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GESETZGEBUNG UND RECHTSPRECHUNG

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GESETZGEBUNG UND RECHTSPRECHUNG

Impfpflicht: Inwieweit kann von den Arbeitneh- mern verlangt werden, sich impfen zu lassen?

Ob in der Schweiz ein behördliches Impfobligatorium erlassen wird, ist derzeit noch unklar. Auch unklar ist, welche Bevölkerungsgruppen davon erfasst sein würden. Gestützt auf das Epidemiengesetz (EpG) kann der Bun- desrat bei Vorliegen einer besonderen Lage für vulnerable Personengruppen, besonders exponierte Personen oder Personen, die bestimmte Tätigkeiten ausüben, eine Impfpflicht erlassen (Art. 6 Abs 2 lit. d und Art. 22 EpG).

Das heisst, auch beim Erlass eines Impfobligatoriums würde dieses nicht die breite Bevölkerung umfassen.

Es stellt sich daher die Frage, in- wieweit Arbeitgeber von ihren Arbeit- nehmern ausserhalb eines Impfobli- gatoriums verlangen können, sich zu impfen. Beweggründe hiefür gibt es viele: der Schutz von Heimbewohnern und Patienten, die Wahrnehmung der Fürsorgepflicht durch den Arbeitgeber für die Arbeitssicherheit des Personals oder generell die Sicherstellung des Betriebs durch Reduktion von krank- heitsbedingten Ausfällen. Es bestehen grundsätzlich zwei Möglichkeiten, wie die Impfpflicht bei privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen eingeführt wer- den könnte: mittels Anordnung des Arbeitgebers im Rahmen von dessen Weisungsrecht oder mittels arbeits- vertraglicher Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitneh- mer.

Impfpflicht gestützt auf das Weisungsrecht

Gestützt auf Art. 321d OR kann der Arbeitgeber Weisungen zur Ausfüh- rung der Arbeit und zum Verhalten im Betrieb erteilen. Diese müssen im Einklang mit dem Gesetz und den konkret anwendbaren vertraglichen Bestimmungen sowie sach- bzw. funk- tionsbezogen zur Tätigkeit des Arbeit- nehmers sein. Daneben dürfen sie nicht ungerechtfertigt in die Persön- lichkeitsrechte des Arbeitsnehmers eingreifen. Daher ist eine Interessen-

abwägung zwischen den Persönlich- keitsrechten des Arbeitnehmers und den betrieblichen Interessen vorzu- nehmen. Je gewichtiger die betrieb- lichen Interessen sind, desto weiter kann in die Persönlichkeitsrechte ein- gegri en werden.

Die Anordnung, sich einer Schutz- impfung zu unterziehen, tangiert das Recht des Arbeitnehmers auf körper- liche Integrität. Sie muss daher durch die betriebliche Tätigkeit begrün- det sein und es darf keine milderen Schutzmassnahmen (z.B. Anzüge, Masken etc.) geben, die zum selben Ergebnis führen würden. Eher unzu- lässig dürfte eine Impfpflicht gegen- über Angestellten sein, die ihre Tätig- keit auch im Home-O ce verrichten können.

Eine Weisung des Arbeitgebers kann insbesondere geboten sein, sofern es der Schutz von Rechtsgütern von Dritten und anderen Arbeitnehmern erfordert, z.B., um Berufskrankheiten und Berufsunfälle zu vermeiden. Sind die Arbeitnehmer bei der Verrichtung ihrer arbeitsvertraglichen Tätigkeit in nahem Kontakt zu gefährdeten Perso- nen, z.B. auf Intensivstationen oder in einem Altersheim, kann eine Weisung über eine Schutzimpfung gerechtfer- tigt sein, sofern keine milderen Mass- nahmen zur Verfügung stehen.

Ist eine Weisung des Arbeitgebers rechtmässig, sind die Arbeitnehmer verpflichtet, diese nach Treu und Glauben zu befolgen. Weigert sich ein Arbeitnehmer, eine rechtmässige Weisung zu befolgen, stehen die üb- lichen disziplinarischen Massnahmen zur Verfügung (Verwarnung etc.), wo- hingegen ein körperlicher Zwang in keinem Fall zulässig ist. Unrechtmässi- ge Weisungen muss der Arbeitnehmer dagegen nicht befolgen.

Impfpflicht gestützt auf eine vertragliche Vereinbarung

Denkbar wäre, die Vornahme einer Schutzimpfung vertraglich zu verein- baren. Die Vertragsfreiheit lässt eine solche Vereinbarung zu, solange das Verbot der übermässigen Selbstbin- dung (Art. 27 ZGB) nicht verletzt ist.

Demnach wären vertragliche Verein- barungen, welche die Persönlichkeit zu stark einschränken, unwirksam.

Es ist jeweils eine Gesamtwürdigung der Umstände vorzunehmen, wobei der Schutz der Persönlichkeit der Sachgerechtigkeit der Vereinbarung gegenübergestellt wird. Steht die Impfpflicht in einem funktionalen Zu- sammenhang mit der auszuübenden Tätigkeit und ist sie sachlich gerecht- fertigt, dürfte eine entsprechende vertragliche Vereinbarung im Ein- klang mit Art. 27 ZGB sein. Da eine vertraglich vereinbarte Impfpflicht grundsätzlich an etwas weniger strenge Voraussetzungen gebunden ist, kann sie in einer Pandemiesitua- tion – sofern der Arbeitnehmer expo- niert ist (z.B. wegen Kundenkontakt, Reisetätigkeit) – eher auch ausserhalb der Gesundheits- und Pflegebranche sachlich gerechtfertigt sein als eine Impfpflicht gestützt auf eine Weisung.

Zu beachten ist, dass aufgrund der Ungewöhnlichkeit und Schwere des Eingri s in die Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers die Impfpflicht einzelvertraglich zu vereinbaren ist, d.h., sie könnte nicht im Personal- reglement oder in allgemeinen An- stellungsbedingungen vorgesehen werden.

Bemerkungen

Eine Impfpflicht muss stets auf hin- reichende betriebliche Interessen gestützt sein. Denkbar ist sie in Be- trieben, wo Schutzimpfungen sachbe- zogen notwendig erscheinen und eine starke Gefährdung der betrieblichen Interessen den Eingri in das Per- sönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers rechtfertigt. Dies dürfte insbesonde- re dort der Fall sein, wo Mitarbeiter physischen Kontakt mit Personen aus Risikogruppen haben. In Pandemie- situationen kann eine Impfpflicht auch in weiteren Branchen gerecht- fertigt sein, in denen Arbeitnehmer exponiert sind, insbesondere wenn sie vertraglich zwischen dem Arbeit- geber und dem Arbeitnehmer verein- bart wurde.

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Recht relevant für Verwaltungsräte 2 | 2021

Gesetzgebung und Rechtsprechung wurden aufbereitet von Dr. iur. Thiemo Sturny und lic. iur. Dzevrije Zendeli, beide Walder Wyss AG (Zürich)

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