei- Mitte einer Wüste. In der Nähe liegt
der Ort el-Askün, den ich auf der Ueise nach Wäsit gesehen
habe. — Eine Parasange abwärts folgt Deir Cunnä, ein grosses,
burgähnliches Kloster von einer hohen, festen Mauer umschlossen, jetzt 1 ','2 Meile vom Tigris entfernt, wenn man aber den Fluss herab
kommt, sieht man Abends die Lichter von weitem schimmern. Es
ist dem Mar Märi el-Salich geweiht , jede der hundert Zellen- war
von einem Obstgarten umgeben, sie wurden von den Priestt^'u unter
sich mit 100(1 bis 200») Dinaren verkauft, da der Ertrag eines
Gartens jährlich fiO bis 200 Dinare betrug; mitten hindurch Hoss
ein Fluss. Seit el-Nahrawän verödet ist, sind von dem Kloster nur
noch die Mauern übrig und es wohnen n<ich einige'ärmliche Mönche
darin. Gegenüber liegt das Dorf Ii a när ik am Tigris; es ist in
den Kriegen der Selguken zerstört , weil die Armeen öfter dort
vorüberzogen und dort lagerten. Ebenso stehen von dem dabei
liegenden Städtchen el-Qäfia nur noch Trümmern von Mauern, —
Von hier beginnt auf der Westseite des Tigris das Gebiet von
Wäsit, welches von mehreren ( 'anälen durchschnitten wird , die
aus dem Euphrat kommen und sich in den Tigris ergiessen. Die
beiden oberhalb Wäsit sind mit zwei Nebenflüssen des Tigris oberhalb
Bagdad gleichnamig: der obere und untere Zäb; der obere nimmt
seinen Ausfluss aus dem Euphrat unterhalb Hilla bei dem Ort Sürä
in dem Gebiete von Küfa, durchschneidet den District von Cussin
oder Cüsän und ergiesst sich nicht weit von dem Dorfe Zar fa¬
ni ia oder Zurfänia in den Tigris. Der untere Zäb fällt in der
Nähe von Wäsit in den Tigris; der bedeutendste Ort seines Gebietes
Nahr Säbus liegt an der Landstrasse nicht weit über Wäsit.
el-Nu'mänia, ein Städtchen am Ufer des Tigris in der Mitte
zwischen Bagdad und Wäsit, wird als der Hauptort im Gebiet des
oberen Zäb angesehen; die Einwohner sind Schi'iten und es wird
bei ihnen ein Markt gehalten ; sie haben volles Gewicht und auch
vollwichtiges Geld, wodurch sie sich vor dem übrigen 'Iräk vortbeil¬
haft auszeichnen. Es finden sich dort Lehmgruben wie in dem
gleichnamigen Orte in Aegypten. - Gabbul zwischen el-Nu'mänia
und Wasif auf der östlichen Seite des Tigris, war sonst eine Stadt,
1) Vgl. Weil, fiescb. der Chalifen Bd. 2. S. .32.
Wügten/eld , JäcuCn Jtciseu. 409
jetzt ist es nur nocii ein grosses Dorf; ich liabe es mehrmals gesehen.
Der Cädlii von Oahbul ist zum Sprichwort geworden aus folgender
Veranlassung: Als einst der Chalif el-Mäniun in Begleitung des Ciulhi
Jalijii ben Aktam zu Schiff nach Wäsit fuhr und in die Nähe von
(iabbul kam, lief ein Mann am Ufer iielien dem Schiffe her und
rief mehrmals laut: „Unser (,'ädhi von Gabbul ist ein vortreftTicher Cädhi!" Jahjä lachte darUber und vom Chalifen desshalb befragt, sagte er: <ler Mann ist der Cädhi von Gabbul, er lobt sich selbst.
Jener Cädhi erhielt ein Geschenk, wurde alier abgesetzt ').
Unter Gabbul gleichfalls auf der östlichen Seite folgt der Ort
el-(Mlh an einem Ausflusse des'J'igris, welcher davon Nahr el-Cilh
und dessen Mündung Kam el-(Jilh genannt wird; unter den zahl¬
reichen Ortschaften , die hier dem Ufer entlang lagen , zeichneten
sich besonders die Besitzungen des Wezir el-Hasan ben Sahl aus,
welcher dort die Verheirathung seiner Tochler Bürän mit dem Cha¬
lifen el-Mämün mit unerhöi tcni Luxus feierte. Die prächtigen Lust¬
schlösser hat die Zeit hinwcggcnommeii , so dass man ihre Stätte
nicht mehr kennt - Zu Fam el-Cilh gehören die Dörfer Fämia
und Da ww arä 11, weiterhin kommt e 1 - Ban d ani gi n, weichesaus
einzelnen Gehöften besteht, wo aber ein Markt gehalten wird und
der Sitz eines Emir und eines Cädhi ist; die ausgedehnten Palmen-
pflanzungen scbliessen sich au die von Bäcutiiäjä, dann Bäku-
säjä und das Dorf Mädsaräjä^), welches Nahr Säbus gegenüber
liegt, und zuletzt Bah andif, wo die Muslim unter Dhirär ben
el-Cliattäb zur Zeit der ersten Eroberungen im J. 16 d. H. eine
grosse Schlacht gegen die Perser gewannen. Diese Gegend am ö.st-
lichen Tigris, welche die äusserste Gränze des unteren Nahrawän
bildet, so dass der Gränzort Bahandif von einigen schon zu dem
District von Kaskar gerechnet wird, habe ich nicht selbst besucht, aber Erkundigungen darüber eingezogen.
Näher nach Wäsit auf der Westseite des Tigris liess el-Mu-
waffik, Sohn des Chalifen el-Mutawakkil und Vater des Chalifen
el-Mu'tadhid, den nach ihm benannten Canal el-Muwaffiki an¬
legen, an dessen oberem Ende im Gebiete von Cüsän als Hauptort
Bazaufar, am unteren das Dorf Chosrusäpür oder Chosra-
wia genannt wird, letzteres fünf Parasangen von Wäsit war durch
seine vorzüglich schönen Granatäpfel berühmt. ■— Nur drei Para¬
sangen von Wäsit entfernt liegt das Dorf el-Mubärik mit einem
gleichnamigen Canale, welchen Chälid ben 'Abdallah el-Casri anlegen liess, als er Statthalter von 'Irak wurde. In gleicher Entfernung
aber seitwärts nach Westen ist das Dorf el-Afschülia; zwei bis
drei Parasangen von Wäsit das Dorf el-Zubeidia, noch näher
el-Arhä, Dibtlia und Dau car a (oder Darancara), welches von
1) Vgl. Cazwini, Th. 2. S. 233. — Arab, proverb, ed. Frey tag.
T. I. pag. 336.
2) Wahrscheinlich einerlei mit Uadsarftjä.
410 WünteiifeUl , Jdcut g lleinen.
el-Haggi'ig zerstört wurde, um das Material zur Erbauung von Wäsit
zu beinitzcn, und Kar ägu k hart am Tliore der Stadt.
Die Stadt Wäsit wurde von dem Statthalter el - Haggäg ben
Jüsuf in den Jahren 8;i bis 8G d. H. erbaut und erhielt Ihren Na¬
men „Mittelpunkt" davon, weil sie in der Mitte des Weges zwisehen
Ikgra und Küfa liegt, oder weil sie von Küfa, Madäin, el-Ahwäz
und Ba(;ra gleich weit, nämlich 40 Parasangen entfernt war; einige
erzählen, dass schon vorher ein Ort desselben Namens an der Stelle
gestanden habe. Eiiuui Tlieil des Materials zu ihrer Erbauung lie¬
ferten die Ortschaften cl-Dane ara, el - Z an d a w e rd , Kloster M ä s a r g i s und S a r ä b i t , deren Einwohner, nachdem ihre Hänser abgerissen waren, gezwungen wui'den in die neue Sladt überzusiedeln.
Ihre Anlage mit den Mauern, den Gräben, der grossen Moschee und
dem Schloss des Haggäg kostete 40 Millionen Dirbem. Das Gebiet,
dessen Hauptstadt sie wurde, erstreckte sich gegen Osten bis el-
Tib, gegen Norden auf dem linken Ufer des Tigris bis Fam el-Qilh,
auf dem rechten bis Z.arfämia, gegen Westen bis nach el-Cha tha¬
in ia, dessen District mit dem Bezirke von Bärüsamä zusammen¬
hängt, und im Süden über die Niederungen el-Batäih. Ein Canal
aus dem Tigris, der durch einen Theil der Stadt fliesst, ist von el-
'Abbäs ben Mul.ianinicd , einem Brnder des Chalifen el-Mancür an¬
gelegt und hat davon den Namen Nahr e 1 - K in i r bekommen. Ich
war mehrere Male in Wäsit und sah die Stadt in grossem Flore,
von vielen Dorfein umgeben mit Anlagen von unzähligen Palmen;
trotz der Grösse der Stadt waren die Lebensmittel sehr billig; 12
Hühner für einen Dirhem, 24 Küken für einen Dirhem, 40 runde
Kuchen für einen Dirhem, 150 Maass Milch für einen Dirhem und
alles übiige in deinselben Verhältnisse ; eine grosse Melone kostete zwei Dirbem.
Unterhalb Wäsit liegt el-Baiiha, plur. el-Batäih d. i. die
Niederung, die Marschgcgend , eine weite Laiidstrecke, welche vor¬
mals aus einer ununterbrochenen Reihe von Dörfern und bebauten
Feldern bestand. Zur Zeit des Kosru Aperwiz erreichten die Flu¬
then des Tigris eine uugewöhnliihe Höhe und da zu gleicher Zeit,
wie es sonst nicht zu geschehen iiflegte, auch der Euphrat sehr
anwuchs, so war cs unmöglich , die Flüsse in den Dämmen zu hal¬
ten; die Ströme ergossen sich über die Läuder, Felder und Saaten
und die Bewohner mussten flüchten. Nachdem das Wasser sich
wieder verlaufen hatte, wollte der König den Schaden ausbessern,
da ereilte ihn der Tod. Sein Sohn und Nachfolger Schirweih re¬
gierte zu kurze Zeit, dann kam ein Weiberregiment, welches der
Sache nicht gewachsen war, uud im Anfang des Isläm dachten die
Muslim nur an Krieg und Unterjochung, aueh besassen sie keine
Kenntniss von der Landwirthschaft. Sobald aber ihre Herrschaft
befestigt war, wandten sie ihre Aufmerksamkeit auf die Marschen;
allein die Schleusen waren gänzlich zerstört und das Wasser hatte
die ganze Niederung eingenommen. Die Statthalter stellten indess
WüstenfcU, Jäcats Jieisen. 411
zu Schiffe weitere Nacliforschuugeu an und fanden, dass einige höher
gelegene Orte vom Wasser nicht erreicht seien ; hier wurden also
Dörfer angelegt und Leute hingeschickt, welche die Felder mit Keis
bestellten. Zn Anfang der Regierung der Banu Buweih (J. 321 d. H.)
empörte sich die dortige Bevölkerung, verschanzte sich hinter ihren
Canälen und Schiffen und sagte sich von dem Gehorsam gegen den
Sultan los; das Wasser bildete für sie natürliche Festungsgräben,
und weder den Banu Buweih, noch deu Selguken gelang es, sie zum
Gehorsam zurückzuführen, bis nach dem Sturze der letzteren (im
.1. 590 d. II.), ais die 'Abbasiden die Zügel der Regierung wieder
etwas selbständiger ergriffen, die Marschbewohner sich ihren recht¬
mässigen Obeihcrren wieder unterwarfen. — Jetzt theilt sich der
Tigris, sobald cr Wasit verlassen hat, in fünf grosse Arme, die
sämmtlich schiffbar sind: Nahr Sasi, Nahr el-Garräf, Nahr
Dada, Nahr Ga'far und Nahr Meisau, welche alle bei dem
Dorfe Mat ära wieder zusammenfliessen und sich mit dem Euphrat
vereinigen.
(Jäcüt erwähnt bei keinem Orte zwischen Wäsit und Bagra auf
der westlichen Seite des Tigris, dass er ihn gesehen habe und es
ist ungewiss, ob die von ihm genannten in der hier angenommenen
Reihenfolge liegen.)
Bädsawerd, eine Stadt in der Nähe von Wäsit nach Bagra
zu, ist jetzt zerstört, indess wird der Hauptarm des Tigris von
Bagra bis diesen Augenblick noch nach diesem Orte Bädsawerd ge¬
uannt. — Zandawerd, eine Stadt mit einem Kloster in der Nähe
von Wäsit auf der Seite nach Bacra, wurde bei der Erbauung von
Wäsit zerstört. — Säsi ein Doii unterhalb Wäsit. — Bäds'ibin
ein grosses Dorf wie eine Stadt unterhalb Wäsit am Ufer des Ti¬
gris. — el-Qinijja ein Städtchen unterhalb Wäsit. — el-Zäwia
ist eiu Ort in dei- Nähe von Bagra, wo im J. 83 d. H. zwischen
el-Haggäg und Abd el-Kahiiiaii ben Muhammed ben el-Asch'ath die
berühmte Schlacht geschlagen wurde, in welcher von beiden Seiten
eine grosse Anzahl blieben ■); zwischen Wäsit und Ba(,-ra liegt auch
ein Dorf Namens el-Zäwia am Canal von cl-Bazzäz ^) und gegen¬
über ein anderes Namens el-II ania. — el-Dah där, eine schöne
Stadt, wenn man \on Wäsit kommt, etwa 20 Parasangen diesseits
Ba<,ia, mit einem alten Kloster Deir el-Dahdär aus der vor¬
islämischen Zeit, welches von vielen Mönehen bewohnt wird und
bei den Christen in grossem Ansehen steht; es liegt au der Mün¬
dung des nach ihm benannten Klostercanals , Nahr el-Deir; der
grösste Thcil des Porzellans, welches man in Bagra trifft, wird dort
\erfertigt. — Auf dem Wege von Wäsit nach Bagra zur Rechten
liegt ein grosser Bezirk Namens el-Scharta, dessen Bewohner
1) Vgl. Weil, «usi-h der Clmlitoii. Bd. 1. 8. 453.
2) Der Xame Zäh ! a ., Winkel" scheint darauf hinzudeuten, dass der Ort auf einer Landspitze lag.
412 Wiistcti/clil , JäcuCn Jl^iscn.
sämmtlicli sicli /u der Iii lehre der Ishäk-Nugeiricr bekennen; aus
einem Dorfe dieses IJezirkes, 'Acr el-Sadan, stammt der Sectirer
Sinän, welcher die Lente zum Anschluss an die Lehre der Ismä'ili- ten aufforderte, sie zu abscheulichen HainllunKcn verleitete wie kei¬
ner vor ihm noch nach ihm und daneben durch seinen schmutzigen
Geiz berüchtigt war. — Zakijja, ein grosses Dorf zwischen Wäsit
und Ba<;ra, gehört schon in den District der letzten Stadt. - -
S i rj ä in der Nähe von Tiacra auf dem Wege nach Wäsit mitten
in dem Nabatäischen Schilfe ist wegen seiner zahllosen Mücken¬
schwärme zum Sprichworte geworden ; bei Tage siebt man sie nicht,
aber bei Nacht erscheinen sie, und wenn die Reisenden bei Aliend
nicht leinene Tücher als Zelte wie Netze über sich aussjiannten,
würden sie uiiikonimeii. — Die Gegend Baläs zwischen Wäsit und
Bagra wird von Arabern bewohnt, bei denen eine vorzügliche Race
von Pferden gezogen wird.
Nach einer alten Sage lag zur Zeit des Därä ben Därä (Darins)
an der Stelle von Wäsit eine Stadt Namens A fr uni a und der
Tigris floss in dem östlichen Flussbette (iaucliä an der Stadt el-
Madsär vorüber '); unter der Regierung des Behräm Gür kam
eine grosse Ueberschwemmung, welche die Dörfer und Felder in den
an die Arabische Wüste glänzenden Niederungen überfiuthete. Da¬
mals änderte der Tigris seinen Lauf und Hess nicht mehr in seinem
Hauptstrome über el-Madsär, sondern durch die Marschen. An der
Stelle von Bagra standen die Dörfer der 'Aditen, denen sich aus
Furcht niemand zu nahen wagte, und der Tigris hatte nur den einen
Canal bei der von Alexander d. Gr. erbauten Stadt el-Obolla. In
den Ortschaften der Niederung brach hiernach die Pest aus; die
davon Befallenen ergriffen die Flucht, ohne zu wissen, wohin? ihre
Angehörigen folgten ihnen mit Nahrungs- und Heilmitteln, fanden
sie aber todt und kehrten zurück. Am ersten des Monats Ferwerdin
sandte Gott einen Regen über die Todten und erweckte sie wieder ;
sie kehrten zu den Ihrigen zurück und der damalige König sprach :
das ist ein Newrüz d. i. neuer Tag ; daher wird er seitdem als
Festtag gefeiert. — Eine andere nur wenig verschiedene Sage ver¬
legt diese Scene nach dem Dorfe Dä war dän, eine Parasange öst¬
lich von Wäsit und setzt hinzu, dass an der Stelle, wo die Todten
auferweckt wurden, dem Propheten Hesekiel ein Kloster erbaut
wurde, an welchem man auf dem Wege von Bagra nach 'Askar
Mukram vorüberkommt.
Dies führt uns auf die Ostseite des Tigris, wo wir die Lage
der Orte nach Jäcüt's Angabe wieder genauer verfolgen können.
Das Gebiet von Wäsit von der Gränze von Nahrawän bis zum Aus¬
flüsse des Tigris ins Meer, so dass selbst Bagra von einigen mit
eiubegriffen wird, führt den Namen Kaskar, und wiewohl Chosru¬
säpür der Hauptort, sowie das ebenfalls dahin gehörige Dorf el-
1) Der Arm, welcher gegenwärtig wieder am meisten befahren wird.
WüstenfeUl, Jäcüt's Iteisen. 413
Mub ari k zur Zeit der Perser, ehe Wasit erbaut wurde, auf dem
rechten Ufer lagen, scheint bei den Arabeni unter Kaskar vorzugs¬
weise die östlich von Wäsit gelegene I.andstrecke verstanden zu
werden, da die von ihnen dazu gerechneten Ortschaften grössten
Tlieils nach dieser Seite hin liegen. Das ganze Gebiet zeichnet sich
durch seine Hühner- und Entenzucht aus, die Fruchtbarkeit ist aber
überhaupt so gross, dass der jährliche Ertrag auf zwölf Millionen
Mithkäl geschätzt wird. Die einzelnen hierher gehörigen Orte sind:
el-Sacätia, vielleicht auf der Seite von Wäsit, wo Abu 'Obeid
ben Mas'üd el-Thakeii den Persern unter ihrem Anführer el-Narsän
(Narses) eine bedeutende Niederlage beibrachte»). — 'Abdasi, ein
Ort, der von den Arabern zerstört wurde, dessen Name sich aber für
die dortigen Ländereien erhalten hat. — Bargünia, ein Dorf auf
dem östlichen Utcr des Tigris, Wäsit gegenüber, ein Vergnügungsort
mit vielen Palmen und andeien Bäumen und dem Grabe des von
el-Haggäg hingerichteten berühmten Traditionslehrers Sa'id ben Gu-
beir ''). Nicht weit davon , etwa eine Parasange von Wäsit steht
die Kirche der Christen 'Onir Kaskar, der Sitz eines Metropoli¬
tan, von Palmengärten so dicht umgeben, dass man sie nicht eher
gewahr wird, bis man dicht vor den Mauern steht. Der Canal el-
Garräf bildet einen District, der zu den Marschen gehört, worin
viele Dörfer liegen. Den in der Nähe von Dada beginnenden Canal
hat Abul-Asad, ein Feldherr des Chalifen el-Mangür, anlegen oder
erweitern lassen, da er für Schiffe zu eng geworden war; er führt
von ihm den Namen Nahr Abil-Asad und fällt bei Matäia wieder
in den Tigris. Nicht weit von Nahr Dada liegt im Schilfsumpf
das Dorf el-Mar ijj a und nahe dabei das Dorf el-Hania, wel¬
ches ich gesehen habe. Auch in dem Gebiete von Nahr Ga'far
zwischen Wäsit und Nahr Dada liegen zahlreiche Dörfer. Den
gleichen Namen Nahr Ga'far führt auch ein Canal, der von Ma-
tära auf der Ostseite des Tigris nach Bagra hinunterfliesst; ich bin
dort gewesen , dieser Ga'far war ein Freigelassener des Salam ben
Zijäd und Charigit. — el-Gämida ist ein grosses Dorf, welches
ich mehrmals gesehen habe, gegenüber am Tigris liegt das Dorf
el-Iskanderia 15 Parasangen unterhalb Wasif.
Nach seiner Vereinigung mit dem Euphrat bei dem Dorfe
Matära erhält der Tigris den Namen Tigris von Ba^ra oder Diglat
el-'Äurä d. i. der Tigris ohne Wasser, selten bloss el-'Aurä,
weil ungeachtet dieser Vereinigung die Wassermasse nicht zugenom¬
men zu haben scheint , da sie sich sofort wieder in mehrere Arme
vertheilt, von denen zu Zeiten kaum einer genug Wasser führt, ura
grössere Schiffe zu tragen, manche sich sogar im Sande verlaufen.
Vor Alters schon ergoss sich ein Ausfluss el-Gaubarra genannt
in einen grossen Teich drei Parasangen oberhalb Bagra; die Be-
1) Vgl. Weil, Gesell, der Chalifen. Bd. 1. S. 59.
2) Vgl. Weil, a. a. 0. Bd. 1. 8. 495.
Bd. XVlll. 28
414 WiisteH/eUl , Jaeut's Reisen.
woliner der Umgegend hatten dort Kübel und alle zum Waschen
nöthigen Geräthschaften, und wuschen daselbst ihre Kleidungsstücke
daher hiess dieser Arm in der Heidenzeit Nahr el-Iggäna d. i'
der Waschkübel-Fluss , im Islam erhielt er den Namen Chazzäz.
Mit ihm stand vor Zeiten der Nahr Azzä in Verbindung, in wel¬
chem der Fisch Azzä gefangen wurde; die Anwohner waren Araber
vom Stamme Tha kif und einem gewissen Harrän schenkte der
Chalif 'Othmän dort ein Grundstück. Nicht weit davon bei Qei¬
ni ara, einer Gegend mit vielen Dörfern, mündet der Nahr Ma'kü
aus. Nach el-Wäkidi befahl der Chalif 'Omar seinem Statthalter
Abu Müsä el-Asch'ari, bei Bagra einen Canal anzulegen und die
Aufsicht darüber dem Ma'kil ben Jasär, einem Gefährten des Pro¬
pheten Muhammed, zu übertragen. Nach anderen richtete erst el-
Mundsir ben el-Gärüd an den Chalifen Mu'äwia ben Abu Sufjän
eine Vorstellung, dass er dort einen Canal anlegen mochte; den
Bau leitete Zijäd und als er fertig war, wurde zur Einweihung
der ehrwürdige Ma'kil eingeladen, dessen Namen er dann erhielt.
Der Canal zieht sich im Halbkreis um die Stadt Bagra herum und
vereinigt sich unterhalb wieder mit dem Arme des Tigris, der nach
Obolla fliesst.
Bagra. Nachdem die Perser aus Arabien hinausgeworfen wa¬
ren, drangen die siegreichen Muslim immer weiter gegen den Euplirat
vor, eroberten Hira und zogen von hier den Fluss hinab, während
die Armeen aus Jemäma und Bahrein ihnen entgegen kamen , um
sich mit ihnen zu vereinigen. Am unteren Euphrat lag D eh isch t-
abäd, ein Hauptwaffenplatz der Perser mit einem festen Schloss,
welches nach kurzem Widerstande erobert und zerstört wurde und
davon den Namen el-Chureiba d. i. die kleine Zerstörung erhielt.
Indess hielten cs die Araber für angemessen, dort wieder zum eige¬
nen Schutze Festungswerke anzulegen und sie bauten nahe bei ein¬
ander sieben verschanzte Plätze, zwei bei el-Chureiba, zwei in dem
Districte el-Zäbüca, zwei in dem nachherigen Quartier der Banu
Tamim und einen an der Stelle des Quartiers der Azd in Bagra.
Von hier aus unternahmen sie nur 600 Mann stark unter Anfüh¬
rung des 'Otba ben Gazwän einen Zug gegen Obolla, welches sie
einnahmen, woi'auf sie mit vieler Beute sich nach cl-Churciba zu¬
rückzogen. Um aber die Winterquartiere nicht zu weit rückwärts
verlegen zu müssen, erbat sich 'Otba von dem Chalifen 'Omar die
Erlaubniss, eine neue Stadt anlegen zu dürfen, und nachdem er ihm
die Umgebung seines damaligen Standortes genau beschrieben hatte,
gab 'Omar seine Einwilligung und 'Otba legte im J. 1 4 d. H. den
Grand zu der Stadt Bagra am östlichen Ende der Wüste el-Dahnä,
welche Syrien von Arabien trennt. Er baute die Moschee aus Schilf¬
rohr, daneben eine Wohnung für den Emir auf dem Plane der Banu
Häschim, wo sich auch die Canzlei und das Gefangenhaus befanden
upd in der Folge wegen der Nähe des Wassers die Bäder der Emire
angelegt wurden. Weun sie nun einen Feldzug unternahmen, zogen
Wüäten/cld, Jäcüt's Reiseu. 415
sie das Schilfrohr aus, sammelten es in Bündel und hoben es auf
bis zu ihrer Rückkehr, wo sie dann den Bau wieder herstellten.
'.Vbd el- Rahman ben Abu Bakra war das erste Kind, welches,
während 'Otba in el-Churciba lagerte, in der neuen Stadt geboren
wurde ; sein Vater schlachtete ein Camel und speiste davon die Ein¬
wohner von Ba(.'ra. Dieser Abu Bakra war auch der erste, welcher
in Bagra Palmen anpflanzte. Das erste Haus, welches hier gebaul
wurde, war das des Näfi' ben el-Härith, dann das des Ma'kil ben
Jasär el-Muzenf.
Das Truppencorps, welches 'Otba commandirte, wurde noch im¬
mer als ein Theil der Armee des Sä'd ben Abu Waccäg angesehen,
und 'Otba ärgerte sich, dass ihm Sa'd fortwährend schriftliche Ver- haltungsmaassregeln und Befehle in Bezug auf die Kriegsführung gegen
die Perser zukommen liess. Er beschwerte sich desshalb bei dem
Chalifen und dieser willfahrte seinem Gesuche nach Medina kommen
zu dürfen, ura ihm seine Sache vorzutragen. Er hatte den Ober¬
befehl über die Truppen dem Muschägi' ben Mas'üd el-Sulerai über¬
tragen und ihn zu einem Feldzuge gegen die Perser ausgesandt, und
ernannte für die Zeit seiner Abwesenheit den Mugira ben Schu'ba
zu seinem Stellvertreter in Bagra. Nur mit Mühe liess sich der
Chalif bewegen, dem 'Otba ein von Sa'd unabhängiges Comraando
zuzugestehen, indess stürzte 'Otba auf dem Rückwege nach Bagra
von seinem Camele und starb auf der Stelle. — Inzwischen hatte
der Persische Präfect von Meisän, welchen 'Otba unterworfen hatte,
sich empört und bedrohte Bagra; el-Mugira zog ihm entgegen, traf
ihn bei Mun'arag, schlug und tödtete ihn und machte darüber
einen Bericht an 'Omar. Dieser fragte den noch in Medina anwe¬
senden 'Otba, wie es komme, dass el-Mugira den Bericht einschicke,
da doch Muschagi' die Truppen befehlige? 'Otba erwiederte, Mu¬
schägi' sei abwesend gewesen und Mugira eigentlich nur rait der
Verrichtung des Gebetes beauftragt. Der Chalif raeinte jedoch , ein
Städter (Mugira war aus el-Täif gebürtig) passe besser für das
Obercoraraando, als einer aus der Wüste (Muschägi'), und ernannte
desshalb nach 'Otba's Tode den Mugira zum Stetthalter in Bagra.
Als el-Mugira wegen einer skandalösen Geschichte zwar freigespro¬
chen, aber versetzt wurde, kam Abu Müsä el-Asch'ari im J. 19 an
seine Stelle, welcher anstatt des Schilfrohrs die Mauer der Moschee
und der Wohnung des Emir von Backsteinen aufführen liess. Unter
'Othmän war 'Abdallah ben 'Ämir ben Kureiz Statthalter, während
'Alfs Chalifat 'Abdallah ben el-'Abbäs; ihm folgte unter Mu'äwia
im J. 45 dessen Bruder Zijäd ben Abihi, welcher die Moschee be¬
deutend erweitern und rait einera hölzernen Dache versehen liess.
Die Nordseite der Moschee war durch das anstossende Haus des
Näfi' ben el-Härith verdeckt und dessen Sohn 'Abdallah wollte es
nicht verkaufen; desshalb behielt die Moschee eine unregelraässige Form, bis der nächste Statthalter 'Obeidalläh ben Zijäd die Gelegen¬
heit wahrnahra, dass 'Abdallah ben Näfi' auf sein Landgut „das
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416 WüstenfeUl , Jäcüt's Reisen.
weisse Schloss" verreist war, da liess er schnell von dem Hause soviel abreissen, dass die Mauer der Moschee hinausgerückt werden
konnte, um ihr die Quadratform zu geben. 'Abdallah war darüber
sehr ungehalten, liess sich aber beruhigen, da er für jeden Fuss
seines Hauses auf der anderen Seite fünf Fuss wieder bekam und
ihm gestattet wurde in die Mauer der Moschee ein Fenster zu bre¬
chen und diesem gegenüber in seinem Speisezimmer ein anderes
anzubringen, sodass er von hier in die Moschee sehen konnte. Diese
beiden JFenster blieben, bis el-Mahdi auf el-Raschid's Befehl das
ganze Haus, sowie die Wohnung des Emir zur Moschee ziehen Hess.
Unter Chälid ben 'Abdallah el-Casri ums J. 120 d. H. hatte
die Stadt Bagra eine Ausdehnung von zwei Parasangen in die Länge
nnd fast ebensoviel in die Breite. Nach einem eigenthümlichen
Sprachgebrauch hingen die Einwohner von Bagra an die Namen von
Personen die Silbe än, um die ihnen zugehörenden Grundstücke,
Landhäuser und Dörfer zu bezeichnen, und aus der grossen Menge,
welche Jäcüt aufführt, wollen wir einige derselben ausziehen. Das
Grundstück des oben genannten Näfi' ben el-Härith el-Thakefi hiess
Näfi'än; Muhallabän war benannt nach el-Muhallab ben Abu Qufra;
Cheiratän nach dessen Frau Cheirat, einer Tochter des Dhamra
von Cureisch; Tal ikän nach Chälid ben Talik el-Chuzä'i, Cädhi
von Ba^ra; Hafgän, Omajjän, Ha*kamän und Mugiratän
nach den vier Brüdern Hafg, Omajja, el-Hakam und el-Mugira,
Söhnen des Abul-'Agi el-Thakefi; 'Abdallajän nach'Abdallah ben
Abu Bakra; 'Abd el-Rahmanän nach'Abd el-Rahman ben Zijäd ;
Humränän nach Humrän ben A,bän, einem Freigelassenen des
'Othmän ben 'Affän; Cuteibatän nach Cuteiba ben Muslim. Su-
weidän war ein Grundbesitz von 400 Acker, der dem 'Obeidalläh
ben Abu Bakra gehörte; dieser besuchte einst den kranken Suweid
ben Manhüf el-Sadüsi und auf seine Frage : wie befindest du dich ?
antwortete er: gut, wenn du willst. Das will ich schon, sprach
jener, aber wie? Er erwiederte: Wenn du mir soviel schenkst, als
du dem Ibn Ma'mar geschenkt hast, so habe ich keine Sorgen. Er
schenkte ihm das Gut, welches dann nach seinem Namen Suweidän
genannt wurde. Bilälän ist ein Grundstück, welches Biläl ben
Abu Burda dem 'Abbäd beu Zijäd abgekauft hatte.
Aus dem Tigris siud zahllose Canäle abgeleitet, welche nicht
nur die Stadt Bagra, sondern auch die umliegenden Landhäuser mit
Wasser versehen und in weiter Ausdehnung die Felder bewässern,
und da die Fluth aus dem Persischen Meere bis Bagra hinauf reicht,
so erfolgt die Bewässerung von selbst Die vorzüglichsten dieser
Canäle sind: Nahr el-Emir, von dem Chalifen el-Mangür ange-
1) Der Lauf des Tigris iiat sich hier vor etwa 300 Jahren bedeutend ge¬
ändert, so dass die Ruinen des alteu Ba^ra jetzt fast zwei Deutsche Heilen landeinwirts liegen ; Neu-Bafra ist im 17. Jahrhundert wieder an das Ufer des Tigris gebaut.
WüstenfeM, Jäcüt's Reisen. 417
legt und seinem Sohne Ga'far geschenkt, hiess Nahr Emir el-Mümi-
nin und dann kürzer Nahr el-Emir. — Nahr Harb, nach Harb
ben Salam ben Zijäd ben Abihi benannt. — 'Abdallah ben 'Omeir
el-Leithi hatte von 'Abdallah ben 'Amir ben Kureiz 8000 Acker
zugetheilt erhalten, durch welche er einen Canal hindurchführte, der
den Namen Nahr Ihn 'Omeir erhielt. Beide waren Stiefbrüder
und von ihrer Mutter Daggäga, Tochter des Asmä ben el-Qalt el-
Sulemi, hat ein Canal den Namen Nahr Umm Abdallah. —
Zijäd ben Abihi hatte jeder seiner Töchter 60 Acker zugetheilt und
diese durch einen Canal bewässert, welcher davon Nahr el-Banät
d. i. Canal der Töchter benannt wurde. — el-Mar gäb ist ein
von Baschir ben 'Obeidalläh ben Abu Bakra angelegter Canal und
nach dem Flusse bei Marw benannt. — In der Nähe war auch der
Nahr el-Kindi 1 mit einera Landstriche, den er bewässerte.
Man erzählt über diesen Ort folgende Anecdote. Ein vornehmer
Basrenser hatte einen Sohn, der durch schlechte Gesellschaft nicht
zum besten gerathen war ; eines Tages äusserte er indess den Wunsch,
die Wallfahrt nach Mekka zu machen, und der Vater, hierüber sehr
erfreut, beeilte sich, die Vorbereitungen zur Reise zu treffen. Der
Sohn wünschte auch einige seiner Freunde mitzunehmen nnd als
der Vater nach ihren Naraen fragte, ura auch für ihre Reisebedürf¬
nisse zu sorgen, nannte jener den Abu Sarcana, Abu Salha, Abul-
Masälih und andere da sprach der Vater: wenn du diese rait
dir nimmst, werden sie die Ka'ba rait ihrem Unrathe besudeln, aber
führe sie nach unserem Landgute el-Kindil, das hat des Unrathes
nöthig.
Schalt'Othmän d. i.'Ofhmäns Strand heissen die Ländereien
längs des Tigris unterhalb Bagra, bis zum Kloster Gäbil, von wo
sich ein Canal bis Nahr Näfids hinaufzog, bevor der Canal el-
Feidh in dem nach ihm benannten Quartiere gegraben wurde; der
Chalif 'Othmän ben 'Affän hatte ira J. 29 dera 'Othmän ben Abul-
'Agi diese Gegend zugetheilt, welcher sie zuerst anbaute.
el-Mir bad d. i. die Hürde, war der Viehraarkt von Bagra,
wo die Caraele eingesperrt waren ; die Zusammenkünfte wurden aber
nicht bloss zu Marktgeschäften benntzt, sondern es wurden dort
auch Gedichte vorgetragen ; sonst war der Weg dahin eine ununter¬
brochene Reihe von bebauten Feldern und Wohnungen, jetzt ist die
Gegend zerstört und der Ort liegt abgesondert drei Meilen von der
Stadt mitten in einer Wüste. — In der Nähe der Stadt befanden
sich zwei Gehege, 'Irk Nähik und 'Irk Thädik, in denen die Caraele
des Sultans und im ersteren besonders die der Einwohner von Bagra
gefüttert wurden. So lange es keine Leute gab, welche Caraele
vermietheten, musste sie Jeder sich selbst halten und sie wurden
1) Ahmdfeda geogr. par Reinaud, pag. 57: Der Canal el-Kun dul war scbon zur Zeit der Gründung Bahras vorbanden, ist aber jetzt gänzlich zerstört.
2) Lauter Namen mit obscönen Anspielungen.
418 Wünten/eUl , JäcüCs Reisen.
in den Gehegen gefüttert, um jährlich zur Wallfahrt benutzt zu
werden.
Das Quartier Igtefänus (Stephanus) hatte seinen Namen von
einem christlichen Secretär, der zur Zeit des Zijäd und noch nach
ihm gelebt hat. — el-Kallä d. i. der Hafen, ist der Name eines
Quartiers mit einem Markt])latze. —• Unter den Gebäuden der Stadt
zeichneten sich aus das Schloss des Anas ben Mälik, des Dieners
Muhammeds ; das Schloss des Aus ben Tha'laba , der unter den
Omajjaden Statthalter in Choräsän war; Ca(;r el-Zeit d. i. das
Oel-Schloss, in der Nähe des Hafens; und das Schloss des 'Isl vom
Stamme, der Banu Tamim auf der Strasse der Banu Dbabba.
el-0 holla, Stadt am westlichen Ufer des Hauptstromes des
Tigris etwa vier Parasangen unterhalb Ba(,'ra, war vor der Erobe¬
rung der Araber der Sitz eines Persischen Statthalters. Der schon
mehrmals genannte Zijäd legte unter dem Nahr Ma'kil einen Canal
an, der bei Obolla mündete und daher Nahr el-Obolla heisst. Diese
reizende Gegend mit ihren Baumpflanzungen und Parkanlagen wird
ebenso wie das I'hal Güta bei Damascus, Qugd bei Saraarcand und
die Umgebung von Balch von den Arabern zu den Paradiesen der
Erde gerechnet. — Gegenüber auf dem östlichen Ufer des Tigris
liegt die Stadt Gawwith von Persern bewohnt, mit einer zahl¬
reichen Bevölkerung und mehreren Marktplätzen ; ich habe sie mehr¬
mals gesehen. — Bei Obolla beginnt der Canal des Baschschär ben
Muslira el-Bähili. Dieser hatte dem Haggäg ein Pferd geschenkt,
welches alle andere im Laufen übertraf, und er erhielt dafür von
ihm 400 oder 700 Acker Land, durch welche er einen Canal zog,
der nach ihm Nahr Baschschär genannt wurde.
Nun theilt sich der Tigris in zwei Arme, von denen der west¬
liche von den Schiffern befahren wird, die an der Arabischen Küste
hin und nach Bahrein segeln wollen, den östlichen wählen die, wel¬
che nach der Persischen Küste und nach Kisch fahren. Die beiden
Arme bilden zwei Seiten einer dreieckigen Insel, indem die dritte
Seite das Meer bespült, die Perser nennen sie daher Mijän Rau-
dsän d. i. zwischen den Strömen; sie ist bebaut und mit Palmen
bepflanzt, aber der Aufenthalt auf ihr ist sehr ungesund ; die früher
von allem Verkehr abgeschnittenen Bewohner lebten von Vermächt¬
nissen und Geschenken, welche den dort zu Ehren einiger Heiligen, wie 'AU ben Abu "l'älib, errichteten Monumenten dargebracht wur¬
den, und ihre Hauptnahrung bestand aus Fischen. Auf der Land¬
seite am rechten Ufer des Tigris lag Balkan, ein grosses Dorf,
bei welchem die Schiffe aus Indien anlegten; dort stand ein Schloss, in welchem ein von dem Beherrscher von Kisch eingesetzter Statthalter
residirte, um die Abgaben zu erheben, und der Präfect von Bagra
hatte Aier keine Rechte. Ich habe den Ort mehrere Male besucht,
indess fand ich auf meiner letzten Reise in diese Gegenden im J. 588 ')
1) Im Moschtarik 8. 64 steht dafür das Jalir 590.
WüstenfeUl, Jäcüt's Reisen. 419
die Verhältnisse geändert. In Folge eines Streites zwischen dem
Beherrscher von Kisch und dem Präfecten ^on Ba(,ra hatte der
erstere den Sitz seines Einnehmers nach dem Orte-el-Muhriza
auf der Nordsjiitze jener Insel verlegt und Balgän war rasch ver¬
fallen. In der Mitte der Insel liegt der Ort 'Abbädän, nach
welchem sie bei den Ai'abcrn benannt zu werden pflegt.
Von 'Abbädän geht es in die offene See und bei günstigem
Winde erreichen die Schiffe in einem Tage und einer Nacht die
Insel Chärek, welche ich mehrmals gesehen habe ; sie besteht aus
einem hohen Berge, man erkennt von dort die an der Persischen
Küste sich hinziehenden Berge sehr deutlich, und wer gute Augen
hat, kann auch die Orte Gannäba und Mah rü bän liegen sehen.
Auf der Insel befindet sich ein Grabdenkmal, welches besucht und
beschenkt wird und nach der Behauptung der Bewohner das Grab
des Muhammed Ibn el-Hanefia einschliessen soll, was indess den
historisch beglaubigten Nachrichten widerspricht. — Weiter in die
See hinein folgt die Insel 6 i r ä n , eine Meile lang und ebenso breit,
zwischen der Persischen Küste bei Siräf, zu dessen Gebiet sie
gehört, und zwischen 'Omän.
Das Ziel der mehrmaligen Reisen Jäcüts nach jenen Gegenden
war die Insel Kisch (Kis, Kis (jX^^", ^j^) in dem Meere
von 'Omän, einem Theile des Persischen Meerbusens. Die Insel hat
vier Parasangen im Umfange und die gleichnamige Hauptstadt hat
ein freundliches Ansehen und ist von Gärten und bebauten Feldern
umgeben; hier ist die Residenz des Fürsten von 'Omän, welcher
jenes Meer beherrscht und % der Abgaben von el-Bahrein für sich
einnimmt. Sie ist der Ankerjilatz für die Schiffe aus Indien und
von der Persischen Küste, deren Berge man in der Ferne erblickt,
da sie nur vier Parasangen davon entfernt ist. Ich war mehrmals
viermal] dort. Das Trinkwasser wird aus Brunnen und für das
Volk aus den zahlreichen Cisternen genommen, in denen sich das
Regenwasser sammelt; es giebt dort mehrere Marktplätze, die mit
allen möglichen schönen Waaren versehen sind. Der Fürst steht
bei dem Könige von Indien in hohem Ansehen wegen seiner zahl¬
reichen Schiffe; er ist ein Perser und gleicht in Gestalt und Klei¬
dung den Deilemiten, er besitzt viele Arabische Pferde und einen
glänzenden Reichthum. Rings herum liegen viele kleinere Inseln,
die sämmtlich unter der Botmässigkeit des Fürsten von Kisch stehen ;
an den Küsten wird Perlenfischerei getrieben. Ich lernte dort mehrere
Gelehrte kennen und sah ganz vortreffliche Früchte, die aus lg, bei
den Persern ik, einer Stadt am äussersten Ende von Persien im
Districte von Däräbgird, bezogen waren, da sie in ihren zahlreichen Gärten Ueberfluss daran hat »).
1) Cazwini Bd. 2. S. 161 : Die Insel Kis im Persisclien Meere hat vier Parasangen im Umkreise ; die Stadt liat ein schönes , freundliches Ansehen , sie ist mit einer Mauer umgeben. — — Die Inseln umher gehören dem Fürsten 2 S